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Hintertristerweiher (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99998-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hintertristerweiher -  Nicola Förg
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Ein außergewöhnlich schönes Mädchen, das seinen eigenen Wert nicht kennt.  Eine Liebe, die eine große hätte sein können, doch nie Erfüllung findet.  Ein Erbe, verknüpft mit Bedingungen, das Wahrheiten enthüllt.  Und eine unwillige Erbin, die Antworten sucht und eine Reise zu sich selbst beginnt. In 'Hintertristerweiher' erzählt SPIEGEL-Bestsellerautorin Nicola Förg (u. a. »Böse Häuser«, »Flüsternde Wälder«) auf zwei Zeitebenen eine Geschichte über das Ungesagte zwischen der Kriegsgeneration und den Nachgeborenen, über Heimat und Heimatlosigkeit, Seelenorte und Seelenverwandte.

Nicola Förg, Bestsellerautorin und Journalistin, hat mittlerweile über zwanzig Kriminalromane verfasst, an zahlreichen Krimi-Anthologien mitgewirkt, einen Island- sowie einen Weihnachtsroman vorgelegt. »Hintertristerweiher«, ihr von der Presse vielfach gelobter Roman, ist 'eine feinsinnige Familiengeschichte, die über Generationen hinweg reicht und einen spannenden Bogen schlägt von den Wirren des Zweiten Weltkriegs bis zu den Wirrungen in der Jetztzeit.' (Münchner Merkur). Die gebürtige Oberallgäuerin, die in München Germanistik und Geografie studiert hat, lebt heute mit Familie sowie Ponys, Katzen und anderem Getier auf einem Hof in Prem am Lech - mit Tieren, Wald und Landwirtschaft kennt sie sich aus. Sie bekam für ihre Bücher mehrere Preise für ihr Engagement rund um Tier- und Umweltschutz.

Nicola Förg, Bestsellerautorin und Journalistin, hat mittlerweile einundzwanzig Kriminalromane verfasst, an zahlreichen Krimi-Anthologien mitgewirkt, einen Island- sowie einen Weihnachtsroman vorgelegt. Die gebürtige Oberallgäuerin, die in München Germanistik und Geografie studiert hat, lebt heute mit Familie sowie Ponys, Katzen und anderem Getier auf einem Hof in Prem am Lech – mit Tieren, Wald und Landwirtschaft kennt sie sich aus. Sie bekam für ihre Bücher mehrere Preise für ihr Engagement rund um Tier- und Umweltschutz.

2


Aurelie

Aurelie merkte, dass alle sie ansahen. Isabelle war tot? Das konnte doch gar nicht sein!

»Wie ist sie …? Ist sie …?«, stammelte Aurelie.

»Sie ist in der Schweiz verstorben.«

»In der Schweiz?«, fragte Eike ungläubig.

»Nun, in der Schweiz ist der Umgang mit dem Tod anders als hier.«

»Isabelle hat Sterbehilfe erhalten?«, flüsterte Aurelie.

»Ja, das war ihr Wunsch.«

»Aber …«

»Sie war sehr krank. Sie wollte selbst bestimmen, wann es so weit ist.«

»Na, das passt ja zu ihr«, sagte Eike leise, aber doch vernehmbar.

»Krass!«, kam es von Lotte.

In Aurelies Ohren rauschte es. Isabelle hatte den Freitod gewählt. Sie hatte gar nicht gewusst, wie krank ihre Tante gewesen war. Kein Wunder, schließlich war sie vor fünf Jahren zuletzt am Hintertristerweiher gewesen.

»Und die Beerdigung?«, fragte Laurent.

Pranger sah den Jungen an. »Gibt es nicht. Es gibt ein Urnengrab auf einem Schweizer Friedhof, das man besuchen kann. Sie wollte keinem eine Last sein.«

Eine Last? Isabelle war Aurelies einzige Verwandte gewesen. Ihr einziger Anker in die eigene Vergangenheit, die Aurelie ansonsten verdrängte. Nur in melancholischen Momenten dachte sie an das Meer, an ihren Großvater und die Mutter, die keine gewesen war. Und in solchen Momenten huschte auch Isabelle in ihren Gedanken vorbei, wo sie als Studentin öfter zu Besuch gewesen war. Aurelie war nicht allzu oft melancholisch, das erlaubte sie sich nicht, aber nun schoss ein Pfeil in ihr Herz. Sie hatte Isabelle vernachlässigt. Die Schule, die Kinder, Verpflichtungen, Eikes unstetes Leben mit seinen Recherchereisen, Urlaube – lauter Gründe, nicht an den Weiher zu fahren. Hatte sie etwa geglaubt, dass Isabelle hundert werden würde? Dass sie noch Zeit hätte?

Am liebsten wäre Aurelie jetzt hinausgegangen, weit weg von allen Menschen. Stattdessen saß sie in diesem Raum, umgeben von lauter ausgestopften Tieren, darunter auch ein Rehlein, ein geflecktes Bambi, das in Moos gebettet dalag. Das Moos war zerfleddert, das Rehlein zerschlissen. Wer stopfte denn bitte ein Bambi aus?

Isabelle mit ihrem Gnadenhof für Seniorentiere hätte das sicher missfallen. Früher hatte sie Islandpferde gezüchtet, doch als vor vielen Jahren ihr Mann gestorben war, hatte sie aus der Pferdezucht diesen Gnadenhof gemacht. Soweit Aurelie wusste, schmiss sie den Laden mithilfe einiger Nachbarn, beherbergte gebrechliche Viecher und bewirtschaftete zusätzlich einen Kiosk am Hintertristerweiher, wobei Kiosk etwas klein gegriffen war. Eher ein kleines Gasthaus mit Seeterrasse.

»Sie wollen uns also sagen, dass wir geerbt haben?«, wiederholte Eike. »Diesen Siechentierpark?«

»Herr Brodersen!«, unterbrach ihn Pranger. »Es handelt sich dabei um eine Art Seniorenresidenz für Tiere. Für die Ausgestoßenen, die ja auch noch einen schönen Lebensabend verdient haben.« Er blickte streng in die Runde. »Wie Lolek und Bolek, die eigentlich schon vor vier Jahren beim letzten Ochsenrennen hätten geschlachtet werden sollen.«

»Am Spieß hätten sie auch was hergemacht«, kommentierte Eike ungerührt.

»Papa!«, kam es von Lotte, die Vegetarierin im Übergang zur Veganerin war.

»Und wir erben jetzt die ganze Kohle, die Ferienanlage, zwei Häuser und den öden Gasthof?«, fragte Laurent, der das Pragmatische vom Vater hatte.

»Nun, im Prinzip ja, es ist nur eine klitzekleine Bedingung daran geknüpft«, entgegnete Pranger.

»Bedingung?«, hakte Aurelie nach.

»Nun, Isabelle hat verfügt, dass Sie lediglich ein Jahr lang den Gnadenhof und den Kiosk führen müssen. Also die Tiere versorgen und, wenn nötig, in den Tod begleiten. Wenn Sie sich dann des Erbes als würdig erwiesen haben, gebe ich das Geld frei.«

Das Wort »lediglich« hing im Raum. Auch »würdig« hallte irgendwie nach.

»Bitte?« Eike hatte sich erhoben und sich mit den Händen auf dem Wirtshaustisch aufgestützt.

»Ja, die wunderbare Isabelle war völlig klar bei Verstand, und sie wollte ihr Geld nicht einfach so an ihre einzige Erbin vergeben.«

»Einfach so«, flüsterte Aurelie.

Es war still, Stimmen drangen von draußen herein, die Siegesfeierlichkeiten waren noch in vollem Gang.

»Das ist doch kompletter Schwachsinn!« Eike war zum Fenster gegangen. »Wir werden das Erbe nicht annehmen!«

»Ja, aber was ist, wenn wir ablehnen?«, fragte Aurelie.

»Wollt ihr zwanzig Millionen ablehnen? Spinnt ihr?«, fragte Laurent, der in Mathe sehr pfiffig war.

»Die wunderbare Isabelle hat verfügt, dass dann eine andere Person erbt. Die überdies auch erbt, wenn Sie versagen.«

»Wenn der noch einmal ›wunderbare Isabelle‹ sagt, spring ich aus dem Fenster«, brummte Eike.

»Wir sind im Erdgeschoss, Papa«, bemerkte Lotte lakonisch.

»Wer erbt dann?«, fragte Aurelie.

»Das darf ich Ihnen nicht sagen.«

Wieder legte sich eine Art Schweigeminute über die Gruppe.

»Und wer will bitte schön kontrollieren, ob wir diese debilen Viecher – sofern wir überhaupt zusagen – richtig behandeln?«, fragte Eike.

Pranger lächelte weiter sein smartes Lachen. »Dafür hat die wunder… also die Isabelle auch gesorgt. Mir wird Bericht erstattet werden, ob Sie die lieben Tiere pfleglich behandeln.«

»Von wem?«

»Das darf ich Ihnen nicht sagen.«

»Krass«, meinte Laurent.

»Nice! Wir kriegen einen Tierpark und ein Feriendorf!« Lotte strahlte. »Das muss ich Emma erzählen!«

»Nichts wirst du!«, rief Eike.

Pranger fuhr fort: »Isabelle hat sich in Ihre Lebenssituation hineingedacht. Aurelie arbeitet ja nur von Dienstag bis Donnerstag, und Sie, Herr Brodersen, sind Freiberufler. Aurelie kann also bereits am Donnerstagabend oder Freitag früh an den Weiher reisen. Die Familie kommt nach Schulschluss am Freitag nach. Für die Tage von Montag bis Donnerstag hat Isabelle eine Tierpflegerin angestellt, und die Gastronomie am Hintertristerweiher …«

»Gastronomie – was für ein Name für ein paar Wurstbrote«, höhnte Eike.

»… die Gastronomie hat sowieso nur von Freitag um vierzehn Uhr bis Sonntagnachmittag geöffnet«, sagte Pranger unbeirrt. »Lediglich in den Sommerferien ist dort auch unter der Woche offen. Ein perfektes Konstrukt. Alles kann weiterlaufen wie gewohnt.« Er hob den Zeigefinger. »Muss weiterlaufen wie gewohnt! Keine Änderungen, die Stammtische vertragen das nicht.«

»Vertragen das nicht«, echote Aurelie, die sich fühlte wie nach einem Marathon, obwohl sie noch nie einen gelaufen war.

»Nun«, sagte Pranger. »Ich gebe zu, Sie etwas überfahren zu haben. Schlafen Sie drüber.« Er sah Eike an. »Natürlich können Sie ablehnen, was ich aber bedauerlich fände. Und was bestimmt nicht in Isabelles Sinn gewesen wäre.«

»Ach ja! Und deshalb tischen Sie uns diese krude Geschichte auf? Diese Alte hat mich gehasst. Das ist ihre letzte Rache!«

»Eike, das geht jetzt nicht«, flüsterte Aurelie.

»Papa, Tante Isabelle war etwas komisch, und ich hab sie kaum gekannt, aber zwanzig Millionen sind ganz bestimmt keine Rache«, sagte Laurent.

Aurelie hätte ihn am liebsten geküsst.

»Wie gesagt, lassen Sie das Ganze sacken, und rufen Sie mich morgen an.« Er reichte Aurelie sein Kärtchen mit seinem Namen. Ein Dr. Dr., eine Adresse und alles in erhabenen goldenen Lettern.

Dann erhob er sich und raffte seine Unterlagen zusammen. Er nickte Aurelie, Lotte und Laurent zu und ignorierte Eike, ehe er mit großen Schritten zur Tür ging.

Sie sahen ihm nach.

»Dieser aufgeblasene alternde Juristenheini«, hob Eike an.

»Du hörst sofort auf!« Aurelie klang schrill. »Wir fahren heim. Sofort.«

»Und Lolek und Bolek?«, fragte Lotte.

»Die haben bisher auch ohne uns gelebt«, zischte Aurelie.

»Aber nicht ohne Isabelle«, sagte Lotte leise.

Die Heimfahrt verlief schweigend. Laurent tippte wie besessen auf seinem Smartphone herum. Lotte starrte nach draußen.

Am Ammersee erreichten sie den ersten Stau. Ausflügler drängten zurück auf die Autobahn, Blechkiste um Blechkiste. Was mochte diese Menschen antreiben? Hatten die auch geerbt? War jemand gestorben? Überlegten sie gerade, was sie heute Abend essen würden? Hatten die Kinder ihre Hausaufgaben schon gemacht? Fürchteten sie, keinen Parkplatz zu finden? Waren sie glücklich? War sie selbst glücklich?

Sie hatte zwei tolle Kinder, sie mussten sich keine finanziellen Sorgen machen. Sie waren alle vier gesund. Aurelie mochte ihren Beruf und kam gut mit den Schülern aus. Sie eckte im Kollegium selten an, sie war mit ihrem Schulleiter freundschaftlich verbunden.

Und in Liebesdingen? Eike nahm kein Blatt vor den Mund, war nie politisch korrekt. Das mochte sie an ihm, ja, sie bewunderte es sogar, denn sie selbst neigte dazu, sich kleiner zu machen, als sie war. Ganz kurz, bevor die Situation zu kippen drohte, lenkte er meistens ein und nahm seine zynischen Bemerkungen zurück. Das konnte er gut, und damit packte er sie immer wieder. Doch in den letzten Jahren war Eike immer zynischer und bissiger geworden, und damit kam Aurelie immer schlechter klar. Andererseits wurde ihr so oft gesagt, was für ein attraktiver Mann er sei. In der Tat war Eike gut aussehend, aber das war doch nicht alles …

Im steten Stop-and-go auf dem Mittleren Ring erreichten sie Neuhausen. Sie waren in der glücklichen Lage, im Hinterhof sogar über zwei Stellplätze zu verfügen, was ein fast noch größeres Geschenk war als die schöne Altbauwohnung an sich. Lotte und Laurent verließen das Auto fast fluchtartig und waren schon in ihren Zimmern verschwunden, als Aurelie und Eike die Wohnung betraten. Eike holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Er war...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Weltkrieg • Atlantikküste • deutsche Familiengeschichte • Familienroman für Frauen • Frankreich • Gnadenhof • Heimatroman • Heimatroman Bücher • Kriegsenkel • Kriegskinder • Les Sables d Olonne • Nachkriegskinder • Nachkriegszeit • Oberbayern • Oberstaufen • Roman • Romane um Liebe und Erbschaft • Roman für Frauen • Vendee
ISBN-10 3-492-99998-0 / 3492999980
ISBN-13 978-3-492-99998-4 / 9783492999984
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