Kat Menschiks und des Diplom-Biologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes Illustrirtes Thierleben (eBook)
160 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-32071-8 (ISBN)
Mark Benecke würde niemals ein Tier essen. Er studierte Biologie, Zoologie und Psychologie in Köln und promovierte über genetische Fingerabdrücke. Er ist ein international gefragter Kriminalbiologe, wurde beim FBI ausgebildet und war an der Aufklärung vieler internationaler Kriminalfälle beteiligt. Mark Beneckes Wissenschaftspodcast auf radioeins läuft seit 20 Jahren und hat Kultstatus. Mark Benecke ist Mitglied der Partei DIE PARTEI. Er veröffentlichte bereits zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher und Kinderbücher.
Mark Benecke würde niemals ein Tier essen. Er studierte Biologie, Zoologie und Psychologie in Köln und promovierte über genetische Fingerabdrücke. Er ist ein international gefragter Kriminalbiologe, wurde beim FBI ausgebildet und war an der Aufklärung vieler internationaler Kriminalfälle beteiligt. Mark Beneckes Wissenschaftspodcast auf radioeins läuft seit 20 Jahren und hat Kultstatus. Mark Benecke ist Mitglied der Partei DIE PARTEI. Er veröffentlichte bereits zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher und Kinderbücher. Kat Menschik ist freie Illustratorin. Ihre Reihe Lieblingsbücher gilt als eine der schönsten Buchreihen der Welt. Zahlreiche von ihr ausgestattete Bücher wurden prämiert. Zuletzt erschienen:Selbstgemachte Geschenke zum Aufessen, Das Haus verlassen und Junge aus West-Berlin.
Wir kennen Pudel heute, wenn überhaupt, nur noch als sogenannte Gesellschafts- und Begleithunde. So steht es auch in der Beschreibung der Internationalen Vereinigung für das Hundewesen. Ältere Menschen sagen außerdem zu jemandem, der niedergeschlagen durch die Gegend schleicht, dass er oder sie wirkt wie ein begossener Pudel. Die Redewendung entstand, weil Pudel ursprünglich weder Schoß- noch Familientiere waren, sondern Jagdhunde. Die schlauen Tiere sprangen ins Wasser, um ihren Besitzerinnen und Besitzern die angeschossenen Enten ans Ufer zu bringen. Das tropfnasse Pudelfell sah dann aus, als hätte man den Hund »begossen«, noch dazu, weil das Pudelfell kraus ist und daher viel Wasser aufsaugt.
Damit das Pudelfell nicht wasserschwer herabhing, aber als Wärmepuffer für Herz und Lunge der Hunde erhalten blieb, entwickelte sich die eigentümliche Frisur der Pudel. Vorder- und Hinterläufe wurden beispielsweise rasiert, Lenden, Knie und Fußgelenke blieben aber behaart, um diese Körperstellen vor Kälte zu schützen. Die heute sinnlose Quaste am Schweif diente als Ruder beziehungsweise Steuer. Durch die »Pudelschur« konnten die Tiere also leichter schwimmen, waren aber zugleich vor Auskühlung und Kanten halbwegs geschützt.
Das heute von Shih Tzus, den fröhlichen Schoßhunden einsamer Herzen, bekannte Haarschopf-Band, die »Kopf-Palme« oder in Hundefachenglisch der top-knot, verhinderte auch bei Pudeln früher, dass ihnen die am Kopf ungeschorenen Haare ins Gesicht beziehungsweise über die Augen fielen. Zudem konnten ihre Besitzerinnen und Besitzer anhand verschiedenfarbiger Kopfhaar-Bänder ihre Pudel im Jagd-Gewühl leichter auseinanderhalten. Als Weiterentwicklung entstand die englische Sattel- oder Löwenschur, die bis heute alle Hundefriseurinnen und -friseure beherrschen. Da Pudel nicht haaren, werden ihre wolligen, dicken und gekräuselten Haare immer länger und dichter. Pudel müssen also, auch ohne Frisurenwunsch, geschoren werden, damit sie nicht von einem immer felligeren, auf Menschenköpfen als »Afro« bekannten Haarberg, der bei Pudeln den ganzen Körper umschlösse, verhüllt werden.
Der Streit um die richtige Pudelfrisur – darunter der scheußliche Continental Clip, sodann die Puppy-, Mode- oder auch Teddyschur – hält bis heute an. Die offiziellen Verbands- und Wettbewerbs-Gebote bei Pudelschauen sind streng.
»An den Hinter- und an den Vordergliedmaßen darf das Haarkleid belassen werden, wenn folgende Vorbedingungen uneingeschränkt beachtet werden: Geschoren wird nur der untere Teil der Vordergliedmaßen, von den Krallen bis zur Kralle am Carpal-Ballen; der untere Teil der Hintergliedmaßen bis zu einer den Vordergliedmaßen entsprechenden Höhe«, heißt es dort. »Mit der Schermaschine dürfen nur die Zehen geschoren werden, Kopf und Rute gemäß den vorher genannten Vorschriften. In dieser Schur können ausnahmsweise zugelassen werden: ein kurzer Bart am Unterkiefer, der nicht stärker als 1 cm sein sollte; seine untere Linie wird parallel zum Kiefer geschoren. Die Bartform, ›de bouc‹ (Ziegenbart) genannt, ist nicht erlaubt. Der Pompon an der Rute kann weggelassen werden (dies verschlechtert aber den Bewertungspunkt ›Fellstruktur‹ ein wenig).«
So geht es seitenweise weiter. Bei Nichtbeachtung drohen Strafen: »Jede andere Schur, die den Vorgaben nicht entspricht, führt zur Disqualifikation.« Basta.
Über solch kleinkarierte Regeln könnten wir schmunzeln, wenn es nur um den Rausschmiss bei einem Schönheits-Wettbewerb für Hunde ginge. Doch leider führte der Kampf ums richtige Pudelfell auch in Gebiete, die wir heute lieber meiden. Sie werden gleich bemerken, dass es Hate Speech, Mobbing, Dissen und Schlimmeres schon immer gab.
»Meine Pudel und ich haben gemeinsam viel erlebt, aber auch vieles erlitten«, berichtet Hans Thum 1957 in seinen Lebenserinnerungen zur von ihm Mitte der 1930er Jahre erfundenen, damals neuen Pudelfrisur, dem »Karakul-Schnitt«. »Schon vor fünfundzwanzig Jahren erschienen in Hundezeitschriften Artikel mit der Überschrift: ›Die Thumschen Geschmacklosigkeiten‹. Man beschrieb da die verabscheuungswürdige Tat, den ›Karakul-Schnitt‹ entworfen, eingeführt und propagiert zu haben. Zuchtverbot für alle Pudel in meiner Schur und so weiter folgten. Der Leiter des damaligen Berliner Pudelzucht-Verbandes gab mir in öffentlicher Sitzung den Rat, nunmehr lieber ›Müllkutscher‹ zu werden, und der erste Vorsitzende des Hauptverbandes stellte sogar einen Antrag auf meine Unterbringung in einem Konzentrationslager.
Die [nationalsozialistische, M.B.] Fachschaft für Pudel verbot den Karakul-Schnitt und bezeichnete ihn als ›undeutsch‹. Alle nicht linientreu mit Röllchen und Jäckchen ausgerichteten Pudel galten als Bastarde, bekamen Zuchtverbot und in der letzten Notzeit des Krieges keine Futtermittelkarten.
Man hatte uns also beide angespuckt, nicht nur mich, sondern auch meine Pudel, und das Letztere nahm ich übel. Ich reagierte aber anders darauf, als man wohl erwartete, und propagierte alle Verbote, Verfolgungen und Bosheiten, die man nunmehr losgelassen hatte. Bald interessierten sich nicht nur die Pudelfreunde, sondern auch die Besitzer anderer Rassen, sogar die breiteste Öffentlichkeit dafür. Die Jahre vergingen, auch die Pudelfreunde anderer Länder traten mit mir in Verbindung, und ich sandte ihnen Bilder und Schurbeschreibungen.
Das Jahr 1945 kam und befreite uns, jedenfalls den Pudel, denn der von mir endlich gegründete neue Pudelklub stellte den Pudel um seiner selbst willen in den Vordergrund, nicht seine Frisur.
Bereits im Jahre 1949 konnte ich die erste Pudel-Spezialausstellung in Berlin, im Zoologischen Garten, zeigen, auf welcher Pudel im modernen Karakul-Schnitt erstmalig gleichberechtigt mit denen im alten Standard-Schnitt ausgestellt und gerichtet [bewertet, M.B.] wurden. 148 Pudel in beiden Schurarten waren an diesem denkwürdigen 25. September 1949 in Berlin erschienen, eine Teilnehmerzahl, die niemals zuvor auf einer deutschen Pudelausstellung erreicht worden war.
Wir hatten beide durchgehalten, der Pudel und ich auch, und so erlebten wir gemeinsam die nun hintereinander abrollenden großen Erfolge der Ausstellungen in Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, die alles bisher Gezeigte in den Schatten stellten. Am 2. Juni 1951 pilgerten Tausende von Menschen in die Stuttgarter ›Wilhelma‹ [Stuttgarter Zoologischer Garten, M.B.], Pudelfreunde, Hundefreunde aller Rassen und Tierfreunde überhaupt, nur um zuzusehen, wie die Pudel von mir in dem modernen ›Karakul-Schnitt‹ frisiert wurden.
Den Auftakt zu dieser Veranstaltung bildeten sechsunddreißig mit Pudeln besetzte, blumengeschmückte Wagen, die in langer Reihe durch die Hauptstraßen zum Treffpunkt fuhren. Auch der Rundfunk und die Wochenschau ließen es sich nicht nehmen, mit dabei zu sein. Die Pudelausstellung am nächsten Tage brachte achtzehntausend Menschen auf die Beine, die teilweise aus den entferntesten Teilen Deutschlands angereist kamen, oft unter großen persönlichen Opfern und Anstrengungen, nur um diesen Ehrentag ihrer Lieblinge mitzuerleben.«
Thum wurde Präsident des Internationalen Pudelzuchtverbandes und freute sich darüber, dass nicht nur Winston Churchill und Thomas Mann Pudel-Liebhaber gewesen waren, sondern der noch minderjährige Komponist Ludwig van Beethoven um 1787 herum sogar zum Tode seines Pudels die musikalische Totenklage »Elegie auf den Tod eines Pudels« in mesto (traurig, betrübt) nebst Gesang komponierte:
»Stirb immerhin, es welken ja so viele Freuden auf der Lebensbahn!
Du warst so rein von aller Tück’ und Fehle,
als schwarz dein krauses Seidenhaar.
Wie manchen Menschen kannt’ ich,
dessen Seele so schwarz als deine Außenseite war.«
Thum druckte den vollständigen Text des Klagelieds auf Beethovens Hund nebst Noten später in seinem Pudelbuch ab, das nach der Ehrenwiederherstellung des Autors in den 1960er Jahren eine Auflage nach der anderen erlebte.
Auch Churchill besaß wie erwähnt einen Pudel. Für den britischen Staatenlenker war dieser Hund »das einzige Lebewesen, das keine lästigen Fragen stellt und Gehörtes nicht weitererzählt«.
Hans Thum sah im Zusammenleben mit seinem Pudel sogar einen »schicksalhaften Weg mit einem freundlichen, klugen und gutmütigen Wesen«. Das stimmte für ihn, denn sein Pudel hatte ihm im Krieg sein Leben gerettet. Zweimal war Thum im Zweiten Weltkrieg nur wegen seines Hundes in Luftschutzkeller gelangt, ohne die es nach dem Krieg wohl keine Karakul-Pudelfrisur gegeben hätte. Beim ersten Luftangriff wurde Thum wegen seines Hundes abgelehnt und in einen anderen Luftschutzkeller geschickt. Derjenige Bunker, in den Thum ursprünglich gewollt hatte, wurde beim Angriff von einem Volltreffer zerstört. Bei einem weiteren Bomber-Angriff hatte Thum seinen Pudel in eine Decke gewickelt auf dem Arm getragen. Er wurde nur deshalb in den schützenden Raum gelassen, weil die Wärterin das Tier für sein »Kleinstkind« hielt. »Man gehorchte bereitwilligst und ließ mich mit meinem kranken Pudelkind vorbei«, berichtete Thum später. »Auf der Bank im Kellergewölbe sitzend, stellte ich mir das Gesicht der hilfsbereiten Dame vor, falls sie nun zu mir herankommen sollte, um mit dem Inhalt meines Steckkissens ein bisschen ›Du, Du, Du!‹ zu machen.«
Mit dieser märchenhaften Begebenheit, deren Schrecken wir heute kaum ermessen...
Erscheint lt. Verlag | 5.11.2020 |
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Reihe/Serie | Illustrierte Lieblingsbücher |
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Zusatzinfo | zahlreiche farbige Ill. |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Bibliophilie • Biologie • Brehms Tierleben • Buchreihe • Geschenkbuch • Illustration • Illustrierte Lieblingsbücher • Kat Menschik • Kriminal-Biologie • Mark Benecke • Podcast • Tiere • Tierleben • Tierwelt • Zoologie |
ISBN-10 | 3-462-32071-8 / 3462320718 |
ISBN-13 | 978-3-462-32071-8 / 9783462320718 |
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