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Der Süßspecht muss sterben -  Verena D. Eulenthal

Der Süßspecht muss sterben (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99125-589-5 (ISBN)
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Elena Frohsinn ist Ende dreißig und unzufrieden mit ihrem freudlosen Privatleben und ihrer stagnierenden beruflichen Karriere am Unabhängigen Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Daran scheint sich auch in diesem brütend heißen Wiener Sommer nichts, aber auch gar nichts zu ändern. Im Gegenteil, es dräut zusätzlicher Ärger seitens ihres Kollegen Heinz Heintl, genannt der Süßspecht. Dieser hat nämlich ein gut gehütetes dunkles Geheimnis aus ihren Jugendtagen ausgegraben. Wird der Kollege Elenas Geheimnis womöglich publik machen? Warum muss Heintl wenig später auf seinem maisgelben Sofa sterben? Was hat ihr Vorgesetzter, Hofrat Dr. Trübinger, mit der ganzen Sache zu tun? Und welche Rolle spielt ihre alte Freundin Adriana, die sich erfolgreich als Domina selbständig gemacht hat? Dann taucht auch noch dieser schnöselige junge Kommissar Guthman auf, der Elena Fragen stellt, denen sie selbst sich nie wieder stellen wollte...

Schon als Kind liebte es Verena D. Eulenthal, Geschichten zu erfinden und auf einer alten Schreibmaschine zu tippen. Früh begeisterte sie sich für Krimiliteratur aller Art. Ihr Erstlingswerk schrieb die studierte Juristin um die Jahrtausendwende, ließ sich aber mit der Veröffentlichung Zeit. "Der Süßspecht muss sterben" ist ein Krimi mit autobiographischem Hintergrund und vereint so Authentizität und Spannung mit Wiener Lokalkolorit. Verena D. Eulenthal lebt und arbeitet in Wien und im Burgenland.

Kapitel 1


Der Montag begann unspektakulär. Ich fand ewig nicht aus den Federn, brach zu spät von zu Hause auf und traf jenseits jeder erlaubten Gleitzeit am Institut ein. Ich würde mich nicht als Morgenmensch bezeichnen und bei der seit Wochen herrschenden Bullenhitze war an Schlaf vor den frühen Morgenstunden nun mal nicht zu denken. Schon jetzt verschwitzt stürmte ich um 9.10 Uhr aus dem altersschwachen Aufzug in den bereits menschenleeren Gang im vierten Stock. Dort fing mich mein Chef Leo Trübinger ab, dessen Büro ich auf dem Weg zu meinem blöderweise passieren muss.

Unter uns: ich argwöhne, dass Trübinger sich jeden Morgen hinter seiner Bürotür auf die Lauer legt und aufs Stichwort auftritt, sobald er meinen energischen Schritt um die Ecke klappern hört. Seine schütteren, verdächtig schwarzen Haare klebten in dünnen Kringeln auf der schweißglänzenden Stirn und verliehen ihm zusammen mit dem lächerlich dünnen Oberlippenbärtchen ein wenig das Aussehen eines Hercule Poirot für Arme. Sein Gesicht war krebsrot, was nicht allzu ungewöhnlich für ihn ist. Jedoch hatte ich im Laufe der Jahre unserer Zusammenarbeit die verschiedenen Farbnuancen voneinander zu unterschieden gelernt. Dieses leicht ins brombeergeleefarben gehende Rot ließ zweifellos auf heftigen Zorn schließen und verhieß Ärger.

„Es ist zwölf Minuten nach 9.00 Uhr!“ donnerte er, ohne meine appetitliche Erscheinung im apfelgrünen, schmalgeschnittenen Kleid mit großzügigem Ausschnitt und den farblich passenden Sandalen auch nur eines Blickes zu würdigen. Dabei reckte er seinen massigen Körper so hoch wie möglich, jedoch vergebens, denn ich verfüge über extra lange Beine und eine Modelgröße von einem Meter dreiundachtzig, und zwar ohne meine gern getragenen High Heels.

Trübinger erweckte daher die Assoziation eines verfetteten Mopses, der eine Birke ankläffte. Offenbar war er sich dieses Bildes selbst schmerzhaft bewusst und ärgerte sich darüber gleich doppelt.

„Herzlichen Dank für die Auskunft,“ antwortete ich betont freundlich, „wenn ich Sie nicht hätte, müsste ich mir glatt eine Uhr kaufen!“

„Sie wissen, dass 9.00 Uhr der späteste Zeitpunkt ist, um in diesem Hause die Arbeit aufzunehmen! Und ich sehe Ihnen jeden Tag zu, wie Sie rund eine Viertelstunde zu spät provozierend hier rein stöckeln! Ich weiß, Sie machen das absichtlich! Sie wollen mich vor meinen Mitarbeitern desavouieren, meine Autorität untergraben!“

Dem guten Mann war ein gewisser Hang zur Paranoia nicht abzusprechen. Ich verlieh meinem Gesicht einen angemessen betroffenen Ausdruck.

„Sie haben Recht, Leo. Ich will Sie im ganzen Institut lächerlich machen, kein anderes Ziel habe ich in meinem kleinen traurigen Leben! Aber falls es sonst keine Neuigkeiten von Ihrer Seite gibt, würde ich jetzt gern mit meiner Arbeit beginnen!“

Damit machte ich einen eleganten Bogen um ihn und klapperte, so rasch es meine apfelgrünen Riemchensandalen erlaubten, über die grauen Steinfliesen auf mein Büro zu.

Seinen wütenden Blick und sein empörtes Schnaufen im Rücken sperrte ich die Tür zu meinem Zimmer auf. „Dr. E-lena Frohsinn“ stand mit weißen Plastikbuchstaben auf dem Schild daneben.

„Nett“, dachte ich, „dass sie mir den Titel an die Tür gepinnt haben. Da kann ich wenigstens nicht vergessen, dass ich irgendwann mal eine interessante Karriere vor mir gehabt hatte. Wenn ich bloß mit neunzehn gewusst hätte, wie unendlich öde das bürgerliche Leben ist, wer weiß, wie ich mich entschieden hätte! Vielleicht wäre ich in meinem damaligen Berufszweig mittlerweile berühmt geworden!“

„Oder tot, du dumme Gans. Oder in einer Anstalt. Oder im Gefängnis. Du hattest doch in Wahrheit gar keine Wahl!“ rief ich mich in der nächsten Sekunde selbst energisch zur Ordnung.

„Schon gut, bin ja schon still!“

Ich beendete die fruchtlose Diskussion mit mir selbst und sperrte energisch die Türe auf.

Sie müssen sich das so vorstellen: seit sieben Jahren arbeite ich im „Unabhängigen Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (UIGZ)“. Dieses Institut wird vom Staat gesponsert und ist ungefähr so unabhängig wie eine Wohnungskatze vom Dosenöffner ihres Frauchens. Klar kann sich so eine Mieze am Morgen furchtbar über besagtes Frauchen ärgern und das Futter verweigern. Abends wird sie hungrig genug sein, ihrem Menschen schon an der Tür begeistert entgegen zu laufen. Das gleiche gilt für unser Institut.

Ursprünglich in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts als politisch eher linke Einrichtung gegründet, sah es die Regierungen kommen und gehen. Heute besteht unser einziger politischer Anspruch darin, von wo auch immer genug Kohle für unser Überleben zu kriegen. Unsere Tätigkeit liegt, wie der Name schon vermuten lässt, in der Erforschung grenzüberschreitender Zusammenhänge. Ein mehr als dehnbarer Begriff. Früher war damit eine Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern gemeint, jetzt fällt darunter so ziemlich jeder Kontakt, den man knüpfen kann, wenn man die Landesgrenzen überschreitet. Und es ist beileibe nicht mehr bloß der Nachbar, mit dem es da klappen kann.

So habe ich zu Beginn meiner Tätigkeit hier längere Zeit eine sehr interessante Studie betreut, wie sich der übermäßige Alkoholkonsum auf die gesellschaftliche Entwicklung der nächsten 100 Jahre in Russland auswirken wird. Leider musste diese Studie abgebrochen werden, als eine Regierung mit konservativer Richtung das Ruder im Land übernahm. Diese füttert uns, um beim Katzenvergleich zu bleiben, höchstens einmal pro Tag und für Extravaganzen wie ein Stoffmäuschen oder interessante Studien bleibt da kein Raum mehr.

Außerdem hat sich unsere Tätigkeit in den letzten Jahren auf sonderbare Weise verändert. Wir verfassen immer weniger Studien, Artikel und Aufsätze für Tagungen oder Fachzeitungen. Dafür machen wir immer mehr, wie mein um große Worte nie verlegener Chef Leo Trübinger es einmal ausdrückte, gelebte Praxis. Soll heißen, dass sich eine wachsende Zahl von Ministern von uns ihre Auslandsreisen organisieren lässt und uns für diese Tätigkeit ein Zusatzeinkommen gönnt.

Der Grund dafür ist einfach. Der Finanzminister hat seinen Kollegen wie dem ganzen Land einen äußerst unangenehmen Sparkurs verordnet. Er sieht es daher gar nicht gern, wenn z.B. der Gesundheitsminister mit großer Entourage zu einer Dienstreise auf die Malediven gondelt, um dort wichtige Fragen wie den Unterschied zwischen der europäischen und der asiatischen Jugendakne zu erörtern. Will nun aber der arme Gesundheitsminister, der sich doch sonst nichts gönnt, die öffentlich gesponserte Reise dennoch unternehmen, erklärt er sie flugs zu einer Sache der „grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“. Rasch noch ein paar veraltete Gerätschaften als Entwicklungshilfe eingepackt und keiner wird ihm mehr im Wege stehen!

Seither befasse ich mich immer wenig mit Studien und theoretischen Ansätzen, dafür aber umso mehr mit dem Buchen von Hotelzimmern und Organisieren von Mietwägen. Und natürlich mit den Speisefolgen von Arbeitsessen und den Destinationen von Ausflügen. Von Arbeitsausflügen natürlich, was dachten Sie denn? Manchmal darf ich wenigstens selbst mitfahren, meist reklamiert sich jedoch meinfeister Chef Trübinger hinein und für zwei reicht das kärgliche Budget nicht. Daher gibt’s für mich jetzt vorwiegend Sekretärinnentätigkeit zu besorgen und es vergeht kaum ein Tag, an dem ich keine gröbere Sinnkrise inklusive Wutanfall kriege und die Stellenannoncen im Internet durchackere. Leider sind Jobangebote für Slawistinnen, die den Fehler begangen haben, ihre universitäre Laufbahn zu verlassen, nicht gerade dicht gesät.

Dies nur, damit Sie sich für den Anfang ein ungefähres Bild von meinem deprimierenden Leben machen können. Oder sagen wir mal, von meinem deprimierenden Berufsleben, denn von meinem noch viel traumatischeren Privatleben will ich jetzt gar nicht erst anfangen!

Zur Untermauerung unserer Unabhängigkeit dürfen wir seit unserer Gründung die obersten Räume im Energieministerium für das UIGZ ohne Miete benutzen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass diese Räume in dem historischen Gebäude eher unbeliebt sind. Im Sommer knallt die Hitze durchs Dach und im Winter pfeift ein eisiger Wind durch die undichten Fenster.

Unsere Personalausstattung ist im Übrigen nicht gerade üppig. Neben Dr. Leo Trübinger, unserem Leiter, bin ich die zweite Akademikerin. Trübinger wurde übrigens vom Vorgänger unseres jetzigen Energieministers in sein Amt bestellt – wir mutieren zusehends zum Appendix dieses Ministeriums. Dann haben wir noch unseren Sachbearbeiter Sebastian Moser, der gerade ausgiebig auf Urlaub weilt und die beiden Sekretärinnen Elvira Schulz und Regina Preisel.

Ich betrat den engen kleinen Büroraum, warf den Schlüssel, die Morgenzeitung und meine Handtasche auf den Besucherstuhl und startete meinen Computer. Die Sonne brannte durch das einzige Fenster, es war heiß und stickig. Jeden Morgen bin ich aufs Neue perplex, welchen Geruch dieses Büro über eine einzige Nacht freisetzt. Es riecht nach vergammelten Akten, Staub und alten Schränken. Dabeihatte ich bei meinem Einzug all die Tonnen alten Papieres, die mein fleißiger Vorgänger akribisch und nach einem ihm allein bekannten System abgelegt hatte, eigenhändig ins Altpapier geworfen.

Leo Trübinger hatte damals furchtbar über meinen Wegwerf-Tick genörgelt. Ich aber fand, dass Akten, die seit zehn Jahren in einer Schrankecke unangetastet vor sich hin moderten, keine wirklich wichtigen Dokumente sein konnten. Und siehe da: keinem einzigen Menschen sind die Papiere seither je abgegangen. Kurz: das Zeug ist weg, der Geruch geblieben, er dürfte sich in die...

Erscheint lt. Verlag 10.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99125-589-8 / 3991255898
ISBN-13 978-3-99125-589-5 / 9783991255895
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