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Das Antiquariat der Träume (eBook)

Roman

****

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
320 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43679-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Antiquariat der Träume -  Lars Simon
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Die Magie der Bu?cher - und der Liebe Im Spätsommer 1983 verliert Johan Andersson bei einem Schiffsunglück seine große Liebe Lina. Er bricht alle Brücken hinter sich ab und beginnt ein neues Leben als Antiquar und Cafébesitzer. Doch die Veränderungen in seinem Leben greifen weiter: Seit dem traumatischen Ereignis erscheinen Johan die Figuren seiner Lieblingsbücher leibhaftig. William von Baskerville, Pippi Langstrumpf und Sherlock Holmes bringen aber nicht nur Trost und Zerstreuung. Sie zwingen Johan auch zu einer Entscheidung: Will er ein neues Leben beginnen oder seine verloren geglaubte große Liebe finden? Ein geheimnisvoller Fremder bringt Johan schließlich auf die entscheidende Spur, denn Lina scheint nicht die gewesen zu sein, für die sie sich ausgegeben hat ...

Lars Simon, Jahrgang 1968, hat nach seinem Studium lange Jahre in der IT-Branche gearbeitet, bevor er mit seiner Familie nach Schweden zog, wo er als Handwerker tätig war. Heute lebt und schreibt der gebürtige Hesse wieder in der Nähe von Frankfurt am Main. Bisher sind von ihm bei dtv eine dreibändige Comedy-Reihe, das Weihnachtsbuch >Gustafssons Jul< sowie die Urban-Fantasy-Reihe um Zauberlehrling Lennart Malmkvist und seinen sprechenden Mops Bölthorn erschienen. Lars Simon ist ein Pseudonym.

Lars Simon, Jahrgang 1968, hat nach seinem Studium lange Jahre in der IT-Branche gearbeitet, bevor er mit seiner Familie nach Schweden zog, wo er als Handwerker tätig war. Heute lebt und schreibt der gebürtige Hesse wieder in der Nähe von Frankfurt am Main. Bisher sind von ihm bei dtv eine dreibändige Comedy-Reihe, das Weihnachtsbuch ›Gustafssons Jul‹ sowie die Urban-Fantasy-Reihe um Zauberlehrling Lennart Malmkvist und seinen sprechenden Mops Bölthorn erschienen. Lars Simon ist ein Pseudonym.

1.
Die Kraniche kommen zu spät


Hedekas – Samstag, 2. Mai 1987


Es würde hoffentlich nicht mehr lange dauern, bis die Kraniche zurückkehrten. Sie kamen für gewöhnlich immer im April. Und sobald sich der Nebel, der vom nahen Lersjön aufstieg, früh am Morgen zu lichten begann, um sich auf die kargen Felder zu legen, begannen sie zu schreien und ihre einbeinigen Balztänze aufzuführen. Auch wenn dem Kranich in vielen Kulturen eine positive Bedeutung zugeschrieben wurde – unter anderem galt er als Symbol für Klugheit und Wachsamkeit –, wirkten seine Tänze nicht ernsthaft oder erotisch, sondern eher rührend und bemüht. Dass er damit ein Weibchen zur Paarung überreden konnte, schien schwer vorstellbar. Aber da seine Spezies noch nicht ausgestorben war, musste das bisher ja einigermaßen geklappt haben. Früher oder später fand so gut wie jeder dieser hochgewachsenen, schlanken Vögel einen Partner, mit dem er oft ein Leben lang zusammenblieb. Ob das ausschließlich schön oder auch ein wenig traurig war, lag im Auge des Betrachters.

Es klopfte.

Johan Andersson sah auf seine Armbanduhr und drehte sich vom Küchenfenster weg, durch das er über die Weide hinüber zum Ufer des Lersjöns geblickt hatte. Dorthin, wo die fünf alten, blattlosen Eichen standen und Wache hielten, als ob sie nach all den Jahrhunderten so leicht nichts aus der Ruhe bringen würde.

Vor der Haustür stand Agnes Eklöv mit gerötetem Gesicht und einem großen Weidenkorb in der Hand, pünktlich wie immer. Sie musterte Johan mit der ihr eigenen Strenge.

»God morgon«, sagte sie, trat an Johan vorbei in den Flur, stellte ihren Korb auf den Dielenboden, zog ihre Schuhe aus und schlüpfte in die bereitstehenden Filzpantoffeln. »Ich soll dir von meinem Bruder ausrichten, dass er sich freuen würde, dich morgen am Ostersonntag in der Kirche begrüßen zu können, und dass dir das Haus Gottes immer offen, steht.«

Agnes zog ihren Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe, Tuch und Hut an einen Haken daneben. Sie hatte ihr pechschwarzes Haar hochgesteckt, was sie viel älter wirken ließ und ihr, zusammen mit der etwas aus der Mode gekommenen Hornbrille, das Aussehen der Direktorin eines Knabeninternats zu Beginn des Jahrhunderts verlieh, der man besser nicht widersprach, die man wegen ihrer hübschen und fein geschnittenen Gesichtszüge jedoch insgeheim verehrte.

»Danke, sehr freundlich. Aber Weihnachten genügt – mir zumindest«, entgegnete Johan und schloss die Tür. »Möchtest du einen Kaffee?«

»Ich richte nur aus, was mir aufgetragen wurde.« Agnes bückte sich flink und hob den Korb auf. »Kaffee? Gerne.«

Johan ging zurück in die Küche, wo er Kanne, Filter und Kaffeedose aus dem Hängeschrank über dem Herd nahm, dann setzte er Wasser auf. Agnes folgte ihm und stellte den Korb auf den Küchentisch. Vorsichtig holte sie mit beiden Händen ein rundes Tortenbehältnis aus geschliffenem Kristallglas hervor, platzierte es auf dem Tisch und setzte sich selbst so auf einen der Stühle, dass sie aus dem Sprossenfenster übers Feld zu den Eichen blicken konnte. Schweigend spielte sie mit dem Ehering an ihrem Finger, ohne den Blick von dem See abzuwenden, dessen seichte Wellen schillernd das Licht der Mittagssonne spiegelten. Agnes trug dieses goldene Erinnerungsstück noch immer, obwohl ihr Mann bereits vor einigen Jahren viel zu früh verstorben war, lange vor Johans Ankunft in Hedekas. Seit diesem tragischen Vorfall wohnte sie zusammen mit ihrem Bruder Gunnar Bertilsson und dessen Frau Birgitta im Pfarrhaus.

Was allerdings nicht immer leicht sei, wie sich der Pfarrer vor geraumer Zeit einmal nach einigen Tassen Glögg auf einem kirchlichen Weihnachtsmarkt bei Johan beklagt hatte. Obwohl er seine Schwester mit aller beruflichen und menschlichen Kraft mehrmals täglich in seine Gebete einschließe, habe sich Agnes über die letzten paar Jahre mehr und mehr in sich zurückgezogen und sei trotz ihres noch recht jungen Alters zu sich selbst und zu anderen immer härter geworden. Es käme ihm beinahe vor, so Gunnar Bertilsson weiter, als hasse Agnes alle Menschen, die aus ihrer Sicht glücklicher waren als sie, wohlwissend, dass ihr diese wenig christliche und zudem moralisch verwerfliche Gefühlsregung nicht zustand. Das führe schließlich dazu, dass sie sich selbst auch nicht mehr leiden könne. Jedenfalls lasse sie nicht einmal mehr Gott an sich heran. Letzteres schien den Pfarrer besonders zu betrüben.

Vielleicht deshalb hatte sich der Geistliche zum sichtlichen Unmut seiner Gattin einen weiteren Glögg eingeschenkt und schließlich nach halbem Verzehr des süßen, stark alkoholischen und mit allerlei Gewürzen versehenen Getränks die Katze aus dem Sack gelassen. Ob es Johan nicht möglich sei, seine Schwester anzustellen, um sie damit auf andere Gedanken zu bringen, hatte ihn der Pfarrer gebeten. Sie helfe zwar manchmal in der Gemeinde, aber das genüge nicht. Ein Mensch brauche doch eine sinnstiftende und angemessene Beschäftigung, oder nicht? Agnes sei fleißig, pünktlich, pfiffig, zuverlässig, vertrauenswürdig, und außerdem könne sie verflucht gut backen (bei dem Wort »verflucht« hatte er sich wie ertappt umgeschaut). Ganz abgesehen von diesen immensen Vorteilen für Johan, hatte Gunnar Bertilsson betont, der mittlerweile einen mit Blauschimmelkäse bestrichenen Pfefferkuchen kaute, hätten er und seine Frau Birgitta seine Schwester Agnes damit zumindest in den hellen Monaten auch ein paar Stunden täglich weniger um sich, was bestimmt dazu beitrage, seine brüderliche Liebe und den familiären Frieden um einiges länger zu konservieren. Amen.

Das war vor rund vier Jahren gewesen, und zu dieser Zeit hatte Johan tatsächlich eine Aushilfe für sein Literaturcafé gesucht, allerdings hatte er dabei eher an eine zwanzigjährige Studentin gedacht, die sich im Sommer ein wenig dazuverdienen wollte, gut zu Fuß war und vielleicht Susanna oder Kerstin hieß. Mit einer Agnes, die damals schon fast vierzig war, hatte er wahrhaftig nicht gerechnet.

Doch aus einer solchen Situation kam man hier nicht ungeschoren heraus. Man befand sich eben nicht in Stockholm, Malmö oder Göteborg, sondern in dem kleinen Ort Hedekas. Und wer hier dem Pfarrer einen durchaus zumutbaren Gefallen ausschlug, auch wenn er noch so besoffen geäußert wurde, der machte sich im Sinne der unausgesprochenen Dorfgesetze strafbar und hätte ab sofort nicht nur keinen Stein bei ihm im Brett, sondern sicher bald einen in der Fensterscheibe gehabt oder wäre zumindest gemieden, Gegenstand von Getuschel und Opfer von Seitenblicken geworden. Johan hatte sich daraufhin ebenfalls noch einen ordentlichen Glögg eingeschenkt, still in sich hineingeseufzt, seine Tasse gegen die des Pfarrers gestoßen und schließlich zugesagt. »Skål!«

Damit galt das Ganze als besiegelt.

Seit dem Frühling, der auf diesen Glögg folgte, half Agnes Eklöv also neben ihrer Gemeindearbeit bis zum Spätsommer, je nach Wetter und Anzahl der Touristen, mehrmals wöchentlich in Johans Literaturcafé »Singoalla«. Die Entscheidung hatte sich zum Glück nicht als Fehler herausgestellt, denn abgesehen davon, dass Agnes nicht mehr Lohn wollte als eine zwanzigjährige Studentin, die Susanna oder Kerstin hieß, war sie mindestens genauso gut zu Fuß und erwies sich tatsächlich als eine fleißige, pünktliche, pfiffige, zuverlässige und vertrauenswürdige Angestellte. Außerdem konnte sie wirklich verflucht gut backen. Ihr Bruder hatte absolut nicht übertrieben.

Leider aber auch nicht, was Agnes’ Strenge und Härte anging. Es schien beinahe so, als hätte sie sich vorgenommen, sich nie wieder in irgendetwas zu verlieben. Schon gar nicht in einen Mann. Und sie tat alles, um das unmissverständlich klarzustellen und jede Gefühlsduselei schon im Keim zu ersticken. Dabei schoss sie manchmal übers Ziel hinaus und wehrte Avancen ab, die gar nicht gemacht wurden – was für manchen Mann eher unangenehm war, denn dieser konnte gar nicht wissen, wie ihm geschah. Das Ganze hatte etwas von einem Balztanz mit umgekehrten Vorzeichen.

Der Kessel begann zu pfeifen. Johan nahm ihn vom Herd und goss das sprudelnde Wasser in den Filter. Sofort verbreitete sich ein angenehmer Geruch frischen Kaffees im Raum.

Agnes wandte ihren Blick vom Fenster zu Johan. »Ich weiß nicht, aber bei der Kälte werden wir morgen zur Wiedereröffnung des Cafés sicher nicht allzu viele Gäste erwarten können. Ich habe deshalb nur eine Torte gemacht. Apfel-Sahne-Zimt. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich.«

Der erste Sonntag im Mai war in Schweden nicht unbedingt ein Garant für gutes Wetter. Schon oft war er eher wie ein verärgerter Februartag mit Schnee im Gepäck dahergekommen. Von drinnen sah es dann zunächst so aus, als würden Tausende von Kirschblütenblättern durch die Luft tanzen, aber wenn man in Erwartung der ersten lauwarmen Brise vor die Tür trat, merkte man, dass es Eiskristalle waren, die durch die Luft wirbelten, und knöpfte sich rasch die Strickjacke bis ganz oben zu. Johan spürte diese Kälte eine Sekunde lang förmlich, sah in Gedanken das Meer … dann fasste er sich wieder.

»Vielen Dank, Agnes«, sagte er. »Eine leckere Torte wird reichen. Zur Not haben wir ja noch Kekse.« Er goss heißes Wasser in den Filter nach.

Als der Kaffee durchgelaufen war, füllte er zwei Tassen und stellte eine vor Agnes auf den Tisch. Sie trank ihn schwarz. Er nahm einen Schuss Milch und setzte sich ihr gegenüber.

»Ist noch viel vorzubereiten?«, fragte sie und blickte wieder hinaus über die Weide und auf den See.

»Das Übliche«, antwortete Johan. »Wie jedes Jahr. Und ich muss später noch einen Stoß Bücher einsortieren, die ich von einem Trödelmarkt im Norden...

Erscheint lt. Verlag 22.5.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Buch für den Urlaub • Humor • Kai Meyer • Liebesgeschichte • Liebesroman • Matt Haig • Midsommer • Mittsommernacht • Roman • Schweden • Schweden Roman • Sommer • Sommerlektüre
ISBN-10 3-423-43679-4 / 3423436794
ISBN-13 978-3-423-43679-3 / 9783423436793
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