Man ist ja Nachbar (eBook)
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01037-6 (ISBN)
Andreas Altenburg, 1969 in Bayern geboren, ist seit 1993 als Morgen-Redakteur, Autor und Sprecher mit Schwerpunkt Comedy bei NDR 2 tätig. Zu den von ihm entwickelten Formaten gehören «Kwatsch», «Schumibrüder», «Haus Sonnenschein», «Detzer & Nelling» oder «Wer piept denn da?». Bei rororo erschien u.a. 2011 das Fanbuch zur Kultserie «Frühstück bei Stefanie» und «Wir sind die Freeses». Andreas Altenburg erhielt zusammen mit Harald Wehmeier den Deutschen Radiopreis für die Radiocomedy «Frühstück bei Stefanie»; die Fernsehcomedy «Jennifer - Sehnsucht nach was Besseres» wurde mit dem Deutschen Comedypreis 2018 in der Kategorie 'Beste Sitcom' ausgezeichnet.
Andreas Altenburg, 1969 in Bayern geboren, ist seit 1993 als Morgen-Redakteur, Autor und Sprecher mit Schwerpunkt Comedy bei NDR 2 tätig. Zu den von ihm entwickelten Formaten gehören «Kwatsch», «Schumibrüder», «Haus Sonnenschein», «Detzer & Nelling» oder «Wer piept denn da?». Bei rororo erschien u.a. 2011 das Fanbuch zur Kultserie «Frühstück bei Stefanie» und «Wir sind die Freeses». Andreas Altenburg erhielt zusammen mit Harald Wehmeier den Deutschen Radiopreis für die Radiocomedy «Frühstück bei Stefanie»; die Fernsehcomedy «Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres» wurde mit dem Deutschen Comedypreis 2018 in der Kategorie "Beste Sitcom" ausgezeichnet.
1
Seit zwanzig Minuten! Seit zwanzig Minuten stehe ich mit meiner Schwester jetzt schon in der Schlange bei der Post. Dabei war ich gestern schon hier. Und das alles nur, weil Silke wieder mal ungefragt auf dem Homeshoppingkanal Sachen für mich bestellt hat. Eine Kochblume! Schon mal gehört? Das ist so ein wabbeliges Gummiding, das man auf den Topf legt, damit das Wasser nicht überkocht. Wie wäre es mit Platte-kleiner-Stellen? Aber nein, das wäre ja zu einfach. Und nicht so schick. Und Menschen wie meine Schwester Silke hätten nix mehr zu tun.
Na ja, jedenfalls hatte Silke auch schon mal eine Kochblume für sich selbst bestellt. «Das Ding ist super!», sagte sie damals am Telefon zu mir. Irgendwie schafft sie es immer wieder, mein geheucheltes «Na, das ist doch toll» falsch zu interpretieren, und – bums! – hat sie mir vor ein paar Tagen, als die Kochblume wieder im Angebot war bei Kochwelt mit Alicia Schönberg, auch eine bestellt. Und jetzt steh ich mit Silke hier bei der Post, weil die zu blöd war, mir das Päckchen vernünftig an die Haustür zu liefern.
«Heute kommt dein Päckchen», hatte Silke mich angerufen und mir die Sendungsverfolgungsnummer durchgegeben. Auf eine Art grenzt das ja an Nötigung, wenn irgendwelche Leute mir einfach ungefragt Sachen nach Hause schicken und ich es dann ausbaden muss. Okay, sie ist meine Schwester, deshalb mach ich da jetzt kein größeres Fass auf. Aber es nervt.
«Die sind auch super fürs Kartoffelkochen. Wirst schon sehen», versucht Silke, gut Wetter zu machen.
«Ja.»
«Aber nicht mit den Fingern vom Topf nehmen nachher. Dafür musst du die Mälzer-Zange nehmen. Sonst verbrennst du dich.»
«Wie? Und das soll so? Haben die das im Fernsehen auch mit der Mälzer-Zange gemacht?»
«Nein, aber das sind auch Profis.»
«Kannst du mir mal erklären, warum du mir das Ding nicht einfach mitgebracht hast, wenn du sowieso in der Stadt bist?»
«Da wusste ich das ja noch nicht.»
Silke wohnt mit ihrem Mann auf dem Land an der Nordsee. Und so schön das da auch ist, hat sie hin und wieder Heimweh nach Hamburg-Barmbek, wo wir zusammen aufgewachsen sind, in der Wohnung, in der ich immer noch lebe. Deswegen ist sie gestern zu Besuch gekommen, hat mir ein büschen in der Wohnung geholfen, das Wohnzimmer mit Laminatpflege behandelt, was ich sonst nie mache, und die schwarzen Fenstergummis mit Fenstergummizeug behandelt, das sie auch vom Homeshoppingkanal hat und das der absolute Hammer sein soll. Abends Steak essen und einmal Kino in der Mundsburg – das ist ihr Programm. Sie schläft dann immer bei mir, auf einer Klapp-Matratze in ihrem alten Zimmer. Und als ich heute Morgen sagte, dass ich zur Post muss, um nach dem Päckchen zu fragen, was gestern schon hätte da sein müssen, entschied sie spontan, mitzukommen.
«Ich muss noch Radiergummis kaufen. Und die im Post-Shop sind mit die besten.»
Also manchmal weiß ich nicht, ob sie wirklich so ist oder ob sie nur wieder eine Ausrede sucht, um mich auf Schritt und Tritt verfolgen zu können. Weil ja der kleine zurückgebliebene Bruder nicht in der Lage ist, alleine ein Päckchen vom Schalter abzuholen …
Jedenfalls stehen wir jetzt hier, und ich fühle mich die ganze Zeit beobachtet. Das macht mich nervös, und ich fange an, heimlich den gesamten Vorgang im Kopf noch mal durchzugehen, um nicht am Ende doch wieder als der Dumme dazustehen. Aber nee: Sendungsnummer, Paketschein – alles geprüft.
«Alles Arschlöcher», rutscht es mir raus.
«Du redest schon wie dein bekloppter Vogel.»
«Kann er ja nix für.»
«Ja, das ist aber auch schon wieder so ’n Ding, dass du dir dieses vermaledeite Tier ans Bein bindest. Typisch du. Die Leute reden ja schon.»
Dazu muss man wissen, dass ich seit ein paar Jahren einen Beo zu Hause habe. Leider gehörte der vorher einem Mann mit Tourette-Syndrom. Einem Pastor! Das allein ist ja schon tragisch genug. Auch für die Gemeinde, ne? Mein Beo hat jedenfalls die ganzen Versautheiten aufgeschnappt, die der Herr Pastor während seiner Tics herausgeschleudert hat, und krächzt sie jetzt fleißig nach. Aber als ich das bemerkte, stand der Käfig schon in meinem Wohnzimmer. Und Fluchen sei kein Umtauschgrund, sagte man mir bei der Verbraucherzentrale. Jetzt habe ich das Tier halt, und jetzt müssen wir da durch. Fertig. Da muss man nun ja nicht immer drauf rumhacken.
«Hast du denn den Paketschein?»
«Noch mal: Da war kein Paketschein! Im Sendungsverlauf steht aber, dass das Päckchen in der Filiale ist.»
«Und warum war’s dann gestern nicht schon da?»
«Ich weiß es nicht!»
«Hast du wo angerufen, Ralf?»
«Jaha!»
«Ich hab bei der Firma noch mal angerufen. Die schicken sowieso noch mal ein neues los, weil deins weg ist.»
«Das sagst du jetzt …»
«Vorsichtshalber.»
«Dann muss ich ja wieder hierher.»
«Du bist doch sonst immer zu Hause! Soll ich’s an so eine Packstation liefern lassen?»
«So was gibt’s bei uns gar nicht. Wüsst ich nicht.»
Ich habe irgendwie ein schlechtes Paket-Karma. Wenn ich mal nicht zu Hause bin und aufpasse wie ein Luchs, geht alles schief. Wobei ich jetzt auch nicht weiß, auf was diese Großkatzen groß aufpassen. Aber man sagt das ja so. Wie auch immer. Gerade ich!
Für jeden aus dem Haus nehme ich die Pakete an, aber wenn ich selber mal eins bekommen soll, nix da. Ich verwette meinen Beo, dass meine Nachbarn sich tot stellen, wenn die Paketleute mit der Lieferung für mich bei ihnen klingeln. Und hinterher liegen meine Pakete dann irgendwo im Dreck vor der Haustür. Außer bei Dörte. Die arbeitet sauber. Die legt sie mir direkt vor die Tür. Aber die anderen? Auch von der Konkurrenz? Die stecken einem noch nicht mal ein Zettel in den Briefkasten. Und dann kann ich wieder alle Getränke-Läden und Kioske mit Paketshop in der Nachbarschaft abklappern. «Haben Sie ’n Paket für Prange?» Da kommt man sich vor wie so ein kleiner Schuljunge, der um Kaubonbons bettelt. Ich meine, ich bin Kunde! Ich habe einen Vertrag, dass mir der ganze Kram und auch die bescheuerten Kochblumen von meiner Schwester Silke nach Hause geliefert werden!
Ich habe wohl schon wieder geschnauft, denn Silke knufft mich in die Seite.
«Was ist denn jetzt schon wieder los?»
«Mich nervt das! Jetzt bin ich schon das zweite Mal hier.»
«Kann ja mal passieren …»
«Noch nicht mal ein Zettel im Briefkasten …! Also Dörte würde so was nicht machen. Irgendwas ist ja wohl mit ihr.»
«Wer ist denn Dörte?»
«Die Paketfrau. Die weiß, dass ich zu Hause bin.»
«Immer ja nu auch nicht.»
«Meistens aber wohl. Und ich hab extra den ganzen Tag aus’m Fenster geguckt.»
«Ah! Wegen Dörte!»
«Gar nicht!»
«Wie sieht sie denn aus?»
«Was soll denn das jetzt? Völlig normal sieht die aus. Wenn du mir auch einfach Sachen bestellst! Und ich muss dann am Ende selber zur Post latschen. Zweimal! Deswegen guck ich aus’m Fenster. Dann passiert das nicht. Normalerweise.»
Der Typ hinter uns versucht ganz langsam, eine zweite Warteschlange zu bilden. Alle dreißig Sekunden trippelt er ein bisschen weiter nach rechts und ein bisschen weiter nach vorn. Wir sind bald dran, und wenn er mit mir auf gleicher Höhe ist und Schalter 5 auf der rechten Seite aufmacht, dann kann er an mir vorbeiziehen – denkt er. Ich kenne diese Arschnasen. Wenn die Postfrau dann fragt: «Wer ist als Nächstes dran?», kommt von denen mit so einer Unschuldsmiene: «Ich weiß gar nicht? Der Herr oder ich …?!», und dann gehen die einfach schon direkt hin, ohne die Antwort abzuwarten. Das vergiss mal, Freundchen. Nicht mit mir. Nicht mit Ralf Prange! Ich schiebe Silke ein Stück nach rechts und mache den Gang zu.
«Was soll denn das?»
«Da liegen deine Radiergummis. Nimm!»
Der Typ hinter uns verzieht genervt das Gesicht. Wusste ich es doch.
«Lad sie doch mal ein!»
«Wen?»
«Die Paketfrau!»
«Woher denn? Da ist nix. Spinnst du?»
Wie eine Zombie-Armee trippelt die Schlange weiter nach vorne. Keine Spur von Vorfreude auf das, was man da vorne am Tresen unter Umständen abholen möchte. Wahrscheinlich, weil die meisten sowieso wissen, dass am Ende irgendwas schiefgeht. Das Paket, das nicht da ist. Das Einschreiben, für das man den Ausweis vergessen hat. Die Sanddornsaft-Flasche für Oma, die im falschen Karton liegt. Da kriegst du einen Brass.
«Du kannst dir ja auch mal was anderes anziehen. Immer nur diese Hose. Soll ich mal mit dir los?»
Warum muss sich Silke eigentlich immer wie Mudder aufführen? Ich meine, ich bin erwachsen.
«Die ist praktisch für die Arbeit.»
«Ich weiß gar nicht, wieso du überhaupt noch arbeitest. Du hast doch so gut wie ausgesorgt mit den Windrädern.»
«Ja, und denn?»
«Machst du was Schönes!»
«Weiß nicht. Sooo viel Schönes gibt’s ja nu auch nich.»
Das ist noch was, das ich anstrengend an meiner Schwester finde: dass sie mir immer wieder aufs Brot schmieren muss, was ich ohne sie wäre. Die Sache mit den Windrädern damals war nämlich ihre Idee. Da war sie gerade aufs Land gezogen mit ihrem Mann und hat Beteiligungen für uns gekauft. Mit dem Geld von unserem toten Vater, weil der ja auf der Baustelle von einem Besoffenen mit dem Bagger überfahren worden ist. Die Windräder-Aktien sind dann abgegangen wie Schmidts Katze, und das schmiert mir Silke aufs Brot, sobald sich die Gelegenheit ergibt.
Inzwischen bin ich voll am Schwitzen und habe...
Erscheint lt. Verlag | 1.11.2021 |
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Reihe/Serie | Die Ralf Prange-Reihe | Die Ralf Prange-Reihe |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Comedy • DHL • Ekelpaket • Frühstück bei Stefanie • Humor • Jack Nicholson • Lustige Bücher • lustige bücher für erwachsene • lustige Romane • lustige wichtelgeschenke • Mietswohnung • Nachbarn • Nachbarschaftsstreit • Paketbote • Paketdienst • Parodie • spiegel bestseller • Spiegel-Bestseller-Autor • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Umzug • UPS • Wichtelgeschenk • Wichtelgeschenk für 10 Euro • Wir sind die Freeses |
ISBN-10 | 3-644-01037-4 / 3644010374 |
ISBN-13 | 978-3-644-01037-6 / 9783644010376 |
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