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Oper für alle (eBook)

Die Biografie von Sir Peter Jonas
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
652 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76874-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Oper für alle -  Julia Glesner
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Er war nicht nur ein Opernstar, sondern einer der schillerndsten Zeitgenossen: Sir Peter Jonas, ein toller Typ, elegant, spleenig, humorvoll. Mit einer Familiengeschichte, die exemplarisch fu?r die Wirren des 20. Jahrhunderts steht. Seine Mutter stammte aus dem Libanon, sein Vater aus einer ju?dischen Familie aus Hamburg. Er selber wuchs in England auf, schaffte es mit Disziplin und britischer Coolness an die besten Opernhäuser der Welt, arbeitete mit Sir Georg Solti oder Sergiu Celibidache. 1993 wurde er Intendant der Bayerischen Staatsoper Mu?nchen, wo er für seine Inszenierungen einerseits in den Himmel gehoben, andererseits in Grund und Boden verdammt wurde. 1999 adelte ihn die Queen.

Sein Hauptanliegen war es, Hochkultur zugänglich zu machen. Sein Projekt »Oper fu?r alle«, bei dem er Aufführungen auf den Max-Joseph-Platz u?bertrug, wurde fu?r viele Sta?dte modellhaft.

Im April 2020, im Alter von 73 Jahren, erlag Sir Peter Jonas dem Krebs. In den zwei Jahren vor seinem Tod führte er zahlreiche Gespräche mit der Autorin Julia Glesner. »Schreiben sie schnell«, bat er, ehe er ihr Einblick in sein atemberaubendes Leben gewährte.

Ein Muss für alle Opernfans!



<p>Julia Glesner, geboren 1975 in Saarlouis, nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Politologie und Germanistik in Mainz und Paris promovierte sie am Graduiertenkolleg der HfG Karlsruhe/ZKM. Nach Stationen als Leiterin der O?ffentlichkeitsarbeit an der Oper Erfurt und als Leiterin Kommunikation und Marketing der Klassik Stiftung Weimar ist sie seit 2017 Professorin fu?r Kultur und Management an der Fachhochschule Potsdam.</p>

Kindheit und Jugend


London nach dem Zweiten Weltkrieg


»Meine erste Erinnerung an meine Schwester ist, wie sie morgens am Klavier Präludien und Fugen von Bach, Beethoven- oder Mozart-Sonaten übte. Ich schlief morgens noch in meinem Zimmer, wachte langsam auf und hörte zu, wie sie Klavier übte.« Peter Jonas schwieg wieder, während er seinen Erinnerungen nachhing. Das Singen der Sperlinge, Finken, aber auch der Mauersegler, die ganz in der Nähe seiner Wohnung in Zürich brüteten, drang durch die geöffneten Fenster der Wohnung.

Seine Schwester Kathryn war im September 1941 in London, mitten im Zweiten Weltkrieg, zur Welt gekommen. »Mit ihren langen Zöpfen sah sie sehr süß aus. Sie war vielleicht kein Wunderkind, aber sie war außergewöhnlich talentiert auf dem Klavier.«

»Entweder übte Kathryn Klavier – ich meine nicht Für Elise, ich meine Beethovens späte Sonaten – oder sie las ein Buch. Sie war unglaublich ernst. Mich nannte sie gewöhnlich ›my charming superficial brother‹. She had brains.« Brains – ein Wort, das es so, im Plural, in der deutschen Sprache nicht gibt. »Das sagt viel aus.« Er musste auflachen und blickte wieder aus dem Fenster seines Wohnzimmers über die Dächer des alten Bezirks Unterstrass, der an diesem Frühlingsmorgen so ruhig dalag. Kathryn war für Peter nicht nur die große Schwester, sie war viel mehr für ihn. Zu ihr schaute er auf, sein ganzes Leben lang. Sie war seine Mentorin, sein Fixpunkt, ein unerreichbarer, sanft leuchtender Stern. »I would love to meet her now. I really love my sister very much. I really miss her.« Seine Stimme brach. »I thought she was the most wonderful person. I wanted to be like her.«

Abb. 8: Peter und seine Schwester Kathryn

Seine Eltern Hilda May Ziadie und Walter Jonas lebten zum Beginn des Krieges in St. John's Wood in der Nähe des Regent's Park im Zentrum Londons. Ende 1940 wurde Hilda May mit Kathryn schwanger, unehelich. Hilda May erwartete ihr erstes Kind, während draußen The Blitz, die Luftschlacht um London, tobte. In den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft warfen die Deutschen und die Italiener jede einzelne Nacht rund zweihundert Bomben über der Stadt ab. Bis August 1941 starben 43 ‌000 Zivilisten, eine Million Häuser wurden zerstört. Hilda May musste sich mehr denn je nach ihrer einstigen Heimat Jamaika gesehnt haben. Doch nicht genug: Walter galt als enemy alien, als feindlicher Ausländer, und wurde für sechs Monate interniert. Nur unter der Bedingung, dass er sich bereit erklärte, für den Geheimdienst der britischen Armee zu arbeiten, wurde er entlassen. Worin genau seine Arbeit bestanden hat, erfuhr sein Sohn nie. Angeblich musste Walter 1942/43 in Deutschland Nationalsozialisten ausfindig machen, die sich Wirtschaftsdelikten schuldig gemacht hatten. Erst 1951 erhielt er die Erlaubnis, den Geheimdienst zu verlassen.

Abb. 9: Hilda May Ziadie und Walter Jonas, London 1939/40

Auch wenn die Kriegsjahre gängige Konventionen entwertet hatten, galt in England wie auch andernorts die Ehe als unanfechtbare Norm. Welcher Landlord hätte sein Apartment an ein unverheiratetes Paar vermietet? Uneheliche Geburten waren bis in die 1950er Jahre die Ausnahme.1

Mit ihren neunundzwanzig Jahren war Hilda May für ihre erste Schwangerschaft schon relativ alt, doch drückender als das gesellschaftliche Stigma der außerehelichen Schwangerschaft dürfte für sie die Reaktion ihres Vaters Tewfik in Jamaika gewesen sein, die nicht schwer vorzustellen ist: Ein uneheliches Kind war für den strengen Katholiken inakzeptabel. Walter und Hilda May heirateten. Um sich besser zu schützen, gingen sie nach Purley in den äußersten Süden Londons. Doch – bittere Ironie – dort zerstörte eine deutsche Streubombe das Dach ihres Hauses. Also zogen sie wieder zurück ins Zentrum Londons und warteten dort mit ihrem Baby auf das Ende des Krieges.

Endlich kam der 8. Mai 1945, VE Day, »Victory in Europe« Day, die Menschen schöpften wieder Hoffnung. Hilda May und Walter gehörten nun zu den Glücklichen. Sie hatten nicht nur überlebt, sie hatten noch ein Leben vor sich.

Und dennoch ist es nicht vorstellbar, dass die Schrecken der vergangenen Jahre folgenlos geblieben waren. Hilda May und Walter können die Kriegsjahre in London nicht ohne posttraumatische Reaktionen überlebt haben. Diese Traumata trugen beide zeitlebens mit sich. Ihre Kinder spürten das, auch wenn sie es weder benennen noch verstehen konnten.

Für die Kriegsrückkehrer war die Situation besonders hart. Ihre Demobilisierung dauerte oftmals zu lang, die kriegsmüde Bevölkerung wollte sie nicht mehr als Helden feiern, ihre Jobs hatten sie verloren. Lange war das Ende des Kriegs ersehnt worden, die prosaische Realität der Nachkriegszeit jedoch war nur schwer zu ertragen. Das britische Empire stand am Rande der Zahlungsunfähigkeit, die Inflation war hoch. Nur mit Mühe konnten die Briten die Kosten für die Besatzung Deutschlands aufbringen.

Allen widrigen Umständen zum Trotz waren die Tanzhallen und Kinos im London der Nachkriegsmonate brechend voll. Wolfgang und Hilda May jedoch kümmerten sich um ihre Tochter. Hilda May, mittlerweile vierunddreißig Jahre alt, erwartete in diesen Monaten ihr zweites Kind. Es kam am 14. Oktober 1946 zur Welt und wurde nach seinem Onkel väterlicherseits auf den Namen Jens Peter getauft, was später in John Peter geändert wurde. Gerufen wurde der Junge fortan mit seinem zweiten Namen: Peter.

Abb. 10: Peter Jonas, Anfang 1947

Der Winter 1946/47 war der schlimmste seit einem halben Jahrhundert, bösartige Winde pfiffen durch die zerstörte Stadt, der Frost drang in die verwüsteten Häuser. Die Themse fror zu, häufig fiel der Strom aus, elektrisches Licht gab es nur selten.2

Nach Peters Geburt kauften die jungen Eltern ein Haus in 24 Glebe Hyrst, Sanderstead. Es lag damals in einem der südlichen Außenbezirke Londons. Heute wie damals sind die Grundstücke in dieser Straße aufs Beste gepflegt. Finanzieren konnten Peters Eltern die Immobilie nur mit der Hilfe von Hilda Mays Vater Tewfik Ziadie. Doch das Haus wurde den Ansprüchen Hilda Mays, die aus Jamaika großzügigeres Wohnen gewohnt war, nicht gerecht. Ihr Empfinden stand in starkem Kontrast zur Situation vieler Briten, die eigenen Wohnraum nur mit Schwierigkeiten finden konnten. Mehr als die Hälfte der Paare, die zwischen 1947 und 1955 heirateten, lebten zum Beginn ihrer Ehe bei Verwandten.3 Heißes Wasser zur Verfügung zu haben war bei weitem noch kein Standard, das Gleiche galt für Toiletten innerhalb der eigenen Wohnräume. Gerade die Vertreter der Mittelschicht wie Hilda May empfanden die »austerity years«, wie der britischen Historiker David Kynaston die entbehrungsreichen Nachkriegsjahre bezeichnete, härter als andere Gesellschaftsschichten.4

Die größten Sorgen machten sich die meisten Briten darum, ein geschütztes Zuhause zu finden, ein sicheres Familienleben aufzubauen und ausreichend Essen zu bekommen. Ihre Unzufriedenheit konzentrierte sich vor allem auf das fehlende Brot, das es während der Kriegsjahre immer ausreichend gegeben hatte. Ein Meinungsforschungsinstitut hatte 1947 erfragt, wie sich die Briten ihre Traummahlzeit vorstellten, wenn sie keine Kosten scheuen müssten. »Ihre liebevoll detaillierte Antwort – Sherry, Tomatensuppe, Seezunge, Brathähnchen und Kaffee – gehörte zu einem großen Teil ins Reich der Phantasie.«5

Der alltägliche Unmut der Menschen richtete sich gegen Deutschland, dessen Wiederaufbau von 1948 bis 1952 aus Mitteln des Marshall-Plans »For the European Recovery« unterstützt wurde. Auch wenn England weitaus mehr Mittel aus dem Marshall-Plan erhalten hatte als Deutschland, waren die Briten länger von Lebensmittelkarten abhängig als die Deutschen. Peter Jonas erinnerte sich an sarkastische Äußerungen seiner Mutter, die immer mal wieder empört ausrief: »Why do...

Erscheint lt. Verlag 10.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Bayerische Staatsoper • Daniel Barenboim • Donna Leon • Für Opernfans • Georg Friedrich Händel • Geschenkbuch • Gespräche • Hochkultur • Interview • Kultur • Kunst • München • Musik • Oper • Sir Peter Jonas • Welt der Oper
ISBN-10 3-458-76874-2 / 3458768742
ISBN-13 978-3-458-76874-6 / 9783458768746
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