Snow Crash (eBook)
576 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491338-4 (ISBN)
Neal Stephenson studierte Physik und Geografie, bevor er sich als Schriftsteller und Technologie-Berater selbständig machte. Seit »Snow Crash« (1992) gilt Stephenson als einer der originellsten SF-Autoren, der für alle größeren SF-Preise nominiert war (und einige davon gewonnen hat). Er lebt und arbeitet in Seattle.
Neal Stephenson studierte Physik und Geografie, bevor er sich als Schriftsteller und Technologie-Berater selbständig machte. Seit »Snow Crash« (1992) gilt Stephenson als einer der originellsten SF-Autoren, der für alle größeren SF-Preise nominiert war (und einige davon gewonnen hat). Er lebt und arbeitet in Seattle.
Die hemdsärmelige Art, mit der Stephenson [...] Religionsgeschichte interpretiert ist dabei genauso witzig wie die Handlung selbst.
[...] exzellente Neuübersetzung eines der bekanntesten Cyberpunk-Werke der 1990er. [...] Die rasante Story [...] ist heute ebenso frisch und lesenswert wie zum Zeitpunkt ihres ersten Erscheinens.
›Snow Crash‹ gilt zurecht als visionäres Kultbuch. Auch die Neuübersetzung von Alexander Weber hat das Zeug dazu.
Ein Must Read für alle Fans von düsterer Science Fiction.
der aus meiner Sicht spannendste Science-Fiction-Autor in den letzten drei Jahrzehnten [...].
brillante Gesellschaftssatire
›Snow Crash‹ wurde zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Bei der (erneuten) Lektüre erweist sich ›Snow Crash‹ als flott zu lesende Science Fiction [...] die auch nach dreißig Jahren immer noch punkten kann.
[...] Neal Stephenson [hat sich] als sicherer Prognostiker erwiesen.
Wer [eine visionäre Auseinandersetzung mit einer zukünftigen Gesellschaft und ihren Technologien] sucht, greift besser zu den Klassikern des Cyberpunk, etwa [...] ›Snow Crash‹ [...].
›Snow Crash‹ ist noch immer ein cooles SF-Buch, in der Rückschau nach 30 Jahren sogar beeindruckend hellsichtig.
Das Buch stammt aus dem Jahr 1992, ist aber heute aktueller denn je.
1
Der Deliverator gehört einem Eliteorden an, einer geheiligten Subkategorie. Er ist motiviert bis in die Haarspitzen. Gerade bereitet er sich auf die dritte Mission des Abends vor. Seine Uniform ist schwarz wie Aktivkohle, so schwarz, dass sie das Licht förmlich aus der Luft saugt. Kugeln würden von dem Gewebe aus Arachnofasern abprallen wie ein Zaunkönig, der gegen eine Verandatür kracht, überschüssiger Schweiß jedoch weht sanft hindurch wie eine laue Brise durch einen frisch napalmbombardierten Wald. Dort, wo an seinem Körper Knochen hervorstehen, ist der Anzug mit gesintertem Panzergel gepolstert. Fühlt sich an wie grobkörniger Wackelpudding, schützt wie ein Stapel Telefonbücher.
Als er den Job bekam, gab man ihm eine Waffe. Der Deliverator wird niemals bar bezahlt, trotzdem könnte es jemand auf ihn abgesehen haben – auf sein Auto oder auf seine Ladung. Die Pistole ist winzig, stromlinienförmig, federleicht, eine Waffe, wie sie ein Modedesigner tragen würde. Sie feuert winzige Pfeile ab, fünfmal so schnell wie ein SR-71-Spionagejet, und wenn man sie benutzt hat, steckt man sie zum Aufladen in den Zigarettenanzünder, denn sie funktioniert elektrisch.
Der Deliverator zog diese Waffe nie aus Wut oder aus Angst. Zog sie überhaupt nur einmal. Ein paar Punks in Gila Highlands, einer dieser reichen Burbclaves, hatten sich was bestellt und wollten nicht dafür bezahlen. Dachten, sie könnten den Deliverator mit einem Baseballschläger beeindrucken. Doch der Deliverator zückte seine Waffe, zielte mit dem Laserding auf den erhobenen Schläger, einen Louisville Slugger, und drückte ab. Der Rückstoß war so gewaltig, als wäre das Teil in seiner Hand hochgegangen. Das mittlere Drittel des Baseballschlägers verwandelte sich in eine kurzlebige Säule aus brennenden Sägespänen, die in alle Richtungen davonstoben wie ein explodierender Stern. Danach hielt der Punk nur noch den verkohlten Griff in der Hand, darüber kräuselte sich milchiger Rauch in den Himmel. Glotzte dämlich aus der Wäsche. Hat nichts vom Deliverator bekommen außer Ärger.
Seitdem lässt der Deliverator die Pistole im Handschuhfach, verlässt sich stattdessen auf ein zusammengehöriges Paar Samuraischwerter, die ohnehin schon immer die Waffen seiner Wahl gewesen sind. Die Punks in Gila Highlands hatten keine Angst vor der Pistole, also war der Deliverator gezwungen gewesen, sie zu benutzen. Schwerter jedoch bedürfen keiner Vorführung.
In den Batterien seines Autos steckt genügend Energiepotenzial, um ein Pfund Speck in den Asteroidengürtel zu schießen. Doch im Gegensatz zu einer Mommybox oder einem Burbbeater entlädt das Auto des Deliverators seine Energie durch klaffende, funkelnde, glanzpolierte Schließmuskeln. Wenn er aufs Gas steigt, brennt die Luft. Willst du was über Kontaktflächen hören? Deine Reifen haben winzige Kontaktflächen, berühren den Asphalt an vier mickrigen Punkten, gerade mal so groß wie deine Zunge. Das Auto des Deliverators hat massige Haftreifen mit Kontaktflächen so lang und breit wie die Schenkel einer fetten Braut. Der Deliverator ist auf Tuchfühlung mit der Straße, geht derbe ab wie ’n echter Scheißtag, bremst so scharf wie ’ne Betonwand.
Warum ist der Deliverator so ausgestattet? Weil sich die Leute auf ihn verlassen. Er ist ein Vorbild. Das ist Amerika. Die Leute tun und lassen, was sie verdammt nochmal wollen. Hast du ’n Problem damit? Es ist nämlich ihr beschissenes Recht. Außerdem haben sie Waffen, und niemand kann sie aufhalten. Deshalb hat dieses Land eine der miesesten Volkswirtschaften der Welt. Denn letzten Endes – jedenfalls was die Handelsbilanz angeht – ist es doch so: Wenn erst einmal all unser technologisches Knowhow in andere Länder abgeflossen ist, wenn sich alles ausgeglichen hat, man in Bolivien Autos und in Tadschikistan Mikrowellen baut und sie hier bei uns verkauft, wenn unsere Überlegenheit bei den natürlichen Ressourcen völlig bedeutungslos geworden ist, weil gigantische Schiffe und Zeppeline aus Hongkong ganz North Dakota für ein paar Cent bis nach Neuseeland schleppen könnten, wenn die unsichtbare Hand erst einmal sämtliche historischen Ungleichheiten gepackt und sie in einer dicken Schicht von etwas, das ein pakistanischer Ziegelbrenner womöglich Wohlstand nennen würde, über den gesamten Erdball gekleistert hat – weißt du was? Dann gibt es nur noch vier Dinge, in denen wir besser sind als alle anderen:
Musik
Filme
Microcode (Software)
Superschneller Pizzaservice
Früher hat der Deliverator Software programmiert. Ab und zu tut er das auch heute noch. Doch wäre das Leben eine ziemlich tolerante, von wohlmeinenden Doktoren der Pädagogik geführte Grundschule, dann würde auf dem Zeugnis des Deliverators stehen: »Hiro ist bemerkenswert intelligent und kreativ, aber er sollte dringend an seiner Kooperationsfähigkeit arbeiten.«
Deshalb hat er jetzt diesen neuen Job. Einen, der keine Intelligenz erfordert. Und keine Kreativität. Aber eben auch keine Kooperation. Es gibt nur eine Regel: Der Deliverator steht dafür gerade, dass du deine Pizza in dreißig Minuten hast, oder du kriegst sie umsonst, darfst den Fahrer abknallen, dir sein Auto schnappen und auf Schadenersatz klagen. Der Deliverator macht den Job jetzt seit sechs Monaten, ein langes und erfülltes Berufsleben für seine Verhältnisse, und er hat noch nie länger als einundzwanzig Minuten gebraucht, um eine Pizza auszuliefern.
Klar, früher haben die Kunden ständig um Lieferzeiten gestritten, ellenlange Diskussionen angezettelt, für die etliche Pizzafahrerjahre draufgegangen sind: Eigenheimbesitzer, rotgesichtig und verschwitzt von ihren eigenen Lügen, Typen, die nach Old Spice und Jobstress stanken, die im gelben Lichtschein ihres Hausflurs mit der Seiko wedelten und auf die Uhr über der Spüle zeigten, ich schwör’s, könnt ihr Jungs denn keine Uhr lesen?
Aber das ist längst Geschichte. Pizzaausliefern ist heute eine Großindustrie, hochorganisiert. Die Leute waren vier Jahre lang auf der CosaNostra Pizza University, um es zu studieren. Konnten keinen Satz Englisch schreiben, als sie kamen – aus Abchasien, Ruanda, Guanajuato, Süd-Jersey –, und als sie wieder rausmarschierten, wussten sie mehr über Pizza als ein Beduine über Sand. Hatten Diagramme über die Häufigkeit von Lieferzeitstreitigkeiten an der Haustür angefertigt. Hatten ihre Pizzaboten verwanzt, um alles aufzunehmen und später zu analysieren: die rhetorischen Strategien, die stimmbasierten Stress-Histogramme, die spezifische Grammatik all dieser weißen Burbclave-Bewohner aus der Mittelschicht, Typ Choleriker, die bar jeder Logik beschlossen hatten, genau hier und jetzt wie einst General Custer die Stellung zu halten, im letzten Gefecht gegen alles, was in ihrem Leben abgeschmackt und geisttötend war. Sie logen über den Zeitpunkt ihres Anrufs oder glaubten sogar selbst, was sie sagten, um sich eine Gratispizza zu sichern; nein, sie verdienten diese Gratispizza, verdienten sie ebenso wie Leben, Freiheit und das Streben nach weiß der Geier was, das war nun mal ihr scheißunveräußerliches Recht. Man hatte Psychologen zu den Leuten nach Hause geschickt, ihnen neue Fernseher geschenkt, damit sie an anonymen Umfragen teilnahmen, sie an Lügendetektoren angeschlossen, ihre Hirnströme gemessen, während man ihnen flimmrige, kryptische Videos von Pornoqueens, nächtlichen Autounfällen und Sammy Davis, Jr. zeigte, und sie anschließend in lieblich duftende Zimmer mit malvenfarbenen Tapeten geführt und ihnen derart verstörende Fragen über Ethik gestellt, dass nicht einmal ein Jesuit sie hätte beantworten können, ohne sich einer klitzekleinen lässlichen Sünde schuldig zu machen.
Schlussendlich gelangten die Forscher von der CosaNostra Pizza University jedoch zu dem Ergebnis, dass all dies schlicht in der Natur des Menschen lag und man nicht das Geringste daran ändern könne, also verfielen sie auf eine kostengünstige technische Lösung: die Smartbox. Der heutige Pizzakarton ist ein hochstabiles geriffeltes Kunststoffgehäuse mit einem leuchtenden LED-Display an der Seite, das dem Deliverator verrät, wie viele handelsbilanzverzerrende Minuten seit dem schicksalhaften Telefonanruf verstrichen sind. Sind randvoll mit Speicherchips und solchem Kram, die Dinger. Die Pizzen stecken, eine über der anderen, in Fächern hinter dem Kopf des Fahrers. Jede Pizza gleitet in einen solchen Steckplatz wie eine Platine in einen Rechner und rastet klickend ein, worauf sich die Smartbox in den Bordcomputer des Lieferautos einloggt. Die Adresse des Anrufers ist bereits aus seiner Telefonnummer ermittelt und in den eingebauten RAM der Box geladen worden. Von dort aus wird sie zum Bordsystem übertragen, das die optimale Strecke berechnet und sie auf ein HUD projiziert, eine durchsichtige, bunt leuchtende Straßenkarte, die sich über die Windschutzscheibe spannt, so dass der Deliverator nicht einmal nach unten schauen muss.
Wenn die Dreißigminutenfrist abgelaufen ist, wird die Katastrophenmeldung augenblicklich an die Firmenzentrale von CosaNostra Pizza gesendet, wo man sie umgehend an Onkel Enzo persönlich weiterleitet – den sizilianischen Colonel Sanders, den Andy Griffith von Bensonhurst, die rasiermesserschwingende Ausgeburt der Albträume eines jeden Deliverators, Capo und Galionsfigur von CosaNostra Pizza Incorporated –, der dann binnen fünf Minuten zum Telefon greift, den Kunden anruft und sich überschwänglich bei ihm entschuldigt. Tags darauf wird Onkel Enzo mit seinem Düsenhelikopter im Vorgarten des Kunden landen, um sich noch etwas leidenschaftlicher zu...
Erscheint lt. Verlag | 27.10.2021 |
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Übersetzer | Alexander Weber |
Zusatzinfo | 7 s/w-Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Computervirus • Cyberpunk • Cyberpunk 2077 • Dystopie • Hacker • Künstliche Intelligenz • Linguistik • metaverse • metaversum • Near Future SF • neuromancer • Ready Player One • Science Fiction • science fiction bestseller • Science Fiction Klassiker • SF Klassiker • techno thriller • Virtual Reality |
ISBN-10 | 3-10-491338-2 / 3104913382 |
ISBN-13 | 978-3-10-491338-4 / 9783104913384 |
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