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Dann sind wir Helden (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
269 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-76520-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dann sind wir Helden - Tina Uebel
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Ruth, alleinstehend, wohlhabend und nicht mehr jung, vertreibt sich ihre Zeit mit belanglosen Affären. Als einer ihrer Liebhaber sie für ein Wochenendseminar in die Schweiz einlädt, bei einem Glücks-Guru der fragwürdigeren Sorte, wecken die Berge in ihr eine Sehnsucht nach Erhabenheit, Herausforderung und Gefahr, und sie bricht zu einer langen Wanderung auf. Kathrin hingegen, kaum jünger als Ruth, Hausfrau und verheiratet, stürzt sich Hals über Kopf in die Heilslehren und Erfolgsversprechen dieser Seminare und beginnt eine unwahrscheinliche Karriere als Internet Influencerin. Simon, ihr siebzehnjähriger Sohn, der das wahre Leben außerhalb seiner Heimatstadt Hannover sucht, findet schließlich in der Julihitze bei den Hamburger G20-Krawallen den Ausnahmezustand, den er sich immer erhofft hat. Jero, der vierte im Bunde, ist Bergführerin der dramatisch schönen Bergwelt der Schweiz. Er führt fast beiläufig das intensive, erfüllte und gefährliche Leben, nach dem sich die anderen sehnen. Ruth wird ihn für eine herausfordernde Bergtour engagieren. In ihrem neuen Roman folgt Tina Uebel unerschrocken, witzig, sarkastisch, aber auch einfühlsam den Heldengeschichten dieser vier Protagonisten, die einem mit ihren Ängsten und Sehnsüchten schnell ans Herz wachsen. Ungeschoren bleibt hier niemand und nichts ist sicher.

Tina Uebel ist Schriftstellerin, freie Journalistin, Reisende, Literaturveranstalterin und Mitbetreiberin des Clubs "Nochtspeicher" in Hamburg.

Clip Kathrin: «Kinder»


Ja, hallo, da bin ich tatsächlich wieder, hätte ich selbst nicht gedacht, daß ich noch mal was aufnehmen würde, das war ehrlich gesagt eher so eine Mutprobe gewesen, wie andere Leute Fallschirmspringen oder Bungee – habt ihr über so was auch mal nachgedacht? Also, ich schon, ich könnte gar nicht genau sagen, wieso. Vielleicht, weil ich es schon in der Schule nicht vom Dreimeterbrett geschafft habe. Und meinen Clip ins Netz zu stellen, das war fast genauso schlimm, vor allem, weil man ja immer von diesen fiesen Shitstorms gegen Leute hört, die sich gar nichts Böses gedacht haben, abends posten sie was, und morgens werden sie auf allen Kontinenten gehaßt. Vor so was hat man natürlich Angst. Normalerweise bin ich nicht viel in Social Media unterwegs, wer ist das schon aus unserer Generation, klar, man ist bei Facebook, aber ehrlich gesagt, mehr als eine bessere Karteileiche bin ich da selten gewesen. Das ist doch, wenn man halbtags arbeitet und ein Kind und einen Haushalt hat, und ich engagiere mich daneben auch noch sozial, bei der hiesigen Tafel, so wie mit dem Fitnessstudio: Man meldet sich an, weil man denkt, man müsse das tun, das sei man sich schuldig, sonst verpasse man was, und letztendlich bleibt einem dann doch keine Zeit. Na, jedenfalls war ich dann ja so erstaunt und ganz, ganz happy darüber, wie viele von euch mir wirklich nette Sachen geschrieben haben. Da möchte ich erst mal danke sagen, das hätte ich nie gedacht. Klar, die zwei, drei Beleidigungen, so was kann man wohl nicht vermeiden, aber es war unheimlich schön, wie dann andere von euch diesen Typen gesagt haben, daß das gar nicht geht. Man kann es eben nicht allen recht machen, und außerdem: Das Netz ist doch dermaßen groß, wenn einem was nicht gefällt, soll man es sich halt nicht ansehen, oder? Ach, und wie toll sind eure Geschichten darüber, als ihr euch was getraut habt, was euch echt schwerfiel – oder auch manchmal nicht getraut, also, ich finde euch echt mutig, daß ihr diese Geschichten erzählt. Und lustig, daß gleich mehrere von euch gesagt haben, ich sei tatsächlich wie eine neue Nachbarin, bei der man eingeladen sei – wie schön! Das fehlt uns doch vielleicht allen, eine Nachbarin zu haben, die auch eine Freundin ist. Meine Freundinnen wohnen kreuz und quer über die Stadt verteilt, man sieht sich nicht mehr so oft wie früher, ihr kennt das sicher. Als ihr dann «Nachbarin» sagtet, da hatte ich so Szenen aus amerikanischen Filmen vor Augen, gar keine Szenen aus bestimmten Filmen, sondern eher diese Bilder von kleinen Häusern mit Veranden davor und Fliegengittertüren, die nicht abgeschlossen sind, und gelegentlich besucht man sich spontan und redet ein bißchen, und abends sitzt man ab und zu auf diesen Veranden und redet vielleicht ein bißchen ernsthafter. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich mich mit meinen Freundinnen treffe, dann haben wir immer das Gefühl, wir müßten jetzt, weil wir uns ja extra verabredet haben und so selten sehen, über möglichst viel Wichtiges in möglichst kurzer Zeit reden. Ich finde das manchmal anstrengend, weil mir oft scheint, es sei gar nichts Wichtiges passiert, und worüber soll man dann reden, über Politik vielleicht, bloß, dabei sind wir uns ja fast immer einig. Worüber wir schließlich meistens reden, sind unsere Kinder, und danach haben mich auch viele von euch gefragt, sie würden gern mehr hören wollen über Simon. Und ich würde euch allen natürlich wahnsinnig gern mehr über Simon erzählen, na klar! Aber ich bin in der Zwickmühle, wie ich das machen soll, weil, sie haben natürlich das Recht auf ihre Privatsphäre, ich habe zwischenzeitlich sogar gedacht, es war ein totaler Fehler, Simon bei seinem richtigen Namen genannt zu haben, aber nun ist die Katze aus dem Sack. Ich habe halt nicht wirklich damit gerechnet, daß irgend jemand meinen Clip gucken würde, und mir dann auch noch sagen, ich solle weitermachen. Tja, also Simon. Simon weiß nichts davon, daß ich das hier mache, ich hab mich noch nicht getraut, ihm das zu sagen. Und ich habe, ehrlich gesagt, richtig Angst, daß er’s zufällig herausfindet. Oder einer seiner Mitschüler, der ihn dann deswegen aufzieht. Ich habe Angst, er könnte mich peinlich finden und sich für mich schämen. Ist es eigentlich normal, daß man vor seinen eigenen Kindern Angst hat, also, manchmal? Geht euch das auch so, oder habe bloß ich nicht alle Tassen im Schrank? Da will man doch, daß die eigenen Kinder so werden wie man selbst, nur viel, viel besser, eine Version 2.0 würde Simon sagen; und wenn sie das sind, hat man Angst, sie könnten auf einen herabschauen, weil man nur eine armselige Version 1.0 ist. Und dabei ist man so stolz auf sie, wenn sie Dinge gut machen. Wenn man sich selbst in ihnen wiedererkennen kann – ich freue mich total, daß Simon liest, ganz freiwillig, obwohl wir ihm natürlich viel vorgelesen haben früher, und Frank freut sich, daß Simon seine Begeisterung für Musik teilt, die beiden gehen sogar manchmal gemeinsam auf Konzerte. Und dann ist man so stolz, wenn sie besser sind als man selbst – ich werde nie vergessen, wie furchtlos Simon auf seinem ersten Fahrrad rumeierte, als könne man gar nicht fallen. Oder wie er von seinem ersten Dreimeterbrettsprung erzählte, bei dem er anscheinend nicht mal gezögert hat. Da war ich leider nicht dabei. Ist es nicht furchtbar, wie man zuerst immer dabei ist, bei all den großen Momenten, und dann immer seltener, und irgendwann weiß man gar nicht mehr, ob sie gerade ein großes Abenteuer bestanden haben oder nicht? Simon hat uns vor kurzem gebeten, ihm nicht weiter auf Facebook zu folgen, und ich kann das natürlich verstehen. Aber man weiß halt irgendwann nicht mehr, wann sie ihre Siege erringen, man weiß weniger und weniger. Wobei, in seiner Skaterphase war ich ganz froh, daß ich nicht alles wußte, wenn er uns mal Aufnahmen gezeigt hat, wurde mir richtig schlecht, ein Teil von mir hat damals immer auf den Anruf aus dem Krankenhaus gewartet, daß er sich beide Beine gebrochen hat oder schlimmstenfalls querschnittsgelähmt ist. Einmal, er war noch nicht ganz fünfzehn, hat er sich tatsächlich den Unterarm gebrochen, da war ich fast erleichtert, weil der Unfall, vor dem man immer Angst hatte, endlich passiert war – aber eben nur halb so schlimm gewesen ist. Oje, klinge ich gerade wie die ängstliche Glucke, die ich nie sein wollte? Ich hoffe nicht! Wir hätten, Frank und ich, übrigens schon gern ein zweites Kind gehabt, auch damit Simon kein Einzelkind bleibt, aber es hat nicht geklappt, und so richtig habe ich es vielleicht auch nicht forciert. Es ist doch so, man ist dann nach der Geburt erst mal nie mehr allein, man ist eine neue, zweiköpfige Person, untrennbar von dieser kleinen Kreatur, die einen unablässig braucht. So schön das alles ist, ich war erleichtert, als er abgestillt war und ich wieder bloß meine eigene Person sein konnte. Wobei, ganz wird man das als Mutter natürlich nie mehr. Und ich muß gestehen, auch wenn ihr mich für schlimm halten werdet, daß ich manchmal wütend war in den ersten Jahren, wenn Frank nach Hause kam und mir angeregt von einem Wochenendseminar auf einem ach-so-tollen Tagungsschloß in Sonstwo erzählte, und ich hatte gerade zwei Tage auf dem Fußboden gesessen und Klötzchen gebaut. Wenn ihr mich fragt, der erwachsene Mensch kann nur soundso viel Tage Klötzchenbauen, ohne daß man im Kopf daran irre wird. Vielleicht geht das als Großmutter, wenn man alt und geduldig geworden ist, mit den Enkeln tagelang Klötzchen bauen. Habt ihr euch selbst jemals als Großeltern gesehen? Ich kann das, ehrlich gesagt, nach wie vor nicht wirklich, aber vielleicht kommt das noch. Aber wir wollen ja nicht über Großmütter reden, sondern über Kinder. Ich habe da eigentlich extra für euch dieses Gedicht auswendig gelernt, bloß, ich genier mich jetzt, vor der Kamera ein Gedicht aufzusagen. Okay, ein paar Zeilen vielleicht: Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen, denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen. Das ist Khalil Gibran, «Eure Kinder», der Link steht hier unten. Ich finde das sehr schön, aber, ganz ehrlich, wenn ich darüber nachdenke, daß ich niemals das Haus von morgen besuchen kann, nicht mal in meinen Träumen, dann finde ich das auch entsetzlich traurig. Wann genau war der Moment, als wir von der Gästeliste des Hauses von morgen gestrichen worden sind, wißt ihr das? War das, als wir Kinder kriegten, und was ist dann mit denen von euch, die keine haben, habt ihr da noch Zutritt? Oder ist das blöd von mir, mich nach dem Haus von morgen zu sehnen, wo ich doch ein so schönes Haus in der Gegenwart habe? Also, ich würde...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Affäre • Ängste • Belletristik • Bergführer • Bergtour • Deutschland • Erhabenheit • G20-Krawalle • Gefahr • Glücks-Guru • Hamburg • Helden • Herausforderung • influencer • Intensität • Liebhaber • Literatur • Roman • Schweiz • Sehnsucht • tina uebel • Wanderung
ISBN-10 3-406-76520-3 / 3406765203
ISBN-13 978-3-406-76520-9 / 9783406765209
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