Das witzigste Vorlesebuch der Welt (eBook)
256 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-28276-9 (ISBN)
»Auch wenn Sie nie den Gedanken hatten, Komiker zu werden, wenn Sie sich mit diesen Geschichten vor ein Publikum setzen - egal, wie klein oder groß, werden Sie ahnen, warum Komödianten wie ich so verrückt nach diesem Beruf sind. Andere zum Lachen bringen macht nämlich süchtig.«
Was braucht der Mensch in schwierigen Zeiten? Ganz zwingend eine Prise Humor! Und wer könnte uns besser zum Lachen bringen als Jürgen von der Lippe? In seiner TV-Show »Was liest du?« hat er jahrelang die Qualität von Geschichten vor Publikum erprobt und präsentiert in dieser Neuausgabe die besten und witzigsten Kurzgeschichten und Glossen der Sendung. Mit dabei Texte von Horst Evers, Dietmar Wischmeyer, Frank Goosen, Harald Martenstein, David Sedaris, Katinka Buddenkotte, Guido Mingels, Fanny Müller, Kai Karsten, Linus Reichlin, Tilman Spengler, P.J. O'Rouke.
Jürgen von der Lippe, Jahrgang 1948, ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten der deutschen Unterhaltungsbranche. Vor 52 Jahren stand er zum ersten Mal auf der Bühne, hat mehr Alben produziert als die Beatles und hat seit 41 Jahren nebenbei auch ein wenig Fernsehgeschichte geschrieben. Er hat alle wichtigen Preise bekommen, den Grimme Preis und die Goldene Kamera gleich zweimal. Neben gelegentlichen Ausflügen zum Film und auf Theaterbühnen schreibt der umtriebige Altmeister seit etlichen Jahren Bücher, die regelmäßig auf den Bestsellerlisten landen, mittlerweile sind es 16. Wenn es ihm gefällt, liest er ab und an auch mal ein Hörbuch ein - auch dafür gab es schon Preise. Nach seinem Romandebüt »Nudel im Wind« von 2019 erschien 2022 »Sex ist wie Mehl. Geschichten und Glossen«. »Sextextsextett« ist sein neuestes Buch.
Harald Martenstein
Über Sex
Mir wurde von einem Verlag ein Buch geschickt. Der Verlag heißt Rowohlt. Das Buch heißt »G. i. B. Gut im Bett«. Ich kenne die Autorin, sie war mal Auszubildende bei uns. Im Klappentext steht, dass sie inzwischen Textchefin bei Cosmopolitan ist, zuständig für drei verschiedene Ressorts, erstens das Ressort Sex, zweitens das Ressort Liebe, drittens das Ressort Psychologie. Ich dachte: »Sex, Liebe und den restlichen Psychokram behandeln sie in verschiedenen Abteilungen. Die Cosmopolitan-Redaktion hat exakt die gleiche Binnenstruktur wie das männliche Gehirn.«
Ich hatte noch nie im Leben einen Sexratgeber gelesen. Aber Bücher von Bekannten lese ich fast immer. »Gut im Bett« gehört zu den autobiografisch geprägten Büchern. »Der Blowjob mit zwei Esslöffeln Basmatireis im Mund – ein Trick, auf den eine Freundin schwört – gehört ganz oben auf meine persönliche Liste der Erotikflops.«
Ich glaube, ich kenne auch diese Freundin. Es ist eine quirlige Brünette mit Strähnchen. Sie gibt auf allen Partys mit der Basmatireisnummer an, aber wenn sie es dann versucht, laufen die Männer schreiend davon. Das weiß inzwischen jeder. Mein Verleger kennt sie auch. Er sagte: »Der Reis ist noch kochend heiß, wenn sie ihn in den Mund nimmt. Aber mit Kritik kann sie nicht umgehen.« Ich sagte: »Statt Basmati soll sie besser Uncle Ben’s nehmen.«
Es ist mit das Schwerste, am Verhalten des Partners im Bett Kritik zu üben, ohne diesen anderen Menschen zu kränken. Man soll es laut »G. i. B. Gut im Bett« ungefähr so formulieren: »So wie du es jetzt machst, ist es toll. Noch besser wäre es, wenn du es mal so versuchen könntest.« Konkret: »So, mit dem kochend heißen Basmati, ist es toll. Noch besser wäre es, wenn du es mal mit lauwarmem Uncle Ben’s versuchen könntest.«
Das Buch enthält eine Menge Etiketteregeln, damit es beim Sex nicht zu unhöflichem oder rüpelhaftem Verhalten kommt. Zum Beispiel: »Bei Bodenfrost liegt der Gentleman unten, da sich die Damen leicht eine Blasenentzündung holen.« Generell soll man beim Liebesspiel nicht mit positivem Feedback geizen. »Tiefes Stöhnen und ein ›Oh ja, mach weiter!‹ sind für den anderen ein wertvoller Hinweis.« Man soll zum Beispiel auch öfter mal sagen: »Dein Körper macht mich verrückt. Ich würde zu gern mal sehen, wie deine Wahnsinnsformen in einem Latexkleid zur Geltung kommen.« Das soll immer gut ankommen. Was man nicht sagen soll: »Die unaufgefordert vorgetragene Aufforderung ›Gib mir Tiernamen!‹ könnte den anderen aus dem Konzept bringen.«
Im Kapitel »Richtig fesseln« steht, dass man am besten Seile aus dem Segelshop nimmt. Jetzt denken viele, aha, Fesselspiele sind nur was für Besserverdienende. Keineswegs! »Auch mit Frischhaltefolie lassen sich raffinierte Fesselspiele inszenieren.«
Wenn es im Bett einmal schlecht gelaufen ist, soll man betont gelassen sagen: »Ich habe das Gefühl, dass dir mein Orgasmus nicht so wichtig ist.« Wenn die betreffende Person immer noch nicht begreift, kann man ihr einfach Tiernamen geben oder ein Fesselspiel inszenieren. Oder man sagt: »Ich würde zu gern mal sehen, wie deine Wahnsinnsformen draußen vor der Tür zur Geltung kommen.«
Harald Martenstein
Über Handys
Vor Weihnachten sagte das Kind sinngemäß: »Ich wünsche mir von ganzem Herzen ein Handy GX 10i von Sharp. Es kostet 250 Euro. Man bekommt es bei eBay. Mein Lebensglück hängt davon ab.« Das Kind besitzt schon seit Jahren ein Handy Marke Trium. Aus Korea. Ich selber besitze ein Siemens S 45. Es kann nicht Motorrad fahren und keine Susan-Sontag-Texte übersetzen. Es kann nicht einmal fotografieren. Es ist nur ein braves, ehrliches Handy vom Lande, das versucht, seine Arbeit zu tun.
Ich gab zur Antwort: »Wenn ein Zwölfjähriger ein teureres Handy besitzt als sein Vater, wird die natürliche, göttliche Ordnung der Dinge, wie sie seit Millionen von Jahren besteht, auf den Kopf gestellt. Wenn heute die Kinder teurere Handys besitzen als ihre Eltern, dann wird es morgen Frösche regnen, die Flüsse werden Jungfrauenblut führen statt Wasser, und den Bäumen werden Bärte aus Menschenhaar wachsen.«
Das Kind erwiderte: »All dies, was du beschrieben hast, nehme ich gerne in Kauf, Vater, sofern ich nur recht bald das GX 10i von Sharp bekomme.«
Ich ging zum Schulhof. In den Pausen ziehen alle Zwölfjährigen silberne Handys aus den Taschen, klappen sie auf, denn es sind alles aufklappbare, zeigen einander die Displays, führen Klingelgeräusche vor oder rezitieren mit der Inbrunst frisch Verliebter aus der Gebrauchsanweisung. Sie telefonieren mit den Handys nicht. Wozu auch? Zwölfjährige aus bürgerlichen Verhältnissen haben relativ wenig zu telefonieren. Sie führen keine Wochenendbeziehung, sie betreiben kein Networking, sie brauchen nicht mal den ADAC-Pannendienst. Andererseits: Eine Rolex trägt man ja auch nicht, weil man auf die Uhrzeit neugierig ist.
Das Kind bekam zu Weihnachten ein Nokia 3590i. Besser als Trium. Billiger als 250 Euro. Es ist nicht aufklappbar. Das Kind sagte sinngemäß: »Weil du dich bisher nach besten Kräften bemüht hast, ein guter Vater zu sein, will ich dir für dieses Mal verzeihen. Auf dem Schulhof werden sie deinen Sohn mit Spott überschütten, ich aber will meines braven Vaters gedenken und alle Erniedrigungen tapfer aushalten. In der göttlichen Ordnung der Dinge aber steht geschrieben, dass bald Ostern ist. Unser Patenkind in Bolivien wird sich über das Nokia 3590i freuen. Die GX 10i von Sharp werden im Preis sinken. Zu Ostern. Das ist gewiss.«
Ich traf unseren Amerikakorrespondenten. Er legte sein Handy auf den Tisch. Es war mit Tesafilm geflickt, groß wie eine Salatgurke und schwer wie ein Kasten böhmisches Bier. Es ist ein original Siemens E 10 D, mit Dieselmotor. Der Korrespondent sagte: »Alle beneiden mich. Es fängt jetzt nämlich überall mit der Handynostalgie an.« Die schwarzen Bakelit-Telefone aus den Fünfzigern sind ja schon länger ein Hit. Bald werden sie in Korea Nostalgiehandys bauen, bei denen zur vollen Stunde ein geschnitzter Kuckuck aus dem Display heraushüpft und das Schlesierlied singt.
Wenn ich mal tot bin, bekommt mein Sohn das Siemens S 45.
Harald Martenstein
Über Porno
Mein Sohn ist in der Pubertät. Wenn er etwas großartig, gut oder hinreißend fand, sagte er bis vor Kurzem: »Das ist geil.« Das Wort »geil« bedeutete im Mittelalter »gut«. Später bedeutete es »lüstern«. Jetzt heißt »geil« wieder »gut«.
Ich habe meinen Sohn gefragt: »Was ist das Gegenteil von ›geil‹? Wie nennt ihr, in eurer jungen, taubedeckten Welt, in welcher gerade die Morgensonne der Selbstfindung aufgeht, eine Person, ein Tier oder eine Sache, die nicht großartig ist?«
Mein Sohn sagte: »Das Gegenteil von ›geil‹ heißt ›schwul‹. Ein schwuler Film ist ein Film, der nicht geil war. Schwule Schulsportschuhe. Eine schwule Mathearbeit. Der Pitbull – ein schwuler Hund. Die Klassenfahrt nach Bad Orb war schwul. Die Klassenfahrt nach Beverly Hills war geil. Oder es heißt, dieses Mädchen finde ich schwul, jenes Mädchen finde ich geil.«
In meiner Jugend ist »schwul« ein Schimpfwort gewesen. In meinen Mannesjahren wechselte »schwul« die Bedeutung. Schwule Regierungschefs priesen auf schwulen Stadtfesten in schwulstmöglicher Weise das Schwulsein. In der neuerlichen Umprägung des Wortes kommt meiner Ansicht nach nicht ein Wiederaufleben des Ressentiments gegen Homosexuelle zum Ausdruck, sondern die ewige Lust der Jugend an der Provokation. Hätten geile Regierungschefs auf dem geil-lüsternen Stadtfest in geilen Worten das Geilsein gepriesen, dann wäre in der Jugendsprache manches anders gekommen. An dem Tag aber, an dem der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz auf dem Parteitagspodium mit schwerem Atem und ungeordnetem Haar ins Mikrofon stöhnt: »Genossinnen und Genossen, ich bin geil, und das ist gut so«, werden in der Jugendsprache die Karten neu gemischt.
Vor einigen Wochen kehrte mein Sohn aus der Schule zurück und teilte mir mit, dass weitere Umwertungen stattgefunden hätten. »Man sagt nicht mehr ›geil‹. Nur Dreißigjährige sagen ›geil‹.«
Jetzt sagt man, zu etwas Gutem, meistens »porno«. Das Schulfest war voll porno. Der Pfarrer im Jugendgottesdienst hat porno gepredigt.
Mein Sohn sagte, das Gegenteil von »porno« bezeichne die Jugend neuerdings als »psycho«. Ein Mädchen, das gestern noch schwul war, ist heute schon psycho. In der Kombination dieser beiden Begriffe ergeben sich reizende sprachliche Effekte, zum Beispiel: Psycho von Hitchcock ist ein porno Film. N. ist ein porno Typ, aber er muss jede Woche zu einem psycho Therapeuten.
Nach einigem Nachdenken wurde mir klar, dass die Gutwörter und die Schlechtwörter der Jugend meist, aber nicht ausschließlich, dem Bereich des Sexuellen entnommen werden. Dabei wird stets das gesellschaftlich Goutierte negativ besetzt, das gesellschaftlich Verpönte aber wird ins Positive gewendet. Dies ist die Entdeckung eines sozialpsychologischen Gesetzes, dies ist das Holz, aus dem Promotionen geschnitzt werden. In zehn Jahren werden die Vierzehnjährigen sagen: Die Klassenfahrt nach Bad Orb war sensibel und nachhaltig. Die Klassenfahrt nach Beverly Hills aber war pädophil.
Harald Martenstein
Über Feminismus
Eine Redakteurin rief an und sagte: »Wir machen eine Sondernummer zum Comeback des Feminismus. Deswegen muss die Kolumne kürzer sein als üblich. Sie wirkt sonst zu...
Erscheint lt. Verlag | 9.11.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Bestsellerautor • David Sedaris • Dietmar Wischmeyer • eBooks • Fanny Müller • Frank Goosen • Guido Mingels • Harald Martenstein • Horst Evers • Humor • Kai Karsten • Katinka Buddenkotte • kleine geschenke für frauen • Linus Reichlin • lustig • lustige • P.J. O’Rouke • Tilman Spengler • TV Satire • witzige Bücher |
ISBN-10 | 3-641-28276-4 / 3641282764 |
ISBN-13 | 978-3-641-28276-9 / 9783641282769 |
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