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Das Geheimnis von Dower House (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
336 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12004-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geheimnis von Dower House -  Nicholas Blake
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Ferguson O'Brien, hochdekorierter Pilot und Abenteurer, erhält seit einiger Zeit eine Reihe von äußerst eloquenten Morddrohungen, in denen ihm angekündigt wird, den zweiten Weihnachtsfeiertag nicht zu überleben. Doch von so etwas lässt sich jemand wie O'Brien nicht verunsichern, stattdessen schmiedet der alte Haudegen einen Plan, um seinen Mörder zu entlarven. Zur Unterstützung lässt er zudem den charismatischen Detektiv Nigel Strangeways nach Dower House kommen, der sich so in einer bunten Weihnachtsgesellschaft voll undurchsichtiger Motive wiederfindet. Und während Strangeways noch versucht, aus den Gästen schlau zu werden, wird O'Brien pünktlich nach dem zweiten Weihnachtsfeiertag tot aufgefunden - doch dem einen Toten folgen noch weitere ...

Nicholas Blake ist das Pseudonym des Autors Cecil Day-Lewis (1904-1972). Er war ein irisch-britischer Akademiker, arbeitete eine Zeit lang beim Verlag Chatto & Windus, wurde von der Queen zum Hofdichter ernannt und brauchte irgendwann Geld, weshalb er begann, unter Pseudonym äußerst erfolgreiche psychologische Kriminalromane zu schreiben. Er ist außerdem der Vater des Oscar-prämierten Schauspielers Daniel Day-Lewis.

Nicholas Blake ist das Pseudonym des Autors Cecil Day-Lewis (1904–1972). Er war ein irisch-britischer Akademiker, arbeitete eine Zeit lang beim Verlag Chatto & Windus, wurde von der Queen zum Hofdichter ernannt und brauchte irgendwann Geld, weshalb er begann, unter Pseudonym äußerst erfolgreiche psychologische Kriminalromane zu schreiben. Er ist außerdem der Vater des Oscar-prämierten Schauspielers Daniel Day-Lewis.

Kapitel 1

Die Geschichte des stellvertretenden Polizeipräsidenten


Ein Winternachmittag in London. Die Dämmerung senkt sich mit jener schnellen und geräuschlosen Effizienz herab, wie sie den Aufzügen in Tausenden von Hotels und Kaufhäusern und Bürogebäuden eigen ist. Blinzelnde, sich verschiebende, sich entfaltende, flackernde und grelle Leuchtreklamen künden von diversen Segnungen der Zivilisation des 20. Jahrhunderts, preisen die Göttlichkeit dieses Portweins und jener Schauspielerin, und ein paar Sterne, welche die Dreistigkeit besessen hatten, am Himmel zu erscheinen, haben sich allem Anschein nach eilends aus diesem Wettstreit in höhere Regionen zurückgezogen. In den Straßen deutet die Tatsache, dass Kinder und in braunes Packpapier gewickelte Päckchen überwiegen, darauf hin, dass Weihnachten vor der Tür steht. Auch in den Schaufenstern häuft sich jene unanständige Vielfalt von Schnickschnack, die wohl nur ein allumfassender guter Wille zu tolerieren vermag – Kalender zur Befriedigung jeder Art von schlechtem Geschmack oder persönlicher Animosität, verchromte Zigarrenabschneider, Schachteln mit Zahnstochern aus Elfenbein, namenlose Dinge aus Kunstleder, bebilderte und vielleicht auch ins Bild setzende Bücher, unechte Steine und synthetische Nahrungsmittel – kurz, eine Orgie des Überflüssigen. Menschen und Geld sind in fieberhafter Bewegung. Selbst der Verkehr scheint mit noch gewaltigerem Lärm und noch größerer Heftigkeit durch ihre Hauptschlagader zu pulsieren, als liefe die ganze Stadt verzweifelt eine letzte Runde.

Der Vavasour Square lag jenseits der Hauptströme dieser weihnachtlichen Fluten. Seine prächtigen, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Häuser standen abseits in der sich verdichtenden Dunkelheit, wie Aristokraten, die den protzigen und lauten Geist der Zeit missbilligten. Der Lärm der großen Straßen erreichte die Häuser nurmehr gedämpft als ein Flüstern, in Verlegenheit gebracht durch den Hochmut ihrer Fassaden. In der kleinen Parkanlage in der Mitte des Platzes deuteten die Äste der Platanen vor dem Himmel wie die in Brokat gehüllten Arme edler Frauen gemessene und vollkommene Bewegungen an, und das Gras verfügte über geradezu aristokratische Noblesse. Selbst die Hunde, die das Privileg genossen, in dieser exklusiven Gegend zu wohnen, schienen ihre Freunde oder ihre Laternenpfähle mit der Anmut von Beaus oder Männern von Welt zu begrüßen. Nigel Strangeways, der gerade aus einem Fenster der Nummer 28 sah, murmelte ein Verspaar von Pope vor sich hin. Er blickte auf seine Weste hinab und stellte mit unbestimmtem Erstaunen fest, dass sie nicht aus geblümter Seide, sondern aus westenglischem Stoff war. Er wäre noch weit erstaunter gewesen, hätte man ihm gesagt, dass er schon bald aus diesem stillen Winkel hinausgewirbelt werden und es mit dem merkwürdigsten, kompliziertesten und melodramatischsten Fall seiner bisherigen Laufbahn zu tun bekommen sollte.

Nigel hatte sich nach kurzem Aufenthalt in Oxford, während dem er Demosthenes zugunsten Freuds vernachlässigt hatte, dem Beruf des Ermittlers zugewandt – die einzige Tätigkeit, die noch, wie er zu bemerken pflegte, Raum für gutes Benehmen und wissenschaftliche Neugier ließ. Seine Tante, Lady Marlinworth, bei der er an diesem Nachmittag den Tee nahm, sah gutes Benehmen als eine Selbstverständlichkeit an. Was jedoch die wissenschaftliche Neugier betraf, war sie sich nicht ganz so sicher – sie hatte irgendwie den Beigeschmack des Banausenhaften, des nicht ganz so Gesellschaftsfähigen. Und es gab noch anderes an Nigel, das ihr Unbehagen bereitete – beispielsweise die Angewohnheit, seine Teetasse mitzunehmen, wenn er im Raum umherwanderte, und sie dann, wo es sich gerade anbot, auf der Kante eines Möbelstücks abzustellen.

»Nigel«, sagte sie, »neben dir steht ein kleines Tischchen. Das wäre wohl geeigneter als die Sitzfläche dieses Stuhles dort.«

Nigel nahm den Gegenstand des Anstoßes fort und stellte ihn auf dem Tisch ab. Er sah zu seiner Tante hinüber. Sie war zerbrechlich und von so zarter Farbe wie eine ihrer Teetassen und passte vollkommen in diese unirdische Kulisse. Er fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn man sie urplötzlich mitten in eine gewaltgeladene, vulgäre Situation versetzte, sie etwa mit einem Mord konfrontierte. Ob sie schlicht in unendlich viele winzige Teilchen zerspringen würde?

»Ich habe dich wirklich lange nicht mehr gesehen, Nigel. Ich hoffe, du hast dich nicht überarbeitet. Dein, äh, Beruf muss sehr anstrengend sein. Aber er bietet doch sicher auch Entschädigung für all die Mühen. Du lernst sicher eine ganze Reihe interessanter Leute kennen.«

»Überarbeitet bin ich bestimmt nicht. Ich habe seit dieser Geschichte in Sudeley Hall keinen Fall mehr gehabt, der einer Erwähnung wert wäre.«

Lord Marlinworth legte bedächtig sein Sandwich hin und klopfte mit zwei Fingern zart auf den Rosenholztisch, der vor ihm stand. Seine Erscheinung entsprach so sehr der des Grafen in einer musikalischen Komödie, dass Nigel ihn nie länger anschauen konnte, ohne sich in den Arm kneifen zu müssen.

»Ja, ja«, sagte Lord Marlinworth, »das war doch diese Sache in der Preparatory School, wenn ich mich recht erinnere. Die Zeitungen veranstalteten damals einen ziemlichen Wirbel. Habe seit meinen Jugendjahren keine Bekanntschaft mehr mit Lehrern gemacht. Zweifellos hervorragende Leute. Obgleich ich die Verweichlichung nur tadeln kann, die sich heutzutage allenthalben in der Erziehung einschleicht. ›Wer mit der Rute spart, verzieht das Kind‹, nicht wahr. Ich glaube, ein Verwandter von uns übt den Lehrberuf aus, ist Direktor einer recht angesehenen Schule … ist es Winchester? Oder Rugby? Mir ist der Name gerade nicht gegenwärtig.«

Nigel blieben weitere Erinnerungen Lord Marlinworths erspart, da in diesem Augenblick sein Onkel, Sir John Strangeways, hereingeführt wurde. Sir John war der Lieblingsbruder von Nigels Vater gewesen, und so war bei dessen Tod Sir John der Vormund des Jungen geworden. Innerhalb weniger Jahre hatte sich zwischen den beiden eine innige Zuneigung entwickelt. Sir John war ein Mann von weniger als mittlerer Körpergröße – er hatte einen vollen, rotblonden Schnurrbart und große Hände, und seine Kleidung vermittelte stets den Eindruck, als hätte er gerade erst seinen alten Gärtneranzug abgelegt und sich ebenso hastig wie unwillig umgezogen. Andererseits war sein Betragen energisch, zielgerichtet, selbstsicher und irgendwie aufmunternd, wie das eines Hausarztes oder kundigen Psychiaters – während seine Augen dagegen träumerisch auf unbekannte Fernen gerichtet waren. Welche Rückschlüsse bezüglich seines Berufs man aus diesen einander widersprechenden Wesensmerkmalen auch hätte ziehen können, der zutreffende wäre mit ziemlicher Sicherheit nicht dabei gewesen. Sir John war weder Landschaftsgärtner noch Poet noch Arzt, sondern stellvertretender Polizeipräsident von London.

Er kam munter hereingestapft, küsste Lady Marlinworth, versetzte ihrem Mann einen Schlag auf den Rücken und begrüßte Nigel mit einem Nicken.

»Grüß dich, Elizabeth! Grüß dich, Herbert! Habe dich gesucht, Nigel. Habe in deiner Wohnung angerufen, und man sagte mir, du seist hier. Habe einen Job für dich. Ah, eine Tasse Tee. Danke, Elizabeth. Du bist also noch nicht dazu übergegangen, zur Teezeit Cocktails zu trinken.« Er zwinkerte der alten Dame verschmitzt zu. In gewisser Weise war er ein schlichtes Gemüt und konnte sich das Vergnügen einer Fopperei einfach nicht verkneifen.

»Cocktails zur Teezeit! Mein lieber John! Was für ein schrecklicher Gedanke! Cocktails, ich bitte dich! Also, ich kann mich noch daran erinnern, wie mein Vater einmal einen jungen Mann praktisch vor die Tür gesetzt hat, weil er vor dem Abendessen um einen Cocktail gebeten hatte. Nun war der Sherry meines Vaters im ganzen Land berühmt, was die Sache noch schlimmer machte. Ich fürchte, Scotland Yard verhilft dir zu schlechten Gewohnheiten, John.«

Die alte Dame warf den Kopf zurück, insgeheim stolz darauf, dass man sie der Exzesse leichtlebiger junger Dinger für fähig hielt. Lord Marlinworth pochte diskret auf den Tisch und sagte mit der Miene dessen, der alles versteht und alles zu verzeihen vermag: »Ah ja, Cocktails. Ein aus Amerika eingeführter Drink, wie man mir sagte. Zweifellos breitet sich die Angewohnheit, zu jeder Tageszeit Cocktails zu trinken, in gewissen Kreisen immer mehr aus. Ich habe stets einen guten Sherry für meine Bedürfnisse als ausreichend angesehen, aber ich glaube, diese amerikanischen Getränke sind durchaus nicht schlecht. Tempora mutantur. Wir leben in Zeiten schnellen Wandels. In meiner Jugend hatte ein Mann noch Zeit, das Leben...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2020
Übersetzer Jobst-Christian Rojahn
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Cecil Day-Lewis • Cosy Crime • Detektiv • Drohbrief • Erster Weltkrieg • Ferguson O’Brien • Fliegerass • Fußspuren • Großbritannien • Krimi-Klassiker • Kriminalroman • Landhaus • London • Mord • Nigel Strangeways • Nostalgiekrimi • Pilot • Schnee • Scotland-Yard • Weihnachten • Weihnachtsgesellschaft • Weihnachtskrimi
ISBN-10 3-608-12004-1 / 3608120041
ISBN-13 978-3-608-12004-2 / 9783608120042
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