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Sturm über der Tuchvilla (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
688 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-24169-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sturm über der Tuchvilla -  Anne Jacobs
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In Zeiten des Sturms muss die Familie Melzer zusammenhalten, um ihre geliebte Tuchvilla zu retten ...
Augsburg, 1935. Der Sturm, der sich über Deutschland zusammenbraut, hat auch für die Familie Melzer und ihre geliebte Tuchvilla weitreichende Konsequenzen: Maries erfolgreiches Schneideratelier steht kurz vor dem Aus, als bekannt wird, dass sie jüdischer Abstammung ist. Und auch ihr Mann Paul hat mit großen Sorgen zu kämpfen, denn die finanzielle Lage der Tuchfabrik und der wachsende Druck von Seiten der Regierung, bereiten ihm schlaflose Nächte. Als Paul eines Tages dringend geraten wird, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, muss Marie eine folgenschwere Entscheidung treffen, die ihr aller Leben für immer verändern wird ...
Sie lieben mitreißende, romantische Familiensagas, die in vergangen Zeiten spielen? Dann entdecken Sie weitere Romane von Anne Jacobs!

Die Tuchvilla-Saga:
1. Die Tuchvilla
2. Die Töchter der Tuchvilla
3. Das Erbe der Tuchvilla
4. Rückkehr in die Tuchvilla
5. Sturm über der Tuchvilla
Die Gutshaus-Saga:
1. Das Gutshaus. Glanzvolle Zeiten
2. Das Gutshaus. Stürmische Zeiten
3. Das Gutshaus. Zeit des Aufbruchs
Anne Jacobs als Leah Bach:
Der Himmel über dem Kilimandscharo
Sanfter Mond über Usambara
Insel der tausend Sterne

Anne Jacobs veröffentlichte unter anderem Namen bereits historische Romane und exotische Sagas. Mit »Die Tuchvilla« gestaltete sie ein Familienschicksal vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte und stürmte damit die Bestsellerliste. Nach ihrer ebenfalls sehr erfolgreichen Trilogie um »Das Gutshaus«, die von einem alten herrschaftlichen Gutshof in Mecklenburg-Vorpommern und vom Schicksal seiner Bewohner in bewegten Zeiten erzählt, legt Anne Jacobs nun den fünften Band der »Tuchvilla«-Saga vor.

2

Lisa war keineswegs unzufrieden mit der momentanen Situation. Nach der grauenhaften Angst, die sie um ihren Sebastian ausgestanden hatte, den schlaflosen Nächten und zahllosen geweinten Tränen war sie nun glücklich, ihn wieder bei sich zu haben. Auf bewährte Weise hatte sie ihn liebevoll gepflegt, war ihm Mutter und Krankenschwester gewesen, hatte ihm Vorhaltungen gemacht, dass er ihre Warnungen nicht beachtet habe, nicht aus der KPD ausgetreten war, als dazu noch Zeit war. Er war fügsam wie ein Kind gewesen, was sie ganz besonders rührend fand, nur mit der Liebe wollte es seitdem nicht mehr so recht gehen, die schrecklichen Erlebnisse im Gefängnis hatten irgendetwas an seiner Männlichkeit kaputtgemacht. Nicht körperlich, da war alles in Ordnung, aber in seinem Inneren war etwas zerbrochen.

»Sei mir nicht böse, Liebes«, sagte er an den Abenden zu ihr. »In meinem Kopf ist ein solches Durcheinander, ich glaube, ich würde dich enttäuschen. Lass uns noch ein wenig warten.«

Lisa hatte Verständnis – schließlich liebte sie ihn. Wirkliche Liebe war mehr als nur das Körperliche, sie liebte ihn mit ihrer ganzen Seele, und deshalb lag es ihr fern, ihn zu bedrängen. Eines Tages würde er wieder der Alte sein, davon war sie fest überzeugt, sie brauchte nur etwas Geduld. Die abendlichen Parteiveranstaltungen oder karitativen Einsätze in der Mittelstraße waren Vergangenheit. Die KPD gab es nicht mehr, und das kommunistische Arbeiterheim in der Mittelstraße hatte die Polizei geschlossen. Auch sein übereifriger Einsatz als Leiter der Buchhaltung in der Fabrik hatte ihr nicht gefallen, weil er den ganzen Tag über fort gewesen war und nicht selten an den Abenden mit Paul im Herrenzimmer gesessen hatte, um Cognac zu trinken und über geschäftliche Dinge zu reden. Nein, während dieser Zeit hatte sie kaum etwas von ihrem Liebsten gehabt, höchstens an den Sonntagen, aber da hatte er sich mehr mit den Kindern beschäftigt als mit ihr, seiner Ehefrau.

Nun aber hatte sie ihn an den Vormittagen, wenn die Kinder in der Schule waren, ganz für sich allein, durfte beständig in seiner Nähe sein, um ihn zu verwöhnen und für seine Gesundheit zu sorgen. Das Unheil war vorübergezogen – er brauchte nur vernünftig zu bleiben und in allem ihrem Rat zu folgen, dann würde ihm nichts mehr geschehen. Eines Tages würde auch dieser Verrückte, der Adolf Hitler, wieder verschwinden, wie es mit all den früheren Reichskanzlern und auch mit dem armen, guten Kaiser Wilhelm gegangen war. Dann würden neue, bessere Zeiten anbrechen.

Es war heute sehr heiß auf der Terrasse, vor allem jetzt, da es auf Mittag zuging. Lisa hatte ihr Strickzeug mit hinuntergenommen und zwei Sonnenschirme aufgespannt, Sebastian war mit einem Buch unter dem Arm aus der Bibliothek dazugekommen.

»Was liest du da, Liebster?«, fragte sie, eifrig mit den Stricknadeln klappernd.

»›Im Westen nichts Neues‹, von Erich Maria Remarque …«

»Ach Gott«, meinte sie und besah prüfend die Socke, an der sie strickte. »Immer nimmst du dir so ernste Bücher vor, Liebster. Möchtest du mir den Strang Wolle halten? Ich muss ihn zu einem Knäuel wickeln.«

»Gern, Liebes, ich möchte nur noch das Kapitel zu Ende lesen«, gab er zurück und nahm die Brille ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. »Dieser Roman ist ungemein spannend, weil er darlegt, wie ein Krieg jegliche Kultur und Ethik der Menschheit zerstört und die Bestie in uns freilässt.«

Lisa erschauerte und musste die Maschen auf ihren Stricknadeln noch einmal zählen.

»Was für grauenhafte Bücher du liest«, seufzte sie.

»Auch der Schrecken ist lehrreich«, meinte er und wandte sich wieder seiner Lektüre zu. »Wir sollten alle daran arbeiten, dass es niemals wieder zu einem Krieg kommt. Stattdessen muss die Menschheit einen Weg finden, in Frieden und Gerechtigkeit miteinander zu leben.«

Lisa seufzte, denn sie fürchtete, er würde nun wieder zu seinen Thesen von der kommunistischen Weltrevolution überleiten. Sie legte das Strickzeug in den Korb zurück und stand auf, um die elektrische Klingel zu betätigen, die man neben der Terrassentür angebracht hatte.

»Wie heiß es heute ist«, meinte sie. »Auguste soll deinen Strohhut bringen und noch eine Karaffe Limonade mit Eiswürfeln.«

»Nun lass doch, Liebling, meinen Strohhut kann ich mir auch selbst holen …«

»Aber nein«, sagte sie kopfschüttelnd und drückte auf die Klingel. »Das ist Augustes Aufgabe. Du tust dem Personal keinen Gefallen, wenn du ihnen ihre Arbeit wegnimmst, verstehst du? Jeder Mensch hat ein Recht auf Arbeit, auch unsere Angestellten. Was glaubst du, was passieren würde, wenn ich in die Küche ginge, um ein Mittagessen zu kochen? Die Köchin würde mich vermutlich steinigen.«

Er setzte wortlos seine Brille auf und tauchte mit gefurchter Stirn zurück in die Zeiten des Weltkriegs. Lisas Korbsessel knirschte hörbar, als sie sich wieder setzte, das Klappern der Stricknadeln und das Zetern einiger Spatzen füllte die sommerliche Mittagsstille, dann mischte sich plötzlich ein anderer Klang hinein.

»Danke, ich kenne mich aus!«, hörte man eine Frauenstimme sagen.

»Aber … aber soll ich Sie nicht anmelden, gnädige Frau?«

»Nicht nötig. Mein Gott – wie schön der Ausblick auf den Park durch die offenen Terrassentüren doch ist! Dieses Spiel des Lichts in den Büschen! Hier, nehmen Sie meinen Hut, Hanna!«

Lisa ließ vor Schreck zwei Maschen fallen, Sebastian hob verwundert den Kopf – da trat die Besucherin schon über die Schwelle. Ein siegreiches Lächeln stand in den schmalen Zügen der Serafina von Dobern, geschiedene Grünling. Hinter ihr tauchte eine sehr unglückliche Hanna auf, die Lisa mit Blicken und Gesten mitteilte, dass sie nicht in der Lage gewesen war, diesen Überfall zu verhindern.

»Heil Hitler«, sagte Serafina mit deutlicher Betonung. Dabei lächelte sie zuerst Lisa und dann Sebastian an.

Verblüfftes Schweigen folgte auf diesen Gruß. Serafina von Dobern war in der Tuchvilla keine Unbekannte, sie hatte einmal zu Lisas engsten Freundinnen gehört, später allerdings hatte sie sich als Intrigantin entpuppt, die vor allem Marie das Leben schwer gemacht hatte. Nach ihrer Heirat mit Rechtsanwalt Grünling, der an der Wirtschaftskrise gut verdient hatte, hatte das Ehepaar unter anderem das Gut Maydorn von Tante Elvira erworben.

Lisa hatte sich nach einigen Sekunden gefasst und zeigte, dass sie jene »Haltung« besaß, die Alicia Melzer ihren Töchtern anerzogen hatte.

»Serafina!«, sagte sie mit kühler Höflichkeit. »Was verschafft mir die Ehre dieses unangemeldeten Besuches?«

Serafina hatte einen ähnlichen Empfang erwartet, schließlich war sie weder dumm noch naiv. Sie machte eine abwehrende Handbewegung und verstärkte ihr Lächeln.

»Oh, keine Sorge, ich komme nur auf einen Sprung. Seit einiger Zeit engagiere ich mich in der örtlichen NSV und kümmere mich um das Winterhilfswerk, ein großes und wichtiges Anliegen, das von der Regierung und dem ganzen deutschen Volk getragen wird. Mit fiel auf, dass auf der Haustür der Tuchvilla immer noch nicht unsere Plakette klebt …«

Dieses hässliche Ding bekamen alle diejenigen, die für das Winterhilfswerk spendeten. Es wurde jährlich ausgegeben, und man konnte darauf lesen: »Wir haben geholfen.«

»Sie klebt auf der Küchentür«, bemerkte Lisa spitz. »Wir fanden es nicht passend, damit unsere schöne Haustür zu verschandeln.«

»Da schau einer an«, gab Serafina indigniert zurück und hob die Augenbrauen. »Zu schade, dass unsere segensreiche und wichtige Arbeit hier so wenig Anerkennung findet.«

»Wir spenden regelmäßig einen stattlichen Betrag!«, stellte Lisa fest und ging zum Gegenangriff über. »Im Übrigen bin ich überrascht, dich wieder hier in Augsburg zu sehen, Serafina. Ich glaubte, du hättest inzwischen deine Leidenschaft für das Landleben entdeckt.«

Serafinas Blicke hingen an dem Buch, das Sebastian auf seinen Schoß hatte sinken lassen. Hatte sie den Titel entziffert? Vermutlich. Ihr entging so schnell nichts, dieser lästigen Zecke.

»Das Landleben?«, meinte sie und zog sich einen der Korbstühle heran, um sich unaufgefordert zu setzen. »Ach, weißt du, Lisa – wenn man so lange in der Stadt gelebt hat, dann kann man sich nur schwer umgewöhnen. Gewiss habe ich meine Kindheit auf den Gütern meiner Eltern verbracht, aber das ist ein Weilchen her, und den Winter über waren wir meist in unserem Stadthaus in Berlin.«

Jetzt gibt sie aber mächtig an, dachte Lisa ärgerlich. Du liebe Güte – ihre Eltern besaßen zwar vor dem Krieg einen Gutshof in Brandenburg, aber von »Gütern« und »Stadthaus« zu reden, das ist schon dreist. Außerdem ging alles nach dem Krieg den Bach hinunter, das wissen wir nur allzu gut.

»Ach, wie schade«, meinte Lisa mit falschem Bedauern. »Tante Elvira hat so sehr gehofft, dass du an ihrem schönen Gutshof Gefallen finden könntest. Zumal dort ein ganz hervorragender Verwalter tätig ist.«

»In der Tat«, bemerkte Serafina mit einem amüsierten Seitenblick, während sie es sich in dem Korbstuhl bequem machte. »Dein verflossener Ehemann macht seine Sache recht gut. Wirklich, Lisa – ich habe ihn schätzen gelernt, deinen Klaus von Hagemann …«

Lisa holte Luft, um etwas zu erwidern, doch in diesem Moment erschien Auguste auf der Terrasse, um nach ihren Wünschen zu fragen. Ein verständnisinniger Blick traf Lisa; Auguste...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2021
Reihe/Serie Die Tuchvilla-Saga
Die Tuchvilla-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Augsburg • Das Erbe der Tuchvilla • Das Gutshaus • Die Töchter der Tuchvilla • Die Tuchvilla • eBooks • Familie • Familiensaga • Frauenromane • Generationenroman • Historische Romane • Historischer Roman • Liebe • Liebesromane • Neuerscheinung 2021 • Rückkehr in die Tuchvilla • Spiegel-Bestsellerautorin • Spiegel-Bestseller-Serie • Weihnachtsgeschenk • Weltwirtschaftskrise
ISBN-10 3-641-24169-3 / 3641241693
ISBN-13 978-3-641-24169-8 / 9783641241698
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