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Zu Hause ist überall

Über Buenos Aires und New York nach Südtirol

(Autor)

Nina Schröder (Herausgeber)

Wolftraud De Concini (Urheber)

Buch | Softcover
136 Seiten
2021
Edition Raetia (Verlag)
978-88-7283-768-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zu Hause ist überall - Eleanor Siegl Kofler
CHF 23,10 inkl. MwSt
Tschechoslowakei, Kriegsende 1945: Die deutsche Bevölkerung wird gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. So flieht auch die achtjährige Eleanor Siegl Kofler allein aus Mährisch Schönberg (Sumperk) nach Österreich. Ihr Vater, der zurückbleibt, wird ermordet, ihrer Mutter begegnet sie erst Monate später in Deutschland wieder. Mutter, Partner und Tochter wandern nach Argentinien aus, um 1949 ihr Glück in New York zu versuchen. Eleanor lernt die USA als Stewardess kennen. Nach einer unglücklichen ersten Ehe heiratet sie einen Südtiroler und zieht mit ihm nach Bruneck. Dort dauert es aber lange, bis Eleanor als "Zugereiste" akzeptiert wird ...» Einblick in ein abenteuerliches Leben auf drei Kontinenten» humorvolle und authentische Erinnerungen

Geboren in Sumperk (deutsch Mährisch Schönberg) im heutigen Tschechien, nach 1945 Kindheit und Jugend in Österreich, Argentinien und den Vereinigten Staaten. Abschluss an der High School of Art and Design in New York. Später Familie und Lebensmittelpunkt in Bruneck, wo sie bis heute lebt. Geboren 1961 in Einbeck in Niedersachsen. Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte und Politik in München und Berlin, lebt und arbeitet heute als freie Journalistin in Bruneck. Sie schrieb u.a. "Hitlers unbeugsame Gegnerinnen. Frauenaufstand in der Rosenstraße" (1997) und war Mitautorin bei dem bei Edition Raetia erschienenen fünfbändigen Sachbuch "Das 20. Jahrhundert in Südtirol" (1999-2003) sowie Herausgeberin der Weihnachtsgeschichten Südtiroler Autorinnen und Autoren "weißt du was schnee ist / frisch gefallener" (2004). Geboren 1940 im heutigen Tschechien. In Deutschland aufgewachsen. Lebt seit 1964 in Italien. Porträtfotografin, Text- und Bildautorin von über 40 Publikationen, u. a.: "Nachbarn in den Alpen. Sprachliche Minderheiten im italienischen Alpenbogen" (1998), "Böhmen hin und zurück" (2013) und "Klaras Schuhe. Die Geschichte einer böhmischen Jüdin" (2019). 2015 Trägerin des vom Deutschen Kulturforum östliches Europa ausgesetzten Stipendiums in Pilsen (Tschechien). Protagonistin der Dokumentarfilme "Stadtschreiberin in Pilsen" und "Grenzgänge".

Am Fuße des Altvatergebirges
Wir müssen fliehen
In Österreich gibt es genug zu essen
In den deutschen Flüchtlingslagern
Keine Kanarienvögel auf den Kanarischen Inseln
Ein verzauberter Garten in Buenos Aires
Ein Dschungel hinter dem Haus
I’m an American girl
Erwachsensein für Anfänger
Europa, ich komme
Skifahren, Kunstakademie und Heiratsanträge
New York, Hell’s Kitchen
Bruneck zum Angewöhnen
Express-Scheidung in Mexiko
Ich bin frei
Ein Südtiroler in San Francisco
Bruneck für Fortgeschrittene
Das Haus brennt

Unsere Familie wohnte in Schönberg. Heute findest du diesen Namen nicht mehr auf der Landkarte. Nur auf den alten Karten ist er noch zu entdecken, auf denen, die vor 1945 entstanden. Es ist ein schöner Landstrich. Aber die Erde brannte hier schon immer. Friedrich II. von Preußen und Maria Theresia von Österreich trugen hier ihre Kämpfe aus. Und schon damals ging alles in Flammen auf, all die großen Ansitze und die Kirchen. Als wir gehen mussten, war ich noch klein. Und ich war immer hungrig. Was hat mir das für Geschichten eingebrockt! Als hätte ich ein Loch im Bauch, immer wollte ich etwas essen. Und manchmal habe ich etwas genommen, das nicht für mich bestimmt war. Dann setzte es Strafen. Aber irgendwie habe ich das immer wieder hingekriegt. Daran kann ich mich noch erinnern. Das bisschen, was ich noch weiß. Bevor wir gehen mussten und Vater starb. Vielleicht war ich sieben Jahre alt. Ja, ich glaube, ich war sieben. Ich erinnere mich an meine kleine Stadt Schönberg. Ein Städtchen, rundum Hügel, in der Ferne die hohen Berge, ein Schloss und ein mittelalterlicher Stadtkern, Kopfsteinpflaster und Lehmstraßen. Wenn es regnete, gab es riesige Pfützen. Wir haben es Schönberg genannt. Aber wir waren ja auch Deutsche. Mit den Tschechen haben wir nicht geredet. Mit denen redete man nicht. Auch nicht, wenn sie das Haus sauber machten oder für einen einkaufen gingen. Wir konnten ihre Sprache nicht sprechen, wir verstanden sie nicht einmal. Aber sie konnten unsere Sprache sprechen. Als wir weg waren, wurde aus dem deutschen Schönberg das tschechische Šumperk, mit diesem Häkchen über dem S. Und dann gab es diese riesigen Fabriken in der Stadt und an deren Rande. Das waren hohe mehrstöckige Häuser, viel zu große Häuser, voller kleiner Fenster. Tausende Menschen arbeiteten hier. Sie webten feines Tuch, das dann an die noblen Hotels und die großen Schiffe verkauft wurde. Tischtücher, Bettbezüge, weiß und glänzend und wunderbar anzufassen. Berühmte Schiffe wie die Ozeandampfer der Hapag wurden damit ausgestattet. Und ganz Österreich belieferten sie, diese Tuchmacher aus dem Sudetenland. Einer davon war mein Vater. Ich glaube, mehr als tausend Menschen arbeiteten allein in seiner Fabrik. Dass wir reich waren, hatte ich eigentlich nicht richtig begriffen. Ich wuchs in einer wunderschönen Villa auf, das ja. Sie hatte einen großen Garten. Aber so ein großer Garten ist langweilig, wenn man ganz allein darin ist. Und ich war sehr viel allein. Papi verjagte die Kinder und die Katzen. Meine beiden Bruder Theo und Walter waren deutlich älter als ich, Theo zehn und Walter neun Jahre. Theo war der Große und kümmerte sich kaum um mich. Er studierte schon, da hatte er keine Zeit für ein kleines Mädchen wie mich. Meistens kam ich aber gut mit ihm aus. Walter beschäftigte sich mehr mit mir. Aber darauf hätte ich auch gerne verzichtet. Dauernd heckte er irgendetwas aus. Manchmal waren seine Streiche derb. Vielleicht war er ja eifersüchtig, ich weiß es nicht. Einmal, da nahm er mich durch den Zugang für die Kaminkehrer mit aufs Dach. Und dann sperrte er ab und ließ mich da oben allein. Bis alle aus dem Haus unten zusammenliefen, weil sie nach mir suchten. Das Haus war nicht leer. Ich hatte Kindermädchen und es gab Bedienstete. An die meisten erinnere ich mich kaum. Eines der Mädchen war besonders grob und Schläge waren an der Tagesordnung. Nur an Herti erinnere ich mich gerne, Herta Wimmer. Sie liebte ich sehr. Sie war wie eine Mutter für mich. Ich hatte ja keine Mutter mehr. Meine war weggegangen, da war ich erst ein Jahr alt. Herti war lieb und gefühlvoll. Und sie hörte mir zu. Und manchmal spielten wir sogar etwas miteinander. Aber dann war auch Herti weg. Mein Vater hatte auch sie vertrieben. Dabei war sie doch gar nicht schuld. Wir hatten sie eines Tages halb tot aufgefunden. Sie wollte sich das Leben nehmen, hatte sich in den Falschen verschaut, aus Liebeskummer hatte sie das getan, die Dumme. Da jagte sie mein Vater aus dem Haus wie die Katzen und die Kinder. Es wäre nicht weiter verwunderlich gewesen, wenn ich sie aus den Augen verloren hatte. Aber wir hingen aneinander und hielten Kontakt. Viele, viele Jahre später besuchte sie mich und meine Familie, als ich endlich zur Ruhe gekommen war, als meine Flucht schließlich doch noch ein Ende hatte. Und einmal fuhr ich auch nach Frankfurt, um sie zu besuchen. Und tatsächlich fand ich meine Herti in einer gefährlichen Gegend von Frankfurt. Der Hausmeister machte ein merkwürdiges Gesicht, als ich nach Herti fragte. Aber dann stand sie vor mir. Es gab Köchinnen in unserem großen Haus, Marta und Berta, es gab einen Gärtner und seine Frau. Und es gab einen Kutscher.

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo viele Fotos
Verlagsort Bozen
Sprache deutsch
Maße 130 x 15 mm
Gewicht 222 g
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Briefe / Tagebücher
Schlagworte Altvatergebirge • Argentinien • Auswanderer • auswandern in den USA • Autobiografie • Bruneck • Buenos Aires • Flüchtling • frühe Heirat • Islas Canarias • Lebensfreude • Madreselva • Mährisch • Mährisch Schönberg • Moessmer • New York • Schifffahrt • Stewardess • Sudetendeutsche • Südtirol • Sumperk • Tigre • Transatlantik • Transatlantikschiffe • Tuchfabrikant • Tuchfabriken • Tuchmacher • Tuchmacher aus dem Sudetenland
ISBN-10 88-7283-768-5 / 8872837685
ISBN-13 978-88-7283-768-9 / 9788872837689
Zustand Neuware
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