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Feuer in der Tooley Street (eBook)

Ein Daniel-Pitt-Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
464 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26751-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Feuer in der Tooley Street - Anne Perry
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Die Suche nach dem perfekten Zeugen
1910: Ein Lagerhaus in den Londoner Hafendocks brennt. Ein Krimineller stirbt, der andere wird als sein Mörder verdächtigt. Die Freundin des Angeklagten, Jessie Beale, bittet Daniel Pitt um Hilfe und bringt ihn dazu, an die Unschuld ihres Freundes zu glauben. Der Fall scheint aussichtslos - es sei denn, Pitt schafft es, schnell einen Sachverständigen aufzutreiben, der vor der Jury glaubhaft bezeugen kann, dass es es sich bei der Ursache des Feuers nicht um Brandstiftung handelt. Pitts gute Freundin Miriam fford Croft weiß Rat: Sie wurde vom respekteinflößenden Forensiker Sir Barnabas Saltram ausgebildet, dessen Reputation genau auf solchen Zeugenaussagen beruht. Doch als Saltram sich bereit erklärt, den angeblichen Täter vor dem Galgen zu bewahren, setzt Daniel Pitt damit eine Kette von Ereignissen in Gang, die fatale Folgen hat...

Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry verstarb 2023 in Los Angeles.

KAPITEL 2

Miriam fford Croft, die Tochter des Inhabers und Leiters der Anwaltssozietät, befand sich allein in dem Labor, das ihr der Vater im Keller des von ihnen gemeinsam bewohnten Hauses mit äußerster Großzügigkeit hatte einrichten lassen. Dort fehlte es an nichts, es war mit den neuesten Errungenschaften auf dem Gebiet der Rechtsmedizin ausgerüstet. Von Zeit zu Zeit hatte sie ein schlechtes Gewissen wegen der beträchtlichen Summen, die der Vater für all das aufgewendet hatte. Für sein einziges Kind, das mit zehn Jahren die Mutter verloren hatte, hätte er alles getan, was sich mit dem Einsatz von Geld, Zeit oder Arbeitskraft erreichen ließ, doch die Erfüllung ihres Herzenswunsches, nämlich als Ärztin tätig sein zu können, stand nicht in seiner Macht. Dem standen Unwissenheit, Sorge um die eigene Zukunft oder Angst vor den Katastrophen im Wege, die sich die Männerwelt für den Fall ausmalte, dass man Frauen nicht nur das Studium eines für sie so unpassenden Fachs gestattete, sondern obendrein auch noch die praktische Anwendung der erlernten Fähigkeiten. Man war der festen Überzeugung, dass in einem solchen Fall nicht nur die Leistungen und Maßstäbe drastisch zurückgehen würden, sondern darüber hinaus das ganze Gleichgewicht der Gesellschaft ins Wanken geriete. Allein die Tatsache, dass es zu einem solchen Studium gehörte, Leichen zu sezieren, betrachtete man nicht nur als unpassend für das weibliche Geschlecht, sondern geradezu als widernatürlich. Kurz: Derlei war nichts für Frauen.

Da ihr Vater an diesem Stand der Dinge nichts ändern konnte, war Miriam genötigt, sich auf dem Gebiet der Medizin mit der Theorie zu begnügen und sich in der Praxis mit Chemie zu beschäftigen. Das galt als akzeptabel, weil man dabei nicht mit Menschen in Berührung kam und von dieser Beschäftigung keine Gefahr für die zarten Gefühle einer Frau ausging. Selbstverständlich konnten Frauen Kinder austragen und zur Welt bringen, als Hebamme tätig sein und alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten ausüben. Sie konnten Kranke pflegen und sogar Leichen waschen sowie den bei diesen Verrichtungen anfallenden Schmutz und Unrat wegschaffen. Für all das reichten ihre Fähigkeiten und ihre Nervenstärke völlig aus, aber an der für andere Dinge nötigen geistigen Ausdauer fehlte es ihnen nun einmal.

Sie setzte den Schüttelkolben, in dem sie verschiedene Substanzen vermischt hatte, auf den Labortisch. War das Experiment wichtig? Würde sie damit irgendetwas ändern, verbessern oder verschlechtern? Würde überhaupt jemand hinsehen? Wahrscheinlich nicht.

»Verdammt!«, stieß sie hervor. Es war Zeit für eine Pause. Fluchen gehörte sich zwar für eine Dame nicht, aber es erleichterte sie, jedenfalls ein oder zwei Augenblicke lang. Sie hatte einen Wasserkessel im Labor, mit dem sie hätte Tee kochen können, doch es war besser, Chemikalien nicht mit Lebensmitteln oder Getränken zusammenzubringen. Von der Frage der Sicherheit ganz abgesehen, kam es einem auch nur dann wie eine richtige Pause vor, wenn man das Labor verließ.

Für gewöhnlich betrieb sie ihre Wissenschaft mit Begeisterung, aber in letzter Zeit war ihr aufgefallen, dass ihre Konzentration nachließ, und es fiel ihr immer schwerer, dagegen anzukämpfen.

Hatte sie wirklich kämpfen gedacht? Das klang nach großer Anstrengung, und das meinte sie bestimmt nicht.

Sie zog die Tür hinter sich zu, schloss sie ab und ging nach oben in die Wohnung. Gerade als sie die Küche erreicht hatte, hörte sie die Türglocke. Sich darum zu kümmern war Aufgabe des Butlers Membury. Wer mochte das sein? Bestimmt kein Bekannter ihres Vaters, denn die würden voraussetzen, dass er um diese Vormittagsstunde nicht zu Hause war. Die Köchin kam erst am Nachmittag, und das Mädchen war oben in den Schlafräumen beschäftigt.

Sie ließ Wasser in den Kessel laufen und setzte ihn auf den Herd.

Die Küchentür öffnete sich, und der Butler kam herein. »Es tut mir leid, so hereinzuplatzen, Miss Miriam«, sagte er in entschuldigendem Ton. Sie war den vierzig zu nahe, als dass ihr diese Anrede gefallen hätte, aber er kannte sie seit ihrer frühen Kindheit und würde sie immer mit Vornamen anreden. Zwar war er, genau genommen, ein Dienstbote, aber in Wirklichkeit ein guter Freund. Er hatte all ihre Kämpfe, ihre Niederlagen und ihre Erfolge aufmerksam mitverfolgt.

»Was gibt es?«, sagte sie mit einem Lächeln. »Sie stören nicht.«

»Mr. Pitt wünscht Sie zu sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass Sie zu tun haben, aber er hat mich gebeten, wenigstens nachzufragen.«

»Daniel?« Sie merkte, wie sie errötete. Sie erinnerte sich lebhaft an die beiden Prozesse, in denen sie mit ihm zusammengearbeitet hatte. Obwohl die Fälle schwierig gewesen waren und mitunter ausweglos erschienen, hatte er sich ihnen mit größtem Eifer gewidmet. Bei diesen Gelegenheiten hatte sie sich lebendiger gefühlt als irgendwann zuvor. Endlich einmal war gefragt gewesen, worauf es in der Rechtsmedizin ankam, denn sie lieferte im günstigsten Fall Tatsachenbeweise, wo es sich um Leidenschaften und Gewalttätigkeit handelte, die verschiedensten Motive, gute wie verwerfliche. Dabei ging es nicht nur um die Wahrheit, wie sie die Naturwissenschaft lieferte, sondern auch um Ereignisse im Leben von Menschen, die von den aufgrund dieser Ergebnisse gefällten Entscheidungen geschützt oder ins Unglück gestürzt wurden. Damals war sie Daniel von großem Nutzen gewesen. Sie musste Membury antworten. »Vielleicht hat er wieder einen Fall. Ich mache ohnehin gerade eine Pause.«

»Sehr wohl, Miss Miriam.« Er lächelte, ohne sie dabei anzusehen, und verließ den Raum, um Daniel mitzuteilen, dass er willkommen sei.

Wenige Augenblicke später hörte sie seine Schritte im Gang. Da er vor der Tür stehen blieb, rief sie: »Nur herein. Ich mache gerade eine Teepause. Möchten Sie auch eine Tasse?«

Wie er da mit seiner natürlichen Anmut, die ihn so sehr von seinem Kollegen Kitteridge unterschied, im Türrahmen stand, sah er genauso aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Eine Strähne seiner rötlich angehauchten Haare fiel ihm in die leicht gerunzelte Stirn.

Wie immer lud sie Membury ein, mit ihnen gemeinsam eine Tasse Tee zu trinken, und wie immer lehnte er höflich ab. »Nein, vielen Dank, Miss Miriam.« Seiner Auffassung nach wäre es für einen Butler ungehörig gewesen, sich zur Herrin des Hauses zu setzen, als stünden sie gesellschaftlich auf einer Stufe. Doch freute ihn die Aufforderung unübersehbar, es war ein kleines wohltuendes Ritual.

Daniel nahm Miriams Einladung an, trat in die Küche und setzte sich an den Tisch, als sei er das nicht anders gewohnt. Vielleicht kamen ihm flüchtige Erinnerungen an die gerade einen Monat zurückliegenden Tage, an denen sie des Öfteren in einem Haus auf der Kanalinsel Alderney miteinander am Tisch gesessen hatten. Damals war es darum gegangen, einen äußerst verwickelten Fall zu lösen. Seither hatte sie Daniel nicht gesehen.

Einen Augenblick lang herrschte ein unbehagliches Schweigen. So gut sie einander als bewährte Kampfgefährten in schwierigen Prozessen auf mancherlei Weise kannten, waren sie sich auf gesellschaftlicher Ebene nie begegnet. Ihr Vater war Daniels Arbeitgeber, und sein Vater, Leiter der Abteilung Staatsschutz, hatte in unauffälliger Weise mehr Macht, als sich die meisten Leute klarmachten.

Sie schob den Kessel auf das Kochfeld und stellte zwei Tassen mit Untertassen auf den Tisch. »Ich nehme an, dass Sie einen rechtsmedizinisch interessanten Fall haben?«, brach sie das Schweigen. Als sie die Bejahung in seinen Augen erkannte, stieg eine leichte Röte in ihre Wangen.

»Ich glaube schon«, gab er zurück. »Jedenfalls habe ich ihn übernommen. Wenn ich es recht bedenke, ist mir gar nichts anderes übrig geblieben. Mr. fford Croft hat gesagt, es würde mir guttun, daraus zu lernen, wie man mit Anstand verliert.« Mit dem Anflug eines Lächelns zuckte er kaum wahrnehmbar die Achseln.

Einen Augenblick lang war sie sprachlos, doch dann sagte sie sich, dass das ihrem Vater ähnlichsah. Er hatte eine ausgesprochen eigenwillige Art, junge Anwälte in ihr Metier einzuführen. Während er damit bisher bei den Tüchtigeren geradezu verblüffende Erfolge erzielt hatte, war es für die anderen in der Tat eine harte Schule. Dabei blieb die Frage offen, ob das an ihrer mangelnden Eignung für ihren Beruf lag oder ob sie ihm zu wenig Interesse entgegenbrachten. Daniel Pitt, das wusste sie, hatte er in erster Linie eingestellt, um seinem alten Freund Sir Thomas Pitt einen Gefallen zu tun, aber sie hatte auch mitbekommen, dass er Daniel immer mehr zu schätzen wusste, je besser er ihn kennenlernte, auch wenn ihn dieser mitunter zur Verzweiflung trieb.

»Ach, findet er, dass Sie lernen müssen, wie man mit Anstand verliert?«, fragte sie. »Ich glaube nicht, dass ich Ihnen dabei helfen kann, obwohl ich genau das immer wieder selbst tue – allerdings nicht besonders gut.«

Weil sie fürchtete, dass das zu sehr nach Selbstmitleid klang, denn es gehörte sich nicht, Enttäuschungen vor sich her zu tragen, fuhr sie rasch fort: »Worin besteht die Beziehung dieses Falles zur Rechtsmedizin?«

»Feuer«, sagte er einfach und sah sie dabei an. »Ein Lagerhaus am Hafen ist abgebrannt, während sich zwei Männer darin befanden. Einer ist tot, der andere konnte sich mit einigen Schrammen und blauen Flecken retten.«

Ihr war bewusst, dass er sie aufmerksam ansah und auf eine Antwort wartete, obwohl er keine genauen Angaben gemacht hatte. »Und jetzt legt man ihm den Tod des anderen zur Last?«, fragte sie.

»Ja. Aber das ist nicht alles. Der Tote hatte einen Schädelbruch.«...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2021
Reihe/Serie Daniel-Pitt-Serie
Daniel-Pitt-Serie
Übersetzer K. Schatzhauser
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel One Fatal Flaw (Daniel Pitt 3)
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Bestsellerautorin • Daniel Pitt • eBooks • Historische Kriminalromane • Historische Romane • historisches London • Justizkrimi • kleine geschenke für frauen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • London • Staatsanwalt • Thomas Pitt
ISBN-10 3-641-26751-X / 364126751X
ISBN-13 978-3-641-26751-3 / 9783641267513
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