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Rechtsfahrgebot -  Daniel Waechter

Rechtsfahrgebot (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
6 Seiten
TWENTYSIX (Verlag)
978-3-7407-6698-6 (ISBN)
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Der Roman zum Ende der Demokratie. Der Journalist Jan Krone erzählt uns von einem Deutschland in dem die Demokratie auf ihre dunkelste Stunde zugeht. Ihr Platz wird eingenommen von einem Regime, das zügig seine Macht und Autorität ausbaut. Geschichte wiederholt sich nicht. Wirklich? Die dramatischen Ereignisse lassen niemanden unberührt, am Wenigsten unseren Erzähler selbst. Er wandelt sich zum Gegner des Regimes und nimmt den Kampf auf. Wird er erfolgreich sein? Eines jedenfalls ist sicher: wer diese Erzählung gelesen hat, denkt anders über die Gefahren für unsere Freiheit.

Daniel Waechter gehört zu den Insidern. Er ist seit mehr als 20 Jahren im politischen Betrieb tätig, unter anderem als Mitarbeiter in Parlamenten, bei einer großen NGO und einer Regierung. Wenn er über Politik schreibt, ist die Grenze zwischen Tatsachenbericht und Roman fließend. Er sagt: "Politik ist ein extremer Lebensraum. Wer über sie erzählt, muss nicht viel dazu erfinden, die Realität liefert genügend denkwürdige Szenen".


Zweites Buch


 

Der Sturm


Wachstum

 

Die DV wird größer. Ich habe eben ihre Pressemitteilung zur Einweihung der neuen Parteizentrale gelesen. Die nennen das „Parteihaus“, aber das ist untertrieben, denn es ist ein großer Kasten. Allerdings nicht, wie es dem Stil der Zeit entspräche, aus Glas und Stahl. Stattdessen haben die tatsächlich Ziersäulen, mächtiges Mauerwerk aus Großquadern und einen eindrucksvollen Innenhof – und das alles in einem Neubau! Ein Team von RTL war dort und Josef hat mir das ungeschnittene Material geschickt. Nachdem ich die Bilder gesehen habe, muss ich sagen, arbeiten möchte ich da nicht. Man wird erschlagen, wenn man in das Gebäude geht. Jeden Morgen erschlagen werden ist keine schöne Vorstellung. Ganz offensichtlich haben die das aber auch nicht für die Mitarbeiter gebaut, sondern für die Partei. Es zeigt, wie die Partei sich sieht und fühlt. Aus dem Blickwinkel ist es ein gelungenes Bauwerk. Eine begehbare Skulptur mit dem Namen „DV“.

 

Es gibt keine „Co-Working-Spaces“ oder Großraumbüros, nichts von dem ganzen modernen Schnick-Schnack. Stattdessen endlos viele Türen, die signalisieren, wir haben endlos viele Mitarbeiter. Die RTL-Leute haben mal geschätzt, dass das 300 Einzelbüros sind. Was man so hört hat die DV aber nur um die 150 Mitarbeiter in Berlin. Der Rest der Büros sind also entweder steingewordene Propaganda oder Zukunftshoffnung – oder beides. Und wenn das rauskommt, auch egal, denn so potent muss man als Partei erst mal sein, Büros zu bauen, die niemand braucht. Die Räume selbst unterscheiden sich extrem. Es gibt wohl Mini-Büros einerseits und auf der anderen Seite die der Führungscrew, welche eher Sälen gleichen. Raumfragen sind Machtfragen. Das lässt sich auch an der Wegstrecke ablesen. Vom Eingang hat man beispielswiese zum Büro des Generalsekretärs nahezu den weitesten Weg. Man muss sich den ganzen Prachtbau erst einmal ansehen, ob man will oder nicht, bevor man beim „General“ anlangt. Dort tun einem dann bereits die Füße weh und genau so ist es beabsichtigt. Die Größe des Gebäudes und damit die Größe der Partei, die es errichtet hat, soll einem da bereits in den Knochen stecken. Nebenan liegt dann auch gleich das Büro des Vorsitzenden. Wen man da drinnen antrifft, steht draußen allerdings nicht dran. Während bei allen anderen Name und Funktion am Türschild stehen, kann man hier nur „Vorsitzender“ lesen, obwohl der ja einen Namen hat: Karl Hammerschmidt. Deutlicher könnte die DV nicht machen, wie unwichtig in der Partei diese Funktion ist, die rein formalen Charakter hat. Der eigentliche Chef, so hört man, hat sein Büro gar nicht im Gebäude. Auch kein schlechter machttaktischer Zug: wer von ihm etwas will, und das geschieht in so einer autoritär strukturierten Partei wie der DV ständig, muss regelrecht hinpilgern. Allerdings, auch das sagen Gerüchte, dürfen das nur Wenige, die dann als Boten für alle Anderen agieren. Elektronisch kommunizieren tut der Mann angeblich nicht so viel, womit er erreicht, dass es gar keine Alternative gibt, als zu ihm zu kommen. Wie gesagt, machttaktisch ist das keine schlechte Inszenierung.

 

Das gilt auch für das Gebäude seiner Partei. Es ist alles andere als ein reiner Zweckbau, den die da errichtet haben. Reine Nüchternheit und Effizienz sind hier keine entscheidenden Maßstäbe. Ganz offensichtlich hat hier eher das Auge des Kulissenbauers den Ausschlag gegeben, denn vieles hat den Charakter einer Theaterbühne. Da wäre beispielsweise der sogenannte „Saal des Vorstandes“. Ein pompöses Gebilde mit Holzvertäfelung an der Wand und einem massiven Tisch in der Mitte, der nach Tonnen wiegen muss. Um den Tisch herum gruppieren sich dreißig aufwendig gepolsterte, sicher sündhaft teure, Lederdrehstühle. Man muss dazu wissen, dass der Vorstand der DV, und auch das steht lediglich auf dem Papier, überhaupt nur zwanzig Mitglieder hat. Aber das ist nicht alles. Vor jedem der Polsterstühle findet sich, im Tisch eingelassen, ein herausfahrbarer Touchscreen und natürlich ein Mikrofon. An einer der Längsseiten des Tisches, dort wo der Vorsitzende seinen Platz hat, erkennbar an dem Ledersessel mit der höheren Lehne, ist zudem so eine Art Regiepult angebracht, mit dem man Mikrofone an- und abstellen kann sowie Dokumente auf die Touchscreens schicken. Es versteht sich nahezu von selbst, dass an den zwei langen Seiten des Raumes zudem große Monitore hängen, zu welchem Zweck auch immer, wo man doch an jedem Platz bereits einen Screen hat.

 

Die DV hat insbesondere diesen Saal den Journalisten mit ganz besonderem Stolz gezeigt. Der RTL-Redakteur, der mit dem Kamerateam dort war, hat Josef erzählt, dass alles noch recht jungfräulich unberührt gewirkt hat. Auf den Stühlen, so glaubte er zu erkennen, hat wohl noch nie jemand gesessen und über mindestens zweien von den Touchscreens klebte noch die Schutzfolie. Wahrscheinlich hat hier noch nie ein Vorstand getagt und wird es auch nie tun. Der Saal muss nur da sein um zu repräsentieren, einen anderen Zweck hat er für die DV nicht. Ihre Mechanik funktioniert anders als die von demokratischen Parteien.

 

Und dann überall diese befremdlichen Abschweifungen ins Kultische. Zum Beispiel der Innenhof des Gebäudes. Man findet in dem ganzen Bau Deutschlandfahnen, überall. Aber im Innenhof: 20 habe ich auf den Aufnahmen gezählt, 10 auf jeder Längsseite. Für einen normalen Menschen ist das in seiner geschmacklosen Übertreibung nur schwer zu ertragen, für die DV jedoch zweifellos ein adäquater Ausdruck ihres Gefühlslebens.

 

 

Treusorgender Familienvater

 

Die Bildwelt ist ja nicht nur ihren Lesern treu, sondern auch ihren Helden. Einer davon ist „Philip von Watching you“. Der Mann muss tatsächlich so heißen, denn ich habe in der Bildwelt nie einen anderen Nachnamen bei ihm gelesen als „….von Watching you“. Form folgt Funktion. Jedenfalls: dieser Philip war ja aus dem Container geflogen, nachdem er sich dort sehr robust zugunsten der DV ausgesprochen hatte. Nun ist er wieder aufgetaucht: zuerst bei der DV und dann in der Bildwelt. Die Überschrift des Artikels: „Philip von Watching you schiebt jetzt Wache bei der DV“. Das kam so: dem arbeitslosen Schlosser aus Limburg, war nach seinem Ende bei Watching you noch eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, also einen Tag, in den Boulevard-Medien beschieden und dann war er wieder, was er zuvor war: ein armes Würstchen. Das wollte er nicht bleiben, war zugleich aber auch nicht an geregelter Arbeit interessiert. Ausweg: DV. Dort haben sie ihren Trash-TV-Märtyrer mit offenen Armen empfangen. Er wurde Mitglied und Mitarbeiter. Heute ist er Teil der „Sicherheitsmannschaft“ der DV für Veranstaltungen. Dort steht er dann, in der DV-typischen schwarzen Gewandung, schaut grimmig, lacht bei den Reden an den richtigen Stellen und hilft ganz allgemein, jeder Massenkundgebung das Gepräge eines Aufmarsches zu geben. Die Bildwelt jedoch geht tiefer, sie will den Menschen „Philip von Watching you“ kennenlernen. Sie hat ihn medial wieder ausgegraben und einen Artikel veröffentlicht, an dessen unterer Rand eine sechsteilige Strecke kleiner Bildausschnitte von seinem Körper zu sehen war, die seine Tattoos zeigten. Dort war das gesamte Gefühlsleben von Philip ablesbar: ein Tattoo für „Mama“ und eines mit dem Namen „Nadine“, einer Verflossenen. Dann noch „Selma“, sein unehelich gezeugtes Kind. Philip sagt: „Leider konnte ich in den letzten Jahren keinen Unterhalt für Selma zahlen. Durch meinen Job bei der DV geht das jetzt wieder. Familie ist so wichtig.“. Dann kommen die politischen Tattoos: eine Reichskriegsflagge, eine Stuka, sehr detailreich, im Anflug auf ein nicht sichtbares Ziel und, ganz neu, die zwei schlichten Buchstaben „DV“.  Ein Tattoo fehlt, das hat er wieder weglasern lassen. Es handelte sich um ein chinesisches Schriftzeichen, das nach Philips Aussage das Wort „Stärke“ symbolisiert. Aber bei der DV mögen sie ja keine Chinesen. Außerdem gab es im Artikel noch weitere Bilder: Philip in martialischer Pose bei einer Kundgebung, Philip als treusorgender Familienvater, knuddelnd auf einem gammeligen Sofa mit der bedauernswerten Selma und schließlich Philip in einem Selfie mit Thomas Aurev. Im Text zu den vielen Bildern schrieb die Bildwelt: „Philip hat seinen Weg gemacht, von der Showbranche in die Politik. Er sagt: `Früher habe ich nur an mich gedacht. Deshalb bin ich zu Watching you. Heute denke ich immer zuerst an Deutschland. Denn jetzt bin ich bei der DV. Hier gehöre ich her.“.

 

 

Ein Sturm

 

Ich war heute bei einer Wahlkampfveranstaltung der DV. Neugier und Feindschaft gleichermaßen haben mich hingetrieben. Eine Schildkappe tief im Gesicht, ein falscher Schnauzer und eine, ebenso falsche, Brille. Das ist meine übliche Verkleidung, wenn ich auf der Straße mal unerkannt bleiben will – so auch heute. Was sich abspielte war erstaunlich, faszinierend, befremdlich, aber auf jeden Fall so, dass man bis zum Schluss da bleiben wollte. Ähnlich wie bei einer guten Serie, wo man nie weiß was gleich noch passieren wird, es aber unbedingt in Erfahrung bringen möchte.

 

Als ich den Berliner Alexanderplatz betrat, war das wie der Eintritt in ein Amphitheater. Denn sie hatten sich nicht darauf beschränkt, vorne einfach eine Bühne aufzubauen. Vielmehr standen links und rechts von der Bühne im Halbkreis abgehend unüberschaubar viele riesige Flaggen. Keine Parteiflagge, nicht eine einzige, stattdessen nur Schwarz-Rot-Gold. Partei und Nation – für die DV ist das ohnehin...

Erscheint lt. Verlag 10.8.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7407-6698-0 / 3740766980
ISBN-13 978-3-7407-6698-6 / 9783740766986
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