John Sinclair 2194 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-9976-9 (ISBN)
Dagmar Hansen öffnete die Augen!
Ihr Herz pumpte sofort schneller, als ihr klar wurde, dass sie nicht mehr neben ihrem Lebensgefährten und Partner Harry Stahl stand. Alles war anders geworden, und das innerhalb weniger Sekundenbruchteile. Eine fremde Macht musste eingegriffen haben, denn sie befand sich nicht mehr in ihrer Wohnung, nicht mehr in Wiesbaden und wahrscheinlich nicht einmal mehr auf der Erde ...
Erst nach einiger Zeit wurde ihr klar, dass sie diesen Ort kannte. Es handelte sich um eine Welt, von der sie gehofft hatte, sie nie wieder betreten zu müssen, und die eigentlich auch gar nicht mehr existieren durfte.
John Sinclair hatte sie vor einiger Zeit mit seinem Kreuz vernichtet. Und doch hockte sie auf dem kalten Betonboden und starrte auf die steinernen Wände und die unendliche, allumfassende Schwärze, die sich statt einer Decke über ihr ballte.
Sie befand sich in einem Raum, zu dem es nur einen Zugang gab. Aus den Wänden drang ein kaltes, graues Licht, und sie erinnerte sich, dass sich in dem Gestein auch schon Gesichter von Menschen abgezeichnet hatten.
Diesmal war das nicht so, und trotzdem war sie davon überzeugt, wieder in der Welt eines Dämons gelandet zu sein, der versucht hatte, sie zu seiner Dienerin zu machen. Denn wie er gehörte sie zu den Psychonauten.
Wie bin ich hierhergekommen?
Diese Frage spukte ihr unentwegt durch den Kopf, während sie sich langsam aufrichtete.
Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sie zum ersten Mal mit der Magie dieses Psychonauten-Dämons in Kontakt gekommen war. Damals hatten die drei Jugendlichen Jana Hartmann, Nicolas Reif und Tom Kessler einen Abstecher in das verlassene Haus des vor fünfzig Jahren von Toms Großonkel erschossenen Serienmörders Alfred Kemter gemacht und waren dort auf ein Tor in eine andere Dimension gestoßen. Währens Nicolas dadurch zu einem Dämon geworden war, hatten sich Jana und Tom unter dem Einfluss des Dämons in einen dunklen Schacht gestürzt.1)
Einige Zeit später war ihr Jana wieder begegnet, diesmal als Geist, die von einer jungen Frau Besitz ergriffen und sie zum Mord an ihrem Ehemann getrieben hatte. Jana war schon zu Lebzeiten mehr als nur ein Mensch gewesen, wahrscheinlich sogar ein Engel, und diese Besonderheit hatte sie befähigt, sich gegen den Einfluss des Dämons aufzulehnen und Dagmar dazu zu benutzen, Selbstmord zu begehen.2)
Das alles war ebenfalls in dieser Dimension geschehen, in der sie zum ersten Mal auf diesen abgrundtief hässlichen, schwarzhäutigen Dämon gestoßen war, den John, bevor das Monstrum sie töten konnte, erst mit dem Bumerang geköpft und anschließend mit dem Kreuz scheinbar vernichtet hatte.
An all das konnte sie sich noch genau erinnern, nur beantwortete das nicht die Frage, wie sie wieder in diese Welt gelangt war. Das letzte Mal war sie von einem magischen Spiegel an diesen Ort gerissen worden, nur existierte dieser nicht mehr.
Harry und sie hatten einen völlig normalen Arbeitstag beim BKA erlebt, ein paar Berichte geschrieben und sich mit Kollegen ausgetauscht. Anschließend waren sie in einem Restaurant in den Wäldern des Taunus essen und gerade dabei gewesen, durch die Tür zu gehen und in ihre gemeinsame Wohnung zu treten.
Schlagartig war alles anders geworden. Dagmar atmete tief durch und versuchte, sich zu sammeln. Automatisch tastete sie ihren Körper ab und stellte überrascht fest, dass sie ihre Beretta in der Hand hielt. Die Macht des Dämons musste ebenfalls dafür gesorgt haben, denn sie hatte eigentlich die ganze Zeit über in ihrer Jacke gesteckt.
Aber warum? Was bezweckte dieser Dämon damit, ihr die Möglichkeit zu geben, sich zu wehren? Mal ganz davon abgesehen, dass das geweihte Silber gegen den Herrscher dieser Welt wahrscheinlich nichts ausrichten würde, konnte sie sich noch auf ihre latenten Psychonautenkräfte verlassen.
Sie musste etwas tun. Vielleicht diesen Raum verlassen und erneut durch das Labyrinth schleichen, aus dem diese Welt im Prinzip bestand. Dann würde sie wohl auch wieder auf die zahlreichen Toten treffen, deren Gesichter von einem dämonischen Schatten verdeckt wurden und die Fratzen der Opfer des Dämons und seines Kultes erleben, die sich teilweise aus den Wänden drückten.
Während sie überlegte, was sie tun sollte, keimte ein weiterer Gedanke in ihr auf: Wenn sie schon in diese Dimension gerissen worden war, was war dann mit Harry geschehen?
Sie kam nicht dazu, den Gedanken zu Ende zu spinnen, denn vor ihr tat sich etwas. Aus dem einzigen Zugang strömte heller Nebel hervor, und innerhalb der Schwaden zeichnete sich bald ein Schatten ab. Noch war er eine unförmige Silhouette, erst mit der Zeit nahm er die Gestalt eines Menschen an.
Dagmar hätte fast geschrien, als sie sah, dass da niemand anderes als Harry Stahl auf sie zu kam. Sie wollte auf ihn zustürmen und ihn umarmen, doch etwas hielt sie davon ab. Es war sein Blick, der nicht nur dafür sorgte, dass ein Schauer über ihren Rücken lief, sondern auch, dass sie sich härter gegen die Wand presste.
Harry starrte sie an, als würde er sie töten wollen …
☆
»Komm schon, Sarah, lass uns hier verschwinden. Ich mache mir gleich in die Hose.«
Sarah Price verdrehte die Augen, als ihre Freundin Erin ihr die Worte ins Ohr flüsterte. Sie war ein Jahr jünger als die Sechzehnjährige und verhielt sich häufig noch wie ein kleines, eingeschüchtertes Mädchen.
»Jetzt komm mal wieder runter«, entgegnete sie. »Hier unten gibt es absolut nichts, vor dem man sich fürchten muss.«
»Außer vor Erins Hose«, warf Katy, ihre gemeinsame Freundin, ein.
Zusammen bildeten sie ein unzertrennliches Trio, was auch nicht besonders überraschend war, schließlich waren sie die drei einzigen Mädchen ihres Alters in dem kleinen Dorf in den Highlands, in denen sie lebten.
Bei Jimmy Cavill, Sarahs Freund, lagen die Dinge schon anders. Er war erst vor wenigen Wochen in die Nähe gezogen, in ein einsam gelegenes Schloss. Zuvor hatte er auf einem Internat in der Schweiz gelebt und war dadurch vollkommen anders aufgewachsen als die anderen Jungen in ihrem Alter. Seine gebildete Art, aber auch der Hauch des Geheimnisvollen, der ihn stets umgab, zog sie geradezu magisch an.
Jimmy wusste auch von ihrem Faible für Horrorfilme, weshalb er sie – gemeinsam mit ihren Freundinnen Erin und Katy – dazu eingeladen hatte, einen Ausflug in die geheimen Katakomben einer bekannten, in der Nähe liegenden Schlossruine zu unternehmen – durch einen Zugang, den nur er zu kennen schien.
»Wir sind gleich da«, erklärte Jimmy, der einige Meter vorausgegangen war und den düsteren Gang mit seiner Taschenlampe ausleuchten wollte.
Sarahs Freund wollte sie nicht nur durch die Katakomben führen, sondern ihnen auch einen ganz besonderen Fund zeigen. Um was genau es sich dabei handeln sollte, darüber hatte er sich bisher ausgeschwiegen. Sarah rechnete mit einem Schatz oder einer Leiche, zumindest irgendetwas, das sie aus der Fassung bringen sollte.
Als sie in einen größeren Raum traten, war sie zunächst enttäuscht. Auf den ersten Blick war er vollkommen leer. Nicht einmal ein altes Gemälde oder irgendwelche Inschriften zeichneten sich an den Wänden ab. Hier war einfach nichts.
»Was soll das?«, fragte Katy und löste sich von Sarahs Seite. Die Siebzehnjährige, an der vor allem der lange, dunkle Pferdeschwanz, das bauchfreie Top und die Lederjacke auffielen, zeigte gerne ihr Selbstbewusstsein, besonders Jungen in ihrem Alter gegenüber. »Warum hast du uns hierhergeführt? Hier ist doch gar nichts. Oder willst du uns hier alle zugleich verführen?«
Jimmy blieb gelassen und trat einen Schritt zur Seite. »Du irrst dich. Hier ist etwas, sogar etwas ganz Besonderes. Du musst nur genau hinsehen.«
Katy lachte, während sich Sarah allein auf die Stelle konzentrierte, an der Jimmy gerade noch gestanden hatte. Der Boden und die Wand waren nicht vollkommen ruhig. Je länger sie hinsah, desto mehr glaubte sie, dass sich dort eine besondere Substanz befand, die sich sogar leicht zu bewegen schien.
Auch Katy schien die Masse bemerkt zu haben und ging vorsichtig einen Schritt auf sie zu. »Was zum Henker ist das?«, fragte sie entgeistert. »Ist das Teer?«
Jimmy schüttelte den Kopf. »Es ist ein Tor in eine andere Welt.«
»Was?«
»Warum springst du nicht hinein und findest es heraus?«
»Was, ich …«
Katy kam nicht mehr dazu, den Satz zu Ende zu formulieren. Urplötzlich huschte Jimmy auf sie zu, packte sie an den Schultern und schleuderte sie in die schwarze Masse hinein.
Sarahs Augen weiteren sich, als ihre Freundin einfach in der Substanz verschwand und nicht mehr zurückkehrte. Nicht einmal einen Schrei hörte sie.
Dafür sah sie, dass sich ihr Freund verändert hatte. Seine Augen waren nicht mehr normal, sondern genauso schwarz wie die Masse am Boden. »Warum kommst du nicht näher, Sarah?«, fragte er in einem seltsamen Tonfall. »Ich will dir eine andere Welt zeigen. Eine Welt, nur für uns beide …«
»Nein!«, schrie sie, gepackt von blankem Entsetzen. Dann riss sie Erin einfach mit sich und rannte davon, irgendwo in die Dunkelheit hinein.
☆
Ich war zurück in den Highlands, einer Region, zu der ich schon immer eine besondere Bindung verspürte. Vor allem, weil meine Eltern von dort stammten, nach der Rente meines Vaters in ihre Heimat Lauder zurückgekehrt und dort auch gestorben waren. Auch wenn ich quasi mein ganzes Leben in London verbracht hatte, war dieses Gebiet doch in gewisser Weise ein Teil von mir.
Schroffe Gebirgszüge, düstere Wälder und malerische Täler mit den berühmten und weniger berühmten Lochs, den Seen der Highlands, aber auch kleine Dörfer, uralte Schlösser und unheimliche Ruinen prägten das Landschaftsbild und zeugten teils von der bewegten Geschichte dieser Region.
Sie war eine Welt für sich, abgeschnitten von den wirtschaftlichen Zentren des Vereinigten...
Erscheint lt. Verlag | 28.7.2020 |
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Reihe/Serie | John Sinclair |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7325-9976-0 / 3732599760 |
ISBN-13 | 978-3-7325-9976-9 / 9783732599769 |
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