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Das Zeitalter des Kometen #32: Lennox und das Reiseziel Mars -  Jo Zybell

Das Zeitalter des Kometen #32: Lennox und das Reiseziel Mars (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
125 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-5446-3 (ISBN)
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Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen, und das dunkle Zeitalter hat begonnen. In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf ... Als die PHOBOS-Besatzung Tim Lennox aufweckt und auf dem Mars zur Befragung bringt, stellt sich schnell heraus, dass man ihm nicht glaubt. Außerdem besteht eine unerklärliche Abneigung gegen alles, was von der Erde stammt. Zwischen den Marsleuten kommt es zu einer Auseinandersetzung, was mit ihm geschehen soll. Die meisten plädieren für seinen Tod!

1


Der Sturm peitschte ihr Staub und verharschten Schnee ins Gesicht. Wieder endeten die in Fels gehauenen Stufen, wieder führten Leitersprossen aus Weißbaumholz in die Steilwand hinein. Und einmal mehr bereute sie, zu dieser Wanderung aufgebrochen zu sein. Sie war einfach zu alt für derartige Gewaltmärsche. Späte Einsicht – der Sturm ließ keine Umkehr mehr zu.

Sie packte die erste Sprosse und zog sich hoch. Von hinten fasste Windtänzer nach ihren Hüften und schob sie. »Das letzte Steilstück!« Er schrie gegen das Brausen des Sturms an. »Bald ist es geschafft!« Sie nickte, nahm die nächste Sprosse, blickte nach oben – wo waren die anderen beiden?

Sie sah nach unten, und Übelkeit würgte sie. Tief unter ihr tobte eine gewaltige Sandwolke im rötlichen Abendlicht.

Schon den halben Krater füllte sie aus.

Weder den See noch seine Zuläufe konnte sie noch erkennen, weder die ausgedehnten Schilfflächen noch den Uferwald. Sie schloss die Augen, schluckte den Brechreiz herunter und tastete nach der nächsten Sprosse.

Die Augen auf, und hinauf mit den alten Knochen! Bald ist es geschafft, sagt Windtänzer!

Der drückte von hinten, ermutigte sie, hielt sie am Knöchel, wenn sie sich nach einer weiteren Sprosse ausstreckte. Guter Mann, der Baumsprecher, fantastischer Mann! Sie blinzelte in den fahlen Abendhimmel, wo die Sonne hinter Dunstschleiern gelb, orange und rot verschwamm, wie erlöschende Lagerfeuerglut im Nebel. Sie schluckte schmutzigen Schnee und Sand hinunter. Die Kälte kroch ihr bereits bis in die Herzkammern.

Weiter! Reiß dich zusammen, denk an deine Enkelin! Die nächste Sprosse, weiter, immer weiter!

»Du musst mitgehen«, hatte Windtänzer gesagt. »Du musst ihm dein Anliegen persönlich vortragen. Nur das wird ihn von der Dringlichkeit deiner Sorge überzeugen.« Und dann hatte er mit den Schultern gezuckt. »So ist der Alte nun mal.«

Also hatte sie das Kind der Obhut der Waldfrauen anvertraut, sich in einen alten Kunstfaser-Overall und in ihren gefütterten Mantel gehüllt und war Windtänzer und seinen beiden Schülern zu den Kratertälern am Südwestrand der Wälder gefolgt; und durch den Krater dort unten bis hierher in diese Wand.

Hier oben irgendwo lebte er, der Oberste der Baumsprecher.

Zehn, elf Meter über ihr beugte sich eine Gestalt über den Abgrund und streckte den Arm aus. Einer der Jungen? Morsche Rinde löste sich unter ihrer Hand vom Holz. Sie wischte sie weg, hielt die Sprosse fest, zog das rechte Bein hinterher.

Windtänzers Hände an ihren Knöcheln und Hüften flößten ihr das Gefühl von Sicherheit ein. Er rief irgendetwas, doch der Sturm riss seine Worte unverstanden in die Tiefe.

Weiter, die nächste Sprosse, mach schon, alte Frau …

Fast neunhundert Kilometer hatten sie in einem Luftschiff Baujahr 188 zurückgelegt. Das wartete jetzt sechs Tagesreisen entfernt auf einer Lichtung zwischen hundertneunzig Marsjahre alten Ginkgos. (zwei Erdjahre entsprechen ziemlich genau einem Marsjahr) Das letzte Wegstück hatten sie zu Fuß und zu Wasser zurücklegen müssen. Der Uralte wünschte technisches Gerät weder zu sehen noch zu hören. Im Umkreis seiner Grotte – genauer: im Umkreis von zweihundert Kilometern – durfte niemand ein Fahrzeug benutzen. Jedenfalls niemand, der Wert darauf legte, ihn zu sprechen.

Der Gedanke machte sie wütend. Sie war maßlos erschöpft, ihre Knochen schmerzten, ihre Füße brannten. Ein Bannkreis von zweihundert Kilometern! Unglaublich! Sie nahm sich vor, den Uralten ihre Ansicht über so viel Verbohrtheit wissen zu lassen.

Statt alter Weißholzrinde berührte sie jetzt eine warme, kräftige Hand. Sie seufzte vor Erleichterung. Die Hand schloss sich um ihre und zog sie nach oben. Geschafft! Endlich wieder festen Boden unter den Sohlen! Sie blickte in Schwarzsteins perlmuttfarbenes Jungengesicht. Trotz des Sturms und der Aufstiegsmühen lachten seine schwarzen Augen. Der Wind hatte ihm einige seiner tausend weißen Zöpfchen aus der Kapuze seiner groben Leinenjacke gezerrt und spielte mit ihnen.

Hinter ihr nahm Windtänzer die letzten Sprossen der Leiter.

»Wir sind da!« Er richtete sich auf, lächelte sein gütiges Lächeln und ordnete Schals und Tücher auf seinem Mantel und um seinen Kopf. »Hier irgendwo werden wir ihn finden!« Sein ansonsten rund um die Pigmentierungen fast weißes Gesicht war leicht gerötet, und in seinen dunkelgrünen Augen leuchtete die Vorfreude auf das Wiedersehen mit seinem Lehrer.

Sie standen auf einem winzigen Hochplateau. Schon sechzig Schritte vom Kaminausstieg entfernt ragte die Steilwand weitere dreitausend Meter nach oben. Kaum ein Busch oder ein Farn wuchs aus ihr. Nur ein wenig Moos bedeckte das rötliche Gestein hier und da.

Der Seekrater gehörte bereits zum Grenzgebiet zwischen Waldgürtel und Wüste. Jenseits dieser Wand gab es noch höchstens hundert Kilometer weit Spuren pflanzlichen Lebens.

In dieser Einöde an der Grenze des durch Terraforming begrünten Siedlungsgebietes hauste der Oberste der Baumsprecher, der Uralte, während der Frühjahrs- und Sommerzeit. Seit Jahren, wie es hieß.

Sie sah sich um. Links lief das Plateau nach siebzig oder achtzig Schritten in einen schmalen Pfad aus, der steil anstieg, bevor er zwischen zwei Felsvorsprüngen in der Wand verschwand. Rechts verengte sich das Plateau schon nach fünfzehn oder zwanzig Metern zu einem Weg, der nahe am Abgrund um eine Felsnadel herumführte und dahinter ihrem Blickfeld entschwand.

Dort stand der zweite Junge. Etwas schien seine Aufmerksamkeit zu fesseln, denn er hielt den Kopf schräg und regte sich nicht. Nur sein langes blaues Haar flatterte im Sturm.

Lauschte er? Konnte er denn dort, wo er stand, etwas anderes hören als das Tosen des Sandsturms in der Kratersohle?

Plötzlich drehte er sich um und winkte. An Windtänzers Seite und hinter Schwarzstein her hinkte sie zu ihm. Ihre rechte Hüfte stach, und in ihren Kniegelenken raspelte die Arthrose mit grober Feile.

Über die Schulter sah Schwarzstein zu ihr zurück. Er gestikulierte erregt und rief ihr etwas zu, das sie nicht verstehen konnte. Er hatte es plötzlich sehr eilig. Die Sinne der Jungen schienen mehr wahrzunehmen als ihre. Eine Beobachtung, die ihre Stimmung noch weiter verdüsterte.

Nach der Felsnadel war das Plateau nicht viel mehr als ein achtzig bis neunzig Zentimeter breiter Sims zwischen Steilwand und Abgrund. In Hüfthöhe hatte jemand beringte Eisenkeile in den Fels getrieben und ein Seil durch die Ringe gezogen. Das diente als Geländer. Sie gab sich alle Mühe, das Seil – und nur das Seil – im Auge zu behalten, doch von Zeit zu Zeit wanderte ihr Blick dennoch nach rechts. Mehr als zweitausend Meter unter ihr wirbelte der Sturm Sand und Staub über den Kratergrund.

Grenztal nannten die Waldleute den Krater, und das Gewässer in seiner Mitte Grenzsee. Sie, die Städterin, hatte nie von einem Krater oder einem See dieses Namens gehört.

»Hörst du es?«, rief Windtänzer hinter ihr. Sie hörte den Sturm, der in der Tiefe toste und hinter und über ihnen durch Felskamine heulte. Doch den meinte der Baumsprecher wohl kaum. »Musik!« Er beugte sich nahe an ihr Ohr. »Er ist ganz nahe!«

Musik? Ganz nahe? Sie wusste zunächst nicht, wovon der Mann sprach. Erst als sie sich am Seil um den nächsten Felsvorsprung hangelte, hinter dem die beiden Jungen längst verschwunden waren, hörte auch sie die Klänge: ein summendes Raunen, ein heiseres Seufzen, langgezogen und vielstimmig, als würden geisterhafte Lippen auf Panflöten blasen.

Kalte Schauer rieselten ihr über Nacken und Rücken; sie zog die Schultern hoch und zuckte zusammen, als Windtänzer sie von hinten berührte. »Dort entlang!« Er wies auf eine schmale, aber an die hundert Meter hohe Felsspalte, in die der Weg mündete, der an dieser Stelle vom Felssims abzweigte.

Windtänzer legte den Arm um sie. Seite an Seite gingen sie zur der Spalte und zwängten sich hindurch, zuerst sie, dann der Baumsprecher. Von den beiden Jungen war nichts mehr zu sehen.

Dämmerlicht umfing das Paar für kurze Zeit. Sie sah nach oben – in einer Höhe von dreißig oder vierzig Metern berührten die Felswände sich beinahe; nur durch einen schmalen Spalt sickerte das letzte Tageslicht in die steinige Düsternis herab.

Die fremdartigen Klänge hallten durch die hohe, schmale Höhle.

»Weiter.« Windtänzer schob sie. Dutzende von Schritten entfernt schimmerte Feuerschein. Es roch nach Rauch. Die langgezogenen Töne schwollen an, die Spalte hoch über ihnen wurde breiter, und bald sah sie wieder ihren und des Baumsprechers Schatten.

Endlich traten sie ins Freie und fanden sich auf einem knapp dreißig Meter durchmessenden Plateau wieder. An allen Seiten stiegen Felshänge mehr oder weniger steil an. Neben der Felsspalte saßen die Jungen auf ihren Fersen und lauschten den seltsamen Klängen.

Vor einem Höhleneingang brannte ein Feuer. Nicht weit davon hockte ein knochiger Mann in einem schwarzen Mantel.

Bart und Haare waren weiß, seine Augen von einem leuchtenden Grün, das Gesicht rötlich, zerfurcht und erschreckend hohlwangig.

Der Uralte.

Er zog an irgendwelchen Schnüren, und jeder seiner Bewegungen folgten unweigerlich Veränderungen in der Klangfarbe der fremdartigen Musik. Die Schnüre waren mit hölzernen Röhren unterschiedlicher Länge und Dicke verbunden. Die Röhren hingen in Bündeln zu acht vor acht Felsspalten, aus denen der Sturm in die steinerne Lichtung hinein blies.

Windflöten? Eine Sturmorgel? Sie legte den Kopf in den Nacken und erkannte eines der Röhrenbündel zwanzig Meter über sich am Eingang der Spalte. Das vielstimmige...

Erscheint lt. Verlag 9.6.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-7389-5446-5 / 3738954465
ISBN-13 978-3-7389-5446-3 / 9783738954463
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