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Der Schlafende Tod (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
67 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7394-2788-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Schlafende Tod -  Maya Shepherd
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Am Ende des Gangs befand sich ein Raum, dessen Fensterfront in den Westen ausgerichtet war und einen weiten Blick auf den Wald bot, der sich rund um das Schloss in alle Richtungen erstreckte. Goldenes Sonnenlicht fiel durch die Scheiben direkt auf den Glassarg, der davor aufgebaut war. In dem Sarg schlief ein Mädchen. Schwarzes, glattes Haar lag ihr über die schmalen Schultern und reichte bis zu ihren Brüsten. Es glänzte seidig, als wäre es gerade erst gebürstet worden. Lange, dunkle Wimpern rahmten ihre geschlossenen Augen ein. Sie trug ein blütenreines, weißes Kleid aus zarter Spitze. Wie sie dort lag, wirkte sie vollkommen friedlich, so als könne sie keiner Menschenseele etwas zuleide tun. Es herrschte eine andächtige Stille, die von Rumpelstilzchen zerbrochen wurde. 'Töte sie, Wilhelm!', forderte er mit kalter Härte. 'Bohre ihr einen Pflock ins Herz. Nur so können wir sicher sein, dass sie wirklich tot ist.' Folge 1: Die Apfelprinzessin Folge 2: Asche, Schnee und Blut Folge 3: Der Schlafende Tod Folge 4: Der Gesang der Sirenen

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Kindern und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren. Im August 2015 gewann Maya Shepherd mit ihrem Roman Märchenhaft erwählt den Lovely Selfie Award 2015 von Blogg dein Buch.

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Kindern und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren. Im August 2015 gewann Maya Shepherd mit ihrem Roman Märchenhaft erwählt den Lovely Selfie Award 2015 von Blogg dein Buch.

Der Fluch des Schlafenden Todes


Königswinter, im Lebkuchenhaus, Oktober 2012


Leises Vogelgezwitscher war durch die geschlossenen Fensterläden des Lebkuchenhauses zu vernehmen. Will öffnete blinzelnd die Augen. Licht drang durch die Ritzen der Schokoladentafeln, welche die Wände bedeckten, und hüllte das Innere des Häuschens in ein trübes Dämmerlicht.

Die Nacht war vorüber und mit ihr auch der Traum, der sich so real angefühlt hatte. Er war Schneewittchen begegnet, die so anders war als ihre blutrünstige Version vom Vortag im Schloss Drachenburg. In seinem Traum war sie ein verzweifeltes Mädchen gewesen, das nach dem Tod seines Vaters allein auf der Welt war. Sie hatte ihn gebeten, ihr zu helfen – er sollte sie aus dem tiefen Schlaf wecken, der sie gefangen hielt.

Du musst dich daran erinnern, wer du bist. Nur dann wirst du wissen, wie du mich wecken kannst‹, hatte sie als Letztes gesagt.

Aber wer war Will? Er wusste es selbst nicht.

Unbewusst griff er nach dem Medaillon, das an einer silbernen Kette von seinem Hals baumelte. Es war alles, was ihm von der Mutter, die er nie kennengelernt hatte, geblieben war.

Sein ganzes Leben lang hatte er geglaubt, dass er der Sohn eines Wahnsinnigen sei. Ein bemitleidenswertes Objekt, dessen Scheitern bereits feststand. Er hatte seine einzige Chance darin gesehen, eines Tages Berlin den Rücken zu kehren und irgendwo neu anzufangen. Jedoch hatte er sich nicht gerade Mühe in der Schule gegeben, um gute Noten und später einen guten Abschluss zu bekommen. Er hatte akzeptiert, dass er ein Versager war, ohne auch nur zu versuchen, etwas daran zu ändern.

Die Aussicht, dass er in Wahrheit mehr als das war, erschien ihm verlockend. Zu verlockend, um wahr zu sein?

Es war der Traum eines jeden Waisenkindes, dass es dort draußen irgendwo eine Familie gab, die nach einem suchte, und alles nur eine Verkettung unglücklicher Zufälle war. Doch für die meisten zerplatzte dieser Traum wie eine Seifenblase, wenn sie erwachsen wurden und erkannten, dass die Welt kein märchenhafter Ort war, an dem Wunder möglich waren. Sie sahen sich stattdessen der harten und ungeschönten Realität gegenüber, in der sich jeder selbst der Nächste war.

Will hatte sich für einen pessimistischen Realisten gehalten. Wenn man nichts von der Welt erwartete, konnte man auch nicht von ihr enttäuscht werden. Doch dieser seltsame Traum hatte irgendetwas in ihm verändert. Es war ein Gefühl, das er nicht benennen konnte. Als wäre in seinem Inneren eine Glocke geläutet worden, deren Klang immer noch nachhallte.

Er dachte an Schneewittchens himmelblaue Augen – sie hatte ihn angesehen, als würde sie ihn wirklich kennen. Vielleicht sogar besser als er sich selbst.

»Woran denkst du?«, riss Maggys Stimme ihn plötzlich aus seinen Gedanken. Sie hatte sich aufgesetzt und streckte sich müde, wobei ihr Nacken ein leises Knacken von sich gab und sie leidend das Gesicht verzog. »Noch eine Nacht auf dem Boden stehe ich nicht durch«, jammerte sie und schielte missmutig zu ihrem Bruder Joe, der mit geschlossenen Augen auf dem einzigen Bett im Raum lag.

Will war sich jedoch ziemlich sicher, dass er nicht mehr schlief – sein Schnarchen fehlte.

»Was machen wir jetzt?«, wollte er wissen, ohne auf Maggys Frage einzugehen. Er wollte ihr nicht – und erst recht nicht Joe – von dem Traum erzählen. Es war zu seltsam und zu verwirrend, um darüber reden zu können.

»Frühstück«, trällerte Maggy.

Doch noch ehe sie sich erheben konnte, kam von Joe ein trockenes »Haha!«. Er setzte sich mit zerzaustem Haar in dem Bett auf und funkelte schlecht gelaunt in Richtung seiner jüngeren Schwester. »Pappe steht nicht auf meinem Speiseplan.«

»Es sind Lebkuchen und Schokolade«, beharrte Maggy. »Probiere es doch einfach noch mal.« Sie sprach von den Tafeln, aus denen das Haus gebaut war.

»Was sollte das ändern? Ich habe es schon zwei Mal probiert und beide Male hat es nach Pappe geschmeckt. Auf ein drittes Mal kann ich gut verzichten«, maulte Joe.

Maggy stieß ein frustriertes Seufzen aus. »Vielleicht hat es für dich nur nach Pappe geschmeckt, weil du nicht daran geglaubt hast, dass es Lebkuchen ist. Aber nachdem du gestern fast von einem Vampir gebissen worden wärst, sollte es dir leichter fallen, auch an Häuser aus Süßigkeiten zu glauben.«

Joe verdrehte nur genervt die Augen und ließ sich zurück in das Kissen plumpsen. Will hatte auch seine Zweifel, dass es daran gelegen haben könnte, denn er selbst glaubte eigentlich noch weniger an Vampire, Lebkuchenhäuser und Märchen als irgendjemand sonst.

Eigentlich. Die Ereignisse der letzten Tage machten es ihm immer schwerer, nicht daran zu glauben.

»Wir könnten noch einmal versuchen, einen Weg aus dem Wald zu finden«, schlug er vor. Immerhin war es jetzt Tag und vielleicht hatten sie gestern etwas übersehen, das in der Dämmerung nicht zu erkennen gewesen war.

Keiner der beiden gab einen Ton von sich. Nicht einmal Joe erschien die Aussicht, erneut durch den Wald zu irren, verlockend.

»Oder wir gehen noch einmal zum Schloss«, meinte Maggy, woraufhin sie von Will und Joe gleichermaßen entsetzte Blicke erntete. Bevor jedoch einer der beiden sie fragen konnte, ob sie noch ganz dicht sei, setzte sie schnell hinterher: »Dort gibt es immerhin ein Bistro mit einer vollen Speisekammer.«

Joes Magen stimmte ihrem Vorschlag mit einem lauten Knurren zu, was Maggy triumphierend grinsen ließ.

»Irgendetwas müssen wir schließlich machen«, sagte sie schulterzuckend.

Will war nicht wohl bei dem Gedanken, zum Schloss zurückzukehren und somit in die Nähe des Vampirmädchens zu gelangen. Sie hatten erst gestern einem Mann beim Sterben zugesehen, der von ihm getötet worden war. Auch wenn Will die Erinnerung daran bei dem friedlichen Zwitschern der Vögel immer mehr wie ein böser Traum erschien.

Außerdem hatte Maggy recht: Es gab keinen Weg aus dem Wald. Sie landeten immer wieder auf der Lichtung, die zum Schloss führte. Wenn sie hier schon gefangen waren, konnten sie sich wenigstens mit etwas Essbarem stärken.

Als sie das Lebkuchenhaus verließen, empfing sie sogleich ein strahlend blauer Himmel. Sanftes Sonnenlicht drang durch die beinahe blätterlosen Äste der Bäume. Das Laub knisterte unter ihren Füßen, als sie losgingen. Es war nicht ganz so kalt wie die Tage zuvor, dennoch fröstelte Will, als er in den kahlen Baumkronen die großen Rabenvögel entdeckte. Sie starrten auf ihn hinab, folgten jedem seiner Schritte und stießen ein drohendes Krächzen aus, wenn er sie zu lange betrachtete.

Irgendetwas stimmte mit diesem Wald nicht.

Will überraschte dieser Gedanke selbst. Er begann, das Übernatürliche zu akzeptieren, anstatt es länger anzuzweifeln.

War das der Beginn des Wahnsinns oder steckte er bereits mittendrin? Hatte all das, was er in den letzten Tagen erlebt hatte, vielleicht nur in seinem Kopf stattgefunden?



Während sie am Tag zuvor am frühen Morgen aufgebrochen und erst am späten Nachmittag an das Schlosstor gelangt waren, kamen sie nun dort an, bevor die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hatte. Sie waren nicht spürbar schneller gelaufen. Es war eigentlich unmöglich und trotzdem war es so. Nichts, was in diesem Wald oder Königswinter geschah, ließ sich erklären.

Joe ging, ohne zu zögern, an dem verlassenen Ticketschalter vorbei, geradewegs zur Tür der Vorratskammer des Bistros. Er schnappte sich so viele eingeschweißte Waffelpackungen, wie er tragen konnte, und lud sie auf einem der Tische im Speisesaal ab. Dieser war komplett verglast, sodass man von dort direkt zum Schloss Drachenburg hinaufblicken konnte.

Die goldenen Verzierungen des Gemäuers glänzten im strahlenden Sonnenlicht, während sich das Gebäude geradezu majestätisch von dem blauen Himmel abhob. Es war ein beeindruckender Anblick, der jedoch bei den dreien ein bedrückendes Gefühl hinterließ, wenn sie an den toten Körper des Mannes dachten, der sich noch immer auf den Stufen zum ersten Stock befinden musste.

Joe wandte den Blick ab und riss die erste Verpackung auf. Sogleich strömte ihm der süße Duft der Waffeln in die Nase. Er schloss die Augen, als er den ersten Bissen nahm. Auch Will und Maggy bedienten sich, jedoch weitaus weniger genießerisch.

Für Joe waren die Waffeln wie die verbotene Frucht im Garten Eden. Unter normalen Umständen hätte er sich den Genuss des süßen Teiges niemals gestattet, aber jetzt, wo er keine andere Wahl hatte, hieß er ihn umso lieber willkommen. Ein Jahr Verzicht auf sämtlichen Zucker kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Es war fast, als wäre er mit einem alten Freund wieder vereint worden. Die Süßigkeiten waren früher sein einziger Trost gegen die Einsamkeit gewesen. Zwar hatte er eine Schwester und einen besten Freund, aber das war kein Ersatz für eine richtige Familie. Als Kind hatte er sich immer wieder gefragt, warum seine Eltern ihn und Maggy nicht gewollt hatten. Er wusste nichts von ihnen, weder ihre Namen noch warum sie ihre Kinder abgegeben hatten. Das Gefühl, nicht liebenswert zu sein, begleitete ihn insgeheim bis heute.

Joe hatte es geschafft, seinen Körper so sehr zu verändern, dass seine Mitmenschen anfingen, ihn zu bewundern. Aus dem pummeligen Jungen, den andere verspotteten, war ein beliebter Mädchenschwarm geworden. Trotzdem blieb tief in seinem Inneren das Gefühl, es nicht wert zu sein, geliebt zu werden.

Erst als er merkte, dass Will und Maggy aufgehört hatten, zu essen, ließ er selbst das Waffelstück...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2018
Reihe/Serie Die Grimm-Chroniken
Die Grimm-Chroniken
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Blaubart • Fantasy • Hexe • Königin • Märchen • Märchenadaption • Mythen • Romance • Rumpelstilzchen • Schneewittchen • Spiegel
ISBN-10 3-7394-2788-4 / 3739427884
ISBN-13 978-3-7394-2788-1 / 9783739427881
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