Nakoma (eBook)
CLIII Seiten
BookRix (Verlag)
978-3-7487-3764-3 (ISBN)
Anstrengung
Das Rad hakt, nicht rund,
das Seil spannt sich wund,
der Kopf sagt: »Ok«,
der Körper: »oh weh«,
das Bein sagt: »ich geh«,
der Arm sagt: »ach nee«,
der Strom fließt, ist leer,
und alles ist … zu sehr.
Mit mulmigen Gefühl schlurfte Nakoma an den Küchentisch. »Ihr Abendessen ist fertig zubereitet«, ertönte die blecherne Stimme des Serviceroboters, der beinahe in jedem Haus herum eierte und quasi den ganzen Haushalt schmiss, sofern man ihn richtig einstellte und daran dachte, ihn hin und wieder zu überprüfen, denn auch er konnte mal ausfallen oder kaputt gehen oder seine Arbeit nicht so tun, wie man es sich vorstellte.
Nakoma war das Ding unheimlich, aber eigentlich egal, denn sie durfte sich sowieso nur am Wochenende hier im Haus aufhalten. Die restlichen Tage musste sie, wie die meisten anderen unter 18, in dem hiesigen Internat verbringen. Ihre Eltern hielten sich auch kaum im Haus auf. Eigentlich gehörte so das Haus mehr dem Roboter als Ihnen.
Umso mehr war sie überrascht, als die typischen Töne für das Öffnen der Tür ertönten, die Tür aufflog und ihr Vater hereingestürmt kam. So wie er aussah, hatte er bestimmt schon von ihren Ergebnissen gehört, erfuhr er doch immer als einer der ersten, wenn es irgendetwas für ihn interessantes gab. Er bezog diese Informationen angeblich von einem Bekannten – dessen Namen er ihnen nie gesagt hatte – der als Organisator für das System arbeitete.
»Gut, dass ich es noch rechtzeitig geschafft habe. Ich hatte soeben einen Anruf von Mr. Donald. Er hat mir von den tollen Ergebnissen deines Auslesens berichtet, da ist er sogar meinen Bekannten noch zuvorgekommen. Deine Mutter kommt auch gleich. Heute essen wir endlich mal wieder alle zusammen, ja?«, schoss er los und lächelte. So fröhlich hatte Nakoma ihn noch nie erlebt.
Sie selbst hingegen freute sich kein bisschen darüber. Das war ja noch schlimmer, als sie gedacht hatte: Wenn Mr. Donald, der Internatsleiter, Bescheid wusste, wusste es bestimmt schon das ganze Internat. Andererseits: Wären all ihre Werte wie immer gewesen, hätte sie die sowieso schon misstrauische Ausleserin erst Recht in Alarmbereitschaft versetzt und das wäre wahrscheinlich das schlimmere Szenario gewesen.
Wie aufs Kommando kam auch schon ihre Mutter. Auch sie schien es eilig zu haben.
»Ich verstehe nicht, warum ihr so einen Wirbel macht«, brummte Nakoma, schaute ihre Eltern erst gar nicht mehr an, setzte sich an den Tisch und aß, was der Roboter ihr aufgetischt hatte. Es schmeckte leider wie so oft: irgendwie etwas lieblos. Aber keiner wollte sich die Mühe machen selbst zu kochen, auch sie selbst nicht.
»Verstehst du denn nicht, was das für eine Chance für dich ist? Jetzt, wo du so gute Werte hast, wird dich das Sportteam des Internats förmlich anflehen, bei ihnen mitzumachen. Und dann steht schon sicher bald einer Karriere nichts mehr im Weg, denn deine anderen Werte sind ja zumindest auch im Rahmen. Du hast nur noch ein Jahr Zeit, ehe du dich für etwas entscheiden musst, denk daran. Das ist deine Chance!«
Nakoma zuckte nur mit den Schultern, aß stumm weiter.
»Hallo Nakoma, übrigens. Freut mich auch, dich mal wieder zu sehen«, sagte ihre Mutter. Nakoma reagierte weiterhin nicht. Wie so oft. Sie wollte einfach weg von hier. Nicht hier sein. Auch nicht im Internat. Irgendwo anders hin. Raus aus dieser verfluchten Stadt. Das war ihr Traum, aber von dem wollte und durfte ja keiner wissen.
»Weißt du, dein Vater hat womöglich doch recht. Vielleicht liegt wirklich deine Zukunft im Sportbereich. In anderen Bereichen ist sicher mehr zu verdienen, aber die Jobs sind rar, wie du weißt. Und wenn du in einem Bereich so gut bist, wie anscheinend im Sport, musst du zuschlagen, sonst endest du wie dein Onkel.«
Jetzt schaute Nakoma auf. Bemerkte wie ihr Vater ihre Mutter finster anstarrte. Ja, ihr Onkel, dessen bloße Erwähnung schon verboten war. Er hatte bei einem der vielen Proteste gegen die Technisierung teilgenommen, die es schon bei Bekanntgabe der Pläne, in und um die Stadt herum gegeben hatte . Er hatte dadurch, wie viele andere auch, seinen Job verloren, war bei den Aussätzigen – den Verstoßenen außerhalb der Stadt - gelandet und kam letztendlich um.
»Weißt du, er lag vielleicht gar nicht so falsch. Wenigstens war er frei«, murmelte Nakoma.
»WAS? Sag das nicht noch einmal. Denk das nicht noch einmal, junge Dame!«, brüllte ihre Mutter. Ihr kamen sogar die Tränen.
Vater schüttelte nur den Kopf, sichtlich enttäuscht. »Was ist bloß los mit dir? Warum bist du nicht ein bisschen dankbarer für das, was du hast: für die Sicherheit, das Dach über dem Kopf und die gute Bildung, die dir zuteil wird? Warum wehrst du dich so gegen das Talent, das dir gegeben ist? Was ist so schlimm an einer Sportlerkarriere? Ich hab dich doch laufen sehen. Du läufst doch gerne.«
Nakoma seufzte. Jetzt brach es aus ihr heraus. »Ja. Das tue ich. Aber doch nicht für Geld. Doch nicht unter Druck und mit jemandem, der mich permanent anschreit und drängt mein Bestes zu geben, wie in diesem Trainingscenter, in dem ich auch schon diese Kampfstunden hatte. Sicher hat mir das auch Spaß gemacht und ja, ich war auch beim Kämpfen eine der besten. Aber das Ganze drum herum … Du weißt ja nicht, was man sich über die Sportteams im Internat erzählt, Vater, oder? Dieser Leistungsdrill, das Updaten, wie sie es nennen. Die noch heftigere Überwachung mit sämtlichen Fitnesstreckern rund um die Uhr und täglichen Terminen bei irgendwelchen Sport-Ärzten, nein Danke!«
»Ach du bist doch einfach nur faul. Faul und undankbar«, mischte sich ihre Mutter ein.
»Deine Mutter hat Recht, weißt du? Ich bin echt enttäuscht von dir. Ich hoffe, du bedenkst die ganze Sache noch einmal und kommst zur Vernunft«, brummte Vater.
Ohne weiter auf ihre Eltern zu reagieren, schnappte Nakoma sich ihre Jacke und ihre Fransen-Tasche und verließ das Haus.
Es wurde höchste Zeit zum Internat zurück zu gehen. Doch auch dort, so hatte sie das Gefühl, würde sie etwas Schlimmeres als sonst erwarten.
Sie sollte Recht behalten. Kaum dass sie den von Architekten völlig verunstalteten Gebäudekomplex betrat, schaffte sie es gar nicht erst auf ihr Zimmer, ehe sie schon Brown, diesem Trottel und seinem jämmerlichen Gefolge über den Weg lief. Dieser aufgeblasene Muskelprotz war Captain des Footballteams und hatte außer seinen Muskeln nichts Brauchbares. Breitbeinig stellte er sich ihr in den Weg.
»Sieh an. Unsere Indianerin ist von der Jagd zurück gekehrt.«
Von seinem Gefolge erntete er zustimmendes Gelächter.
Sie starrte ihn nur böse an. Nicht provozieren lassen, dachte sie, merkte aber gleich, wie es ihr nicht gelang sich zusammenzureißen. Die Wut in ihr auf ihn war zu groß. Wütend starrte sie ihn an, darauf bedacht ihn mit ihren Gedanken gegen die Wand zu pfeffern. Ein weiterer Teil ihrer seltsamen Gabe: Telekinese. Gegenstände und Personen mit ihren Gedanken bewegen.
Als sie ihren Arm hob, schaffte sie es gerade noch so zu tun, als würde sie den Muskelprotz wegschucken, was sie normalerweise wahrscheinlich nicht geschafft hätte, trotz ihrer Kampferfahrung. Da spürte sie schon, wie ihre Wut sich entlud, wie ihr Körper zu kribbeln begann und ihr Kopf innerlich bebte, wie all ihre Kraft durch sie floss und ihren Arm verließ. So viel Kraft. Zu viel Kraft.
Brown flog auch prompt im hohen Bogen mit einem gewaltigen Rums gegen die Wand. Sein Gefolge eilte zu ihm und blickte Nakoma wütend an. Sie rannte hastig weiter. Rannte gegen einen heftigen Schwindel und die Kopfschmerzen an, wusste sofort, dass sie sich übernommen hatte. Jeder Einsatz kostete Energie, hatte Konsequenzen und dieses Mal würden sie besonders gravierend sein, das wurde ihr sogleich bewusst.
»Das kann doch nicht sein … Mit der stimmt doch was nicht.«
»Achtung sonst schießt sie noch einen Pfeil auf dich!«, hörte sie noch das Gefolge hinter sich rufen, wie im Nebel. Es sollte wohl witzig sein. Eine weitere erbärmliche Anspielung auf ihre äußerliche Erscheinung, doch jetzt klangen sie einfach nur unsicher.
Als sie keuchend ihr Zimmer betrat, fluchte sie innerlich. Sie taumelte. Ihr Kopf dröhnte. Schwäche machte sich breit. Zudem wurde ihr erst jetzt bewusst, was sie noch alles damit riskiert hatte : Die Flure wurden überwacht, wie fast alles überwacht wurde. Auch wenn es so aussah, als würde sie den Trottel gestoßen haben, würde sie bestimmt mächtig Ärger bekommen. Erst recht wenn Brown und sein Gefolge sie zusätzlich belasteten. Sie konnte nur hoffen, dass wenigstens ihre Gabe verborgen bleiben würde, sonst würde die Hölle über sie einbrechen.
Auf ihrem Zimmer wartete schon ihre einzige Freundin an diesem verfluchten Ort, die zufällig auch ihre Mitbewohnerin war und so ziemlich als einzige über sie Bescheid wusste. Ihr konnte sie trauen, da war sich Nakoma sicher, verbarg ihre Freundin doch auch etwas. Taumelnd hielt Nakoma sich am Türrahmen...
Erscheint lt. Verlag | 22.4.2020 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Dystopie • Fähigkeiten • spannend • System • Überwachung |
ISBN-10 | 3-7487-3764-5 / 3748737645 |
ISBN-13 | 978-3-7487-3764-3 / 9783748737643 |
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