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Der Commissario und ein altes Geheimnis (eBook)

Pellegrinis dritter Fall

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1
272 Seiten
Kampa Verlag
9783311702177 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Commissario und ein altes Geheimnis - Dino Minardi
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Ja, er ist abgehauen, einfach weggelaufen. Als sein bester Freund Luca tödlich verunglückte, wollte Marco Pellegrini die gut gemeinten Ratschläge seiner Familie und Freunde nicht hören, die besorgten Blicke nicht sehen. Der Mann, den er sein ganzes Leben lang gekannt hat, mit dem er aufgewachsen ist, soll in Drogengeschäfte verstrickt gewesen sein. Hat Pellegrini sich so in Luca getäuscht? Sieben Jahre später wird der Fall neu aufgerollt. Plötzlich geht es nicht mehr nur um Drogenhandel, von Zwangsprostitution, ja von Mord ist die Rede. Pellegrini, der inzwischen bei der Polizia di Stato in Como Karriere gemacht hat, sitzt plötzlich die Guardia di Finanza aus Mailand im Nacken. Und er wird Zeuge in einem Fall, der viel bedeutsamer ist, als er für möglich gehalten hat - vor allem für ihn persönlich. Der Commissario wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert und beginnt zu verstehen, dass er nicht immer der Einzelkämpfer sein muss, der er vorgibt zu sein - vor allem nicht in der Liebe.

DINO MINARDI ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Der ausgebildete Psychologe ist im Rheinland tätig und hat beruflich wie privat lange Zeit in Norditalien verbracht. Ein Espresso für den Commissario ist sein erster Kriminalroman.

DINO MINARDI ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Der ausgebildete Psychologe ist im Rheinland tätig und hat beruflich wie privat lange Zeit in Norditalien verbracht. Ein Espresso für den Commissario ist sein erster Kriminalroman.

Dienstag, 2. Juni


1


Dottoressa Emmanuela Alberttina, Maggiore der Guar- dia di Finanza, hatte ein ebenmäßiges Gesicht mit glatter Haut und hohen Wangenknochen. Die perfekt geschwungenen Brauen und das dezente Make-up betonten ihre braunen Augen mit den langen Wimpern. Sinnliche Lippen, dazu ein Grübchen, das ihr angedeutetes überhebliches Lächeln hervorhob. Ebenso unterstrich das dunkle mittellange Haar den energischen Zug ihrer Kinnpartie.

Überflüssig zu bemerken, dass Alberttinas Figur ebenso makellos war. Eine weiße Bluse, deren obere Knöpfe so weit geöffnet waren, dass sie einen wohlgeformten Busen erahnen ließ. Im Ausschnitt ein kleines goldenes Kreuz an einer Kette. Der Rock ihres Kostüms endete exakt auf der richtigen Länge kurz über den Knien, sodass ihre anmutigen Waden und die schmalen Fesseln betont wurden. Die Blockabsätze ihrer Pumps würden es ihr ermöglichen, gefahrlos über Kopfsteinpflaster zu rennen, falls es nottat – und zwar elegant.

Kurz: Dottoressa Emmanuela Alberttina war Marco Pellegrinis personifizierter Albtraum.

Er räusperte sich, bevor er sich zu einem freundlichen Lächeln zwang und die Hand ausstreckte. »Commissario Marco Pellegrini, Polizia di Stato, Como. Es freut mich, Sie kennenzulernen.«

»Die Freude ist ganz meinerseits, Commissario Pellegrini.« Alberttinas Lächeln erinnerte Pellegrini an eine Schlange, unmittelbar bevor sie zubiss.

»Maggiore Alberttina steht einem Sonderermittlungsteam aus Mailand vor, dem Nucleo Speciale Polizia Valutaria«, erklärte Andrea Lorenzo.

Der Abteilung für Geldwäsche, Kapitalverkehr, Terrorfinanzierung. Unwillkürlich wurde Pellegrini nervös und fragte sich, was er auf dem Kerbholz haben sollte, dass sich gleich die Chefin für ihn interessierte. In solchen Momenten ging es ihm nicht anders als anderen Zivilpersonen. Er warf Lorenzo einen hilfesuchenden Blick zu. Der Capitano der Guardia di Finanza glich in Statur und Auftreten einem römischen Feldherrn, doch er war auch Pellegrinis Freund. Heute war er allerdings in offiziellem Auftrag unterwegs. Das hielt ihn zum Glück nicht von einem kaum merklichen aufmunternden Nicken ab.

»Nun, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

Alberttinas Lächeln hielt sich auf ihrem perfekten Gesicht. »Ich ermittle in einem Mordfall dreier Personen vergangene Woche in Mailand. Zwei Frauen, vermutlich gebürtig aus einem osteuropäischen Land, vermutlich Zwangsprostituierte. Und ein Mann, der mutmaßlich der Zuhälter der beiden war. Es gibt Hinweise, dass eine der Frauen Kontakt zu einem Mann namens Luca Camerone nach Como hatte.«

Pellegrini starrte sie an. Er versuchte etwas zu sagen, doch sein Kopf war wie leer gefegt. Bis jetzt hatte er gedacht, alle Geschehnisse um Lucas Tod wären das Schlimmste, was ihm jemals in seinem Leben widerfahren würde. Jetzt kam da so ein milde lächelnder Drache aus Mailand und wollte ihm allen Ernstes erzählen … Ja, was?

»Zwangsprostitution.« Mehr brachte er nicht hervor.

»Sie wollte damit nicht sagen, dass Luca etwas damit zu tun hatte.« Lorenzo machte eine beschwichtigende Geste. Doch es war mehr der vertraute Klang seiner tiefen Stimme, der Pellegrini wieder etwas zu sich kommen ließ.

Er atmete tief durch. »Gut. Ich nehme an, Sie wollen von mir etwas über Luca erfahren. War ja klar, dass es einmal so weit kommen würde. Ich kann Ihnen schon jetzt versichern, dass ich nichts von seinen kriminellen Handlungen wusste. Nicht einmal etwas geahnt habe.«

»Das habe ich auch nicht angenommen.«

Am liebsten hätte Pellegrini ihr für diesen süffisanten Tonfall vor die Füße gespuckt.

»Was halten Sie davon, wenn wir runter zum Seeufer gehen?«, schlug er stattdessen vor. »Ich zeige Ihnen unseren Bootsschuppen. Unterwegs können Sie Fragen stellen.«

Alberttina schaute fragend zu Lorenzo auf, der eifrig nickte. »Das halte ich für eine ganz ausgezeichnete Idee. Gehen wir.«

Sie traten aus dem Haupteingang der Questura hinaus und überquerten die Straße. Pellegrini spürte die warme Sonne, er hatte ganz vergessen, dass hier draußen ein frühsommerlicher Tag angebrochen war. Normalerweise hätte er sein Jackett ausgezogen, doch das verkniff er sich. Er kam sich ohnehin neben Alberttina gerade noch angemessen gekleidet vor, obwohl er einen neuen dunkelblauen Anzug trug.

Er schwieg, suchte mehrmals vergeblich nach den richtigen Worten, um die Geschichte zu beginnen. Nach ein paar Minuten hoffte er inständig, dass seine Besucherin endlich Fragen stellen würde.

Stattdessen begann Andrea Lorenzo zu erzählen. Sein unaufgeregter Bass führte Pellegrini direkt zurück in die Vergangenheit.

»Marco und Luca kannten sich seit vielen Jahren. Sie sind zusammen zur Schule gegangen, machten gemeinsam den Abschluss, leisteten danach ihren Wehrdienst bei den Alpini.«

Marco Pellegrini war zehn Jahre alt gewesen, als seine Familie nach über dreißig Jahren in Deutschland nach Italien zurückgekehrt war. Sein Nonno Carlo war in den Fünfzigern als Gastarbeiter nach Köln gegangen. Er hatte sich vorgenommen, nur fünf Jahre zu bleiben und Geld zu verdienen, um das marode Familienhotel oben in Brunate wieder aufzubauen. Nach sieben oder acht Jahren holte er seine Familie nach. Sein Sohn Amerigo schaffte mit Ach und Krach den Volksschulabschluss, machte eine Ausbildung als Koch im Excelsior Hotel am Dom, lernte in der örtlichen italienischen Gemeinschaft eine Sizilianerin kennen, heiratete. Marco und seine Schwester Alessandra waren die dritte Generation, zweisprachig aufgewachsen, dennoch nicht wirklich vertraut mit der italienischen Muttersprache. Und so hatte ein kleiner Junge namens Marco sich nach der Rückkehr nach Como auf dem Platz vor dem Dom herumgetrieben, allein zwischen den Säulen des Broletto gespielt, krank vor Heimweh und ohne Verständnis für das Leben um ihn herum. Bis Luca ihn so fand, ein schwarzäugiger Bursche mit dreckigen Knien, so alt wie er, aber gut einen Kopf kleiner.

»Woher kannten Sie die beiden, Capitano?«

»Ich war lange Zeit Jugendtrainer im Ruderclub. Mitte der Neunziger habe ich sie auf einem Sommerfest kennengelernt und rekrutiert. Wie alt wart ihr, Marco?«

»Vierzehn? Ich weiß es nicht mehr genau.«

»Das kommt hin. Sie haben zu viert ein Team gebildet und waren einige Jahre im Jugendbereich ziemlich erfolgreich.« In Lorenzos Stimme schwang Stolz mit. »I quattro scombri nannten sie sich.«

»Vier Jungs, die sich Makrelen nennen.« Alberttina verzog spöttisch die Mundwinkel. Pellegrini schwieg wütend. Er hatte den Namen damals selbst dämlich gefunden, aber das war Sinn der Sache, denn es ging auch um den Spaß. Sie hatte kein Recht, sich darüber lustig zu machen.

Lorenzo ignorierte den Einwurf. »Der Name kam von Luca, weil er so albern klingt. Nach der Schule haben die Jungs unterschiedliche Wege eingeschlagen, und es blieb zu wenig Zeit für ein ernsthaftes Training. Als Hobbyteam ruderten sie noch viele Jahre zusammen, nahmen regelmäßig an der Vogalonga in Venedig teil.«

Alberttina nickte. »Und was haben Sie nach der Schule gemacht, Signore?«

Jetzt war er also für die Maggiore kein Commissario mehr, sondern Zivilist. Pellegrini tat, als bemerkte er die falsche Anrede nicht. »Meine Eltern haben einen Hotelbetrieb. Ich ging in die Schweiz zu Les Roches, wenn Ihnen das etwas sagt.«

»Sofern Sie die international renommierte Hotelfachschule meinen, selbstverständlich.« Sie bedachte Pellegrini mit einem Blick, den er nicht zu deuten wusste. Taxierte sie ihn? Unterstellte sie ihm im Geiste bereits illegale Geldtransfers und widerrechtliche Finanzgeschäfte, weil er seine Ausbildung in der Schweiz absolviert hatte?

»Luca ist zunächst beim Militär geblieben. Er hatte gute Aussichten, ins Nationalteam der Ruderer aufgenommen zu werden und bei den Olympischen Spielen zu starten.«

In Wahrheit hatte Luca Stuntman werden wollen. Es war sein größter Traum gewesen, sich von Dächern zu stürzen oder durchs Feuer zu laufen. Dabei ging es ihm um den Adrenalinkick, nie um Ruhm oder Geld.

»Ein Skiunfall machte dann seine Ambitionen zunichte und beendete seine Profisportkarriere.«

»Was hat er dann gemacht?«

»Dies und das«, brummte Pellegrini. »Rettungsschwimmer und Bademeister im Sommer, Skilehrer im Winter. Drüben in Sankt Moritz.«

»Bei den Reichen und Schönen, wo sonst?«

Pellegrini verkniff sich eine bissige Erwiderung. Natürlich machte so ein unsteter Lebenswandel Luca verdächtig. Und nicht zu Unrecht, wie sie herausgestellt hatte: Er war des Drogenschmuggels in großem Stil überführt, und er war tot. Ende der Geschichte.

Sie durchquerten die Giardini del Tempio Voltiano und waren am Seeufer angekommen. Pellegrini ließ sich auf eine Parkbank fallen, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte die Fingerspitzen aneinander. Er starrte auf das Wasser und versuchte, sich an Lucas Gesicht zu erinnern, an sein Lächeln, an die lebendig blitzenden kohlschwarzen Augen.

»Vor sieben Jahren wurde Luca bei einer Routinekontrolle angehalten und floh. Seine Fahrt endete an einem Steilhang runter zum Luganer See. Das Auto landete zwischen den Felsen und ging in Flammen auf. Die Drogen waren unter gebrauchtem Frittierfett versteckt.«

»Darüber bin ich gemäß der Akten im Bilde, Capitano Lorenzo.«

Es war nicht die Tatsache, dass in dem Auto kiloweise Haschisch und Kokain versteckt waren, die Luca offenbar zu schmuggeln beabsichtigt hatte. Es war nicht die Tatsache, dass Luca kriminell geworden war. Beides war zweifelsohne...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2021
Reihe/Serie Ein Fall für Pellegrini
Ein Fall für Pellegrini
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Comer See • Drogenhandel • Italien • Mord • Zwangsprostitution
ISBN-13 9783311702177 / 9783311702177
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