John Sinclair 2214 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-0682-7 (ISBN)
Das Gesicht der jungen Frau spiegelte Furcht und Verzweiflung wider. Tränen schimmerten in ihren großen braunen Augen.
'Es geht um meine Tochter, Miss Collins. Sie behauptet steif und fest, dass mein Vater nachts in ihr Zimmer kommt und sich zu ihr ins Bett legt.'
Der Privatdetektivin Jane Collins schnürte sich die Kehle zu. Aber war das wirklich ein Fall für sie? 'Das ist alarmierend, doch ich wüsste nicht, wie ich Ihnen dabei helfen könnte. Am besten, Sie wenden sich an die Polizei oder das Jugendamt.'
'Nein', unterbrach sie Jeanette Croydon barsch. 'Das geht nicht.'
'Warum nicht?'
'Weil ... weil mein Vater bereits seit drei Jahren tot ist.'
Dieser Hunger
nach Leben
von Ian Rolf Hill
Das Gesicht der jungen Frau spiegelte Furcht und Verzweiflung wider. Tränen schimmerten in ihren großen braunen Augen.
»Es geht um meine Tochter, Miss Collins. Sie behauptet steif und fest, dass mein Vater nachts in ihr Zimmer kommt und sich zu ihr ins Bett legt.«
Der Privatdetektivin Jane Collins schnürte sich die Kehle zu. Aber war das wirklich ein Fall für sie? »Das ist alarmierend, doch ich wüsste nicht, wie ich Ihnen dabei helfen könnte. Am besten, Sie wenden sich an die Polizei oder das Jugendamt.«
»Nein«, unterbrach sie Jeanette Croydon barsch. »Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ... weil mein Vater bereits seit drei Jahren tot ist.«
An diesem Morgen verhielt sich mein Partner Suko auffallend still, als wir uns mit dem Dienstwagen durch den Verkehr quälten. Es war abzusehen, dass wir wieder mal zu spät kommen würden, und ich wappnete mich innerlich bereits gegen die unvermeidlichen Spötteleien unserer Assistentin Glenda Perkins.
Suko ließ sich davon in der Regel nicht aus der Ruhe bringen, weder von der Rushhour noch von Glendas spitzen Bemerkungen. Seine Schweigsamkeit musste also einen anderen Grund haben.
Doch so sehr ich auch nachhakte und bohrte, mehr als ein unwilliges Knurren konnte ich meinem Partner nicht entlocken. Daher seufzte ich ergeben und stellte das Radio ein. Auf Nachrichten und andere Hiobsbotschaften hatte ich keine Lust und suchte einen Sender mit Musik. Der schnöde Alltag mit all seinen Krisen würde uns schnell genug einholen. Ich summte den neuesten Hit von Lady Gaga mit, bis Suko genervt das Radio ausstellte.
»Bitte«, murmelte ich und begann, leise vor mich hin zu singen. Prompt fing ich mir einen bösen Seitenblick von Suko ein.
»Gibt es irgendeinen Grund für deine gute Laune?«
»Nope«, sagte ich. »Ich versuche nur, mich nicht von deiner Miesepetrigkeit anstecken zu lassen. Du weißt doch, was Johann Gottfried Seume gesagt hat: Da wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder.«
»So, so, und ich nehme an, es gibt keine Möglichkeit, dich davon abzuhalten?«
»Keine Legale zumindest. Es sei denn, du willst dich der Körperverletzung schuldig machen.«
Suko winkte nur ab und starrte aus dem Fenster. Ich hätte seine Stimmung ja nachvollziehen können, wenn es aus Kübeln gegossen hätte, doch der Winter zeigte sich von seiner besten Seite und verwöhnte uns mit herrlichem Sonnenschein und spätsommerlichen Temperaturen. Von denen war zu dieser frühen Morgenstunde zwar noch nicht viel zu spüren, aber das würde sich spätestens zum Mittag hin ändern.
Als wir wieder mal stoppten, musterte ich meinen Partner prüfend. Ob es mit Shao zu tun hatte?
Suko stöhnte genervt, als er meinen Blick bemerkte. »Es hat nichts mit Shao zu tun.«
Unwillkürlich musste ich grinsen. Wir kannten uns nun schon so lange, dass wir uns auch ohne große Worte verstanden. Meistens jedenfalls.
»Da bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon, ich müsste eine Neue einarbeiten, die für mich einkauft.«
Mein Partner schnaubte entnervt. »Um Dosenbier und Tiefkühlpizza einzukaufen brauchst du keinen Master-Abschluss. Das kannst du auch jedem x-beliebigen Schimpansen beibringen.«
»Oh, oh, oh, lass das mal nicht Shao hören.«
Suko schnaubte bloß und versank erneut in dumpfes Brüten.
Mir fiel ein regelrechter Monolith vom Herzen, als endlich das Curtis Green Building in Sicht kam, in dem seit geraumer Zeit das Hauptquartier der Metropolitan Police untergebracht war. Wir rollten in die Tiefgarage und steuerten den Lift an, um uns nach oben schießen zu lassen. Zumindest ich, denn Suko klopfte mir überraschend auf die Schulter und verabschiedete sich mit den Worten »Wir sehen uns später« in Richtung Treppenhaus.
Ich wusste ja, dass er jede sich bietende Gelegenheit nutzte, um in Form zu bleiben, doch man konnte es auch übertreiben. Aber jeder wie er wollte. Auf dem Flur, der zu den Räumlichkeiten unserer Spezialabteilung führte, wehte mir bereits der verführerische Duft von Kaffee entgegen.
Glenda Perkins saß längst hinter dem Schreibtisch und tippte so eifrig auf ihrem Laptop herum, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, ohne dass sie etwas zu sagen brauchte. Nicht, dass es sie davon abhielt, es dennoch zu tun.
»Sieh an, der verlorene Sohn ist zurückgekehrt. Dann kann Sir James die Fahndung ja endlich abblasen. Er dachte schon, ihr wärt desertiert.«
Ich bewunderte Glendas neueste Garderobe, die wie immer dem aktuellen Modetrend entsprach. Die Farbe der Saison war hellblau, so wie die Bluse meiner Sekretärin, die einen auffallenden Kontrast zu den schwarzen Haaren und der hellbeigen Hose darstellte.
»Das hieße ja, auf deinen wunderbaren Kaffee zu verzichten«, sagte ich und schenkte mir großzügig einen Becher ein. »Was Suko betrifft, bin ich mir da allerdings nicht so sicher.«
Glenda hob überrascht den Blick. »Was ist denn passiert?«
Ich erklärte es ihr, doch meine Assistentin winkte bloß ab und schmunzelte. »Da mach dir mal keine Sorgen, morgen ist er wieder ganz der Alte.«
Ich war schon im Begriff, die Tür zu öffnen, hinter der das Büro lag, das ich mir mit Suko teilte, als ich innehielt und mich noch einmal zu Glenda umdrehte. »Ach, und woher nimmst du diese Gewissheit?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Weibliche Intuition.«
»Aha«, meinte ich nur, öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen.
Auf meinem Schreibtischstuhl saß eine kleine Gestalt mit braunem Wuschelkopf und drehte sich wie wild im Kreis. Als sie mich sah, stoppte sie die irrwitzige Karussellfahrt und strahlte mich so breit an, dass die Zahnspange funkelte.
»Hallo!«
Ich war so perplex, dass ich zu keiner Antwort fähig war. Stattdessen drückte ich die Tür wieder zu und wandte mich erneut an Glenda. »Da sitzt ein Kind in meinem Büro!«
»Gut erkannt, Sherlock Holmes«, erwiderte sie, ohne von ihrem Laptop aufzublicken.
Mit der Tasse in der Hand trat ich vor ihren Schreibtisch.
»Was macht dieses Kind auf meinem Stuhl?«
Glenda hob den Kopf. »Girls Day!«
»Wie bitte?«
»Ein Tag, an dem Mädchen in Berufe hineinschnuppern sollen, die noch zu sehr von Männern dominiert werden.«
»Wem ist denn dieser Blödsinn eingefallen?«, rutschte es mir heraus.
»Mir!«, erklang im selben Augenblick eine Stimme von der Tür her, die in das Allerheiligste meines Vorgesetzten Sir James Powell führte.
Nur war es nicht er gewesen, der geantwortet hatte, sondern dessen Chefin Christina Dick, die mit verschränkten Armen im Türrahmen stand und mich grimmig anfunkelte. Sir James wartete hinter ihr und hatte sichtlich Mühe, sich das Grinsen zu verkneifen.
Ich spürte, wie ich rot anlief. »Guten Morgen, Ma'am. Sir.« Mein Lächeln fiel reichlich verkrampft aus. »Ich war gerade dabei, mit Miss Perkins den Ablauf des Girls Days zu besprechen.«
»Sparen Sie sich die Mühe, Mister Sinclair. Inspektor Suko wird diesen Job übernehmen.«
Kein Wunder, dass er so mürrisch drauf gewesen war. Das hätte der Vogel mir auch gleich sagen können.
»Ich wäre selbstverständlich ebenfalls dazu bereit gewesen.«
Christina Dick schnaubte. »Wir wollen den Mädchen den Beruf der Polizistin schmackhaft machen, Mister Sinclair. Nicht sie vergraulen.«
Sie nickte Sir James und Glenda zu, ehe sie in Richtung Tür schritt, durch die Suko in diesem Augenblick das Vorzimmer betrat. Komplett in Uniform.
»Gut sehen Sie aus, Inspektor«, sagte Christina Dick und schlüpfte an meinem Partner vorbei in den Flur.
»Ähm, danke, Miss Dick«, erwiderte er und sah mich an, als hätte sie ihm gerade die Versetzung auf die Orkney-Inseln überreicht. Sie verließ das Vorzimmer. Suko verschwand in unserem Büro, und Sir James verabschiedete sich ebenfalls.
Zurück blieben Glenda und ich.
»Du hast gewusst, dass sie da drin ist?« Ich deutete mit dem Kinn auf das Büro des Superintendenten.
»Natürlich, aber konnte ich ahnen, dass du dich gleich um Kopf und Kragen redest?«
»Aber wieso ausgerechnet unsere Abteilung?«
»Tina hat darum gebeten.«
»Tina?«
»Christina Green. Du erinnerst dich nicht an sie? Ihre Mutter wäre beinahe von einem Ghoul getötet worden. Suko hat sie und ihren Bruder damals auf eine Spritztour im Streifenwagen mitgenommen.«
»Stimmt«, rief ich und trank einen Schluck Kaffee. Ich musste kichern, als ich an das Handy-Video dachte, dass ich aufgenommen hatte. »Anscheinend hat er mächtig Eindruck hinterlassen.«
Die Tür öffnete sich, und ein freudestrahlendes Mädchen hüpfte vor meinem Partner aus dem Büro, der immer noch aussah, als hätte er zum Frühstück eine Zitrone gegessen.
»Darf ich auch die Sirene einschalten?«,...
Erscheint lt. Verlag | 15.12.2020 |
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Reihe/Serie | John Sinclair |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-0682-8 / 3751706828 |
ISBN-13 | 978-3-7517-0682-7 / 9783751706827 |
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