»Erinnere dich an dein Versprechen, welches du mir gegeben hast, Moronthor!« grollte die Stimme aus der gigantischen Nebelfontäne, die wie ein ausbrechender Vulkan vor dem Weltexperten für Parapsychologie emporraste.
Der Meister des Übersinnlichen prallte zurück, während der Nebel menschenähnliche Konturen annahm. Ein Gesicht formte sich, das Professor Moronthor nur zu gut kannte. In der emporgehaltenen rechten Hand strahlte etwas wie ein Blitz, der in der Hand eines Mannes zuckt und nicht von der Stelle kann. »Zeus!« stieß Moronthor hervor. »Was willst du von mir?«
»Ich will dich erinnern, daß du versprochen hast, nach Troja zu gehen und dort den Streit der Götter zu beenden. Siehe, sie wächst ständig - die Macht der Dämonen-Götzen!«
»Aber Zeus?!« stieß der Mann hervor, der von den Dämonen der Hölle als der gefährlichste Gegner angesehen wurde. Professor Moronthor hatte sein Leben dem Kampf gegen die Mächte des Bösen gewidmet. Und je mehr er sich gegen die Kräfte des Chaos stellte, um so mehr stellte er fest, daß es nicht nur die Hölle des großen Kaisers LUZIFER war, die erbittert darum kämpfte, die Macht über die Erde zu erhalten. Andere Kräfte hatten sich erhoben, und das große Ringen zwischen den Kräften des Lichtes und den Mächten der Finsternis schien erst zu beginnen.
Amun-Re war aus jahrtausendelangem Schlaf erwacht und ließ die greuliche Zauberei des versunkenen Atlantis wiederauferstehen. Hinter den Meeghs, jenen Spinnendämonen aus den Schlünden des Weltalls, waren die MÄCHTIGEN als stärkere Wesen hervorgetreten. Denn die Meeghs waren für die MÄCHTIGEN wie Marionetten. Und doch hatte sie Professor Moronthor kaum davon abhalten können, die Menschheit zu vernichten.
Doch hinter den MÄCHTIGEN schien eine andere Machtkonzentration zu erwachen, von der Professor Moronthor nur Andeutungen gehört hatte. Die Stimmen der Eingeweihten sanken zum Flüstern hinab, wenn man den Namen nannte. Die SIPPE DER EWIGEN…
Auf dem Grund des Ozeans aber schlummerten jene grauenhaften Wesen, die man mangels eines besseren Namens als die Namenlosen Alten bezeichnet. In Rhl-ye, der gespenstischen Leichenstadt, legten sie sich zum Schlafen nieder, als sie spürten, daß ihre Zeit um war. Der große Cthulhu bewacht die Schwelle, hinter der sie sich im traumlosen Schlaf wiegen, bis die Stunde kommt, da es ihnen bestimmt ist, zu erwachen und den Platz in dieser Welt wieder einzunehmen, den sie einstmals vor dem Erwachen der Elben innehatten. Denn damals waren die Namenlosen Alten die Herren dieses Planeten.
Und nun waren wieder die Tore aufgetan worden, die zu jener Dimension führten, die man als die »Straße der Götter« bezeichnete. Unsichtbar für den Unkundigen befand sich mitten auf der Loreley ein Tor, das zu dieser fantastischen Welt führte. Durch dieses Tor war Zeus gekommen und schneller als der Gedanke nach Frankreich geeilt. Er war kein Dämon, und daher war der weißmagische Kreis, der Château Aranaque gegen die Mächte der Hölle abschirmte, für ihn kein Hindernis.
Ohne Ankündigung tauchte er in Professor Moronthors Arbeitszimmer auf, um ihn daran zu erinnern, daß er versprochen hatte, den Streit der Götter zu schlichten.
Denn nachdem Zeus gegen die Kräfte von Orthos eine Niederlage hatte hinnehmen müssen und nur durch Professor Moronthor die Lage wieder geklärt wurde, wuchs die Opposition gegen dieses Wesen, das man als den Göttervater bezeichnete.
Interessengruppen traten an ihn heran und wollten wissen, wer im Falle eines Falles Nachfolger von Zeus werden sollte.
Und Zeus wies auf die Stadt Troja, in deren höchstem Tempel eine Statue der Göttin Athene stand. In die Stirn dieser Götterstatue war ein Arrayhd-Kristall eingelassen.
Einer jener Machtsteine aus der Straße der Götter, ohne deren Magie dort kein Zauber wirksam wurde.
Doch dies war kein gewöhnlicher Kristall. Schon die Arrayhds zwölfter Ordnung konnten nur mehrere jener Wesen, die sich dort in der Welt als Götter bezeichneten, beherrschen.
Doch der Arrayhd von Troja, das wußte Professor Moronthor inzwischen, war ein Kristall dreizehnter Ordnung. Nicht einmal Zeus selbst konnte ihn berühren, ohne daß ihn die Macht des Steins nicht von innen heraus zerstörte.
Professor Moronthor jedoch kannte einen Menschen, der einen Arrayhd-Kristall dreizehnter Ordnung besaß und seine Macht auch nutzen konnte. Wenn es überhaupt ein Mensch war.
Ted Ewigk, der Reporter. Und er kämpfte auf derselben Seite wie Professor Moronthor…
Professor Moronthor hatte Zeus versprochen, durch die Kraft von Merlins Ring sich in die Vergangenheit zu versetzen und den Kristall aus Troja fortzuschaffen und in die Straße der Götter zurückzubringen. Denn Zeus, für den Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eins waren, sah, daß die Götter nicht selbst um den Stein kämpften, sondern die Sterblichen anstachelten, den Kristall für sie zu erobern.
Seit fast zehn Jahren schon belagerte das mächtige Heer der Griechen die Stadt des Königs Priamos. Zeus mußte sehen, daß Menschen starben, um die Stadt zu erobern, und andere fielen, um ihr Heim und ihre Familie zu verteidigen.
Das Gebot von Zeus an die Götter lautete, daß vier von ihnen für die Zeit von zehn Jahren die Stadt abzuschirmen hatten, während vier andere sie erobern sollten. Doch nun sorgten die Götterwesen nur dafür, daß gewisse Führer der Griechen oder Trojaner sich besonders hervortun konnten.
Mit Michael Ullich und Carsten Valenius, seinen unverwüstlichen Freunden aus Deutschland, war Professor Moronthor schon einmal in die Vergangenheit gesprungen und hatte miterlebt, wie der Held Patroklos vor dem skäischen Tor in den Staub sank und wie Achilles den Freund an Hektor grausam rächte.
Michael Ullich hatten die Trojaner gefangen, und Professor Moronthor war zugetragen worden, daß man ihn in dem höchsten Tempel von Troja den Göttern opfern wollte.
Um Moronthors Plan zu verwirklichen, mußten sie zurück in die Gegenwart springen. Als Priamos mit dem Leichnam Hektors, den ihm Achilles gewährte, das Lager der Griechen verließ, strebten auch Professor Moronthor und Carsten Valenius unter dem Schutz von Alberichs Tarnkappe nach draußen, um in ihre Eigenzeit zurückzuspringen.
»Warum die Eile, Zeus?« fragte Professor Moronthor. »Immerhin kann ich jederzeit in die gleiche Minute zurückspringen, in der wir von dort gekommen sind. Wenn am Morgen die Leichenspiele zu Ehren des Patroklos beginnen, werden wir wieder im Lager der Griechen sein. Niemand wird unser Verschwinden bemerken !«
»Es wäre so, wie du sagtest!« nickte Zeus. »Es wäre so…«
»Was ist geschehen?« fragte der Mann mit dem französischen Paß, der sich jedoch immer mehr als Weltbürger fühlte. Der durchtrainierte Körper hinter dem mächtigen Schreibtisch straffte sich. Das markante, sympathisch wirkende Gesicht trug einen gespannten Zug.
»Ich weiß es selbst nicht genau«, gestand Zeus. »Doch etwas ist erwacht. Nein… Erwacht ist nicht der richtige Ausdruck. Man müßte sagen, daß ›Etwas‹ aufmerksam geworden ist. Die Felsen von Ash’Naduur hallten wider von Waffengeklirr, Schmerzgeheul und Triumphgeschrei. Und es ist dort Blut geflossen. Schwarzes Blut…!«
»Asmodis, der Fürst der Finsternis, verlor dort im Kampf gegen mich seine rechte Hand!« nickte Professor Moronthor.
»Ihr hättet überall kämpfen dürfen… Nur nicht in den Felsen von Ash’Naduur!« grollte Zeus. »Bei der zweiten Auseinandersetzung waren sie bereits dabei. Ich spürte ganz deutlich, daß sie ihre Beobachter sandten.«
»Ich… Ich verstehe nicht!« stammelte der Meister des Übersinnlichen. »Was bedeutet das alles?«
»Du besitzt einen Arrayhd-Kristall!« stellte Zeus fest.
»Ja, sicher!« erklärte Professor Moronthor. »Doch seine Wirkung ist erloschen. Es waren zwei seltsame Gestalten da, die ihn berührten. Danach war seine Kraft verflossen. Es war, als wenn man das Licht ausschaltet!«
»Ich habe es geahnt!« stöhnte Zeus. »Sie sind aufmerksam geworden. Bald werden sie mich geortet haben. Dann werde ich mich dem Gericht des Großen Rates stellen müssen. Gegen die Loreley konnte ich kämpfen… !«
»Die Hexe Loreley ist vernichtet!« erinnerte ihn Moronthor. »Du selbst hast sie in den Rheinfelsen bannen können in jenen Tagen, als Alberich, der Nibelung, das Rheingold schmiedete und das Schwert Balmung und die Tarnkappe schuf!«
»Ja, die Loreley war eine Botin jener Macht, der ich einst angehörte. Doch ich zog mich von ihr zurück, weil ich ihre Ziele nicht billigen kann. Um mich nicht gegen jene Mächte zu stellen, die mir nahestehen, verschwand ich in der Tiefe des Universums, nachdem ich den Macht-Kristall zerstörte.«
»Du gehörtest… Du gehörtest zur SIPPE der Ewigen!« stieß Professor Moronthor hervor. Doch Zeus antwortete nicht darauf. Für einen Moment herrschte tiefes Schweigen.
»Der Zeitstrom verläuft anders, als du vorausberechnen kannst, Moronthor!« erklärte der Göttervater. »Du mußt dich eilen, wenn du deinen...