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Der Wind singt unser Lied (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021
464 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-27133-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Wind singt unser Lied - Meike Werkmeister
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Der neue SPIEGEL-Bestseller von Meike Werkmeister - die perfekte Sommerlektüre!
Die Weltenbummlerin Toni ist überall und nirgends zu Hause - bis ein Anruf ihres Vaters sie zurück an die Nordsee führt. St. Peter-Ording mit seinen hübschen Reetdachhäusern und dem kilometerlangen Sandstrand ist für viele das Paradies auf Erden. Doch Toni hat sich hier, wo der Wind das ganze Jahr um die Häuser pfeift, nie richtig wohlgefühlt. Auch jetzt macht ihre alte Heimat es ihr nicht leicht. Ihre Eltern werden immer schrulliger, und alles erinnert sie an ihre erste große Liebe. Während sie auf dem Ferienhof der Familie aushilft, begreift Toni, dass sie das Leben anpacken muss, um ihm eine neue Richtung zu geben. Und dabei ist sie nicht allein ...

Meike Werkmeister ist Buchautorin und Journalistin. Ihre Romane stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Wann immer sie Zeit hat, fährt sie an die Nordsee, wo sie oft auch die Ideen für ihre Geschichten findet.

1


Zwei Wochen zuvor


Es roch nach Bananenpfannkuchen, als ich mit nackten Füßen auf die Veranda trat. Die Bodenfliesen waren bereits warm, obwohl es noch früh am Morgen war. Meine Kollegin Helen stand im Nachthemd an der Außenküche und machte wieder einmal Pancakes für alle. Die dicken, fluffigen, amerikanischen, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Die langen Haare fielen ihr über den Rücken, ganz ausgeblichen von den vielen Stunden im und am Meer.

»Hey, Sweety! Hungry?«, rief sie mir fröhlich zu.

»Always!« Ich reckte mich, wobei mein Top über den Bauch nach oben rutschte. Ein Sonnenstrahl fiel durch die Bäume und kitzelte meine gebräunte Haut.

Ich blickte zum Pool hinüber, dessen sattes Türkis zwischen den flachen Bungalows schimmerte. Mein Kollege Nino machte gerade einen gekonnten Kopfsprung ins Wasser. In den dichten Palmen ringsum zwitscherten winzige Vögel. Sie waren so erstaunlich laut für ihre Körpergröße, dass sie uns mit ihrem Gesang jeden Morgen weckten. Sie oder die Affenfamilien, die sich bei Sonnenaufgang ebenfalls alles Mögliche von Ast zu Ast mitzuteilen hatten. Nino schwamm an den Beckenrand und stemmte sich mit wohldefinierten Armen hoch. Aus seinen kinnlangen dunklen Haaren tropfte das Wasser. Diese kleine Einlage war für mich gewesen, das wusste er, das wusste ich. Helen zwinkerte mir zu, während sie mit dem Pfannenheber einen weiteren Bananenpfannkuchen auf den schiefen Turm neben sich stapelte.

Nino schlenderte auf uns zu und blickte mich herausfordernd an. »Hey, Toni, gut geschlafen?«

Er sagte das mit seinem niedlichen lateinamerikanischen Deutsch und mit gekonntem Augenaufschlag. Ein leichter Schauer lief mir den Rücken hinunter, wenn ich daran dachte, wie wir neulich getanzt hatten, bei einer Party hier im Camp. Ich war stolz auf mich gewesen, weil ich danach allein in mein Zimmer gegangen war. Diese Affären mit Kollegen, die auf hundert Meter Entfernung nach Ärger rochen, wollte ich mir endgültig abgewöhnen. Aber jetzt, wo er nur in Badeshorts vor mir stand, sich einen von Helens Pancakes stibitzte und mich mit seinen tiefbraunen Augen anfunkelte, begann mein eiserner Vorsatz in der Morgenhitze Costa Ricas zu schmelzen. Noch während ich ihn musterte, hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Es war Elsie von der Rezeption.

»Toni?« Ihr Kopf mit dem vielen krausen Haar tauchte zwischen den Palmen auf. »A call for you. Someone speaking German.«

Das machte mich stutzig, denn wenn meine Freunde sich meldeten, dann meist auf dem Handy. Außerdem sprachen sie alle zumindest Schulenglisch. Ich warf Nino einen letzten Blick zu, schnappte mir einen Pancake und lief Elsie hinterher. Der Weg war mit hellem Kies bestreut, und die kleinen Steine pikten in meine nackten Fußsohlen. Vor mir flitzte eine feingliedrige Eidechse von dem Palmblatt, auf dem sie sich gerade gesonnt hatte. Nachttau glitzerte in imposanten Spinnennetzen im Morgenlicht.

Elsie verschwand in einem kleinen Holzhaus am Rand der Anlage und hielt mir den bunten Perlenvorhang zur Seite. Ich biss noch einmal in mein Frühstück und trat hinter ihr ein, woraufhin sie den Vorhang losließ und er klappernd zurückschwang. Auf dem Boden lagen handgewebte Teppiche, von der Decke baumelten lackierte Holzfaultiere. Sie lief hinter die Theke, die aus einem alten Surfbrett gebaut war, und reichte mir einen speckigen Telefonhörer. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Wand und hielt ihn mir kauend ans Ohr.

»Hallo?«

Ich hörte es rascheln. Mit etwas Verzögerung sagte eine Männerstimme: »Hallo, Tönchen.«

Verdutzt schluckte ich den letzten Bissen von meinem Pancake hinunter. »Hallo … Papa.« Ich spürte, wie meine Finger sich um den Hörer krampften. Mein Vater rief mich nie an. Mir war nicht mal klar gewesen, dass er diese Nummer besaß. Wenn er sich also meldete, konnte das nur bedeuten, dass etwas Schlimmes geschehen war. »Papa? Ist alles okay?«

Es knackte in der Leitung. »Jaja. Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht.«

Meine Finger fühlten sich taub an, auch wenn offenbar niemand gestorben war. Ich bemerkte, dass Elsie mich immer wieder neugierig musterte, während sie ein paar Papiere auf ihrer Surfbrett-Rezeption hin und her schob.

»Es geht mir gut, Papa, danke. Wie geht es euch?«

Wieder dauerte es einen Moment, bis er antwortete.

»Gut, gut, wie ist das Wetter?«

»Sonnig, schwül. Papa … Bist du sicher, dass alles okay ist?«

»Alles in Ordnung. Mal wieder zu wenig Regen, die Nachbarn jammern. Gleich kommt eine neue Familie an. Alles wie immer.«

»Schön.« Vor meinem inneren Auge sah ich meinen Vater in unserer Küche sitzen, mit dem alten Kabeltelefon vor sich auf dem massiven Holztisch. Daneben stand vermutlich der Tonbottich mit Schmalz, mit dem er gleich eine dicke Kruste Brot bestreichen würde. Dann würde er sich die Hände an der modischen Jeans abwischen, die Mama ihm besorgt hatte, und die Esel füttern gehen. Hatte ich ihn je telefonieren sehen? Und wo war Mama? Eigentlich entfernten die beiden sich nie weiter voneinander, als dass sie sich zumindest einen Luftkuss zuwerfen konnten. Der Gedanke machte mein Herz schwer, und ich konnte nicht mal genau sagen, wieso. »Sind die Frühsommerlämmer schon geboren?«

»Kann jetzt jede Nacht so weit sein.« Er atmete schwer. »Ich bin gespannt, ob ein schwarzes für dich dabei ist.«

Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen. Auch das traf mich unvorbereitet. Meine Heimat in Nordfriesland, die Weiden, die Lämmer, mein Vater in der alten Küche, wie er aus dem kleinen Fenster sah und nach seinem »Sternchen« Ausschau hielt – all das könnte nicht weiter weg sein von mir in meinem Schlafshirt, hier, mitten in den Tropen.

»Das würde mich freuen«, hörte ich mich selbst mit belegter Stimme sagen.

Einige Sekunden war es still. Etwas raschelte im Hintergrund. Elsie räusperte sich, aber ich nahm es kaum wahr.

»So.« Mein Vater atmete wieder schwer. »Dann lass ich dich mal arbeiten. Oder was du machst.«

»Ich gebe gleich eine Surfstunde.«

»Gut. Dann.«

»Hab einen schönen Tag, Papa.« Ich kämpfte noch immer mit den Tränen. »Danke für den Anruf. Grüß mir …«

»Tönchen?«, unterbrach er mich.

»Ja?«

»Kommst du bald mal wieder nach Hause?«

Er sagte das beiläufig, als wäre es eine ganz normale Frage. Meine Mutter stellte sie mir in jeder der minutenlangen Sprachnachrichten, die sie mir in unregelmäßigen Abständen schickte und in denen sie immer von »wir« sprach, womit sie natürlich Papa und sich meinte. Anfangs hatte auch Caro mir diese Frage gestellt, wenn sie mich per Videocall anrief. Mein Vater? Von sich aus noch nie.

»Ich weiß noch nicht, Papa. Vielleicht an Weihnachten.«

Ich hörte ihn tief einatmen. »Ginge es vielleicht etwas eher?«

Die Frage hing einen Moment in der Luft, bis sie zu mir durchgedrungen war. »Braucht ihr Hilfe, Papa?«

»Nicht direkt.« Er zögerte. »Ein wenig vielleicht. Für ein paar Wochen nur.« Es knackte in der Leitung, vermutlich spielte er am Kabel herum. »Entschuldige, ich möchte dir keine Unannehmlichkeiten machen.«

»Ich würde gern kommen und euch helfen, Papa, aber ich habe hier noch einen Vertrag bis Ende des Jahres und …«

»Schon gut, schon gut«, unterbrach er mich erneut. »Das dachte ich mir. Gar kein Problem.«

Wir schwiegen beide einen Moment.

»Tut mir leid, Papa«, sagte ich schließlich.

»Macht gar nichts, wir finden eine andere Lösung. Mach’s gut. Bis bald, mein Kind.«

»Bis bald, Papa.«

Noch ein lautes Knacken. »Tschüss, Tönchen.« Dann legte er auf.

Ratlos stand ich mit dem Hörer in der Hand vor der Rezeption und blickte Elsie an, die den Papierstapel beiseitelegte und mich interessiert betrachtete.

»Time to go home?«, fragte sie und ließ die geschwungenen Augenbrauen tanzen.

Ich gab ihr den Hörer zurück und rieb mir übers Gesicht. »Why do you say that?«

»Just a guess.«

Zwei Tage später erledigte ich mit dem Camp-Pick-up Einkäufe auf einer nahe gelegenen Farm. Gemeinsam mit Pola, die den Hof mit ihrer Familie betrieb, stapelte ich Kisten voller Mangos, Wassermelonen und Kokosnüsse auf der Ladefläche und befestigte sie mit Seilen. Dabei sah Pola mich plötzlich prüfend von der Seite an.

»Was ist denn bei dir gerade los?«, fragte sie und pfiff durch die Lücke zwischen ihren Schneidezähnen.

Ich lachte, denn solche Gespräche führten wir bei jedem meiner Besuche. Pola hatte angeblich übersinnliche Fähigkeiten, sie konnte aus der Hand lesen und hatte schon manchen meiner Kolleginnen Dinge vorausgesagt, die wirklich eingetreten waren. Mir hatte sie bereits mehrfach die große Liebe prophezeit. Allerdings nicht hier, sondern weit, weit weg, mit einem Mann mit dunklem Herzen, dessen Schönheit ich nicht sofort erkennen würde. Ich hatte das immer mit einem wissenden Grinsen hingenommen. Ich glaubte nicht an so etwas, mochte Pola aber gern und spielte das Spiel stillschweigend mit.

Sie kniete in ihrer bunten Haremshose auf der Ladefläche des Pick-ups und reichte mir mit nachdenklicher Miene die letzte Mangokiste.

Ich nahm ihr die Ware ab, verstaute sie, zog das Seil fest und fragte dann neckend: »Sag schon, brauchst du meine Hand?«

Aber da hatte sie schon danach gegriffen und die Handfläche nach oben gedreht. Meine Hände waren vom Surfen braun gebrannt,...

Erscheint lt. Verlag 19.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bauernhof • Beziehung • eBooks • Familie • Frauenromane • Küste • Liebe • Liebesroman • Liebesromane • Meer • Musik • Nordsee • Romane für Frauen • Romantische Komödie • Sommer • Sommerroman • St. Peter-Ording • Strandlektüre • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-641-27133-9 / 3641271339
ISBN-13 978-3-641-27133-6 / 9783641271336
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