Schicksal - Das Imperium der Ströme 3 (eBook)
368 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491315-5 (ISBN)
John Scalzi (* 1969) gehört zu den weltweit erfolgreichsten SF-Autoren, seine Bücher wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Er wurde, unter anderem, mit dem Hugo Award (USA), dem Seiun-Preis (Japan), dem Geffen Award (Israel) und dem Kurd-Laßwitz-Preis (Deutschland) ausgezeichnet.
John Scalzi (* 1969) gehört zu den weltweit erfolgreichsten SF-Autoren, seine Bücher wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Er wurde, unter anderem, mit dem Hugo Award (USA), dem Seiun-Preis (Japan), dem Geffen Award (Israel) und dem Kurd-Laßwitz-Preis (Deutschland) ausgezeichnet.
Sein Schreibtalent glänzt durch subtile Ironie und tiefschwarzen Humor, seine Gesellschaftskritik kommt spielerisch daher.
Der US-amerikanische Bestsellerautor John Scalzi weiß, wie man maximal zugängliche und maximal unterhaltsame - sowie entsprechend erfolgreiche - Science Fiction schreibt.
Prolog
Das Komische war, dass Ghreni Nohamapetan, der amtierende Herzog von Ende, die Boden-Luft-Rakete, die in seinen Fluggleiter krachte, eine Sekunde vor dem Einschlag tatsächlich sah.
Er hatte sich mit Blaine Turnin unterhalten, seinem Verteidigungsminister, der im Nachhinein betrachtet doch nicht so gut in diesem Job war, und zwar über das bevorstehende Geheimtreffen mit einer Rebellengruppe, die versprochen hatte, sich im derzeitigen Bürgerkrieg auf die Seite des Herzogs zu schlagen. Als Ghreni sich Turnin zuwandte, um ihm etwas zu sagen, bemerkte er aus dem Augenwinkel einen Lichtblitz, der seinen Blick zur dicken Scheibe des Bullauges lenkte, wo die bereits erwähnte Boden-Luft-Rakete mit einem Mal das Sichtfeld beherrschte.
Ich glaube, das ist eine Rakete, wollte Ghreni in diesem Moment bemerken, doch er kam nur dazu, »I…« zu sagen, tatsächlich nur das allererste Phonem jenes sehr kurzen Wortes, bevor die Rakete in den Fluggleiter schlug und alles – offen gesagt – total im Arsch war.
Im folgenden Sekundenbruchteil, während der Fluggleiter plötzlich um mehrere Achsen trudelte und sich der unangeschnallte Blaine Turnin in einen überraschten Fleischball verwandelte, der zwischen den Wänden der Passagierkabine des Fluggleiters hin und her geworfen wurde, formulierte Ghreni Nohamapetan, der amtierende Herzog von Ende, verschiedene gleichzeitige Gedanken, die weniger von seinem Gehirn verarbeitet wurden, sondern eher komplett ausgebildet und sich überlagernd auftauchten, als hätten seine höheren kognitiven Funktionen entschieden, den ganzen Ballast abzuwerfen, damit er das alles später sortieren konnte, falls es ein »Später« gab, was in Anbetracht der Tatsache, dass Blaine Turnins Hals soeben auf beunruhigende Weise erschlafft war, zunehmend unwahrscheinlich wurde.
Vielleicht wäre es einfacher, diese Gedanken in prozentualen Anteilen entsprechend ihrer Anwesenheit in Ghrenis Bewusstseinstheater zu beschreiben.
Zunächst war da ein Scheiße verfickte Scheiße Scheiße verfickt nochmal verfickte Höllenscheiße, was ungefähr 89 % von Ghrenis Bewusstsein beanspruchte und durchaus verständlich war, da sein Fluggleiter immer stärker rotierte und an Höhe verlor.
Ein ferner zweiter Gedanke, der vielleicht 5 % ausmachte, lautete: Wie konnten die Rebellen davon wissen, wir haben dieses Treffen doch erst vor einer Stunde anberaumt, nicht einmal ich wusste, dass ich in diesem Gleiter sitzen würde, und wo zum Teufel bleibt eigentlich die Raketenabwehr, ich bin der Regierungschef eines ganzen Planeten, und hier tobt ein Bürgerkrieg, also sollte man meinen, dass meine Sicherheitsleute etwas mehr auf Zack wären. Das war in der Tat recht viel, um es in diesem Moment zu verarbeiten, so dass Ghrenis Gehirn entschied, vorläufig auf Antworten zu verzichten.
An dritter Stelle mit vielleicht 4,5 % von Ghrenis bewusster Aufmerksamkeit kam: Ich glaube, ich brauche einen neuen Verteidigungsminister. Insofern als Blaine Turnins Körper sich mittlerweile in einer Gestalt präsentierte, dich sich nur als »hochgradig verdreht« beschreiben ließ, war dieser Gedanke vermutlich korrekt und bedurfte keiner weiteren Erwägung.
Womit nur noch der vierte Gedanke übrig blieb, der zwar nur den letzten winzigen Rest von Ghrenis Bewusstsein und kognitiver Energie beanspruchte, aber trotz allem ein Gedanke war, der ihm bereits zuvor und des Öfteren gekommen war – sogar so oft, dass sich behaupten ließ, er hätte ihn in vielerlei Hinsicht definiert und ihn zu dem Mann gemacht, der er heute war, nämlich ein Mann, der enormen Kräften ausgesetzt war, die sowohl gravitativer als auch zentrifugaler Natur waren. Und dieser Gedanke war:
Warum ich?
Und in der Tat – warum Ghreni Nohamapetan? Welche verhängnisvollen Umstände hatten ihn zu diesem Moment seines Lebens geführt, in dem er heftig ins Schleudern geriet, sowohl buchstäblich als auch existenziell, während er versuchte, sich nicht auf die mutmaßliche Leiche seines nunmehr allerhöchstwahrscheinlich ehemaligen Verteidigungsministers zu erbrechen?
Das war eine hochkomplexe Frage mit mehreren maßgeblichen Antworten.
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Er wurde geboren;
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In eine Adelsfamilie mit dem Ziel, über die Interdependenz zu herrschen, ein Imperium aus Sternensystemen, das seit ein Jahrtausend existiert hatte;
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Das zudem durch die Ströme verbunden war, einem Phänomen, das Ghreni nicht verstand, das aber dennoch als superschnelles Verbindungsnetz zwischen den Sternensystemen der Interdependenz fungierte;
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Das steuerlich und politisch vollständig von der Imperatox gelenkt wurde, die von Nabe aus herrschte, dem System, durch das nahezu jeder einzelne Strom letzten Endes führte;
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Zumindest, bis sich an irgendeinem Punkt in der nahen Zukunft eine große Verschiebung der Ströme ereignete, worauf fast jede Route durch Ende gehen würde, dem derzeit am wenigsten zugänglichen System der Interdependenz;
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Weshalb Ghrenis Schwester Nadashe wollte, dass ein Nohamapetan auf Ende den dort herrschenden Herzog stürzte, was sie jedoch nicht tun konnte, weil sie damit beschäftigt war, Rennered Wu zu heiraten, den nächsten Anwärter auf den imperialen Thron, und weil Ghrenis Bruder Amit die Geschäfte des Hauses Nohamapetan führte;
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Und deshalb, na gut, wie auch immer, musste es Ghreni sein;
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Der nach Ende ging und im Geheimen einen Bürgerkrieg entfachte, noch während er sich öffentlich mit dem bisherigen Herzog verbündete;
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Auf den er dann einen Mordanschlag verübte, worauf er die Schuld dem Grafen Claremont gab, von dem Ghreni vermutete, dass er lediglich der imperiale Steuerbeamte war;
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Worauf er zum amtierenden Herzog wurde, indem er versprach, den Bürgerkrieg zu beenden, wozu er durchaus imstande war, weil er schließlich derjenige gewesen war, der die Rebellen finanziert hatte;
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Doch dann stellte sich heraus, dass Graf Claremont außerdem ein Strom-Physiker war, dessen Forschungen ergaben, dass die Ströme kollabierten und sich nicht verschoben;
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Was sich als korrekt erwies, als der Strom zwischen Ende und Nabe, der einzige Strom, der aus dem Ende-System herausführte, kollabierte;
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Daraufhin bot der Graf im Geiste des Pragmatismus an, mit Ghreni zusammenzuarbeiten, um Ende auf die bevorstehende Isolation vorzubereiten, die durch den Zusammenbruch nicht nur der Ströme, sondern auch der Interdependenz verursacht wurde, deren Existenz auf den Strömen basierte;
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Ghreni nahm das Angebot des Grafen nicht an, und zwar aus, ääääähhhhh, Gründen, um stattdessen den Grafen verschwinden zu lassen;
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Weswegen Vrenna Claremont stinksauer war, die Tochter und Erbin des Grafen, die dummerweise obendrein eine ehemalige Offizierin der Imperialen Marines war und sehr viele Verbündete hatte und alles über die Erforschung der Ströme durch ihren Vater wusste;
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Wovon sie dann allen Leuten erzählte;
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Die nun sauer waren, dass der neue amtierende Herzog sie über die ganze Sache mit dem »Kollaps der Ströme« im Ungewissen gelassen hatte;
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Weshalb es diesen neuen Bürgerkrieg gab;
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Gegen ihn;
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Der von neuen Rebellen ausgetragen wurde;
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Die Raketen auf seinen gottverdammten Fluggleiter abfeuerten.
Zu seiner Verteidigung konnte Ghreni nur sagen, dass er nie darum gebeten hatte, geboren zu werden.
Was jedoch ein schwacher Trost war, als sein Fluggleiter auf die Oberflächenstraßen von Endport krachte, die Hauptstadt von Ende, und sich mehrere Male überschlug, bis er völlig zum Stillstand kam.
Ghreni, der während der gesamten Bruchlandung die Augen geschlossen hatte, öffnete sie wieder und stellte fest, dass sein Fluggleiter senkrecht stand. Blaine Turnins Leiche befand sich im Sitz ihm gegenüber, still, gefasst und ruhig, und sah überhaupt nicht danach aus, dass er in der letzten halben Minute wie eine Rumba-Rassel durchgeschüttelt worden war. Nur Turnins Kopf neigte sich in einem Winkel, der vermuten ließ, dass die Knochen in seinem Hals die Konsistenz von zerkochter Pasta angenommen hatten und dass er nicht vielleicht nur ein kurzes und erholsames Nickerchen machte.
Zehn Sekunden später wurden die Türen von Ghrenis zertrümmertem Fluggleiter aufgehebelt, und die Mitglieder seines Sicherheitstrupps – deren Fluggleiter anscheinend nicht einmal ansatzweise unter Beschuss genommen wurden, verdammt, schrie es in Ghrenis Gedanken – lösten ihn aus den Sitzgurten und zerrten ihn grob aus dem Gefährt. Sie schleppten ihn zu einem zweiten Gleiter, der auf dem kürzesten Weg zum herzoglichen Palast zurückkehren würde. Als Ghreni ein letztes Mal auf das Wrack seines Gleiters blickte, sah er, wie Turnins Leiche zu Boden sackte und sich dort wie ein Teppich ausbreitete.
»Finden Sie es nicht verdächtig, dass keiner der anderen Fluggleiter unter Beschuss genommen wurde?«, fragte Ghreni später in einem gesicherten Raum seines Palasts, der tief unter der Erde lag und angeblich wochen- oder gar monatelang Angriffen standhalten könnte, während er rastlos auf und ab ging. »Sämtliche Gefährte waren identisch. Wir hatten keinen Flugplan gemacht. Niemand wusste, dass wir zu diesem Zeitpunkt in der Luft sein würden. Und dennoch, wumm, traf die Rakete einen ganz bestimmten Gleiter, und zufällig war es meiner. Ich muss davon ausgehen, dass...
Erscheint lt. Verlag | 25.8.2021 |
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Reihe/Serie | Das Imperium der Ströme | Das Imperium der Ströme |
Übersetzer | Bernhard Kempen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | climate fiction • Dystopie • Künstliche Intelligenz • Raumschiffe • Science Fiction • Science Fiction Abenteuer • science fiction bestseller • Sci-Fi Roman • SF Roman • Space Opera • Zukunftsroman |
ISBN-10 | 3-10-491315-3 / 3104913153 |
ISBN-13 | 978-3-10-491315-5 / 9783104913155 |
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