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1984 (eBook)

Orwell, George - Literaturklassiker; deutsche Übersetzung - 19611
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
439 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961821-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

1984 -  George Orwell
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George Orwells dystopischer Roman von 1949 gehört zu den wichtigsten Werken des 20. Jahrhunderts. Der Beamte Winston Smith hält in seinem geheimen Tagebuch die Lebensumstände in der Überwachungsdiktatur Ozeanien fest. Als er mit seiner jungen Kollegin Julia eine Affäre beginnt und die beiden Kontakt zu einer Untergrundorganisation aufnehmen, die der Herrschaft des 'Großen Bruders' ein Ende bereiten will, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Ein Klassiker, der im 21. Jahrhundert wieder hochaktuell scheint - neu übersetzt und erstmals in der Universal-Bibliothek erhältlich. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

George Orwell (1903-1950) war ein britischer Schriftsteller und Journalist. Im Reclam Verlag sind seine beiden großen Romane Farm der Tiere und 1984 auf Deutsch und Englisch erhältlich, darüber hinaus die Essaysammlung Shooting an Elephant.

George Orwell (1903–1950) war ein britischer Schriftsteller und Journalist. Im Reclam Verlag sind seine beiden großen Romane Farm der Tiere und 1984 auf Deutsch und Englisch erhältlich, darüber hinaus die Essaysammlung Shooting an Elephant.

1984
Erster Teil
Zweiter Teil
Dritter Teil
Anhang: Die Prinzipien von Neusprech

Zu dieser Ausgabe
Nachwort

[5]Erster Teil


1


Es war ein klarer, kalter Tag im April, und die Uhren schlugen dreizehn. Winston Smith hatte das Kinn an die Brust gedrückt, um dem hässlichen Wind zu entgehen, und schlüpfte rasch durch die Glastüren des Victory-Wohnblocks, aber nicht rasch genug, um zu verhindern, dass ein Wirbel körnigen Staubs mit hereinwehte.

Im Hausflur roch es nach gekochtem Kohl und alten Fußmatten. An einem Ende des Flurs hatte man ein farbiges Plakat an die Wand geheftet, das für innen eigentlich zu groß war. Darauf war nichts weiter als ein riesiges, mehr als einen Meter breites Gesicht zu sehen: das Gesicht eines Mannes von etwa fünfundvierzig Jahren mit dichtem schwarzem Schnurrbart und ansprechenden, wenn auch schroffen Zügen. Winston steuerte auf die Treppe zu. Es war zwecklos, es mit dem Aufzug zu versuchen. Selbst in seinen besten Zeiten funktionierte er oft nicht, und im Moment wurde der Strom während des Tages abgestellt. Das gehörte zu dem Sparprogramm, das der Hasswoche vorausging. Die Wohnung lag im siebten Stock, und Winston, der neununddreißig war und über dem rechten Sprunggelenk ein Krampfadergeschwür hatte, ging langsam und musste auf dem Weg mehrmals verschnaufen. Auf jedem Treppenabsatz, an der Wand gegenüber vom Aufzugschacht, starrte einen das Plakat mit dem riesigen Gesicht an. Es war eines jener Bilder, die so gestaltet sind, [6]dass die Augen einem überall hin zu folgen scheinen. DER GROSSE BRUDER SIEHT DICH, stand in der Textzeile darunter.

In der Wohnung verlas eine sonore Stimme eine Statistik, die irgendetwas mit der Roheisenproduktion zu tun hatte. Die Stimme kam aus einer rechteckigen Metallplatte, die wie ein blinder Spiegel aussah und rechter Hand in die Wand eingelassen war. Winston drehte an einem Regler, woraufhin die Stimme ein wenig leiser wurde, doch der Wortlaut war immer noch vernehmbar. Man konnte das Gerät (das Telemonitor genannt wurde) zwar leiser stellen, ganz abschalten ließ es sich jedoch nicht. Winston trat ans Fenster: eine eher kleine, zerbrechlich wirkende Gestalt, deren Magerkeit durch den blauen Overall, der zur Einheitskleidung der Partei gehörte, noch betont wurde. Sein Haar war hellblond, sein Gesicht von Natur aus gerötet, seine Haut aufgeraut von grobkörniger Seife und stumpfen Rasierklingen und von der Kälte des Winters, der gerade zu Ende gegangen war.

Die Welt draußen sah selbst durch das geschlossene Fenster kalt aus. Unten auf der Straße wirbelten kleine Windböen Staub und Papierfetzen spiralförmig in die Höhe, und obwohl die Sonne schien und der Himmel ein hartes Blau zeigte, wirkte alles farblos, abgesehen von den Plakaten, die überall hingen. Das Gesicht mit dem schwarzen Schnurrbart blickte von jeder ins Auge fallenden Häuserecke herab. Eines hing an der Hauswand genau gegenüber. DER GROSSE BRUDER SIEHT DICH, lautete der Schriftzug darunter, während sich der dunkle Blick tief in Winstons Augen senkte. Weiter unten, auf Höhe der Straße, flatterte ein anderes, an einer Ecke eingerissenes Plakat unruhig im [7]Wind, so dass das einzige Wort ENGSOZ mal verdeckt und mal zu erkennen war. In weiter Ferne tauchte ein Helikopter zwischen die Dächer, schwebte einen Moment dort wie eine Schmeißfliege und schwirrte dann in weitem Bogen wieder ab. Das war die Polizeistreife, die an den Fenstern der Leute herumschnüffelte. Die Streifflüge waren nicht von Bedeutung. Von Bedeutung war nur die Gedankenpolizei.

Hinter Winstons Rücken plapperte die Stimme aus dem Telemonitor immer noch von Roheisen und der Übererfüllung des Neunten Dreijahresplans. Der Telemonitor empfing und übertrug Daten zur selben Zeit. Jedes Geräusch, das Winston machte und das über ein leises Wispern hinausging, wurde von dem Gerät registriert; darüber hinaus war er zu sehen und zu hören, solange er im Blickfeld der Metallplatte blieb. Man konnte natürlich nicht wissen, ob man gerade beobachtet wurde. Wie oft oder nach welchem System sich die Gedankenpolizei in einzelne Leitungen einschaltete, blieb bloße Spekulation. Es war sogar denkbar, dass jeder rund um die Uhr überwacht wurde. Wie dem auch sei, die Gedankenpolizei war imstande, sich überall einzuschalten, wann immer sie wollte. Man musste ständig in der Annahme leben – man tat es aus Gewohnheit, die zum Instinkt wurde –, dass jedes Geräusch, das man machte, mitgehört und jede Bewegung argwöhnisch verfolgt wurde, außer in der Dunkelheit.

Winston kehrte dem Telemonitor weiterhin den Rücken zu. So war es sicherer; allerdings, und das wusste er genau, gab selbst ein Rücken Dinge preis. In einer Entfernung von einem Kilometer ragte das Ministerium für Wahrheit, sein Arbeitsplatz, riesig und weiß aus der tristen, schmutzigen [8]Landschaft auf. Dies, so dachte er mit einem Anflug von Abscheu – dies war London, die Hauptstadt von Landefeld Eins, welches wiederum die am drittstärksten bevölkerte Provinz Ozeaniens war. Er durchsuchte sein Gedächtnis nach irgendwelchen Kindheitserinnerungen, die ihm hätten verraten können, ob London immer schon so ausgesehen hatte. Hatte es immer schon diese Reihen aus halb verfallenen Häusern aus dem 19. Jahrhundert gegeben, deren Außenwände mit Holzbalken gestützt wurden, deren Fenster mit Hartkarton abgedeckt und deren Dächer mit Wellblech ausgebessert waren, deren schief verlaufende Gartenmauern nach allen Seiten hin absackten? Und die zerbombten Bereiche, in denen Mörtelstaub durch die Luft wirbelte und Nachtkerzen auf Schutthaufen wucherten; und die Stellen, an denen die Bomben ein größeres Areal dem Erdboden gleichgemacht hatten, an denen jetzt schäbige Siedlungen aus hölzernen Verschlägen aus dem Boden geschossen waren, die wie Hühnerställe aussahen? Aber es half nichts, er konnte sich einfach nicht erinnern: Von seiner Kindheit war ihm nichts geblieben außer einer Anzahl gleißender Bilder, die zusammenhanglos auftauchten und zumeist unverständlich waren.

Das Ministerium für Wahrheit – MiniWahr in Neusprech1 – unterschied sich auffallend von allem, was man sonst sah. Es handelte sich um ein riesiges, pyramidenartiges Bauwerk aus leuchtendweißem Beton, das sich, Terrasse um Terrasse, dreihundert Meter hoch in die Luft schraubte. Von dort, wo Winston im Augenblick stand, konnte [9]man gerade noch die drei Parolen der Partei erkennen, die sich in eleganter Schrift von der weißen Fassade abhoben:

KRIEG IST FRIEDEN

FREIHEIT IST SKLAVEREI

UNWISSENHEIT IST STÄRKE

Das Ministerium für Wahrheit besaß, so hieß es, dreitausend Büros über der Erde und eine entsprechende Anzahl weit verzweigter Räumlichkeiten unter der Erde. Verstreut über ganz London gab es nur noch drei andere Bauten von ähnlichem Aussehen und Ausmaß. Diese ließen die umliegenden Gebäude im Stadtbild so klein erscheinen, dass man vom Dach des Victory-Wohnblocks alle vier gleichzeitig sehen konnte. Sie beherbergten die vier Ministerien, die den gesamten Regierungsapparat darstellten. Das Ministerium für Wahrheit, das sich mit dem Nachrichtenwesen, der Unterhaltung, der Bildung und den schönen Künsten befasste. Das Ministerium für Frieden, das für Kriegsangelegenheiten zuständig war. Das Ministerium für Liebe, das Recht und Ordnung aufrechterhielt. Und das Ministerium für Fülle, das für wirtschaftliche Belange verantwortlich war. Ihre Namen lauteten in Neusprech: MiniWahr, MiniPax, MiniLieb und MiniFülle.

Das Ministerium für Liebe war die mit Abstand beängstigendste Einrichtung. In dem Gebäude gab es überhaupt keine Fenster. Winston war noch nie im Ministerium für Liebe gewesen, er hatte sich ihm auch nie weiter als auf einen halben Kilometer genähert. Es war unmöglich, diesen Ort zu betreten, außer in dienstlichen Angelegenheiten, aber auch dann musste man erst ein Gewirr aus [10]Stacheldrahtverhauen, Stahltüren und verborgenen Maschinengewehrstellungen überwinden. Selbst in den Straßen, die zu den äußeren Absperrungen führten, gingen gorillagesichtige Wachen in schwarzen Uniformen Streife, bewaffnet mit Schlagstöcken.

Winston drehte sich ruckartig um. Er hatte seiner Miene den Ausdruck eines ruhigen Optimismus verliehen, den man klugerweise präsentierte, wenn man sich dem Telemonitor zuwandte. Er ging quer durch das Zimmer in die winzige Küche. Indem er das Ministerium zu dieser Tageszeit verlassen hatte, hatte er sein Mittagessen in der Kantine geopfert, und ihm war bewusst, dass es in der Küche nichts Essbares gab, abgesehen von dem Stück dunklen Brots, das er sich für das morgige Frühstück aufsparen musste. Aus dem Regal nahm er eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit und einem schlichten, weißen Etikett, auf dem VICTORY GIN stand. Sie verströmte einen widerwärtigen, öligen Geruch, wie chinesischer Reisschnaps. Winston schenkte sich fast eine Teetasse voll davon ein, wappnete sich gegen den Schock und schluckte das Zeug dann wie Medizin hinunter.

Sofort lief sein Gesicht scharlachrot an, Tränen strömten ihm über die Wangen. Das Zeug war wie Salpetersäure, und sobald man es schluckte, hatte man außerdem das Gefühl, als bekäme man einen Schlag auf den Hinterkopf mit einem Gummiknüppel. Im nächsten Moment jedoch hörte das Brennen in seinem Magen auf, und schon sah die Welt rosiger aus. Er nahm eine Zigarette aus einem zerknautschten Päckchen mit dem Aufdruck VICTORY ZIGARETTEN und hielt sie in seiner Unachtsamkeit senkrecht, so dass der Tabak auf den Fußboden krümelte....

Erscheint lt. Verlag 12.2.2021
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Nachwort Holger Hanowell
Übersetzer Holger Hanowell
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1984 Big Brother • 1984 Deutsch • 1984 Dystopie • 1984 Großer Bruder • 1984 roman • 1984 Science Fiction • 1984 übersetzt • 1984 Übersetzung • 1984 Überwachungsstaat • 1984 Zukunft • britische Literatur • deutsche Übersetzung • Dystopie • Englische Literatur • gelb • gelbe bücher • George Orwell Big Brother • George Orwell Deutsch • George Orwell Dystopie • George Orwell Großer Bruder • George Orwell Roman • George Orwell Science Fiction • George Orwell übersetzt • George Orwell Übersetzung • George Orwell Überwachungsstaat • George Orwell Zukunft • Großer Bruder • Klassenlektüre • Lektüre • Literatur Klassiker • Neunzehnhundertachtundvierzig • Neunzehnhundertachtundvierzig Big Brother • Neunzehnhundertachtundvierzig Deutsch • Neunzehnhundertachtundvierzig Dystopie • Neunzehnhundertachtundvierzig Großer Bruder • Neunzehnhundertachtundvierzig Roman • Neunzehnhundertachtundvierzig Science Fiction • Neunzehnhundertachtundvierzig übersetzt • Neunzehnhundertachtundvierzig Übersetzung • Neunzehnhundertachtundvierzig Überwachungsstaat • Neunzehnhundertachtundvierzig Zukunft • Neunzehnhundertvierundachtzig Deutsch • Neunzehnhundertvierundachtzig Übersetzung • Nineteen Eighty-Four • Nineteen Eighty-Four Big Brother • Nineteen Eighty-Four Deutsch • Nineteen Eighty-Four Dystopie • Nineteen Eighty-Four Großer Bruder • Nineteen Eighty-Four Roman • Nineteen Eighty-Four Science Fiction • Nineteen Eighty-Four übersetzt • Nineteen Eighty-Four Übersetzung • Nineteen Eighty-Four Überwachungsstaat • Nineteen Eighty-Four Zukunft • Orwell Big Brother • Orwell Dystopie • Orwell Roman • Orwell Science Fiction • Orwell Überwachungsstaat • Orwell Zukunft • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Schullektüre • Übersetzung • Weltliteratur
ISBN-10 3-15-961821-8 / 3159618218
ISBN-13 978-3-15-961821-0 / 9783159618210
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