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Bedroht in Albanien -  Wilhelm R. Vogel

Bedroht in Albanien (eBook)

Julius Wondraschek im Land des Adlers
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99125-493-5 (ISBN)
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Julius Wondraschek, ein pensionierter Beamter, muss dringend verreisen. Daheim droht ihm die Decke auf den Kopf zu fallen. Ein Reiseziel ist bald gefunden. Mit seiner Freundin Maria bucht er eine Gruppenrundreise durch Albanien. Julius recherchiert im Internet und kauft einen großen Stapel Bücher von lokalen Autorinnen und Autoren. Kaum angekommen, zieht ihn Albanien in seinen Bann. Von Landschaft und Leuten begeistert, genießt er, trotz starker Schmerzen im Knie, die Rundreise und nützt jede freie Minute zum Lesen. Seine Phantasie kreist um die Blutrache im Norden des Landes, um die geheimnisvollen Regeln des Kanuns und um die geschworenen Jungfrauen, die rauchen, trinken und als Männer gelten. Bald nach Beginn der Reise spüren Julius und Maria eine tödliche Gefahr. Aber noch sind die Indizien widersprüchlich, noch lässt sich nicht sagen, wer das potenzielle Opfer ist und woher die Gefahr droht. Beide können nichts weiter tun, als die Augen offenzuhalten. Sie können das Buch auch als Reiseführer lesen - als einen Reiseführer der anderen Art.

Wilhelm R. Vogel ist in Baden aufgewachsen und lebt in Wien Floridsdorf. Nach dem Studium der Biologie arbeitete er im Bereich der Forschung und Lehre an der Universität Wien und später in der öffentlichen Verwaltung. Im Juli 2018 veröffentlichte er mit "Der Lockruf des Pirols" seinen ersten Roman. Mit "Unerwartetes" präsentierte er eine erste, mit dem "Ultimativen Risotto" seine zweite Sammlung von Kurzgeschichten. Das vorliegende Buch ist sein vierter Roman Weitere Informationen zum Autor finden Sie unter www.wrvogel.eu

„Die Anerkennung der Mutterschaft fehlt heute“, war Martina überzeugt. „Natürlich muss man mit der Zeit gehen. Wenn man all seine Energie in auch nur ein Kind hineinsteckt, so ist das ebenso zu würdigen, und genau das fehlt in unserer Gesellschaft“, erklärte sie ihrem Mann.

„Damals ging es darum, Kanonenfutter für den Führer zu produzieren.“ Gerd sah das weit weniger verklärt.

„Ich verstehe nicht, warum Mütter, die sich um ihre Kinder kümmern, anstatt sie an Krippen und Kindergärten abzugeben, nicht ein anständiges Gehalt dafür bekommen.“ Martina ging nicht auf den Einwand ein.

„Wer soll das bezahlen?“

„Na, der Staat natürlich!“

„Also die Supermarktverkäuferin, die es sich nicht leisten kann, daheim zu bleiben, soll die Reichen, die es sich leisten können, über ihre Steuer finanzieren?“ Das war Gerlinde gewesen, die dem Gespräch gefolgt war. Ihre Tochter Steffi hatte sich mit Linda und Lara angefreundet und saß im hinteren Teil des Busses.

„Sie arbeiten offenbar schon wieder, wären Sie nicht lieber länger daheim geblieben?“

„Nein!“ Gerlinde hatte kurz gebraucht, um zu verstehen, dass sich dieses ,schon wieder' auf den Zeitraum von über sieben Jahren bezog. „Und Heinz auch nicht“, fügte sie hinzu. „Uns war es wichtig, dass die Steffi, die ein Einzelkind ist, möglichst bald mit anderen Kindern zusammenkommt, daher haben wir sie mit einem Jahr in die Kinderkrippe gegeben, und sie ist mit Begeisterung hingegangen.“

„Sie waren nur ein Jahr in Karenz?“ Die Entrüstung war Martina anzuhören.

„Ich war gar nicht karenziert, Heinz hat sich Auszeit genommen.“

„Gerd hätte das nie gemacht“, war sich Martina sicher.

„Hätte ich die Option gehabt?“ Gerd war verblüfft.

„Natürlich nicht, dass wir beide gleichzeitig in Karenz gehen, wäre sich finanziell nie ausgegangen. Aber ich hätte deine Hilfe brauchen können. Du bist in der Welt herumgefahren und ich habe mich alleine um die Kleine kümmern müssen.“

„Immerhin ist sich mit dem verdienten Geld ein Hausmädchen ausgegangen, das sich auch um Mara gekümmert hat.“

„Stimmt, die Marita. Um die habe ich mich auch noch kümmern müssen. Außerdem hatten wir das Mädchen nur so lange, bis Mara in die Schule gekommen ist. Aber du hast keine Vorstellung, wie aufwendig es ist, mit einem Kind Aufgaben zu machen. Wir sitzen oft von Mittag bis in den Abend hinein und arbeiten daran.“

Julius blendete sich aus und machte Maria auf die Häuser links und rechts ihrer Route aufmerksam. War Geld vorhanden wurde offenbar versucht, den Baustil des klassischen Griechenlands zu kopieren, mit den dazugehörigen Säulen und den passenden Statuen im Garten. Der einfachere Baustil war anders geartet. Eine häufige Variante war ein Betonskelettbau mit drei Etagen. Von diesen wurde der oberste Stock als erster ausgebaut. Oft blieb es dabei, und in den unteren beiden Stockwerken verblieben nur die Säulen und die Stiegen, die oft ohne Geländer nach oben führten.

War das Geld knapp, so stellte man auf die oberste Plattform ein Häuschen, das deutlich kleiner war als die Grundfläche dieses Stockwerkes. Entlang ihrer Reiseroute sahen sie immer wieder derartige Häuser. Auch andere, ihm unbekannte Gebäudearten kamen vor: Riesige, weiße und nahezu fensterlose, mit klassizistischen Elementen garnierte Würfel, die man, hätte es irgendeine Werbung oder auch nur einen Namenszug darauf gegeben, auch für ausgefallene Supermärkte hätte halten können. Aber nichts Derartiges war zu sehen. „Hochzeitspaläste“, erklärte Christine. Die Hochzeit wäre das wichtigste Ereignis im Leben, für das man sich gern einmal verschuldete. Und natürlich dauerte so ein Fest mehrere Tage. Und man lud viele Gäste ein, je nach finanzieller Möglichkeit. Aber gespart wurde bei Hochzeiten nicht.

Es dämmerte bereits, als Berat in Sicht kam. Der Busfahrer brachte sie direkt zum Hotel, wo sie sofort eincheckten.

Das Abendessen nahmen sie in einem der Lokale nahe dem Fluss Osum ein. Die Gaststätten lagen, eine neben der anderen, am Bulvardi Republica. Die meisten waren einfach und servierten nur Getränke. Deren Auswahl ließ sich durch einen Blick auf den obligatorischen, mit Glastüren versehenen, Kühlschrank im Gastgarten erkennen. Das Bier allerdings wurde gezapft und hatte die Qualität, wie sie überall am Balkan zu finden ist: Es war ausgezeichnet. Essen gab es nur in wenigen Lokalen, aber Christine wusste Bescheid.

Beim Heimgehen schlug Martina vor, eine spiritistische Sitzung abzuhalten, Grete war sofort Feuer und Flamme. Heinz bat die beiden, ihm das erst einmal zu erklären. Natürlich hatte er gewisse Vorstellungen, aber ob diese richtig waren, wusste er nicht.

Martina war in ihrem Element. „Wir setzen uns einfach im Kreis um einen Tisch, zünden eine Kerze an und rufen irgendjemanden, der schon verstorben ist. Jemand von uns ist das Medium - das könnte ich sein, ich habe das schon öfter gemacht. Dem Geist können wir dann Fragen stellen.“

„Dann war meine Vorstellung ohnehin korrekt“, bestätigte Heinz, aber weder er noch Gerlinde hatten Interesse daran. Julius erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, meinte aber, er wäre zu müde. Maria sagte offen heraus, dass sie für einen derartigen Unsinn nicht zur Verfügung stünde. Franz meinte, er wäre zwar neugierig, aber ebenfalls viel zu müde und läge im Geiste schon im Bett. Er würde einschlafen, sobald man das Licht abdrehte.

„Funktioniert das auch mit lebenden Menschen, wenn diese weiter weg sind?“ Pamela hatte das gefragt, aber Kevin reagierte unerwartet emotional.

„Das ist doch kompletter Unsinn!“, fauchte er seine Frau an.

„Sie können auch mit verstorbenen Haustieren in Kontakt treten“, versuchte Martina das Interesse der anderen zu wecken, aber vergeblich. Vielleicht war es einfach schon zu spät am Abend.

Julius fiel todmüde ins Bett, konnte aber nicht einschlafen.

Vielleicht hätte ich doch an der spiritistischen Sitzung mitmachen sollen, überlegte er, nachdem er sich eine gute Stunde im Bett gewälzt hatte. Als Student hatte er ein paarmal an derartigen Aktivitäten teilgenommen. Eigentlich mochte er diesen Hokuspokus, vor allem, wenn Leute dabei waren, die daran glaubten. Das war damals leider kaum jemals der Fall gewesen.

Er fragte sich, ob es hier in der Zeit der Diktatur auch Interesse an spiritistischen Sitzungen gegeben hatte. Er konnte sich erinnern, gelesen zu haben, dass sich diese gerade in Diktaturen bei der Bevölkerung besonderer Beliebtheit erfreuten. Wahrscheinlich, weil die Menschen in der Welt der Geister den einzigen Lebensbereich sahen, auf den die Geheimpolizei keinen Zugriff hatte.

Unter Hoxha war religiöse Betätigung verboten gewesen, das hatte für alle Religionsgemeinschaften gegolten. Anders als spiritistische Zirkel, die sich bildeten und wieder auseinandergingen, ohne dass es notwendigerweise fixe Rollen und Dokumente gab, waren Religionsgemeinschaften jedoch leicht von der Polizei ausfindig zu machen. In einer Religionsgemeinschaft aktiv zu sein war demnach deutlich riskanter, als gelegentlich zu einer Séance zu gehen.

Ihm fiel ein, dass Kevin ziemlich emotional gemeint hatte, die Séance wäre kompletter Unsinn. Natürlich war sie das, aber warum hatte er so emotional reagiert, beinahe, als ob er Angst davor hatte? Bisher war er seiner Frau gegenüber immer extrem fürsorglich aufgetreten, diesmal aber hatte er sie an der Hand gepackt und hätte sie weggezerrt, wenn sie nicht nachgegeben hätte. Ihr war die Szene offenbar peinlich gewesen. Im Weggehen hatte sie „Du hast natürlich recht“ gesagt, wie um seine Intervention weniger schroff wirken zu lassen. Julius hatte schon mehrmals den Eindruck gehabt, dass ihr die Harmonie in ihrer Ehe außergewöhnlich wichtig war. Ob das nur dann galt, wenn Außenstehende in der Nähe waren, oder ob sie generell ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis hatte, wusste er natürlich nicht. Ihm schien Pamela nicht nur sehr jung, sondern auch naiv und unerfahren zu sein. Aber das war eher ein Bauchgefühl, er konnte sich auch irren.

Da er ohnehin nicht schlafen konnte, griff er in die langsam leichter werdende Tasche mit den noch ungelesenen Büchern. Er würde den Zufall entscheiden lassen.

Es war erneut ein Buch von Ismail Kadare, das er herauszog. Die ,Schleierkarawane‘ beschrieb die Geschichte eines Mannes, dessen Aufgabe es war, Gesichtsschleier für Frauen in die entfernteren Teile des Reiches zu bringen. Dorthin, wo es bislang kaum verschleierte Frauen gab. Durch ein Dekret des Sultans sollten endlich auch diese verpflichtet werden, sich zu verhüllen. Mit dem angesprochenen entfernten Teil des Reiches war offenbar das Territorium des heutigen Albaniens gemeint. Interessiert begann Julius zu lesen.

Der Mann, dessen Geschichte erzählt wurde, zog seinem Auftrag gemäß mit seinen bepackten Eseln Richtung Norden. Die Tiere waren mit riesigen Mengen an Gesichtsschleiern beladen. Für den Mann war die Verschleierung von Frauen etwas Selbstverständliches, etwas anderes hatte er noch nie gesehen, nur gerüchteweise davon gehört. Die Vorstellung, dass Frauen unverschleiert sein könnten, entsetzte ihn. Undenkbar, wie sollte das gehen? Unverschleierte Frauen waren für ihn der Gipfel der Unvernunft.

Die ersten unverhüllten Frauen traf er an einer Wasserstelle an, an der er seine Esel tränkte. Als er sich dem Brunnen näherte, erwartete er jeden Augenblick, dass sie kreischend vor ihm fliehen würden. Entgegen seinen Erwartungen blieben sie nicht nur bei der Tränke, sondern begrüßten ihn auf das freundlichste, lachten fröhlich miteinander und wünschten ihm, als er sich anschickte...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99125-493-X / 399125493X
ISBN-13 978-3-99125-493-5 / 9783991254935
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