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Mein Lieblingstier heißt Winter (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
192 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490920-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Lieblingstier heißt Winter -  Ferdinand Schmalz
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Der Debütroman des Bachmann-Preisträgers Ferdinand Schmalz - nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021 und den Österreichischen Buchpreis 2021 Der Wiener Tiefkühlkostvertreter Franz Schlicht soll einem makabren Wunsch nachkommen. Sein Kunde Doktor Schauer ist fest entschlossen, sich zum Sterben in eine Tiefkühltruhe zu legen. Er beauftragt Franz Schlicht, den gefrorenen Körper auf eine Lichtung zu verfrachten. Zum vereinbarten Zeitpunkt ist die Tiefkühltruhe jedoch leer, und Schlicht begibt sich auf eine höchst ungewöhnliche Suche nach der gefrorenen Leiche. Dabei begegnet er der Tatortreinigerin Schimmelteufel, einem Ingenieur, der sich selbst eingemauert hat, und einem Ministerialrat, der Nazi-Weihnachtsschmuck sammelt. Ferdinand Schmalz nimmt uns in »Mein Lieblingstier heißt Winter« mit auf eine abgründige Tour quer durch die österreichische Gesellschaft, skurril, intelligent und mit großem Sprachwitz.

Ferdinand Schmalz, geboren 1985 in Graz, aufgewachsen in Admont in der Obersteiermark, erhielt gleich mit seinem ersten Theaterstück »am beispiel der butter« 2013 den Retzhofer Dramapreis und wurde zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Sein Stück »jedermann (stirbt)« wurde am Burgtheater uraufgeführt und mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet. 2017 nahm er an den Tagen der deutschsprachigen Literatur teil und gewann mit einem Auszug aus »Mein Lieblingstier heißt Winter« den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2021 erschien sein gleichnamiger Debütroman, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises sowie auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2021 stand. Ferdinand Schmalz lebt in Wien. Auszeichnungen:  2020 Peter-Rosegger-Literaturpreis 2018 Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie Bestes Stück für jedermann (stirbt) 2018 Ludwig-Mülheims-Theaterpreis 2017 Ingeborg-Bachmann-Preisträger mit dem Text MEIN LIEBLINGSTIER HEISST WINTER 2017 Kasseler Förderpreis Komische Literatur 2014/2016/2017 Nominiert für den Mülheimer Dramatikpreis 2015 Eröffnung der Autorentheatertage am Deutschen Theater in Berlin in einer Inszenierung des Wiener Burgtheaters mit DOSENFLEISCH 2014 Dramatik Stipendium der Stadt Wien 2014 Nachwuchsdramatiker in der Kritikerumfrage des Jahrbuchs von 'Theater heute' 2013 2. Platz beim MDR-Literaturpreis für die Kurzprosa SCHLAMMLAND.GEWALT 2013 Retzhofer Dramapreis für AM BEISPIEL DER BUTTER

Ferdinand Schmalz, geboren 1985 in Graz, aufgewachsen in Admont in der Obersteiermark, erhielt gleich mit seinem ersten Theaterstück »am beispiel der butter« 2013 den Retzhofer Dramapreis und wurde zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Sein Stück »jedermann (stirbt)« wurde am Burgtheater uraufgeführt und mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet. 2017 nahm er an den Tagen der deutschsprachigen Literatur teil und gewann mit einem Auszug aus »Mein Lieblingstier heißt Winter« den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2021 erschien sein gleichnamiger Debütroman, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises sowie auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2021 stand. Ferdinand Schmalz lebt in Wien. Auszeichnungen:  2020 Peter-Rosegger-Literaturpreis 2018 Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie Bestes Stück für jedermann (stirbt) 2018 Ludwig-Mülheims-Theaterpreis 2017 Ingeborg-Bachmann-Preisträger mit dem Text MEIN LIEBLINGSTIER HEISST WINTER 2017 Kasseler Förderpreis Komische Literatur 2014/2016/2017 Nominiert für den Mülheimer Dramatikpreis 2015 Eröffnung der Autorentheatertage am Deutschen Theater in Berlin in einer Inszenierung des Wiener Burgtheaters mit DOSENFLEISCH 2014 Dramatik Stipendium der Stadt Wien 2014 Nachwuchsdramatiker in der Kritikerumfrage des Jahrbuchs von "Theater heute" 2013 2. Platz beim MDR-Literaturpreis für die Kurzprosa SCHLAMMLAND.GEWALT 2013 Retzhofer Dramapreis für AM BEISPIEL DER BUTTER

ein virtuoser Roman, der klingt wie ein Song.

eine grandiose Prosagroteske.

Der Schauplatz des Romans ist Wien, und in bester Tradition verbindet Schmalz Morbides mit Komik.

grotesk, ein bisschen unheimlich und unheimlich komisch.

ein Autor mit Sinn für Sprachwitz und Situationshumor

große Prosakunst

Tun sich in einem Augenblick noch Abgründe auf, die einem Kälteschauer über den Rücken jagen, geht es schon im nächsten absurd-überhitzt zu. Nur lauwarm-langweilig ist das Buch nie.

Mit dem nun vorliegenden Debütroman erfüllt er die hochgesteckten Erwartungen nicht; er übertrifft sie noch, erheblich sogar. Souverän zieht er an etlichen Erzählsträngen.

So ungewöhnlich wie seine Stücke ist auch dieser Roman

urkomisch und höchst befreiend. [...] Oft denkt man,was Ferdinand Schmalz tut, hätte sich nicht einmal Loriot ausdenken können.

›Mein Lieblingstier heißt Winter‹ bereitet großes Lesevergnügen. Ein cooles Buch, von all' den Tiefkühltruhen und Eisbädern einmal abgesehen.

hochmelodisches Sprachkunstwerk, das mit einer ganz eigenen rhythmisierten Syntax bezaubert

Der Debütroman ›Mein Lieblingstier heißt Winter‹ von Ferdinand Schmalz ist ein völlig schräger Krimi. Zum Schieflachen, aber am Rande des Abgrunds. Ein Furioso.

Feiner Krimispaß für alle sprachverliebten Freunde der gepflegten literarischen Jenseitsbeförderung.

Hier beweist ein erstklassiger und eigensinniger Dramatiker, dass er auch ein erstklassiger und eigensinniger Prosaautor ist.

herrlich grotesk und skurril – und eine kunstvolle Sprachorgie.

Das ist sprachlich sehr interessant [...], es macht Spaß, in diese Sprache hineinzukommen.

Mit viel Gefühl und jeder Menge Humor erzählt Schmalz von Menschen, die der Welt abhandengekommen sind.

Was bleibt, ist die Freude am Sprach- und Sprechfeuerwerk - und einem Romanpersonal, das selbst Schmalz' Landsmann Franzobel grün vor Neid werden lassen dürfte.

ein fulminantes Romandebüt

Ferdinand Schmalz schöpft aus dem Vollen. Dieses Buch ist wie eine Wundertüte mit bizarrem buntem Zeug drin: Dinosaurier, Pistazieneis, [...] Nazi-Christbaumschmuck, Kanarienvogel und massig Rehragout.

skurril, witzig, hintergründig und sarkastisch

in der Nachfolge von Jelineks Sprachpulverisierungs-, Menschenüberwindungs- und Menschenneuschaffungstexten.

Das ist sprachlich verspielt und anspruchsvoll, es ist zum Schreien komisch und es hat gleichzeitig einen ganz ganz ernsten Kern [...].

In seinem Austria-Anti-Krimi nimmt Ferdinand Schmalz diese Kälte wörtlich und schlägt daraus einen unverbrauchten existenziellen Humor.

Das ist ein Buch, das man eigentlich laut vorsingen müsste. Nur so würde man dem einzigartigen Klang seiner Sprache gerecht werden. Ein kleines Wunderwerk

›Mein Lieblingstier heisst Winter‹ ist ziemlich kluger Nonsens.

Das pure Vergnügen ist das: Ferdinand Schmalz, ein Stilist von furioser Fabulierkunst, hat seinen siegreichen Beitrag zum Bachmann-Preis 2017 zum Roman ausgebaut.

ein Panoptikum an morbiden Gestalten

Mit viel Gefühl und jeder Menge Humor erzählt Schmalz von Menschen, die der Welt abhanden gekommen sind.

Faszinierend wie sich hier Sprache in Experiment und Sinn mit Handlung in Rasanz und Überraschung verbinden und bis zum Finale fesseln.

skurril, witzig, hintergründig und sarkastisch - »österreichisch« im besten Sinn.

Mit Darstellungstechniken, die an solche der (Wiener) Moderne erinnern, kommt Schmalz dem Denken und Fühlen aller Figuren sehr nah

Das nicht so Normale in einer genormten Welt ist kostbar. Viel Schmalz kann deshalb nicht schaden.

das meisterliche Romandebüt von Ferdinand Schmalz

Es ist wie eine österreichische Filmkomödie, aber zum Lesen. [...] raffiniert.

Was liegt bloß in der Luft in diesem Graz, dass es immer wieder solch übermäßig fantasiebegabte und sprachmächtige Autoren gebiert.

Die Schimmelteufel


Wie ausgestorben liegt er da, der Ort. Dort zwischen Buschwerk und Gestrüpp, wo auch das Gras schon meterhoch verdorrt, streckt ein Triceratops den dreibehornten Kopf empor. Das Nackenschild da in die Schultern reingepresst, das Maul zum Schrei weit aufgerissen. Doch nichts zu hören. Kein urzeitlicher Klang, der Mark und Bein zum Beben bringen würd. So harrt es still, das Ungetüm, vielleicht weil dort unter den Bäumen, hinter ihm im Schatten, schon der Fressfeind lauert. Zwischen Baumstämmen ist schon der dichtbezahnte Kiefer eines Tyrannosaurus zu entdecken. Die kleinen Händchen dicht am Leib. Den Killerblick da auf die Beute schon gerichtet, lauert er, wartet auf den Augenblick, in dem die messerscharfen Zähne er ins Fleisch des Vogelbeckensauriers dann schlagen könnt. Gräulich liegt ein Duft jetzt von Versengtem in der Luft, als wäre ein Vulkan hier in der Nähe ausgebrochen oder so ein Himmelskörper brennend da vom Himmel rausgestürzt, um sich dann in die Erde reinzugraben. Fast unscheinbar dieser Geruch, der doch erzählt vom Untergehen ganzer Welten. Ein Stückchen weiter, da am Wasserloch, ein umgekippter Stegosaurus. Die Rückenschilder teils da in den Schlamm hineingerammt, teils schon von dichtem Schimmel überzogen, weshalb auch Harald drum der Echse auf dem Bauch draufsteht, mit einem Schrubber ausgestattet. Und sich von Norbert diesen Eimer mit den Chemikalien jetzt reichen lässt, mit denen sie den Mikroorganismen auf den Makroechsen nun zu Leibe rücken wollen. Und schrubbend spricht’s aus Harald jetzt heraus, dass bei der allgemeinen Unordnung, die heutzutage herrscht, dass bei dem Chaos, das zu einem rüberschwappt, hat man den Fernseher erst mal eingeschalten, oder es, das Endgerät, dass man sich doch dann fragen muss, also dass er sich fragt: »Wo führt das alles hin?« Er sitze so zu Haus, bei sich zu Haus in seiner Wohnung drin, da auf dem Fernsehsessel, den er zwecks tieferer Entspannung sich gekauft, sitze drin im Fernsehsessel und starre tiefer rein, da in den Fernseher hinein, doch die Entspannung wolle sich beim besten Willen nicht einstellen. Ganz unrelaxt sitze er, der Harald, dann und denke da in sich, dass das doch alles lang schon nicht normal mehr sei. Und frage sich, ob das nur ihm auffalle, dass es nicht mehr normal zugehe in der Welt. Woraufhin Norbert, der am Schwanz des vorzeitlichen Riesen nun den Schrubber angesetzt, einwirft, dass ihm das alles auch ganz abnormal erscheine. Da sei er nicht allein, der Harald, sagt der Norbert jetzt. Und fühle sich derart angespannt, da im Entspannungssessel drin, fühle er, der Harald, sich nicht ganz bei sich. Das falle ihm dann auf in dem Moment, dass er nicht ganz bei sich, obwohl er doch in seiner Wohnung drin, in seinem Sessel, da in seinem Körper drinnen sitze, denkt er. Und trotzdem nicht bei sich. Und bilde sich so eine dünne Schweißschicht, da zwischen ihm und diesem Kunstleder, das seinen Fernsehsessel überziehe. Dass er ganz unmerklich zu schwitzen dann beginne, wenn dieses Chaos sich vom Fernseher heraus ergieße da auf ihn. Doch Norbert, der noch immer nicht versteht, will nun schon wieder mit der Hitzewelle anfangen und wie grad alle schweißgebadet seien. Dass das kein Zustand mehr da in der U-Bahn drinnen sei, wo all die sitzen wieder, die von einem Deodorant nichts wissen wollen. Aber Harald schneidet scharf ihm rein, dem Norbert, ins belanglose Gerede, weil gerade von größeren Zusammenhängen doch die Rede war. Und dass, seit er sich das klimatische Gerät gekauft, fast arktische Bedingungen da drin bei ihm in seiner Wohnung herrschen. Dass das, was da aus seinen Poren trete, was ihn ganz unmerklich von dem Entspannungssessel trenne, dass das was anderes sei. »Norbert, das ist was Allgemeines.« Und dass er angefangen habe, darauf zu achten, auf diese Anfälle von Abwesenheit zu achten. Dass es ihm aber nicht nur bei sich selbst auffalle. Dass er auch immer wieder andere beobachte, die nicht bei sich sind ganz. Und dass auch da in Gittis Eck, wo er, wenn es ihm dann zu unentspannt in seiner Wohnung wird, sich an die Bar hinstelle, dass unter Gittis Stammgästen er verdeckt, doch zielgerichtet Umfragen gestartet hätt, die untrüglich ihm zeigen würden, dass dieses Gefühl nicht ganz bei sich zu sein, dass das was Größeres sei. Und glaubt auch Norbert verstanden jetzt zu haben, worum es Harald grade geht, und nickt ihm zu und spricht ihm nach: »Das ist was Größeres.« Woraufhin Harald jetzt den Eimer nimmt und aus ihm raus den Schwall Putzwasser auf dem Echsenbauch verschüttet jetzt. Fließt nun der Echsenhaut entlang in Rinnsalen auf all den kachelgroßen Poren sich verästelnd, der Schwerkraft folgend, durch chaotisches Gewirr, bis endlich es den Boden nur mehr tröpfchenweis erreicht, um dort ins Erdreich dann zu sickern.

»Kernkeulenpilz. Sagt dir das was?«, fragt er, der Harald, dann nach längerer Pause. Und bricht kurz Norberts Stimme jetzt, dass ein Geräusch unkontrolliert seinen Stimmbändern entkommt, ein Laut, der etwas von der Angst erzählt, die da, tief drin, im Norbert sitzt, die Angst davor, dass er auf sich gestellt, allein etwas entscheiden müsst, dass er vielleicht dann eine Verantwortung ertragen müsst, die Angst, die ihn an Harald schweißt, klingt da jetzt mit in dem verschluckten Laut. Weshalb er drum versucht, so schnell wie möglich sich nun einzukriegen wieder. »Harald. Da müsst ich lügen, jetzt.« Und putzt energisch weiter er, als könnt er mehr noch wegschrubben als Schimmel da auf diesem Plastikungetüm, während Harald für den Bruchteil eines Augenblicks dort auf der Echse thronend diese Scham genießt, aus der sich härteste Loyalität doch schmieden lässt. Und fährt drum noch mal angeregter fort, aufs Putzen ganz vergessend schon. »Gibt Pilze, Kernkeulenpilze, die das Nervennetz von Ameisen befallen. Steckt erst sich eine Ameise mal an, da an den Sporen von dem Pilz, ist sie heillos verloren. Durch kleinste Risse im Insektenpanzer kriecht der Pilz der Ameise hinein ins Körperinnere und ziehen Fäden sich nun durch den infizierten Leib bis da hinein in ihren Schädel. Pflanzt sich hinein ins Ameisenhirn, der Kernkeulenpilz. Und zeigt das Kriechtier nun das anormalste Verhalten, wirkt abgelenkt, weil da der Pilz im Hirn es lenkt, es steuert schon. Hat erst der Faden da im Kopf das Ruder übernommen, regiert den Willen gänzlich er, der Pilz.« Das habe er, der Harald, alles sich im Internet zusammenrecherchiert. »Zwingt sie, die Ameise, als wären es die eigenen Gedanken, zwingt dieser Pilz sie, sich an eine ausgewählte Stelle an der Unterseite einer Pflanze zu begeben. Um ferngesteuert sich dort mit den Fresswerkzeugen dann in eine Blattader hineinzubeißen. Ist er erst angelangt an diesem für den Pilz so vorteilhaften Ort, verreckt der Wirtsleib dann elendiglich. Bedeckt wie Fell das Pilzmyzel den Exopanzer von der Ameise, aus deren Kopf nun knackend der Fruchtkörper rauswächst, um seine Sporen da am Waldboden dann zu verstreuen.« Er, Harald, der den gesamten Stegosaurus nun als Bühne sich entdeckt, vor der stumm Norbert steht und staunt, er habe eine Doku sich zu diesem Thema angesehen, darin sah man die Ameisen, vom Pilz befallen, aus der Ordnung ihres Stammes brechen, um vereinzelt und dem Tod geweiht ihre Gemeinschaft zu verlassen. Gleich Untoten wandeln sie, die pilzbefallenen Rossameisen, ihrem vorprogrammierten Ende dann entgegen, von dem sie selbst noch glauben, dass sie es auch genau so wollen. Dass er, als er das Schicksal dieser kleinen Tierchen sah, dass er seltsam gerührt im Inneren sich fühlte. Ja, dass er beim Anblick der taumelnd orientierungslosen Tierchen eine seltsame Verbundenheit mit ihrem Schicksal spürte. Als hätte dieses absurde Naturphänomen, als hätte das etwas mit dieser Situation zu tun, in der er sich im selben Augenblick da in dem Fernsehsessel drin befunden habe, ja mit der Situation, in der sich unsere Gesellschaft als Ganzes grad befinde: »Uns sitzt doch allen etwas drin im Hirn! Schau rein mal da in die Gesichter all der durch die Städte Taumelnden. Schau rein ins ausdruckslose Antlitz all der willenlosen Ameisen, die durch die Straßen ziehen. Schau rein!«, schreit Harald völlig außer sich. Von seiner eigenen Emotion nun übermannt, gerät er selbst komplett ins Taumeln. Und rutscht, rutscht plötzlich Haralds Fuß weg auf der Dinoplastikhaut, der glitschig rutschigen, woraufhin er samt seinem Körper auf die Erde stürzt, kurz reglos liegen bleibt, bis langsam er erst nur den Kopf anhebt, bis dann der Blick von ihm über den Schlamm am Boden gleitet, stößt mitten da im Schlamm auf festes Schuhwerk er, der Blick, worin zwei Beine stecken, unter deren nylonstrümpfernen Bespannung ein Geflecht aus Krampfadern und Besenreisern sich verzweigt, dem nun der Blick von ihm, dem Harald, nach oben folgt, gleitet über diesen Jeansrock, an dessen Bund das Firmenpolo reingesteckt. Auch über das karibikblaue Polo gleitet schneller nun der Blick von ihm, bis er nun endlich in das Gesicht reinblickt, das der Chefin, der Schimmelteufel ihres ist.

Und beide jetzt wie festgefroren. Versteinerte Fossilien. Der Harald aus Respekt, der sich aus ihrem Angesicht ihm hat nun eingeflößt. Doch warum sie, die Schimmelteufel, nicht wie sonst, wenn Harald etwas so verpatzt, sofortest ihn aufs übelste anherrscht, warum auch sie für einen Augenblick verharrt, liegt daran, dass auch sie jetzt runterblickt an ihr, an ihrem Körper runter, dass auch ihr Blick gerade runter fällt und auf den Harald drauf, der da im Schlamm zu ihren Füßen liegt. Fällt auf ihn drauf der Blick, oder besser: fällt durch ihn durch. Sieht da in ihm jetzt die Vergangenheit. Tritt in der Maske jetzt der Gegenwart ihr die Vergangenheit entgegen. Weshalb sie grad...

Erscheint lt. Verlag 21.7.2021
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anspruchsvolle Literatur • Debüt • Debütroman • Deutscher Buchpreis 2021 • Dramatiker • Ein Buch von S. Fischer • Gegenwartsliteratur • Gesellschaftskritik • Kriminalfall • Longlist Deutscher Buchpreis • Longlist Österreichischer Buchpreis • Neuerscheinung 2021 • Österreich • Österreichische Literatur • Shortlist Österreichischer Buchpreis • Skurile Todesfälle • SWR Bestenliste • Tatortreiniger • Tiefkühlware • Wien
ISBN-10 3-10-490920-2 / 3104909202
ISBN-13 978-3-10-490920-2 / 9783104909202
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