Das Windsor-Komplott (eBook)
320 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46122-8 (ISBN)
SJ Bennett lebt in London und hatte schon immer ein intensives Interesse am britischen Königshaus. Dennoch schrieb sie zunächst mehrere preisgekrönte Jugendbücher, bevor sie ihre Erfolgsserie um die ermittelnde Queen Elizabeth startete. Betonen möchte sie jedoch, dass es sich bei den 'Fällen Ihrer Majestät' um fiktive Geschichten handelt - nach ihren Informationen hat die Queen noch nie heimlich ein Verbrechen aufgedeckt ...
SJ Bennett lebt in London und hatte schon immer ein intensives Interesse am britischen Königshaus. Dennoch schrieb sie zunächst mehrere preisgekrönte Jugendbücher, bevor sie ihre Erfolgsserie um die ermittelnde Queen Elizabeth startete. Betonen möchte sie jedoch, dass es sich bei den "Fällen Ihrer Majestät" um fiktive Geschichten handelt - nach ihren Informationen hat die Queen noch nie heimlich ein Verbrechen aufgedeckt ...
Kapitel 1
Es war ein fast perfekter Frühlingstag.
Die Luft war frisch und klar, der kornblumenblaue Himmel mit Kondensstreifen überzogen. Vor ihr, über den Bäumen des Parks, leuchtete Windsor Castle im Morgenlicht. Die Queen zügelte ihr Pony, um den Blick zu genießen. Nichts ist so gut für die Seele wie ein sonniger englischer Morgen an der frischen Luft. Auch nach neunundachtzig Jahren staunte sie noch über Gottes Werk. Oder das der Evolution, um es genau zu sagen. Aber an einem Tag wie diesem dachte man eher an Gott.
Wenn sie sich für einen ihrer Wohnsitze entscheiden müsste, wäre es der hier. Nicht Buckingham Palace, dieser vergoldete Bürokomplex an einem Kreisverkehr. Auch nicht Balmoral oder Sandringham, sosehr sie Teile von ihr waren. Windsor war, ganz einfach, ihr Zuhause. Hier hatte sie die glücklichsten Tage ihrer Kindheit verlebt, mit Ausritten und Theaterspielen in der Royal Lodge. Und noch heute kam man an den Wochenenden her, um sich von den endlosen Formalitäten in der Stadt zu erholen. Hier lag Papa begraben, die liebe Mummy und auch Margaret, so schwierig das in dem lauschigen kleinen Gewölbe zu arrangieren gewesen war.
Sollte es je zur Revolution kommen, dachte sie, wäre das hier der Ort, an den man sich zurückziehen wollte. Nicht dass die es ihr erlauben würden, die Umstürzler. Wahrscheinlich würden die sie hinauswerfen … Aus dem Land? Dann ginge sie nach Virginia, der nach ihrer Namensvetterin benannten Heimat von Secretariat, dem Rennpferd, das ’73 die Triple Crown gewonnen hatte. Das Commonwealth mal außer Acht gelassen – und den armen Charles, und William und den kleinen George, die nach all den Grässlichkeiten so schön als seine Nachfolger bereitstanden –, wäre das gar keine so schreckliche Perspektive.
Aber Windsor war das Beste. Hier ließ sich alles ertragen.
Aus der Ferne wirkte das Schloss friedlich, verschlafen, ganz so, als ginge nichts in ihm vor. Aber so war es nicht. Fünfhundert Leute waren dort beschäftigt, waren Teil eines hocheffizienten Gemeinwesens, und sie mochte sie alle, vom Master des Haushalts, der die Konten kontrollierte, bis zu den Zimmermädchen, die sicher gerade die Betten nach der kleinen Soiree gestern Abend frisch bezogen. Aber heute hing ein Schatten über all dem.
Ein Künstler des gestrigen Abends war am Morgen tot in seinem Bett aufgefunden worden, offenbar im Schlaf gestorben. Sie hatte ihn persönlich kennengelernt, sogar kurz mit ihm getanzt. Ein junger Russe, der Klavier gespielt hatte. So talentiert, so gut aussehend. Was für ein schrecklicher Verlust für seine Familie.
Geistloser Triebwerkslärm übertönte das Vogelzwitschern. Die Queen hörte das durchdringende Heulen, hob den Blick und sah einen Airbus 330, der zum Landen angesetzt hatte. Wer unter einer Einflugschneise nach Heathrow wohnt, wird zu einem versierten Flugzeugkundler. Alle geläufigen Passagierflugzeuge allein an ihrer Silhouette zu erkennen, war ein Kabinettstückchen, für das sie allerdings eine Weile gebraucht hatte. Das Flugzeug holte sie aus ihren Gedanken und erinnerte sie daran, dass sie heute einiges zu tun hatte.
Sie nahm sich vor, sich nach der Mutter des jungen Mannes zu erkundigen. Offen gesagt, war sie sonst nicht unbedingt an den Verwandten anderer Leute interessiert. Man hatte genug Ärger mit der eigenen Familie. Etwas jedoch sagte ihr, dass dieser Fall anders lag. Ihr Privatsekretär hatte sie äußerst merkwürdig angesehen, als er ihr die Nachricht vom Tod des jungen Mannes überbrachte. Sosehr sich ihre Bediensteten auch bemühten, sie von allem Misslichen abzuschirmen, spürte sie doch immer, wenn etwas nicht stimmte. Und dass da etwas nicht stimmte, wurde ihr mit einem Mal klar.
»Weiter geht’s«, instruierte sie ihr Pony, und der Stallmeister neben ihr trieb auch sein Pferd an.
Das Frühstück unter der reich verzierten Decke im kleinen Speisesaal des Schlosses näherte sich seinem Ende. Aber noch aß der Rennmanager der Queen zusammen mit dem Erzbischof von Canterbury, dem früheren Botschafter in Moskau und einigen anderen Versprengten vom Vorabend Eier mit Speck.
»Ein interessanter Abend«, sagte er zum Erzbischof, der links neben ihm saß. »Ich wusste gar nicht, dass Sie Tango tanzen.«
»Ich auch nicht«, stöhnte sein Nachbar. »Mrs Gostelow hat mir keine Wahl gelassen. Oh, meine Waden, sie bringen mich um.« Er senkte die Stimme. »Sagen Sie mir, auf einer Skala von eins bis zehn, wie lächerlich habe ich mich gemacht?«
Die Lippen des Rennmanagers zuckten. »Um Nigel Tufnel zu zitieren, es war eine Elf. Ich bin nicht sicher, ob ich die Queen je lauter habe lachen hören.«
Der Erzbischof legte die Stirn in Falten. »Tufnel? War der gestern Abend hier?«
»Nein. Der aus dem Film.«
»Oje.« Der Erzbischof griente verlegen, beugte sich vor, um sich die Unterschenkel unter dem Tisch zu massieren, und fing dabei den Blick der äußerst schönen, modeldünnen jungen Frau auf der anderen Seite des Tisches auf. Ihre großen, dunklen Augen schienen bis tief in seine Seele zu blicken. Sie schenkte ihm ein verhaltenes Lächeln, und er errötete wie ein Schuljunge.
Aber Masha Peyrowskaja sah ihn nicht an, sondern durch ihn hindurch. Der gestrige Abend hatte ihr das intensivste Erlebnis ihres Lebens beschert, und sie genoss noch immer jede Sekunde.
»Eine Abendeinladung«, sagte sie stumm vor sich hin, »mit Übernachtung. Eine Abendeinladung mit Übernachtung. In der letzten Woche war ich in Windsor Castle eingeladen. Mit Übernachtung. Oh, ja. Ein Abend mit Ihrer Majestät, der Königin von England. Sie waren noch nicht bei einem solchen Abend? Es ist so wunderbar.« Als gäbe es so etwas jede Woche. »Yuri und ich hatten Zimmer mit Blick auf die Stadt. Ihre Majestät benutzt die gleiche Seife wie wir. Sie ist so witzig, wenn Sie sie näher kennenlernen. Und ihre Diamanten sind unwiderstehlich …«
Ihr Mann, Yuri Peyrowski, behandelte seinen fürchterlichen Kater mit einem Gebräu aus rohem, grünem Gemüsesaft mit Ingwer, angerührt nach seinem persönlichen Rezept. Das Personal hier im Schloss wusste zweifellos, was es tat. Yuri hatte Gerüchte gehört, die Queen bewahre ihr Frühstücksmüsli in Plastikbehältern auf (nicht dass sie heute Morgen zu ihnen gestoßen wäre), und hatte mit altenglisch »schäbigem Schick« gerechnet, schlecht instand gehaltenen Räumen mit mangelhafter Heizung und abblätternder Farbe. Doch da hatte er sich getäuscht. Dieser Raum hier zum Beispiel hatte herrliche rote Seidenvorhänge, um den Tisch herum standen zwei Dutzend vergoldete Stühle, und der Teppich war vom Design her zweifellos eine Maßanfertigung. Alles war makellos. Selbst sein eigener Butler würde hier kaum etwas auszusetzen haben. Auch der Port gestern Abend war ausgezeichnet gewesen. Und der Wein. Und hatte es nicht auch noch Brandy gegeben? Er erinnerte sich dunkel.
Trotz des Pochens in seinem Kopf wandte er sich der Frau zu seiner Linken zu, der Gattin des früheren Botschafters, und fragte sie, wie er sich wohl die Dienste eines persönlichen Bibliothekars sichern könne, von so jemandem wie dem, den sie am Abend zuvor nach dem Essen erlebt hatten. Die Frau des früheren Botschafters, die keine Ahnung, aber viele mittellose, belesene Freunde hatte, setzte ihren Charme in Gang und gab ihr Bestes.
Sie wurden von einer großen Frau mit rabenschwarzem Haar und einem plissierten Hosenanzug unterbrochen, die in der Tür auftauchte, eine Hand in die Hüfte stemmte und alarmiert die karminroten Lippen vorschob.
»Oh, es tut mir so leid. Bin ich zu spät?«
»Ganz und gar nicht«, beruhigte sie der Rennmanager gütlich, wenn »zu spät« auch mehr als eine Untertreibung war. Etliche Gäste waren bereits wieder in ihren Zimmern, um das Packen ihrer Übernachtungstaschen zu beaufsichtigen. »Wir sind hier alle sehr entspannt. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir.«
Meredith Gostelow begab sich zu dem Stuhl, der von einem Hausdiener für sie zurückgezogen wurde, und nickte dankbar, als ihr ein Kaffee vorgeschlagen wurde.
»Haben Sie gut geschlafen?«, fragte eine vertraute Stimme zu ihrer Rechten. Es war Sir David Attenborough, der so melodisch und bekümmert wie im Fernsehen klang und ihr das Gefühl gab, ein vom Aussterben bedrohter Panda zu sein.
»Hmm, ja«, log sie und ließ den Blick über die Gesichter am Tisch wandern, sah, wie die schöne Masha Peyrowskaja ihr zulächelte, und hätte sich fast neben ihren Stuhl gesetzt.
»Ich habe kein Auge zugetan«, murmelte Masha heiser. Einige Köpfe drehten sich in ihre Richtung, allerdings nicht der ihres Mannes, der in seinen Saft stierte. »Die ganze Nacht ich habe über all die Schönheit nachgedacht, die Musik, die … скáзка … Wie sagt man auf Englisch?«
»Ein Märchen«, murmelte der Botschafter von der anderen Seite des Tisches mit einem Kratzen in der Stimme.
»Ja, es ist ein Märchen, oder? Wie bei Disney! Aber edel.« Sie hielt inne. Das hatte nicht geklungen, wie es sollte. Ihr Englisch reichte einfach nicht aus, aber sie hoffte, dass ihre Begeisterung es wieder wettmachte. »Sie haben Glück«, sagte sie zum Rennmanager. »Sie kommen oft her?«
Er grinste, als hätte sie einen Witz gemacht. »Absolut.«
Bevor sie nach dem Grund für seine Erheiterung fragen konnte, kam ein weiterer Hausdiener mit Frack und prächtiger roter Weste herein, ging zu ihrem Mann, beugte sich zu ihm hinunter und sagte etwas, das Masha nicht verstand. Yuri wurde rot, schob ohne ein Wort seinen Stuhl zurück und folgte dem Mann aus dem Raum.
Später gab sich Masha die Schuld, weil sie von Märchen gesprochen hatte....
Erscheint lt. Verlag | 4.1.2021 |
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Reihe/Serie | Die Fälle Ihrer Majestät | Die Fälle Ihrer Majestät |
Übersetzer | Werner Löcher-Lawrence |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | britische Krimis • Britisches Königshaus • british royals • Buckingham Palace • Cosy Crime • cosy crime deutsch • cosy crime england • Cosy Krimi • cosy krimi deutsch • cosy Krimi England • Cozy Crime • cozy crime deutsch • cozy krimis • Detektivin • England-Krimi • englische Krimis • Ermittler-Duo • Ermittlerin • Ermittler-Krimi • humorvolle Krimis • Königin • Krimi Großbritannien • Krimi Humor • Krimi humorvoll • Kriminalfall • Kriminalromane Serien • krimi reihen • Krimis aus England • Krimis mit Detektivinnen • Krimis mit Humor • Krimis von Frauen • London • London Krimi • lustige Krimis • MI5 • Mord • Mord auf Windsor Castle • Pianist • Privatsekretärin • Queen Elizabeth • Queen Elizabeth ermittelt 1 • Royals • Rozie Oshodi • Russen • Russland • Spion • Spionage • The Queen • UK Krimi • Windsor Castle • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-426-46122-6 / 3426461226 |
ISBN-13 | 978-3-426-46122-8 / 9783426461228 |
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Größe: 931 KB
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