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Clarissa -  Roswitha Springschitz

Clarissa (eBook)

Keine Prinzessinnengeschichte
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99125-473-7 (ISBN)
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2020: das Jahr der Einschnitte und Veränderungen. So auch für die 14-jährige Clarissa, deren Leben, in mehrfacher Hinsicht, heftig ins Wanken gerät: nicht nur durch eine Viruspandemie und deren Folgen, sondern auch durch Gewalt im engsten Familienkreis, die die Auflösung ihrer Familie zur Folge hat. Nichts wird mehr sein, wie es war. Clarissa ist nicht mehr das süße Prinzesschen ihrer Eltern. Aber Freundschaft und Liebe bieten ihr Halt, in dieser Zeit...

geboren in Wien, nach der Matura einjähriger Paris-Aufenthalt, Studium der Germanistik und Romanistik in Wien, 4-jährige Ausbildung zur Yogalehrerin, Autorin; Veröffentlichungen bei mymorawa, Vienna Academic Press, in Anthologien und Zeitschriften sowie im ORF

TEIL I


Kapitel 1: ALLTAG


SEPTEMBER


Clarissa war erleichtert, als sie hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel: Ihre Mutter hatte sich auf den Weg gemacht. Und sie selbst hatte nun noch gut zehn Minuten Zeit, sich anzuziehen und zu frisieren und alles Notwendige einzupacken.

Sie begab sich ins Badezimmer und begann, ihre Augen dunkel zu schminken; sehr dunkel. Dafür bediente sie sich bei den Schminkutensilien ihrer Mutter, die diese reichlich besaß. Cool fand sie ihren Blick und hätte gerne noch ein Selfie gemacht, aber die Zeit war mittlerweile knapp. Das rosafarbene Kleid, das ihre Mutter ihr für diesen Tag frisch gebügelt auf das Bett gelegt hatte, hängte sie in den Kasten und schlüpfte in ihre engen Jeans und in ein schwarzes Top; darüber den dunkelgrauen Kapuzenpulli: So war sie, wie sie selbst fand, bestens gekleidet für den ersten Schultag des neuen Schuljahrs. Die Zeit der rosa Kleidchen war doch wirklich längst vorbei! Ihre Mutter wollte und wollte das nicht einsehen, und es war sinnlos, mit ihr darüber zu diskutieren. „Rosa steht dir so gut, Clarissa, und dieses Kleid ist kein billiges!“, würde sie sagen, und: „Rosa war ja immer schon deine Lieblingsfarbe Das war einmal, dachte Clarissa, dass Rosa meine Lieblingsfarbe war, ist lange her ...

„Meine furchtbare Kitschphase .“, hatte Clarissa zu Flora gesagt. „Hattest du selbst auch so eine? Mit Einhörnern und irgendwelchen grässlichen Comicfiguren auf Swea- tern und T-Shirts und Glitzerlook und was weiß ich . Die Prinzessinnen-Kitschphase eben!“ - „Leider nicht“, hatte Flora entgegnet, „denn meine Mama hat diese Sachen so furchtbar gefunden, ich durfte sie nicht tragen. Und wenn Oma mir einmal einen Wunsch erfüllt und so ein T-Shirt mitgebracht hat, durfte ich es nur ein paar Stunden anhaben!“ - „Gibt's ja nicht!“, meinte Clarissa. „Ich dachte, deine Eltern sind voll tolerant!“ Clarissas Handy ertönte: eine Nachricht von Flora: „Wo bleibst du? Steh schon vor der Schule! Warte sehnsüchtigst!“

Clarissa schlüpfte in ihre Sneakers, warf ihren fast leeren Rucksack über die Schulter und verließ eilig die Wohnung.

*

Dieser erste Schultag verlief wie alle anderen ersten Schultage, die Clarissa erlebt hatte: aufgeregtes Geschnatter der Mitschülerinnen und Mitschüler; Erzählungen über diejenigen, die Wiederholungsprüfungen geschafft oder eben nicht geschafft hatten; die mahnende Rede des Klassenvorstands, der es sich nicht nehmen ließ, auch noch einzelne Namen seiner „Sorgenkinder“ zu nennen - unter denen sich auch Clarissa befand, was diese zu einem breiten Grinsen in Floras Richtung veranlasste; Kommentare über neue Frisuren oder gewagte „Outfits“ von Kolleginnen und Kollegen oder Lehrkräften - und natürlich Thema Nummer eins: wer mit wem in den Ferien, oder wer neuerdings wieder angeblich solo war . Somit war der Schulvormittag recht unterhaltsam für Clarissa und er war auch gegen elf Uhr bereits zu Ende. Mit Flora spazierte sie danach durch die Stadt: Sie hatten einander viel zu erzählen, da Flora und ihre Familie erst am Vorabend von einem dreiwöchigen Urlaub in Griechenland zurückgekehrt waren. Sie holten sich ein Eis, vom „Italiener“, und gingen an den Fluss.

*

„Ich kann unmöglich noch etwas kochen heute!“, meinte Clarissas Mutter Tatjana, als sie - wieder einmal verspätet - von der Arbeit kam. „Es war extrem viel los heute, ich bin absolut streichfähig!“

Typisch Montag!, dachte Clarissa, die ihre Lieblingsserie im Fernsehen verfolgte. Jeden Montag dasselbe: Tatjana hatte einen besonders anstrengenden Arbeitstag hinter sich und Clarissas Vater Karl feierte Montagabend mit seinen Kollegen. „Und ich habe auch nichts mehr eingekauft, Clarissa. Ich denke, wir bestellen uns Pizza, okay?“ - „Oma hat Essen gebracht, steht in der Küche!“, sagte Clarissa. Einmal hatte Clarissa ihrer Oma nämlich von der Montagabend-Misere erzählt und seither brachte diese immer wieder einmal ein von ihr zubereitetes einfaches Essen: „Ich koche ja für mich alleine eigentlich gar nicht so gerne .“, hatte sie gemeint, als Tatjana einmal gesagt hatte, sie könne gut alleine für ihre Familie sorgen.

*

Clarissa war es gewohnt, dass ihr Vater sich nicht sonderlich für sie interessierte. Manchmal war er natürlich schon stolz auf sie: wenn sie - mit Tatjana, also zu dritt - schick gekleidet in der Öffentlichkeit auftraten. Aber das geschah nun immer seltener. Früher ja, als Clarissa noch das „Prin- zesschen“ gewesen war, in duftigen rosa Kleidchen, mit hübsch geflochtenen Zöpfchen; als Kleinkind eben: „Was für ein hübsches Kind!“, hatten Leute dann oft bemerkt und Karl hatte dies gerne gehört. Auch im Volksschulalter war dies so gewesen, und im ersten Jahr Gymnasium. Karl hatte keine Meinung dazu gehabt, dass Clarissa eine höhere Schule besuchen wollte - sollte sie . wenn Tatjana das gut fand. Er hatte es nicht befürwortet und auch nicht abgelehnt: Vielleicht war dies der erste Moment, in dem sich sein Desinteresse an seiner Tochter zeigte. Darüber, was aus ihr einmal werden sollte, hatte er sich jedenfalls nie Gedanken gemacht. Dann waren mehrere Dinge geschehen, die der Grund dafür waren, dass Karl kaum mehr mit Clarissa redete.

Es lief nicht mehr gut, zwischen Tatjana und ihm, weshalb seine Frau ihm mehr und mehr auf die Nerven ging, wegen nichtiger Kleinigkeiten. Er fand zum Beispiel, dass sie sich zu wenig um den Haushalt kümmerte und zu viel um ihr Aussehen. „Ich muss mich um mein Aussehen kümmern, in meinem Job!“, hatte sie bei solchen Diskussionen gemeint. „Und außerdem bin ich ganztägig berufstätig, Hausfrau und Mutter!“ Das seien viele andere auch, hatte Karl entgegnet. Die Frauen seiner Freunde würden das alles locker auf die Reihe kriegen - und würden zudem ihre Männer nicht ständig nerven, wenn diese einmal ausgin- gen. „Einmal! Von einmal kann da aber nicht die Rede sein!“, hatte Tatjana erwidert.

Die zweite Sache war Clarissas Freundschaft mit Flora: Karl konnte Flora ganz und gar nicht ausstehen. Es gefiel ihm nicht, wie sie sich kleidete, in diesem „Alternativlook“, wie er es nannte; diese teilweise durchaus teuren, nachhaltig produzierten Kleidungsstücke. Und wie sie sprach: Diese höfliche, „allzu gescheite“ Art, sich auszudrücken, missfiel ihm. Und am wenigsten gefiel ihm, dass seine Tochter, seit sie mit Flora befreundet war, sich mehr und mehr gab wie diese. Ab diesem Zeitpunkt hatte Clarissa aufgehört, Prinzesschen zu sein; war dabei, eine Frau zu werden. Und dabei, so fühlte Karl, brauchte sie doch wohl kaum seine Unterstützung; gerne überließ er es Tatjana, sich um jeglichen „Weiberkram“ zu kümmern. Um diese unmöglichen launischen, weiblichen Themen. Und er ging außer Haus, in den Kreis seiner Geschlechtsgenossen.

MAMALAND


Als Clarissa ganz im Mamaland gewesen war - in diesem Wunderland in Rosa, diesem zärtlichen, innigen Wunderland mit Mamaduft, in das niemand Zutritt hatte außer sie beide -, war alles in Ordnung gewesen. Sie und ihre Mama. Ihre Mama und sie. Es war die Zeit der Prinzessinnenkleider, der hübschen Zöpfchenfrisuren, der kleinen, mit Mamas Nagellack lackierten Nägel. Mama war ihr alles. Und auch für Tatjana war Clarissa alles. Karl stand außerhalb. Aber das störte Clarissa nicht; er war da, das genügte.

Mama mochte Prinzessinnengeschichten, Prinzessinnenkleider und Prinzessinnenfrisuren, Einhörner und glitzernde T-Shirts. Clarissa mochte dies alles auch. Sehr!

Im Mamaland war Clarissa öfters mit ihrer Mama im Friseursalon, Tatjanas Arbeitsplatz: so ein herziges, kleines Mädchen, mit so wunderbaren dichten und kräftigen dunkelblonden Haaren, fanden Tatjanas Kolleginnen. Was daraus alles gezaubert werden konnte: alle erdenklichen Varianten von Flecht- und sogar Hochsteckfrisuren; dazu wurde Clarissa dann noch ganz zart geschminkt. In der Volksschulzeit durfte auch Clarissas beste Freundin Viola mit in den Salon kommen. Die beiden liebten es, die gleiche Frisur zu haben. Viola war mit ihrer Familie in Clarissas letztem Kindergartenjahr in die Wohnung zwei Stockwerke unter jener von Clarissa gezogen und die beiden Mädchen waren seither unzertrennlich gewesen: teil- ten ihre Leidenschaft für Einhörner und Ponys, liebten es, sich gleich zu kleiden und zu fühlen, und gaben sich wie Zwillingsschwestern. Ins Gymnasium wollte Clarissa schließlich nur, weil Viola dorthin ging. Im ersten Schuljahr dort blieben sie unzertrennlich. Dann aber freundete sich Viola mit Carmen an und Clarissa war mehr und mehr interessiert an der zarten Flora: mit der konnte man so gut herumalbern, so viel Spaß haben!

„Was ist mit Viola?“, fragte Tatjana in dieser Zeit oft. „Seid ihr zerstritten?“ - „Viola nervt!“, antwortete Clarissa dann nur und gab ihrer Mutter zu verstehen, dass ihre Frage sie gerade ebenfalls nervte. „Bin ich verheiratet mit Viola?“

Das war die Zeit, in der Clarissa begonnen hatte, das Mamaland zu verlassen. Viola hatte Platz gehabt im Mamaland, keine Frage. Flora aber passte überhaupt nicht hinein.

STREIK


„Cool, dass der Weichsi morgen mit uns allen zum Streik geht, oder?“, meinte Flora zu ihrer Freundin. Für den folgenden Tag war ein Klimastreik ausgerufen. Eine ehemalige Schülerin der Schule und Klimaaktivistin war mit der Bitte um zahlreiche Teilnahme an alle Schulklassen herangetreten, und Clarissas und Floras Geographielehrer Professor Weichselbaum, von allen nur Weichsi genannt, hatte daraufhin erwirkt, dass er mit der ganzen Klasse daran teilnehmen durfte. Auch er war Klimaaktivist und erzählte den...

Erscheint lt. Verlag 3.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-99125-473-5 / 3991254735
ISBN-13 978-3-99125-473-7 / 9783991254737
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