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Älter werde ich später (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-0965-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Älter werde ich später -  Lioba Albus
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Frech, emanzipiert, direkt - das Romandebüt der beliebten Kabarettistin Lioba Albus!


Mila ist 59 und zufrieden mit ihrem Leben. Ihr Freundeskreis ist groß, ihre Arbeit als Chefin einer kleinen Agentur erfüllend, und die Kinder sind erwachsen und aus dem Haus. Das Alter? Weder ein Thema noch ein Problem. Doch auf einmal stehen Sohn und Tochter wieder auf der Schwelle und fordern Asyl, und die Männer aus ihren wilden Jahren verlangen Aufmerksamkeit und Antworten auf alte Fragen. Mila ist überfordert. Wie wird sie die Bagage nur wieder los? Und gibt es vielleicht am Ende doch den einen, mit dem zusammen das Leben noch ein bisschen federleichter ist?





<p><strong>Lioba Albus</strong> wurde 1958 in Attendorn im Sauerland geboren, lebt in Dortmund und ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Als gelernte Schauspielerin zog es sie vor dreißig Jahren auf Deutschlands Kabarettbühnen. Außerdem ist sie häufig zu Gast in diversen Radio- und Fernsehshows wie z. B. der <i><b>LADIES NIGHT (ARD)</b></i>. Freunde, die es gut mit ihr meinen, finden, sie spricht ein bisschen zu viel. Darum schreibt sie jetzt. Wer will, kann das lesen. Hoffentlich wollen viele - sonst fängt sie wieder an zu sprechen.</p>

Lioba Albus wurde 1958 in Attendorn im Sauerland geboren, lebt in Dortmund und ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Als gelernte Schauspielerin zog es sie vor dreißig Jahren auf Deutschlands Kabarettbühnen. Außerdem ist sie häufig zu Gast in diversen Radio- und Fernsehshows, z. B. bei Ladies Night (ARD). Viele ihrer Freunde meinen, sie spricht ein bisschen zu viel. Darum schreibt sie jetzt.

MÄRZ


Das Beste an diesem März war, dass er wie alle anderen Monate, Jahre und Jahrzehnte einfach vorbeiging.

Ich bin keine Mimose, was schlechtes Wetter angeht, aber der Winter war dunkel, feucht und wie ein nicht enden wollender Herbst gewesen. Kein ernst zu nehmender Frost, kein wirklicher Schnee. Einfach immer nur scheußlich. Ein Stimmungskiller.

Der 2. März war kein bisschen besser. Es schüttete wie aus Kübeln, es war stürmisch, und außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich mir eine Erkältung eingefangen hatte.

Da es Karnevalssamstag war, plärrte in den Supermärkten Stimmungsmusik aus den Boxen. Dortmund ist definitiv keine Karnevalshochburg, was mir sehr lieb ist. Ich finde, Karneval sollte man denen überlassen, die es auch können. Also den Rheinländern. Die sind halt gerne grundlos fröhlich. Westfalen lachen grundsätzlich mehr nach innen und über ganz andere Sachen als Rheinländer.

Trotzdem hatten die Verkäuferinnen sich mit bunten Hüten oder übergroßen Schleifen kostümiert. Eben westfälisch lustig. Da ich sowieso schlechte Laune hatte, wollte ich so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ich wollte nur noch schnell ein paar Berliner besorgen. Matti war vor einer Woche dreißig geworden, hatte aber die große Party auf die schönere Jahreszeit verschoben. Ohnehin ist Matti kein Fan von Geburtstagen. Sie stand noch nie gerne im Mittelpunkt. Ihr Geschenk, einen Gutschein für einen Mutter-Tochter-Trip nach Paris, hatte ich ihr deshalb gemeinsam mit einem dicken Blumenstrauß geschickt. Hätte ich für unsere Verabredung einen Kuchen gebacken, wäre ihr das sicherlich nicht recht gewesen. Aber mit Berlinern, zumal jetzt in der Karnevalszeit, konnte ich gewiss nichts verkehrt machen. Matti steht total auf diesen süßen Klebkram. Also kaufte ich eine große Tüte Berliner Ballen und machte mich auf den Heimweg.

Vieh, den ich inzwischen in Pi umgetauft hatte, hatte brav angeleint vor der Tür gewartet. Er hatte inzwischen zwei Trainingsstunden bei der sehr kompetent wirkenden Hundetrainerin absolviert und zeigte schon deutliche Fortschritte. Vielleicht mochte er es auch einfach, dass ich ihn nicht mehr mit Vieh ansprach.

Ich weiß ja nicht, wie ihr es damit haltet. Aber ich glaube, dass alberne Namen sich negativ auf das Wesen eines Tieres oder Menschen auswirken. Ich bin definitiv keine Psychotante, auch wenn ihr das jetzt denkt. Im Gegenteil. Ich mag es nicht besonders, in der Psyche anderer Menschen herumzuwühlen. Wenn ich zum Beispiel finde, dass jemand ein Arschloch ist, dann weiß ich natürlich, dass er wahrscheinlich einen Grund für sein Verhalten hat. Wenn ich aber den Grund erfahre – was weiß ich: schwere Kindheit, traumatische Erlebnisse in der Jugend oder eine Schwester, die einfach in allem besser war –, dann empfinde ich gleichzeitig Mitleid. Mitleid und Wut passen aber nicht zusammen. Also muss man sich für ein Gefühl entscheiden. Bei mir bleibt dann meistens leider das Mitleid. Und das ist bei mir wie bei einem Auto, bei dem man vergessen hat, die Handbremse anzuziehen: Es setzt sich irgendwann in Bewegung und nimmt Fahrt auf. Bei mir kann Mitleid ein Eigenleben entwickeln. Es kann sogar passieren, dass ich aus dem Auto aussteige und jemandem helfe, sein Auto einzuparken. Ich bin gut im Einparken. Aber oft wollen mich die Menschen, denen ich beispringe, dann kennenlernen. Sie finden mich nett, und schwupps, hab ich den nächsten Sozialfall an der Backe. Nicht, dass ich denke, dass jeder oder jede, der oder die nicht einparken kann, ein Sozialfall ist. Aber wenn Leute erst mal finden, dass jemand nett ist, dann holen sie ihr Psychogepäck raus und stellen es einem vor die Füße. Und genau das möchte ich vermeiden.

Im Fall von Pi, ehemals Vieh, war der Fall natürlich anders gelagert. Ich dachte, wenn ein Hund so einen monsterähnlichen Namen hat, dann denkt er wahrscheinlich, er müsste sich auch so benehmen. Da Tiere sich an bestimmte Wortklänge gewöhnen, wollte ich ihn nicht komplett umbenennen. Und ich bin ein großer Fan des Romans Schiffbruch mit Tiger. Der Held dieser Geschichte ist Pi Patel, ein mutiger und kluger indischer Junge. Nach ihm also hatte ich Vieh umbenannt.

Leo hatte sich vor Lachen gar nicht mehr eingekriegt, als er das mitbekam. »›Pi‹ klingt ja nun erst recht richtig bescheuert«, hatte er gesagt. »Ich glaube kaum, dass der Hund den Roman gelesen hat. Wahrscheinlich hat den so gut wie niemand gelesen. Ich übrigens auch nicht. Also klingt das für alle anderen einfach nur nach Pisse. Ob das für die Psyche eines Hundes besser ist?«

Ich habe mich nie beschwert, wenn meine Kinder sich über mich lustig gemacht haben. Ich war einfach froh, dass sie Humor hatten, und selbst wenn ich häufig das Opfer ihres Humors war, habe ich immer gerne mit ihnen mitgelacht. Auch in diesem Fall konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Insgesamt hatte sich die Stimmung zwischen Leo und mir ein wenig entspannt. Ich hatte noch einige Male ein Stöhn- und Grunztreffen mit Orhan gehabt. Wenn sich abzeichnete, dass mein Sohn zu Hause war und sich allzu sehr ausbreitete, schickte ich ihm eine kurze Nachricht, und er eilte stehenden Fußes herbei. Orhan machte dieses Spielchen wirklich einen Riesenspaß. Einmal, als wir völlig angekleidet in meinem Schlafzimmer vor uns hin stöhnten, hatte Leo die Nase offensichtlich voll. Er brüllte aus Leibeskräften: »Ruhe, verdammt noch mal!« Dann bollerte er wutentbrannt an meine Schlafzimmertür. Orhan, der sich kaum noch halten konnte vor unterdrücktem Lachen, rief: »Gleich geschafft, Kleiner. Wir sind bald fertig.« Leo hatte mich daraufhin tagelang mit Todesverachtung gestraft, und ich konnte nicht anders, als leise vor mich hin zu grinsen. Inzwischen quälte sich Leo, sobald Orhan aufkreuzte, aus seinem Zimmer und verließ fluchtartig die Wohnung. Er hatte sogar schon zwei Nächte ganz außer Haus verbracht – bei wem auch immer.

Ich freute mich diebisch. Doppelter Therapieerfolg bei Sohn und Hund. Auch jetzt ging Pi relativ brav bei Fuß. Natürlich trug die Tatsache, dass die Tüte mit den Berlinern köstlich duftete, bestimmt ein Scherflein dazu bei.

Als ich Pi wenig später im Korridor mit einem alten Handtuch trocken rubbelte, hörte ich gedämpfte Stimmen aus der Küche. Matti war also schon da. Wie schön! Jetzt würde ich endlich ihre große Neuigkeit erfahren. Die riesige Tüte mit Berlinern wie eine Trophäe hochhaltend betrat ich die Küche. »Tadaaaaa!«, rief ich ganz euphorisch.

Dann sah ich, dass nicht nur Matti und Leo am Tisch saßen, sondern auch meine Schwester Marieluise.

Marieluise ist vier Jahre älter als ich. Und mindestens dreißig Jahre vernünftiger. Und fünfzig Jahre besserwisserischer. Meine Schwester ist übrigens auch einer dieser Fälle, bei denen ich mich nicht allzu gern mit dem psychologischen Hintergrund ihres Soseins befassen möchte. Wir hatten die gleichen Eltern und eine relativ ähnliche Kindheit. Ich konnte also eins und eins zusammenzählen, um herzuleiten, dass Marieluise wahrscheinlich eigentlich eine liebe, weichherzige und nur etwas zerknirschte Seele war. Aber wenn ich mich mit ihrem Hintergrund befasste, kam ich – logisch! – um meinen eigenen nicht herum. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Es ist ja nicht so, dass wir eine vorzeigbar beschissene Kindheit hatten – keine von uns ist mehr geschlagen worden, als es damals üblich war, wir wurden nicht missbraucht, und unsere Eltern sind nicht zu früh gestorben. Nein. Oberflächlich betrachtet war unsere Kindheit ähnlich öde und unspektakulär wie Tausende anderer Kindheiten im aufstrebenden Nachkriegsdeutschland auch.

Mit einer Ausnahme: Mein Vater war irgendwie … äh … also irgendwie seltsam. Auch das hatte natürlich einen Grund. Und ich fürchte, den muss ich offenlegen, auch wenn ich diese Psychograberei verabscheue. Aber wenn ich das nicht mache, dann denkt man vielleicht, mein Vater sei ein Loser oder Nerd oder so gewesen, und das möchte ich nicht. Denn auch wenn mein Vater extrem seltsam war, habe ich ihn durchaus geliebt.

Er war erst sehr spät, 1953, aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Da war er gerade mal siebenundzwanzig Jahre alt. Es gibt keine Fotos von ihm aus dieser Zeit, aber nach den Schilderungen meiner Mutter muss er ausgesehen haben wie ein Greis. Ihm fehlten mehrere Schneidezähne, er humpelte stark und war bis auf die Knochen abgemagert. Außerdem war er, das habe ich aber erst viel später erfahren, von Zeit zu Zeit Bettnässer.

Auch wenn meine Mutter nie darüber gesprochen hat, habe ich schon früh mitbekommen, dass meine Mutter ungewöhnlich häufig das Ehebett neu bezog. Den Grund dafür erfuhr ich erst, als ich einmal so schlimm an Scharlach erkrankt war, dass ich rund um die Uhr beobachtet werden musste. Immer wieder war mein Fieber über vierzig Grad gestiegen, weshalb ich ausnahmsweise im Ehebett meiner Eltern schlafen durfte. Irgendwann wurde ich wach, weil das Bett sich feucht und klamm anfühlte. Ich dachte, ich hätte alles vollgeschwitzt, und weckte meine Mutter.

Sie sprang sofort aus dem Bett, weckte meinen Vater und sagte in resigniertem Tonfall: »Herrmann, werd wach! Es ist wieder passiert. Steh mal auf, ich muss das Bett frisch beziehen. Solange die Kleine bei uns schläft, ist es wohl besser, du schläfst in Emmis Bett!«

Erst viel später konnte ich mir diesen Vorfall erklären.

Auch sonst war mein Vater anders als andere Väter. Er redete kaum und hat, soweit ich mich erinnere, auch nie richtig gearbeitet.

Das tat meine Mutter. Sie hatte während des Krieges eine Lehre in einem Hagener Eisenwarengeschäft gemacht, dem...

Erscheint lt. Verlag 29.10.2021
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alter • Comedy • Dortmund • Emanzipation • Familienleben • Golden Ager • Humor • Junge Alte • Kabarett • Ladies Night • literarische Unterhaltung • Männer und Frauen • Mia Mittelkötter • Nesthocker • Oma werden • Ostende • Selbstständigkeit • Silver Ager • späte Liebe
ISBN-10 3-7517-0965-7 / 3751709657
ISBN-13 978-3-7517-0965-1 / 9783751709651
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