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Die Liebe Geld (eBook)

Eine Komödie
eBook Download: EPUB
2020
112 Seiten
Paul Zsolnay Verlag
978-3-552-07218-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Liebe Geld - Daniel Glattauer
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Geld oder Liebe? Nach 'Gut gegen Nordwind' und 'Die Wunderübung' die neue Komödie des Bestsellerautors Daniel Glattauer
Alfred braucht Geld für ein Geschenk zum Hochzeitstag und erlebt ein Trauma. Der Geldautomat verwehrt ihm seit Tagen den Zugriff auf sein Konto. Die Betreuerin versichert ihm, dass es seinen Ersparnissen gut gehe, dass sie aber gerade auf 'Geschäftsreise' seien. Und der smarte Bankdirektor will über alles reden, nur nicht über Finanzen, dieses Thema langweilt ihn zu Tode. Lieber präsentiert er dem verzweifelten Kunden die Bank der Zukunft, die das Menschliche in den Vordergrund stellt. - Was vor allem bei Ulli, Alfreds Ehefrau, überraschend gut ankommt ...

Daniel Glattauer, geboren 1960 in Wien, Autor und ehemals Journalist. Bücher (u.a.): Die Ameisenzählung (2001), Darum (2003), Die Vögel brüllen (2004), Der Weihnachtshund (Neuausgabe 2004), Theo. Antworten aus dem Kinderzimmer (2010). Mit seinen Romanen Gut gegen Nordwind (2006) und Alle sieben Wellen (2009) schrieb er Bestseller, die auf der ganzen Welt gelesen werden. Die Komödie Die Wunderübung (2014) war nicht nur als Buch und auf den Bühnen sehr erfolgreich, 2018 lief auch der Film in den Kinos an. Im gleichen Jahr wurde der Roman Geschenkt (2014) als TV-Komödie verfilmt und die Komödie Vier Stern Stunden in den Kammerspielen der Wiener Josefstadt uraufgeführt. 2019 kam die Verfilmung von Gut gegen Nordwind in die deutschsprachigen Kinos.

1.


Man kann Alfred Henrich, einen Mann um die vierzig, dabei beobachten, wie er in betretener Ungläubigkeit den Bildschirm eines Geldautomaten anstarrt, schließlich seine Karte herauszieht und sie sich vor die Augen hält, um nach digitalen Spurenelementen eines offenbar unlösbaren Rätsels zu suchen. Vergeblich. Henrich lässt dem wahrscheinlich aus Japan stammenden Touristenpärchen, das hinter ihm wartet, resignativ den Vortritt und sagt:

HENRICH  You can!

JAPANER (verwundert)  We can?

HENRICH  Yes, you can try it!

JAPANER  You mean, it does not work?

HENRICH  I don’t know. For me not, for you maybe.

Die Touristen kichern asiatisch. Henrich verlässt mit gesenkten Schultern den Ort seines stillen Scheiterns.

*

Ein neuer Tag, ein neuer Anlauf. Alfred Henrich bringt seine Kreditkarte mit einem Taschentuch auf Hochglanz, schiebt sie vorsichtig in den Schlitz des Geldautomaten und wartet. — Der Apparat sendet eine offenbar unerquickliche Textnachricht aus. Die elektronische Lektüre versetzt Henrich in Rage.

HENRICH  So ein Scheiß!

Ein nachrückender Kunde ist hellhörig geworden.

KUNDE  Hat er sie g’schluckt?

HENRICH(genervt)  Wie bitte?

KUNDE  Hat er Ihre Karte geschluckt?

HENRICH  Wer?

KUNDE  Der Automat.

HENRICH  Nein, nein.

KUNDE  Da können S’ froh sein. Wenn er die Karte schluckt, ist sie nämlich weg. Die sehen S’ nie wieder. Ist mir schon passiert.

HENRICH  Ah ja.

Henrich wirft dem Mann einen argwöhnischen Blick zu, wendet sich ab und stapft wütend davon.

*

Ein neuer Tag, ein neuer Anlauf, ein neuer Geldautomat. Henrich begutachtet die Maschine und tastet sie freundschaftlich ab, ehe er ihr seine Kreditkarte anvertraut. Diesmal starrt er noch länger gebannt auf den Bildschirm, schüttelt dann fassungslos den Kopf und schreit laut auf.

HENRICH(kläglich)  Warum? Warum? Warum?

Der Kasten bleibt offenbar jede Antwort schuldig. Aber eine Passantin, die das kleine Drama beobachtet hat, entfaltet ihre volle Empathie.

PASSANTIN  Wahrscheinlich ist der Automat hin.

HENRICH(gereizt)  Nein, der Automat ist nicht hin.

PASSANTIN  Oder außer Betrieb.

HENRICH  Nein, er ist in Betrieb.

PASSANTIN  Ah so. — Na dann haben Sie vielleicht die Karte verkehrt hineingesteckt.

HENRICH(sehr gereizt)  Nein, ich habe die Karte richtig hineingesteckt.

PASSANTIN  Ah so. — Dann ist es der Magnetstreifen.

HENRICH  Der Magnetstreifen?

PASSANTIN  Ja. Meistens ist es der Magnetstreifen von der Karte. Wenn es nichts anderes ist, dann ist es der Streifen. Ich bin mir sicher, es ist der Magnetstreifen.

HENRICH(erschöpft, resigniert)  Okay. Der Magnetstreifen.

Die Passantin geht weiter.

*

Ein neuer Tag, ein neuer Anlauf, ein neuer Geldautomat, eine neue Kreditkarte. Henrich hält das kostbare Stück zart zwischen zwei Fingern und befreit es zunächst von einer Schutzfolie und dann von letzten Staubkörnchen. Er atmet tief durch und steckt die Karte in den entsprechenden Schlitz des Automaten. Er hält, wie zur Abschirmung des Grauens vor einer zu erwartenden Horrorszene, fünf Finger schützend vors Gesicht. Die andere Hand ist zur Faust geballt.

HENRICH(zum Automaten)  Du kannst es! Ich weiß es! Mach es! Mach es! Mach es!

Er macht es nicht. Henrich schreit laut auf und fährt seinen Arm aus, um zum befreienden Gegenschlag anzusetzen. Er bremst sich aber in der Bewegung, sieht sich nach allen Seiten hin um, nimmt Anlauf und versetzt dem Gerät einen kurzen, kräftigen Tritt.

Danach ist ihm offenbar leichter. Er atmet tief durch und steht eine Weile abseits jedes Geschehens da, um einen Plan zu fassen. Wenig später fasst Henrichs Hand ein Smartphone aus der Hosentasche.

HENRICH  Hier Henrich, guten Tag. Frau Drobesch bitte.

FRAUENSTIMME  Wie war der Name?

HENRICH  Drobesch. Frau Drobesch.

FRAUENSTIMME  Ihr Name, wie war Ihr Name? Ich brauche Ihren Namen.

HENRICH(schon sehr genervt)  Henrich!

FRAUENSTIMME  Hendrich?

HENRICH(extrem genervt)  Henrich. Wie Heinrich ohne »i«. »Hen« wie Henne ohne »ne« und »rich« wie Richard ohne »ard« oder wie »reich« auf Englisch, nur deutsch ausgesprochen. HENRICH!

FRAUENSTIMME  Herr Henrich, Frau Magister Drobesch ist gerade in einer Zoom-Konferenz. Darf ich …?

HENRICH(zornig)  Nein. Ich möchte sie dringend sprechen, und zwar nicht nur dringend, sondern sofort, also gleich, nämlich jetzt.

FRAUENSTIMME  Herr Henrich, Frau Magister Drobesch ist momentan wie gesagt leider in einer Video-Besprechung. Aber vielleicht kann ich Ihnen …?

Alfred Henrich reißt das Telefon vom Ohr, drückt das Gespräch wuchtig weg und setzt sich hastig in Bewegung.

Wenig später betritt er das Bankgebäude. Der sterile Empfangsbereich ist voll automatisiert und menschenleer. An der verwaisten Portiersloge prangt ein Schild mit der Aufschrift »Weil jeder Mensch zählt«.

Henrich, dessen Adrenalinspiegel bereits eine beachtliche Höhe erreicht hat, wird von einer Glasbarriere am Durchmarsch in den Geschäftsbereich gehindert. Er drückt mit der Schulter dagegen. Das ruft eine elektronische Stimme auf den Plan.

TONBAND  Lieber Kunde, bitte verwenden Sie unseren übersichtlichen und benutzerfreundlichen Service-Point-Info-Screen-Desk. Bei Kredit-Angelegenheiten drücken Sie bitte die Eins. Bei Bargeld-Angelegenheiten drücken Sie bitte die Zwei. Für Terminvereinbarungen drücken Sie bitte die Drei …

Irgendwie gelingt es Henrich — trotz fahriger Gesten in höchster Anspannung —, das Tonband per Knopfdruck zu stoppen. Nun meldet sich die Frauenstimme von vorhin. Die Frau ist zwar physisch nicht anwesend, aber über einen Bildschirm visualisiert und ansprechbar.

FRAUENSTIMME  Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?

HENRICH(dauerhaft erregt und missmutig)  Indem Sie mir die Tür öffnen.

FRAUENSTIMME  Wo wollen Sie hin?

HENRICH  Zu Frau Drobesch.

FRAUENSTIMME  Welche Nummer?

HENRICH  Was für Nummer?

FRAUENSTIMME  Verzeihung, aber haben Sie keine Nummer gezogen?

HENRICH(lacht)  Nein, nein, ich habe keine Nummer gezogen, ich ziehe keine Nummern, ich brauche keine Nummern, ich bin hier keine Nummer. Ich will einfach nur zu Frau Drobesch. Sonst nichts.

FRAUENSTIMME  Aber Sie haben keinen Termin.

HENRICH  Doch, ich habe einen Termin.

FRAUENSTIMME  Tut mir leid, aber Sie haben leider keinen Termin vereinbart.

HENRICH  Doch, ich habe ihn vereinbart.

FRAUENSTIMME  Mit wem?

HENRICH  Mit mir. Ich brauche ihn. Und zwar dringend. Ich bin langjähriger Kunde. Frau Drobesch kennt mich.

FRAUENSTIMME  Tut mir leid, aber Frau Drobesch ist gerade in einer Besprechung.

Henrich beugt sich über die Absperrung.

HENRICH  Dann ist sie aber in einer Selbst-Besprechung. Ich kann sie nämlich von hier aus sehen. Da hinten sitzt sie. Ganz alleine. (Er ruft hinüber.)  Frau Drobesch, Frau Drobesch!

Henrich gestikuliert heftig.

FRAUENSTIMME  Schon gut, schon gut. Ich werde Frau Magister...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bank • Beziehung • Die Wunderübung • E-Mail-Roman • Finanzen • Gegenwartsliteratur • Geldautomat • Gut gegen Nordwind • Hochzeitstag • Humor • Josefstadt • Kapitalismus • Liebesgeschichte • #ohnefolie • ohnefolie • Österreich • Vier Stern Stunden • Witz
ISBN-10 3-552-07218-7 / 3552072187
ISBN-13 978-3-552-07218-3 / 9783552072183
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