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Gestohlene Luft - Yevgeniy Breyger

Gestohlene Luft

Gedichte
Buch | Hardcover
65 Seiten
2020
kookbooks (Verlag)
978-3-948336-08-0 (ISBN)
CHF 31,90 inkl. MwSt
Bunt ist das Laub. Bunt, die Kleidung. Die Tiere bunt, die Menschen von Kopf bis Fuß. Bunt, die Gedichte, die guten wie die schlechten.

Die Seen, die Himmel, die kreisenden Planeten, die Gottheiten und die Computer. Erinnerung strömt durch Gelenke, sammelt sich in Faszien, wird Information, Narrativ, Krankheit – wird übertragen.

Yevgeniy Breyger, geboren 1989, studierte an der Universität Hildesheim, am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Hochschule für Bildende Künste, Städelschule, Frankfurt am Main. Breygers Debütband "flüchtige monde" erschien 2016 bei kookbooks und wurde unter die besten Debüts des Jahres im Haus für Poesie und unter die Gedichtbände des Jahres im Literaturhaus Berlin ausgewählt. 2018 erhielt er den 2. Preis beim Lyrikpreis München, 2019 gewann er den Leonce-und-Lena-Preis der Stadt Darmstadt. 2019 erhielt er zudem ein Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds und 2020 Aufenthaltsstipendien im Stuttgarter Schriftstellerhaus sowie im Herrenhaus Edenkoben. Breyger lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er ist Mitglied des Dichter*innenkollektivs Salon Fluchtentier.

Der Leonce-und-Lena-Preis 2019 der Stadt Darmstadt wird vergeben für einen kunstvoll komponierten Gedichtzyklus, dem es gelingt, mit den Mitteln der Poesie – Rhythmisierung, Gegenstandserfi ndung, Befragung des Versprachlichungsprozesses selbst – die Reichweite und den Schrecken intergenerationeller Traumatisierung
darzustellen. Die insistierende Zartheit der Bewegung, Anspielungen auf die literarische Tradition sowie die Souveränität der Bildführung erzeugen einen sich im Lesen vertiefenden Raum von großer Intensität, in dem sich das Ich als eine in die Kreisbewegung der Zeit gestellte Figur erfährt.
— Jury zum Leonce-und-Lena-Preis

Breyger zu lesen bedeutet vor allem, jene Frage danach, ob wir nun in mehr als einer Welt leben, fünfdimensional beantwortet zu bekommen. Das bedeutet für mich nicht nur Berührung, soll heißen auf mannigfachen Ebenen angesprochen zu werden, sondern auch und vor allem, dass alles offen bleibt, zum Weiterdenken, zur Interpretation, dass alles Anstoß ist und diese Offenheit, diese Anstöße nicht nur in Erdnähe, sondern auch ins All hinaus wirken.
— Verena Stauffer, Triëdere

Und es gibt Gedichte, die es vermögen, gleich bei der ersten Lektüre stark zu leuchten und bei jeder weiteren noch mehr, mein Lieblingsbeispielhierfür: Offen spricht dein Seelentier von Yevgeniy Breyger (…) Die hier geschaffene Verbindung von formaler Strenge und freier Assoziation, von ironischer Leichtigkeit und hintergründigem Sinn, von kühner Gedankenverbindung und fokussierter Schwerpunktsetzung ist für mich eine sehr gegenwärtige Ausdrucksform von dem, was Immanuel Kant als das freie Spiel von Einbildungskraft und Verstand als das Signum des Ästhetischen bezeichnet hat.
— Stefan Hölscher, signaturen-magazin.de

Mein neues Gedicht weist entsprechend der faszialen Dynamik 3 verschieden geartete Faszienschichten auf. 1. Oberflächliche Faszien – deren hohe Elastizität (variable dynamische Sprache – transzendentes Schreiben) das Ansammeln sprachlicher Findungen fördert (entsprechend des Ansammelns von Körperfett in Verbindung mit pränataler Gewichtszunahme). 2. Viszerale Faszien – weniger dehnbar, verbinden die Organe und halten sie zusammen, halten ihre Spannung konstant, sodass die Organe eine Eigenmobilität im Körper behalten, ohne den Ort zu verlassen und ihre Funktion einzubüßen (gnadenloses Einlassen auf die innere Spannung, innere Breite & Enge, ohne Pose zu beziehen, Hereinlassen des Pferdchens ins Haus). 3. Tiefe Faszien – ausgestattet mit zahlreichen hochsensiblen Rezeptoren für Schmerzempfinden, Bewegungsänderungen, Druck & Schwingungen, Änderungen des chemischen Milieus und Temperaturschwankungen (Erkunden & Einarbeiten der immanenten Erinnerungen, Glückserfahrungen, Traumata – Übertragen der Krankheit, sich aussetzen, Gedächtnis). — Yevgeniy Breyger

Königreich des Regens In der Nacht, als das Dorf sich bewaffnet, erfährt sie ihre Bestimmung, die großen Felsen zu beschießen. Am Flusslauf warten sie wie Augen. Entschieden, ruhig kriecht Stein über Stein – Von ihr weg? Wieder eine falsche Richtung, gröber als Sand, Pulver, das ihr nicht gehorcht. Diese trockene Ader, kann ich sie fassen? Felder – Felder. Wälder – Getier. Im Denken verschwimmt eine Erinnerung. Sie läuft in den Wind. Durch die innere Welt, entschlossen zum Fels, hört Schüsse. Geschichte schießt auf Geschichte, Hunde erschießen sich, Dorf schießt auf Stadt, Tiere schießen Pflanzen auf Mineralien. Flinten gleiten durch Hände. Substanzen beschießen ein weiches Gemisch aus Gummi und Erde – Vogelschwärme existieren als solche Geschosse, denkt sie, und verschwinden zwischen Himmel, zwischen Boden, in einer Brust. Weder Ankommen noch Verschwinden ist möglich, wenn du so stark liebst. Tritt hinaus, selbst der Fels hat gelernt zu verzeihen. Tritt über zu den Menschen, ihre Körper halten sich am Leben, indem sie wie Knospen aufgehen, wenn es warm wird. Jahrlang Frühling, wohin soll ich gehn? Aufgeben sei dir Gewinn. Vergiss, was du tust, folge einem Gesang. Offen spricht dein Seelentier, menschlich seine Augenzahl. Mitten durch die Zellmembran, küsst sich ein geheimer Wind, trittst du in mein Leben ein. Wer mir dein Geheimnis nennt, wird mit Liebe ausradiert. Sieben freie Jahre lang, dumme kurze Tage lang achtsam sein als Todesgott.

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Reihe Lyrik
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 170 x 240 mm
Einbandart gebunden
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte Esel • Familie • Seele
ISBN-10 3-948336-08-3 / 3948336083
ISBN-13 978-3-948336-08-0 / 9783948336080
Zustand Neuware
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