Das Haus Zamis 23 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1947-6 (ISBN)
Auch Monika und Cothmann standen wie regungslose Statuen da. Ich hatte keine Ahnung, ob ich den Zeitraffereffekt allzu lange würde aufrechterhalten können. Er kostete mich mehr magische Kraft als sonst. Die Aura dieses Ortes schien meine Fähigkeiten zu blockieren.
Ich stürmte die steinernen Stufen hinauf. Meine Schritte wurden schwerer und schwerer. Ich kämpfte gegen einen unsichtbaren Sturm an. Auch die Stufen selbst schienen sich mir zu entziehen. Sie wirkten wie Gummi und veränderten beständig ihre Form. Mehrmals kam ich ins Stolpern.
Aber schließlich hatte ich es geschafft. Cothmann stand mit dem Rücken zu mir. Er befand sich nur noch einen Schritt von Monika entfernt. Das Schwert hatte er bereits zum tödlichen Stoß erhoben.
Seit Cocos Eintreffen in Lemgo häufen sich die Merkwürdigkeiten. Doch die magischen Fallen, die ihr bisher gestellt wurden, sind nichts verglichen mit dem, was sich der berüchtigte Hexenbürgermeister Cothmann noch für Coco ausgedacht hat ...
1. Kapitel
Als ich erwachte, schien die Sonne durch das Fenster.
Ich war im ersten Moment so erleichtert, dass ich aufsprang und juchzte. Ich schaute an mir herab. Es war mein Körper! Und er trug noch immer die Kleidung der vergangenen Nacht. Ich wusste, dass ich erschöpft aufs Bett und dann in einen tiefen Schlaf gefallen war.
Alles andere war ein Traum gewesen: die beiden Bestatter, meine leichenartige Starre, die Fahrt zu den Externsteinen. Und vor allem auch meine Zerstückelung.
Und doch war es kein normaler Traum gewesen. Dazu empfand ich selbst jetzt noch alles als viel zu realistisch. Hatte mir jemand diesen Alb auf magische Weise geschickt? Und wenn ja, was sollte er bezwecken? Der Hinweis auf Asmodi konnte zweierlei bedeuten: Wenn es Asmodi war, der mir diesen Traum auf den Leib gehetzt hatte, so mochte er damit andeuten, wie mächtig er war. Der Traum konnte so als eine Art Abschreckung gedeutet werden, der mich veranlassen sollte, möglichst schnell das Weite zu suchen.
Die andere Möglichkeit war, dass mein Bruder oder sonst jemand, der es gut mit mir meinte, mir einen Tipp geben wollte, in welche Richtung ich meine Nachforschungen anzustellen hatte.
Wie auch immer, ich war derart glücklich, aus diesem Alb erwacht zu sein, dass ich voller Tatendrang war. Ich konnte es kaum erwarten, endlich konkret nach Georg zu suchen. Ich machte mich kurz frisch und zog etwas anderes an. Dann stürmte ich die Treppen hinab. Der Hoteldirektor nickte mir freundlich zu. Auch er hatte in meinem Traum eine seltsame Rolle gespielt. Immerhin hatte er den Bestattern Geldscheine zugesteckt und war ganz froh gewesen, mich los zu werden.
Ich grüßte freundlich zurück und nahm in dem Frühstücksraum Platz. Außer mir waren noch gut die Hälfte der anderen Tische besetzt. Niemand beachtete mich groß. Ich bestellte ein kleines Gedeck und blätterte in der Zwischenzeit in der Landeszeitung, die jemand auf dem Tisch vergessen hatte.
Gleich der Aufmacher versetzte mich in Aufruhr:
Zweiter Mord im Hexenbürgermeisterhaus
In der vergangenen Nacht ist erneut ein Mensch im berüchtigten Hexenbürgermeisterhaus ums Leben gekommen. Es handelt sich um Axel F., jenen Jungen, der verdächtigt worden war, die in der Nacht zuvor umgekommene Christine G. bestialisch ermordet zu haben. Laut Polizeiangaben war Axel F. bereits nachmittags wieder unter Auflagen zu Hause bei seinen Eltern abgeliefert worden, weil man nach den ersten Verhören überzeugt war, dass es sich bei ihm nicht um den Mörder handeln konnte.
Jetzt, nach dem Tode Axel F.s, stellt sich die Frage, ob es richtig war, den Jungen ohne psychologische Betreuung sich selbst zu überlassen. Offensichtlich ist er in der Nacht in das Hexenbürgermeisterhaus eingedrungen, um dort seinem Mörder in die Hände zu fallen.
Viele Fragen müssen gestellt werden. Vor allen Dingen ist jetzt Schnelligkeit gefragt, denn niemand weiß, wer das nächste Opfer sein wird.
Der Aufmacher-Bericht auf der ersten Seite war entsprechend kurz. Offensichtlich hatte man ihn in letzter Minute noch aufnehmen können. Wahrscheinlich würden die Zeitungen erst am nächsten Tag weitere Berichte bringen. Die anderen Artikel in der Zeitung betrafen alle noch den Tod des Mädchens und gaben mir keine Informationen, die ich nicht schon besaß.
Der Ober brachte mir ein Kännchen Kaffee, frische Brötchen und Marmelade, aber mir war der Appetit vergangen. Warum hatte ich nichts von dem Mord mitbekommen? Weil es erst passiert war, als ich das Hexenbürgermeisterhaus bereits wieder verlassen hatte? Geflüchtet war wohl der bessere Ausdruck.
Jedenfalls war die Tür verschlossen gewesen, als Thomas und ich uns Zutritt verschafft hatten. Ich erinnerte mich jedoch nur zu gut, dass die Tür aufgestanden hatte, als ich die Straße erreicht hatte. Thomas musste sie offen gelassen haben. Natürlich, denn er hatte wohl kaum die Zeit gehabt, sie auf seiner Flucht wieder sorgfältig abzuschließen. Nach uns musste dann Axel das Haus betreten haben. Vielleicht hatte er uns sogar beobachtet. Ich wusste es nicht.
Einen Moment kam mir der Gedanke, dass Thomas vielleicht irgendwie mit dem Mord zu tun haben könnte. Es war nur ein Gefühl. Ich hatte nicht gesehen, dass er wirklich das Haus verlassen hatte. Aber ich verwarf den Gedanken genauso schnell wieder, wie er gekommen war. Nein, es war Unsinn, Thomas irgendwie in Erwägung zu ziehen. Die Dämonen des Hauses hatte ich hautnah kennengelernt. Zwar wusste ich nicht, ob es sich wirklich um eine Reinkarnation des berüchtigten Hexenbürgermeisters und seiner Schergen gehandelt hatte, aber zumindest hatten sie deren Gestalten angenommen.
Asmodi.
Ich musste an den Traum denken, in dem mir sein Name in den Sinn gekommen war. Hatte es gar nichts mit dem Hexenbürgermeister zu tun, sondern steckte Asmodi hinter allem?
Ich musste unbedingt Thomas aufsuchen und mit ihm sprechen. Aber wie sollte ich ihn finden? Mir fiel unser gemeinsamer Besuch im Ratskeller ein. Der Wirt schien Thomas gekannt zu haben. Vielleicht konnte er mir verraten, wo er wohnte.
Ich machte mich auf den Weg. Mir fiel auf, dass an jeder Ecke Grüppchen standen und sich angeregt unterhielten. Ich selbst wurde einige Male äußerst misstrauisch beäugt.
Bevor ich den Ratskeller erreichte, hatte ich noch ein bezeichnendes Erlebnis: In einer schmalen Gasse, die von einem Rinnsal gekreuzt wurde, sprang mir unvermittelt eine Kröte in den Weg. Ich erschrak im ersten Moment. Sofort fiel mir wieder der Traum ein, in dem einer der Dämonen das Aussehen einer riesigen, widerlichen Kröte gehabt hatte.
Sie sprang in meine Richtung, und unwillkürlich wollte ich nach ihr treten.
»Nicht! Das dürfen Sie nicht!«
Ich schaute mich erstaunt um und sah einen etwa sechsjährigen, rothaarigen Jungen. Er wirkte wie ein richtiger Lausejunge und schien auch keinen Respekt vor Fremden zu haben.
Ich lächelte ihn an. »Du hast ja recht«, sagte ich. »Man soll keine Tiere töten.«
»Wissen Sie denn nicht, dass es Unglück bringt, eine Kröte zu zertreten? Meine Mutter sagt, es bringt Sturm ...«
Wenn es nur das ist, dachte ich. Dennoch sprach er mit einer Ernsthaftigkeit, die mir zu denken gab. Die Kröte war mittlerweile weitergehüpft und sprang in einen Abwasserkanal. Dann war sie verschwunden.
»Jürgen! Kommst du her! Sofort!«
Der Junge drehte sich um. Seine Mutter stand im Hofeingang und schaute zu uns herüber.
»Eigentlich darf ich nicht mit Fremden sprechen«, sagte der Junge rasch. »Meine Mutter hat mir das verboten. Wegen der Toten.«
Ich verstand. In gewisser Weise hätte ich auch so reagiert. Ich sagte ihm auf Wiedersehen und er lief zurück zu seiner Mutter. Mir wurde bewusst, dass diese Menschen in großer Angst lebten. Plötzlich und unvermittelt war der Tod in ihr beschauliches Städtchen gekommen. Sie wehrten sich dagegen mit Abschottung und Aberglauben.
Als ich den Ratskeller erreichte, stutzte ich. Mit Kreide hatte jemand einen Drudenfuß auf die Schwelle gezeichnet. Allerdings nicht korrekt. Er hatte ihn so gezeichnet, dass er nicht geschlossen und somit als Abwehrzauber wirkungslos war. Mir jedenfalls machte es nicht das Geringste aus, die Schwelle zu überschreiten.
Der Wirt stand hinter dem Tresen.
»Womit kann ich dienen, schöne Frau?«, fragt er mich. »Wie ich sehe, sind Sie heute allein.«
Ich ging nicht darauf ein. »Ich suche den jungen Mann, der mich gestern begleitet hat. Thomas. Leider bin ich zu spät zu unserem Treffpunkt gekommen.«
Während er ein Glas mit dem Tuch sauber wischte, beugte er sich zu mir herab: »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Suchen Sie sich einen anderen Freund! Ich hab da so einiges gehört ...«
Ich sah ihn fragend an.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte er. Ich nickte. Er war mir nicht unsympathisch. Er hatte ein lockeres Mundwerk und schien kein Kind von Traurigkeit zu sein.
»Einen Kaffee.«
Er verschwand in der angrenzenden Küche und kam nach einer Weile wieder herein.
»Also«, begann er. »Ich möchte nichts in die Welt setzen, was ich später bereue, aber in einem Wirtshaus hört man so einiges. Die Leute erzählen vielleicht ein wenig mehr als anderswo, aber vieles davon hat einen wahren Kern. Zumal in einer Kleinstadt wie Lemgo jeder mit jedem irgendwie bekannt ist. Thomas Richter ist ein ganz netter Kerl, aber es gibt Gerüchte, dass er bereits seit einiger Zeit zu diesen Satanisten gehören soll. Vor allem aber auch seine Schwester.«
Ich wunderte mich darüber, dass Thomas mir noch nichts von seiner Schwester erzählt hatte, ließ mir aber nichts anmerken. »Ich habe von dieser Gruppe gehört. Aber soviel ich weiß, hat Thomas mit diesen Leuten nichts zu schaffen.
»Er soll sich aber sehr für dieses verfluchte Hexenbürgermeisterhaus interessieren. Er hat sogar Führungen dort veranstaltet, und einige berichten, dass er den Folterkeller immer ziemlich plastisch beschrieben hat. Ja, er soll sogar regelrecht ins Schwärmen geraten sein angesichts der verschiedensten Martermethoden ...«
»Das kann...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2021 |
---|---|
Reihe/Serie | Das Haus Zamis |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-1947-4 / 3751719474 |
ISBN-13 | 978-3-7517-1947-6 / 9783751719476 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich