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Dorian Hunter 66 - Horror-Serie (eBook)

Rendezvous mit dem Sensenmann

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Aufl. 2021
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1092-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 66 - Horror-Serie - Earl Warren
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Jeanette stöhnte auf, wandte den Kopf. Der Tod stand über ihr. Jetzt sah sie sein Gesicht im Dunkeln leuchten, wie von einem schwachen goldenen Schimmer übergossen. Oder war es eine Maske, die sein wahres Gesicht verdeckte? Ein letztes Mal schrie Jeanette auf. Ein schauriges Geschrei aus vielen Kehlen antwortete ihr. Die goldene Sense funkelte im bleichen Licht des Mondes. Wahnsinn, Kälte und Grauen waren das Letzte, was Jeanette in diesem Leben empfand. Die goldene Sense sauste herab.


1. Kapitel


»Nein, ich will das Gespräch abhören, das diese ... diese Dirne mit ihrem Liebhaber führt. Monsieur Beaufort will es so. Wenn er das erfährt, wird Jeanettes Schicksal besiegelt sein.«

Die vier nickten eifrig.

Sie blickten zu dem Lehnstuhl, der am prasselnden Kaminfeuer stand. Eine Gestalt saß darin, doch die hohe Rückenlehne verdeckte sie, und man sah nur eine runzlige dunkle Hand an der Seite herabhängen. Ein prächtiger Ring mit einem schwarzen Stein, an dessen vier Ecken große Brillanten funkelten, steckte am Ringfinger. In den Stein war eine sich windende Schlange mit kleinen Rubinaugen eingemeißelt. Es war ein schweres, wuchtiges Schmuckstück, aber äußerst kunstvoll.

Lucia legte nun auf.

»Sie hat das Gespräch beendet. Entsetzlich, welche Sachen dieser schamlose Mensch, mit dem sie sich eingelassen hat, gesagt hat. Und Jeanette hat noch darüber gelacht und in der gleichen Weise geantwortet. Die heutige Jugend ist völlig verdorben.«

Die drei anderen alten Frauen stimmten Lucia zu.

»Wir dürfen dieses Flittchen nicht mehr länger unter unserem Dach dulden«, sagte Camilla, die Energischste der vier. »Das sind wir Monsieur Beaufort schuldig.«

Die alten Frauen sahen zu dem Lehnstuhl. Der Sitzende antwortete nicht.

»Monsieur«, sagte Lucia schließlich schüchtern und leise, »es ist wieder so weit. Jeanette Bengtsson hat gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Wir jagen sie fort.«

»Ihre Vogelscheuche ist gestern fertig geworden, Monsieur«, sagte die alte Sabrina im gleichen ehrerbietigen Ton.

Sie warteten, aber es kam keine Antwort. Die Luft im Zimmer war trocken und heiß, doch den Frauen war plötzlich, als spürten sie einen kalten Hauch. Triumphierend sahen sie sich an und nickten. Die alte Lucia trippelte zum Lehnstuhl, ergriff die runzlige Hand und küsste den Schlangenring.

»Verlassen Sie sich ganz auf uns, Monsieur«, flüsterte sie.

Eilig verließen die vier nun das Zimmer. Es gab viel zu tun. Die Hand mit dem auffälligen Ring bewegte sich nicht, aber es schien, als winde sich die Schlange, als funkelte Leben aus ihren Rubinaugen.

Jeanette Bengtsson war wütend wie schon lange nicht mehr. Sie knallte die Eingangstür der Villa hinter sich zu, hob ihren Rucksack auf den Rücken und ging eilig davon. Es war unerhört. Diese vier alten Schrullen hatten sie mitten in der Nacht hinausgeworfen, nur weil sie am Strand einen jungen Mann kennengelernt hatte. Natürlich hatten sie geküsst und geschmust, und sie war mit ihm ins Bett gegangen. Aber war das ein Verbrechen? Schließlich war sie zwanzig Jahre alt, ungebunden und eine hübsche junge Frau. Sie war nicht an die Côte d'Azur gekommen, um hier wie eine Nonne zu leben.

Aber diese bigotten Schachteln hatten sich angestellt, als ginge die Welt unter wegen eines One-Night-Stands. Ihr Telefongespräch mit Paul hatten sie abgehört und so getan, als habe sie etwas Fürchterliches verbrochen. Auf der Stelle hatte sie gehen müssen. Um elf Uhr abends.

Jeanette zitterte vor Wut. Jetzt erst fiel ihr ein, was sie den vier Alten hätte sagen sollen. Worte mit Widerhaken und Dornen kamen ihr in den Sinn.

Aber dazu war es jetzt zu spät. Sie drehte sich noch einmal zu der weißen Villa um. Das Mondlicht beschien den Prunkbau und ließ ihn fast wie ein Märchenschloss erscheinen.

»Ich bin froh, dass ich endlich weg bin aus diesem – diesem Zuchthaus«, schimpfte die blonde Jeanette. »Ich frage mich, wie die anderen Mädels das überhaupt aushalten. Auf Schritt und Tritt wird man bevormundet. Diese Runzelweiber neiden uns unsere Jugend und Schönheit. Ach, was rege ich mich denn auf! Mir können die vier Alten mit ihrem Monsieur Beaufort und ihrer Villa und allem Drum und Dran gestohlen bleiben.«

Jeanette ging weiter. Zwischen den Bäumen sah sie nun die Vogelscheuchen. Von einem inneren Zwang getrieben, marschierte sie über den Rasen darauf zu.

Betritt den Rasen nicht, Jeanette! Sie hörte Almas Stimme im Ohr klingen.

Ständig hatten die Besitzerinnen der Villa Vorschriften gemacht. Mach dies, mach das, tu dies, lass jenes! Zum Trotz trampelte Jeanette mitten durch ein Blumenbeet. Nun hatte sie die Vogelscheuchen erreicht. Sie sah sofort, dass ihre fehlte. Wahrscheinlich hatten die vier alten Weiber sie entfernt, weil sie nichts mehr in der Villa haben wollten, was an Jeanette Bengtsson erinnerte. Die anderen Vogelscheuchen waren noch nicht fertig gestellt. Jeanette sah noch das Loch im Boden, wo ihre Vogelscheuche gestanden hatte. Sie bemerkte auch Spuren im Gras. Sie konnte erst vor Kurzem abgeholt worden sein. Ein kalter Lufthauch streifte die junge Frau. Im Mondlicht erschienen ihr die Vogelscheuchen plötzlich bedrohlich. Ihr war, als grinsten sie sie an, als rückten sie näher und wollten sie mit den ausgestreckten Armen umarmen.

Jeanette wich zurück. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Als sie wieder hinsah, standen die Vogelscheuchen wie zuvor. Aber der Schwedin war es hier nicht mehr geheuer. Eilig lief sie unter den Bäumen hindurch zum Weg, zur Mauer mit dem großen schmiedeeisernen Tor und hinaus. Die Villa Daimon lag an der Südostspitze des Cap d'Antibes, direkt an der Steilküste. Hinter der Villa führte eine Steintreppe hinab zu einer kleinen Bucht, in der ein Motorboot vertäut war. Jeanette stand vor dem Villengelände. Sie konnte das Meer und die Lichter von Antibes nicht sehen. Sie wollte zur Küstenstraße, dort ein Auto anhalten und sich nach Cap d'Antibes bringen lassen. Paul würde nicht schlecht staunen, wenn sie plötzlich bei seinem Bungalow erschien. Aber sie wollte schon dafür sorgen, dass die Überraschung eine angenehme war. Das Grauen, das Jeanette im Park der Villa empfunden hatte, wich allmählich. Schon konnte sie über ihr Erschrecken lachen. Sie hatte noch fünf Urlaubswochen vor sich, bevor das nächste Semester in Stockholm begann. Fünf fröhliche, unbeschwerte Wochen. Tage am Strand, Nächte voller Trubel und Amüsement und nicht zuletzt Liebe.

Da raschelte etwas vor Jeanette im Gebüsch am Wegrand. Sie erstarrte und schlug die Hand vor den Mund.

»Hallo? Ist da jemand? Sie, kommen Sie sofort hervor!« Jeanette sprach Französisch mit einem drolligen Akzent. Sie spürte, dass jemand in dem Gebüsch steckte. »Kommen Sie heraus! Was soll das?«

Eine Gestalt trat aus dem Gebüsch. Im Mondlicht erkannte Jeanette den Mann. Eine Zentnerlast fiel ihr vom Herzen. »Adolphe, mein Gott, hast du mich erschreckt!«

Adolphe Guiata war ein großer schlanker junger Mann, bleich, mit einem Mittelscheitel, schwarzem Haar und dunkler Kleidung. Er galt als Sonderling. Keine der bildhübschen jungen Frauen, die die Côte d'Azur im Sommer überschwemmten, hätte sich mit ihm eingelassen. Jeanette hatte ein paarmal einige Worte mit ihm gewechselt. Sie war nett und freundlich zu ihm gewesen.

»Adolphe, was machst du denn hier?«

Er legte den Finger an die Lippen. »Nicht so laut, Jeanette. Die Nacht hat Ohren. Ich habe gehört, dass du aus der Villa ausziehst, und ich will dir ein Andenken mit auf den Weg geben.«

»Ein Andenken? Du? Woher weißt du überhaupt, dass ich ausziehe?«

Adolphe beantwortete die Frage nicht. Er schlug das Tuch auseinander, das er in den Händen hielt, und Jeanette sah, dass es eine knapp zwanzig Zentimeter große Tonpuppe verhüllt hatte. Mit schüchternem Lächeln reichte Adolphe ihr die Puppe. Jeanette betrachtete sie im Mondlicht, und jetzt erkannte sie, dass die Puppe ein genaues Abbild von ihr selbst war. Es war ein Kunstwerk.

»Hast du das selbst gemacht, Adolphe?«

Der junge Mann nickte. Er hielt den Kopf gesenkt.

»Du bist ja ein Künstler, Adolphe. Vielen Dank. Ich muss jetzt aber weiter. Leb wohl!«

»Leb wohl, Jeanette! Verliere die Puppe nicht, hörst du? Sie soll uns verbinden, auch wenn wir voneinander getrennt sind. Sie wird dir Glück bringen.«

Jeanette wollte das Gespräch rasch beenden. »Ich danke dir nochmals, Adolphe. Natürlich werde ich auf die Puppe aufpassen. Ich werde sie sogar mitnehmen nach Stockholm und dort anmalen lassen.«

Adolphe Guiata rieb sich die Hände. Er deutete eine Verbeugung an, trat zur Seite und war im nächsten Augenblick in den Büschen verschwunden. Jeanette schüttelte den Kopf.

»Komischer Kauz.« Sie eilte weiter, ihrem Liebhaber entgegen. Doch sie sollte nie zu ihm gelangen. An der nächsten Wegbiegung ereilte sie ihr Schicksal.

Jeanette kam um die Biegung und sah sich völlig unverhofft einer bizarren und grauenhaften Gestalt gegenüber. Sie wankte und wurde totenbleich. Der Tod selbst war es, der vor ihr stand, hochgewachsen und drohend. Eine schwarze Kapuze beschattete sein Gesicht, ein schwarzer Umhang verdeckte seine knöcherne Gestalt. Jeanette sah bleiche Zahnreihen in einem fleischlosen Kiefer grinsen. Hände mit goldenen Handschuhen hielten eine kunstvoll verzierte goldene Sense umklammert.

»Ich habe auf dich gewartet, Jeanette«, sagte der Tod mit knarrender Stimme.

Jetzt erst schrie Jeanette auf. In Windeseile warf sie Rucksack und...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2021
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-1092-2 / 3751710922
ISBN-13 978-3-7517-1092-3 / 9783751710923
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