Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Josephine Baker und der Tanz des Lebens (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
496 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2490-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Josephine Baker und der Tanz des Lebens -  Juliana Weinberg
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
(CHF 11,70)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein Einziger Tanz macht sie zur berühmtesten schwarzen Frau der Welt    New York, 1924. Mit kleineren Auftritten als Tänzerin versucht Josephine ihre Familie zu unterstützen, als sie nach Paris eingeladen wird. Bei der »Revue Nègre« tanzt sie in vorderster Reihe. Schon bald ist Josephine ein gefeierter und erfolgreicher Star. Sie besitzt einen eigenen Klub in Paris, nimmt Songs auf, spielt in Filmen mit und tritt auf der ganzen Welt auf. Doch egal wo sie hinkommt, ihre Darbietungen bringen ihr Anbetung und Missachtung zugleich ein. Schließlich wird Josephine vor die schwierigste Entscheidung ihres Lebens gestellt. Kämpft sie für ihre Überzeugung oder ihre Liebe?

Juliana Weinberg wurde in Neustadt an der Weinstraße geboren. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern im Pfälzer Wald. Sie arbeitet als Lehrerin und hat im Schreiben ihre große Erfüllung gefunden.

JULIANA WEINBERG wurde in Neustadt an der Weinstraße geboren. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern im Pfälzer Wald. Neben dem Schreiben ist ihr Beruf als Lehrerin ihre große Erfüllung.

1


September 1925

Josephine saß nur mit Unterwäsche bekleidet auf dem zerschlissenen Teppich ihres Zimmers, das sie möbliert gemietet hatte. Neben ihr stand eine Schüssel mit Zitronensaft. Sie tränkte einen Baumwolllappen in der hellgelben Flüssigkeit und betupfte sich damit sorgfältig Arme, Beine, Dekolleté und Gesicht. Diese Prozedur, die sie seit Wochen allabendlich ausführte, nahm mindestens eine Dreiviertelstunde in Anspruch. Müssten nicht bald mal Erfolge zu sehen sein? Sie streckte beide Arme aus und hielt sie in das trübe Licht der Stehlampe.

»Immer noch genauso braun wie am Tag meiner Geburt«, murmelte sie missmutig vor sich hin. »Das ist wohl vergebene Liebesmüh.« Frustriert warf sie den nassen Lappen in die Schüssel, sodass der Zitronensaft aufspritzte, und gab den ausgepressten Zitronenschalen, die verstreut auf dem Teppich lagen, einen Tritt. Obwohl Zitronen eine bleichende Wirkung nachgesagt wurde, konnte sie tun, was sie wollte, ihre Haut wurde einfach nicht heller.

Draußen wurde es bereits dunkel, doch durch das offene Fenster drangen noch die Geräusche der Straße und die milde Luft herein. Es war Samstagabend, der Tag, an dem im New Yorker Stadtteil Harlem am meisten los war. Die Straße unter dem Backsteinhaus, in dem sie ihr Zimmer hatte, vibrierte vor Energie. Der Lärm der Automobile vermischte sich mit den aufgeregten Stimmen der Menschen, die sich ins Nachtleben stürzten. Noch ein, zwei Stunden, dann würde in den Klubs die Hölle los sein. Die Sänger, Jazzmusiker und Darsteller der exotischen Revuen, die gerade der letzte Schrei waren, würden von einem ausgelassenen Publikum gefeiert.

Josephine schaute flüchtig auf die Uhr. Sie hatte noch Zeit. Die Show, in der sie auftrat, würde erst gegen Mitternacht beginnen.

Sie warf sich einen Morgenmantel über und ging zum Tisch, auf dem ein angefangener Brief an ihre Familie in St. Louis lag. Sie tunkte den Füllfederhalter in die Tinte, kaute dann jedoch lediglich darauf herum, unschlüssig, was sie schreiben sollte.

»Ach, was soll’s. Mutter weiß, dass ich im Schreiben nicht gut bin«, dachte sie und verzichtete kurzerhand darauf, den Briefbogen mit ein paar persönlichen Zeilen zu füllen, und beschriftete ihn lediglich mit den Worten »von Josephine«. Zusammen mit ein paar Banknoten, die sie von ihrer Gage abgezweigt hatte, schob sie ihn in einen Umschlag. Ihre Handschrift war krakelig und ungelenk, denn sie hatte als Kind nur unregelmäßig die Schule besucht. Mit sieben Jahren hatte sie angefangen, bei einer streng dreinblickenden Frau am Rande von Boxcar Town in St. Louis als Haushaltshilfe zu arbeiten, bis diese ihr als Strafe für eine Unachtsamkeit – sie hatte versehentlich Wasser überkochen lassen – die Hand verbrüht hatte; mit acht Jahren hatte sie sich ein paar Dollar bei einem kinderlosen Ehepaar verdient, bei ihnen geputzt und gekocht, bis ihr der Mann zu nahe gekommen war und die Frau sie hinausgeworfen hatte.

Josephine riss sich aus ihren Kindheitserinnerungen und klebte den Brief zu; sie würde ihn auf dem Weg zum Plantation Club einwerfen. Ihre Familie, die noch immer bitterarm war, konnte jeden Cent gebrauchen.

»Josephine! Bist du so weit?« Ethel Waters, die im Zimmer nebenan wohnte und mit ihr zusammen im Klub auftrat, pochte an die Tür. Anders als Josephine war sie nicht nur Hintergrundtänzerin, sondern so etwas wie der Star der Show – sie durfte die Einzelnummern singen.

»Ja, ja, ich komme schon«, brummte Josephine und schlüpfte in ihr Kleid.

Als sie in den dämmrigen Flur trat, musterte Ethel sie neugierig. Sie war zehn Jahre älter als die neunzehnjährige Josephine und hatte viel mehr Bühnenerfahrung. »Sag mal, du riechst so … zitronig …?«

Josephine machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mein Abendritual mit Zitronensaft, du weißt schon.«

Ethel kicherte. »Hast du es immer noch nicht aufgegeben? Ich glaube, du müsstest schon jeden Tag stundenlang im Saft baden, um eine winzige Nuance heller zu werden.«

»Lach du nur«, beklagte sich Josephine, während sie auf die Straße traten und in Richtung der 126. Straße gingen, wo sich der Plantation Club befand. »Du bist der Star des Klubs, für dich ist das wahrscheinlich alles nicht so wichtig. Aber ich bin lediglich die kleine Tänzerin aus der letzten Reihe … Niemand findet ein schwarzes Mädchen schön. Eine schöne Frau hat immer weiß zu sein.«

Ethel seufzte. »Ich weiß. Aber die Hautfarbe kann man nicht ändern.«

Bald hatten sie den Plantation Club erreicht. Tiefe Dunkelheit hatte sich herabgesenkt und sich wie ein Mantel über das biskuitbraune Backsteingebäude mit den Rundbögen über Türen und Fenstern gelegt. Die bunten Glasfenster strahlten hell von innen und wirkten warm und einladend wie ein Leuchtturm in der Nacht.

Josephine und Ethel steuerten gerade auf den Nebeneingang zu, der dem Personal vorbehalten war, als eine Gruppe junger weißer Leute, die bereits reichlich angeheitert schienen, sie anrempelte. Die jungen Frauen, typische Flapper mit kurzen Röcken, langen Perlenketten und stark geschminkten Gesichtern, sahen sie abfällig an. Eine junge Frau, die ihre kurzen blonden Haare in modische Wellen gelegt trug, blies Josephine den Rauch ihrer Zigarette ins Gesicht.

»Tom«, sagte sie schrill zu ihrem Begleiter, der in einem makellosen Smoking steckte. »Seit wann dürfen Neger in den Klub?«

Josephine verkrampfte sich innerlich, obwohl sie Szenen wie diese beinahe täglich erlebte. Als ob sie es tatsächlich darauf anlegte, ein solches Lokal als Gast zu betreten! Der Gedanke war abwegig, auch wenn es sie insgeheim wurmte, dass sie nicht die gleichen Rechte wie die Weißen besaß.

Der Begleiter der jungen Frau grinste. »Keine Angst, Honigschnute, die beiden arbeiten bestimmt nur hier. Vielleicht putzen sie.«

»Ach so. Du hast recht.« Die Gruppe lachte und polterte durch den Haupteingang.

Josephine stampfte hinter Ethel, die lediglich die Achseln zuckte, durch die Tür fürs Personal. Missmutig folgte sie ihrer Freundin in die Garderobe, in der sich bereits einige andere Tänzerinnen ihrer Truppe auf den Auftritt vorbereiteten, und setzte sich auf ihren üblichen Platz. Im Geiste ging sie mögliche deftige Antworten durch, die sie der blonden Frau hätte geben können, doch diese hätten nur zu einem Jobverlust geführt, das war ihr klar.

Mit hektischen Handbewegungen trug sie weißen Puder auf und klopfte ihn in ihre Gesichtshaut.

»Der Puder macht auch keine Weiße aus dir«, meinte Ethel amüsiert.

Josephine stellte die Puderdose so unsanft auf den Tisch, dass es nur so stäubte, und begann, Pomade in ihr kurzes schwarzes Haar einzuarbeiten, sodass es glatt an ihrem Kopf anlag. »Ich will auch gar nicht weiß sein. Aber etwas Respekt für uns wäre schön.«

Bessie, eine der anderen Tänzerinnen, die gerade in ihr knappes Bühnenkostüm schlüpfte, stieß einen erheiterten Laut aus. »Träum weiter, Kindchen.«

Josephine verdrehte die Augen. »Pass bloß auf, vielleicht wird mein Traum eines Tages Wirklichkeit. Was weißt du schon?«

»Nicht streiten, Mädels«, forderte Ethel sie auf, während sie sich die Wimpern schwarz tuschte. »Manche Dinge sind einfach, wie sie sind. Aber mal was ganz anderes: Denkt ihr bitte alle daran, nach der Show nicht einfach zu verschwinden? Der Boss hat uns angewiesen, uns alle noch mal in der Garderobe zu versammeln. Wir bekommen hohen Besuch.«

»Wer das wohl sein mag?« Josephine zupfte ihr leichtes Bühnenkostüm zurecht, das reichlich nackte Haut zeigte. Ihr machte das nichts aus, sie mochte es, wenn die Aufmerksamkeit des Publikums bewundernd auf ihren schimmernden, schlanken Beinen lag.

In diesem Moment erschien der Klubbesitzer George in der Tür, dem mafiöse Verbindungen nachgesagt wurden – was in dieser Branche nicht unüblich war –, und winkte die Tänzerinnen hektisch herbei. »Auf was wartet ihr, um Himmels willen? Ihr seid dran, das Publikum wird langsam ungeduldig. Ihr sitzt seelenruhig hier herum und schwatzt!«

»Reg dich ab, die Leute haben schließlich Geld bezahlt, um uns zu sehen.« Ungerührt ordnete Ethel die seidenen Bahnen ihres Kleides. »Dann werden sie es auch verkraften, ein paar Minuten zu warten.«

George knirschte mit den Zähnen, und Josephine kicherte in sich hinein. Wie immer war sie die Letzte in der Reihe der Revuegirls, die die Bühne betrat. Blendend helle Scheinwerfer richteten sich auf sie und die anderen Mädchen, sodass sie das elegante Interieur des Plantation Club mehr erahnen konnte, als dass sie etwas sah. Kellner im Smoking huschten mit voll beladenen Tabletts zwischen den mit edlen, weißen Tüchern gedeckten Tischen umher und versorgten das Publikum mit Getränken und Speisen.

Ethel begann zu singen, ihre dunkle, samtene Stimme erfüllte den Raum. Sofort erstarben sämtliche Gespräche an den Tischen, und die Zuhörer lauschten gebannt. Im Hintergrund tanzten die Revuegirls, schwangen im Rhythmus...

Erscheint lt. Verlag 29.3.2021
Reihe/Serie Ikonen ihrer Zeit
Ikonen ihrer Zeit
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adoption • Armut • Bananenrock • Berlin • Charleston • Color • Colour • Debatte • Entertainerin • Groß • High • Leidenschaft • Liebe • Marsch • New York • Paris • Persönlichkeit • Rassismus • Regenbogenfamilie • Sängerin • Schauspielerin • Schwarze Frau • Society • Tänzerin • Washington • Woman
ISBN-10 3-8437-2490-3 / 3843724903
ISBN-13 978-3-8437-2490-6 / 9783843724906
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
CHF 20,50