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Das Inselweihnachtswunder (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00836-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Inselweihnachtswunder -  Janne Mommsen
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Inselglück & Weihnachtswunder: das perfekte Weihnachtsgeschenk des Spiegel-Bestsellerautors an seine Leserinnen und Leser. Die junge Inselpastorin Carola leitet im Friesendom die Chorprobe für Heiligabend. Alle sind voller Vorfreude aufs Fest, nur sie nicht. Nach der Christmette wird sie wieder alleine in ihrem kleinen Reetdachhaus sitzen. Noch ist aber Vorweihnachtszeit, und es gibt eine Menge zu tun: Als Carola auf der gegenüberliegenden Hallig Langeneß eine Andacht hält, bittet der sympathische Organist Torin sie um einen Gefallen: Seiner Großmutter geht es gesundheitlich so schlecht, dass sie Weihnachten wahrscheinlich nicht erleben wird. Ob Carola mit der Familie den Heiligabend vorziehen könne? Kurz vor Weihnachten überschlagen sich die Ereignisse. Ein Geldkoffer mit mehreren tausend Euro wird an Land gespült, ein anonymer Wohltäter sorgt für ein Weihnachtswunder, und die Möglichkeit eines Single-Heiligabends in der kleinen Inselbuchhandlung zeichnet sich ab. Ob dort vielleicht auch ihr ganz persönliches Weihnachtswunder auf Carola wartet?  

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

1.


Nach seinem langen Weg über das Nordmeer fegte der Sturm mit ungebremster Kraft auf Föhr zu. Die Dachbalken von Carolas Reetdachhäuschen ächzten bei jeder Böe. Die Pfarrerin warf einen letzten Blick in den Spiegel neben der Flurgarderobe und versuchte die bedrohlichen Geräusche von draußen auszublenden. So war es halt in der Adventszeit auf der Insel. Sie würde jetzt trotzdem vor die Tür gehen.

Carola streifte den viel zu großen dunkelblauen Seemannspullover aus irischer Wolle über und schlüpfte in ihre gefütterte Wetterjacke, deren Kapuze man bis zur Nase runterziehen konnte. Bei dem, was sie vorhatte, durfte sie auf keinen Fall erkannt werden.

Behutsam nahm sie den Porzellanteller mit den Antipasti aus dem Kühlschrank und spannte Frischhaltefolie darüber. In die sackartige Seitentasche ihrer Jacke steckte sie eine Flasche Bio-Rhabarbersaft, in die andere Tasche kam ein Trinkglas von IKEA. Den Teller mit der linken Hand balancierend, öffnete sie mit der rechten die Wohnungstür. Eine heftige Windböe riss ihr die Vorspeise fast aus der Hand. Misstrauisch schaute sie die Straße hinunter, bei diesem Sturm war niemand unterwegs. Sie eilte los. Der Wind war schneidend kalt, ließ ihre Finger rot werden und schmerzen. Sie hätte Handschuhe anziehen sollen, aber deswegen wollte sie jetzt nicht nicht noch mal zurück.

Prompt passierte genau das, was sie auf jeden Fall vermeiden wollte: Monika Lange kam mit dem Fahrrad direkt auf sie zugefahren. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Monika war Friseurin in Utersum und eine der größten Klatschtanten der Insel.

«Moin, Frau Pastorin», grüßte sie fröhlich und stieg vom Rad. Ihre Haare trug sie immer in wechselnden Farben von Rot bis Lila, das war ihr Markenzeichen. Jetzt lugten nur ein paar blaue Fransen unter der Pudelmütze hervor.

«Moin», antwortete Carola. Kurz grüßen und weitergehen funktionierte bei allen Insulanern – nur nicht bei Monika.

«Wo geit?».

«Bestens!», sagte Carola. «Und selber?»

«Auch.»

Hoffentlich sagte sie nichts zu dem Teller. Doch das war ein vergeblicher Wunsch:

«Oh, was gibt es in der Kirche denn heute zu essen?»

«Das ist mein Pausenbrot.»

«Sieht lecker aus.»

«Gutes Essen hält Leib und Seele zusammen», meinte Carola. Ihre Finger waren inzwischen komplett gefühllos. «Ich muss weiter.»

«Mach’s gut.»

«Tschüssing.»

Carola stöhnte leise auf, sie hatte Monika angelogen. Das Essen war keinesfalls für sie selbst bestimmt. Niemand durfte wissen, wen sie mit Antipasti und Rhabarbersaft versorgte. Es war eine schwere Sünde, daran gab es nichts zu deuteln.

Bitte, vergib mir meine Schuld, bat sie im Stillen.

Mit ihrem linken Stiefel stieß sie das eiserne Tor zum Friedhof auf und eilte an den Grabsteinen vorbei. Hier lagen viele Seefahrer und Walfänger aus vergangenen Jahrhunderten begraben. Die Föhrer Kapitäne waren berühmt für ihre nautischen Fähigkeiten gewesen. Wer im Wattenmeer bei Ebbe und Flut navigieren konnte, fand sich auch im Eismeer zurecht. Die Namen auf den Grabsteinen waren Carola vertraut, sie lauteten Petersen, Braren, Olufs, Martens, Hassold. Mit ihren Nachfahren hatte sie täglich auf der Insel zu tun.

Inmitten des Friedhofs stand der mächtige Friesendom aus dem 13. Jahrhundert wie eine feste Burg, es war die größte Kirche der Insel. Der eckige Turm mit dem Satteldach streckte sich über dreißig Meter schroff in den stürmischen Himmel und trotzte allen Wettern.

Beeil dich, bevor dich noch jemand sieht, ermahnte sie sich. Sie versuchte die schwere Holztür zum Turm aufzuschließen, ohne den Teller abzusetzen. Dabei rutschte ihr die Kapuze vor die Augen, prompt fiel ihr auch noch der Eisenschlüssel aus der Hand. Also Teller abstellen, Schlüssel aufheben, aufschließen, Teller reinbringen, auf dem Steinfußboden abstellen, und dann hinter sich abschließen. Geschafft!

Im Inneren des Doms war es absolut windstill. Hinter den meterdicken, uralten Mauern fühlte sie sich geschützt. Sie schlug die Kapuze hoch und atmete auf, die erste Hürde war genommen. Carola schaute auf die steinerne Treppe, die zum Turm hoch führte. Erneut kamen ihr Zweifel: Sollte sie nicht doch besser umkehren?

Nein, sie hatte es angefangen, jetzt würde sie es auch zu Ende bringen. Im Treppenhaus war es frostig, die winzigen Fenster ließen nur wenig Licht herein. Behutsam nahm sie Stufe für Stufe.

Hoffentlich mochte ihr Gast da oben, was sie ihm mitgebracht hatte. Anfangs hatte sie an Spaghetti Frutti di Mare gedacht, die sie selbst über alles liebte. Aber die verdarben zu schnell, deshalb hatte sie Antipasti zubereitet: Champignons in Olivenöl, getrocknete Tomaten, eingelegte Auberginen, Avocado in Balsamico und einiges mehr. Oben im Turm war es jetzt im Dezember eiskalt, da würde sich alles gut halten.

Auf halber Strecke musste sie eine kurze Pause einlegen, weil ihr die Luft ausging. Mensch, Carola, du bist fünfunddreißig und fährst viel Rad, das wirst du ja wohl locker schaffen! Gab es nicht sogar Wettläufe bis aufs Dach des Empire State Building in New York? Wie man das hinbekam, ohne tot umzufallen, war ihr schleierhaft.

Nach einiger Zeit gelangte sie zu den mächtigen Bronzeglocken, die so hoch waren wie sie selbst. Sie blieb stehen und holte erneut tief Luft. Auch hier war sie noch nicht am Ziel. Ihr Handy klingelte. Sollte sie rangehen? Sie stellte den Teller auf den Boden und drückte den grünen Knopf.

«Schmidt.»

«Moin, Carola.» Es war ihr Pfarrerskollege Benedikt Blüthgen, genannt «Bene», von der Fünfzig-Seelen-Hallig gegenüber im Wattenmeer. Auch er durfte nicht wissen, was sie hier tat.

«Wo steckst du?», fragte Bene.

«Ich bereite im Friesendom die Probe für den Heiligabend vor.»

Schon wieder gelogen, Carola!

«Ach, deswegen hallt es so.»

«Was gibt’s?», fragte Carola.

«Ich bin in Frankfurt mit dem Wagen liegengeblieben und schaffe es nicht rechtzeitig auf die Hallig.»

«Oje.»

«Könntest du eventuell meinen Adventsgottesdienst übernehmen?»

«Ich habe, wie gesagt, eine Probe», sagte Carola.

«Es geht erst um vier Uhr los.»

«Hängt vom Wetter ab.» Sie musste ja rüber auf die Hallig kommen.

«Angesagt ist Windstärke fünf.»

«Das würde gerade noch hinhauen», meinte sie.

«Super, tausend Dank! Dann gebe ich dem Organisten gleich Bescheid.»

«Bis dann.»

«Bis dann – und danke noch mal!»

Carola legte auf und blickte argwöhnisch auf die schmale Holzleiter, die neben den Glocken an einem Balken lehnte. Wie sollte sie die jetzt hochkommen? Den Teller balancierend, arbeitete sie sich Sprosse für Sprosse voran. Mehrmals war sie kurz davor, das Gleichgewicht zu verlieren, dabei schoss ihr vor Schreck das Blut in den Kopf.

Es ging gut – gerade so!

In der nächsten Etage roch es nach altem Staub und trockenem Holz. Über eine weitere wackelige Leiter ging es zu dem kleinen Raum direkt unter der Turmspitze. Inzwischen war sie geübt und ging es beherzter an.

Ganz oben angekommen, konnte sie kaum stehen, so eng war es hier. Der eiskalte Westwind tobte durchs Gebälk und drückte die salzige Meeresluft durch jede Ritze. Durch eine kleine Maueröffnung blickte sie hinaus. Die Wellen der Nordsee liefen hoch auf und trugen schaumige Kronen auf den Spitzen. Der Sturm versetzte die ganze Insel in Bewegung, der Sand an den Stränden wurde hoch aufgewirbelt, das Dünengras gebürstet, Bäume und Büsche bogen sich. Ein Plastikstuhl wurde mit schnellen Salti über ein abgeerntetes Feld geschleudert.

Von der Nachbarinsel Amrum blinkte der Leuchtturm in Nebel herüber, als wollte er Kontakt zum Friesendom aufnehmen. Der lag auf einer Linie mit der Kirche St. Severin in Keitum auf Sylt, der Alten Kirche auf Pellworm und der heute auf dem Festland angesiedelten Kirche St. Magnus in Tating auf der Halbinsel Eiderstedt. Eine schöne Idee der damaligen Baumeister.

Es fing an zu regnen, die Tropfen peitschten ihr durch den Mauerspalt ins Gesicht. Ein paar Sekunden später drehte der Wind, die dunklen Wolken rissen auf, und die Sonne strahlte vom blauen Himmel auf die Insel und das Meer. Der Sturm hielt alles weiter in Bewegung, im Sonnenschein sah es jetzt aus wie ein übermütiger Tanz. Carola liebte dieses kräftige, sattgoldene Wintersonnenlicht, das es nur zur Adventszeit gab. Damit kündigte sich jedes Jahr das Weihnachtsfest an.

Sie kniete sich auf den Boden, stellte den Teller ab und entfernte die Folie. Der Duft von Knoblaucholiven füllte den zugigen Raum. Die Antipasti waren mal etwas anderes als das, was Nis Puk sonst vorgesetzt bekam. Die Rhabarbersaft-Flasche stellte sie zusammen mit dem Glas daneben. Zusätzlich klemmte sie eine grüne Papierserviette mit aufgedruckten Weihnachtsbäumen unter den Teller. Sie goss etwas Saft ins Glas. Zufrieden blickte sie auf ihr Arrangement, das im kahlen Dachraum einladend aussah.

Von Nis Puk hatte sie das erste Mal gehört, als sie gerade nach Föhr gekommen war. Nach alter friesischer Überlieferung waren die Dachböden und Scheunen der Insel das Zuhause des Trolls. Nis stammte aus heidnischen Zeiten, lange vor dem Christentum. Er wirkte ausgleichend auf die Bewohnerinnen und Bewohner eines Hauses und passte auf sie auf. Einmal im Jahr, zu Weihnachten, musste ihm etwas zu essen hingestellt werden. Geschah das nicht, wanderte er weiter, und das Haus war vom Verfall bedroht. Konnte man so etwas ernsthaft glauben?

Viele Insulaner machten sich darüber lustig – und...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adventsgeschenk • Adventsgeschichten • Adventszeit • Amrum • Die kleine Inselbuchhandlung • Föhr • Geschenk • Geschenkbuch • Inselbuchhandlung • Inselroman • Nordfriesische Insel • Nordfriesland • Nordsee • Nordseeinsel • Pastorin • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Sylt • Weihnachten • Weihnachten Roman • Weihnachtsbücher • Weihnachtsgeschenk • Weihnachtsroman • Weihnachtsromane
ISBN-10 3-644-00836-1 / 3644008361
ISBN-13 978-3-644-00836-6 / 9783644008366
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