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Im Schatten der Macht (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2021
528 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-26845-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Schatten der Macht - Elizabeth Fremantle
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Liebe, Macht und tödliche Missgunst ...
England 1615: Die junge Frances ist adlig und atemberaubend schön, der ganze Königshof liegt ihr zu Füßen. Doch ihre dunkle Vergangenheit lässt sich nicht ungeschehen machen - und um ihr neues Leben zu schützen, würde sie alles tun. Dann der Skandal, der ganz London erschüttert: Frances wird wegen eines furchtbaren Verdachts verhaftet und in den Tower gebracht. Auch Frances' geheimnisvoller Ehemann Robert ist angeklagt. Aus den ehemals Liebenden werden plötzlich Gegner, denn beide wissen, dass nur einer mit dem Leben davonkommen wird ...

Elizabeth Fremantle hat als Journalistin für Magazine wie Elle, Vogue und Vanity Fair gearbeitet. 'Spiel der Königin' ist ihr erster Roman, der zweite Roman wird in Großbritannien im Frühjahr 2014 erscheinen. Elizabeth Fremantle lebt in London.

Er


Ich sitze allein im Dunkeln. Fahles Licht dringt durch ein einziges Fenster. Das andere ist verhängt. Ich ertrage den Ausblick nicht.

Ich reihe die wenigen Relikte von ihr auf, die ich besitze, darunter eine kleine Perle, ein ungewaschenes Leinentüchlein und ein Bündel Briefe, die ein Band zusammenschnürt, das einst ihre Unterkleidung zusammenhielt. Ich halte es mir an die Nase, doch ihr Duft ist verflogen, aber die Erinnerung, sie ausgezogen zu haben, bleibt, ihre Kleider fallen zu Boden und enthüllen die Landschaft ihres Leibes. Hitze flutet durch mich hindurch. Tränen brennen mir in den Augen.

Ich muss einen Weg finden, meine Situation zu verstehen, muss glaubwürdige Antworten auf all die Fragen finden, die man mir wieder und wieder stellt. Doch Angst schnürt sich um meine Kehle, bis ich glaube zu ersticken. Ja, ich denke an sie.

Vor fast fünf Jahren habe ich sie zum ersten Mal gesehen. Sie stand inmitten einer Schar Frauen in Henry Stuarts Gemächern. Eine von ihnen – ein Mädchen – streckte die Hand aus, mit der Handfläche nach oben, und Frances nahm sie und betrachtete sie mit eingehender Aufmerksamkeit. Ich dachte anfangs, das Mädchen habe einen Splitter unter der Haut, aber es schien etwas anderes zu sein – die ganze Schar sah Frances gespannt an und wartete darauf, dass sie etwas sagte. Ich konnte nicht anders, als sie zu belauschen.

»Ich sehe Liebe.« Sie sprach leise. Später hörte ich das ­Gerücht, ihre leise Stimme sei eine Ziererei, um Leute in den Bann zu ziehen. Aber Frances brauchte so ein Getue nicht. »Ja, ganz eindeutig hier an der Schnittstelle dieser beiden Linien.«

Das Mädchen lachte verlegen auf. »Kenne ich ihn bereits?« Wie aus dem Nichts krochen rote Flecken über ihren Hals.

Frances schloss für einen Augenblick die Augen, als erwartete sie eine himmlische Eingebung, bis sie entschieden sagte: »Nein, es ist ein Fremder.« Sie ließ die Hand los und ging auf die Männer zu, die sich um Henry versammelt hatten und eine kleine Bronzestatue betrachteten.

Es gab so viele wunderschöne Frauen bei Hofe, allesamt Mar­morgöttinnen. Ich nahm sie kaum wahr – die Welt der Frauen, sie liegt mir nicht. Doch Frances war anders. An ihr war nichts Kaltes oder Totes. Nein, sie war durch und durch menschlich, das Leben pulsierte unter ihrer Haut. Sie erinnerte mich auf sonderbare Weise an einen hübschen Knaben. Das lag daran, dass sie völlig ungeschminkt war. Ihr Teint war frisch und rein, sodass ich dachte, wenn ich es nur wagte, ihr nahe genug zu kommen, würde ich den Duft frisch gewaschener ­Wäsche riechen. Doch es lag auch an der langgliedrigen Geschmei­digkeit ihres Körpers und der ungewöhnlichen Direktheit ihres Blicks. Es war nichts Künstliches an Frances Howard.

Es entspricht nicht ganz der Wahrheit, wenn ich sage, dies sei das erste Mal gewesen, dass ich sie sah. Sieben Jahre zuvor hatte ich ihren Hochzeitszug aus der Ferne beobachtet. Ihr Vater und ihr Großonkel an ihrer Seite schmälerten trotz deren vereinten Prächtigkeit nicht im Geringsten ihre Wirkung. Obwohl sie erst vierzehn Jahre alt war, wirkte sie älter, weil sie von unerschütterlicher Ruhe durchdrungen war. Ich musste sie anstar­ren. Damals war ich ein Niemand, nur der verwaiste Sohn eines kleinen schottischen Adligen, der als Page bei jeman­dem am Rande des Hofes untergekommen war.

»Sie werden sie noch nicht vollziehen«, sagte ein Zuschauer zu seinem Nachbarn. Der Gedanke daran hat mich erregt. Ich war bestürzt: So etwas hatte ich bisher nur für Männer empfunden. »Er wird durch Europa reisen, und sie schickt man zurück zu ihren Eltern, bis sie alt genug ist.«

Auf Zehenspitzen hoffte ich auf einen weiteren Blick auf ihr hellbraunes Haar. Glänzend reichte es fast bis zum Boden, alle sprachen von ihrem Haar – und von diesem Mund, der sogar reglos ein kleines Lächeln zeigte, was ein wohl gehütetes Geheim­nis vermuten ließ.

»Für mich schaut sie alt genug aus«, prustete der andere Mann, dem fast der Speichel aus dem Mund rann. Ich befand mich in einem Wirrwarr der Gefühle, und trotz meiner eigenen brennenden Erregung erzürnte mich seine Respektlosigkeit. Es schien mir ein Frevel, über jemanden, der so rein und unberührt wirkte, auf diese Weise zu reden. Ich hätte ihn schlagen mögen, denn ich wusste, ich hatte die Kraft, ihn bewusstlos zu prügeln. Menschen ohne Familie lernen sehr früh im Leben, wie man auf sich selber aufpasst.

In den folgenden Jahren wurde sie zur Frau. Ich sah sie mit Henry, wie sie über irgendetwas lachten, wie ihre Köpfe auseinanderstoben, mit geöffnetem Mund, doch plötzlich hielt sie inne, wandte sich von ihm ab, und ihr Blick ruhte auf mir, als wäre sie ein Falke und ich ein Hase. Mir gefällt die Vorstellung, es sei die Kraft meines Begehrens gewesen, die ihre Aufmerksamkeit auf mich gelenkt hatte. Nie zuvor hatte ich solche Augen gesehen, dunkle glänzende Ovale. In jedem nur ein winziges weißes Rechteck, die Spiegelung des Fensters hinter mir und meiner eigenen winzigen Gestalt. Sie sagte nichts, lächelte nur und zeigte ihre Zähne, die so ebenmäßig waren wie aufgereihte Perlen.

Erst da fiel mir auf, dass Henry mich betrachtete, der ich sie betrachtete. »Spioniert Ihr Uns aus, Carr? Oder ist es heute Rochester?«, fragte er mit mürrischem Gesicht. »Hat mein Vater Euch nicht kürzlich in den Adelsstand erhoben?«

Manche seiner Freunde sahen mich missbilligend an, aber nicht sie. Sie lächelte mir wieder zu, und ich ahnte, dass sich Henry die Nackenhaare sträubten.

»Vermutlich schickt er Euch, damit Ihr mich davon überzeugt, dieses katholische Kind zur Gemahlin zu nehmen. Nun, sagt ihm, meine Antwort lautet Nein.« Ohne mich anzusehen, streifte er gegliederte Stulpen über. »Was soll ich denn mit einer neunjährigen Papistin?«

Ich spürte noch immer Frances Blick auf mir. »Sie kommt mit einer beträchtlichen …«

»Mit einer beträchtlichen Mitgift«, unterbrach mich Henry. Ein Diener hielt ihm verschiedene Florette hin. Er nahm eines und hieb durch die Luft. »Um die beträchtlichen Schulden meines Vaters zu begleichen?«

Als ich noch nach einer Antwort suchte, die keinen Anlass zum Ärgernis böte, glitten dem Pagen die Florette aus der Hand und fielen scheppernd zu Boden. Der Junge bückte sich mit rotem Kopf und sammelte sie unter Gelächter und Gejohle wieder auf. Als er nach dem letzten greifen wollte, kickte es ein Fuß außer Reichweite, was erneut zu Gelächter führte.

»Das ist unangebracht.« Ich sah dem Täter in die Augen, bückte mich, um das Florett aufzuheben, reichte es dem Pagen, klopfte ihm auf die Schulter und sprach Worte der Ermutigung.

Jemand sagte: »Gut gemacht, Carr.« Und ich spürte, ich hatte ein bisschen Boden gewonnen.

Mein Gegner war verärgert, schmallippig fauchte er: »Für einen Mann, der aus dem Nichts kommt, habt Ihr nichts Schlech­tes getan, oder?« – dann zischend: »Im Schlafgemach des Königs … wie eine Frau.« Southampton mochte mich noch nie, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Er war aufgedunsen und hatte die Arroganz desjenigen, der nicht einsah, dass ihm mit dem Alter sein gutes Aussehen abhandengekommen war. Ich wich nicht von der Stelle und sah ihn unverwandt an, reagierte aber nicht. »Keine Antwort darauf, Carr?«

»So manches ist keiner Antwort würdig.«

Das gefiel ihm nicht, und das sollte es auch nicht. »Wo habt Ihr denn etwas über Würde gelernt? Doch nicht in der Gosse, aus der Ihr stammt.«

Ich lächelte halbwegs. »Eines habe ich in der Gosse gelernt. Ist ein Preisbock erst einmal geschlachtet und gekocht, ist er von gewöhnlichem Hammelfleisch nicht mehr zu unterscheiden.« Sie strahlte mich an und sah mir in die Augen.

Henry blickte finster drein und legte ihr eine besitzergreifende Hand auf den Arm. Ich verspürte Eifersucht, als ich es sah. Er war vier Jahre jünger als sie, noch ein Knabe. Es schien eine absurde Paarung zu sein. Doch die Anziehungskraft der Macht sollte man nie unterschätzen. »Gewöhnliches Hammel­fleisch kann einem zwischen den Zähnen hängen bleiben«, sagte Henry direkt an sie gewandt.

Zorn flackerte in mir auf. Der Gedanke, ihn zum Schweigen zu bringen, zuckte mir durch den Kopf – ich stellte mir meine Hände an seiner Kehle vor, meine Daumen, die sich in weiches Fleisch drückten, und hörte sein ersticktes Flehen um Gnade.

Henry sprach zu mir: »Nehmt ein Rapier, Carr. Mal sehen, aus welchem Holz Ihr geschnitzt seid.« Die Luft war zum Schneiden, alle warteten auf den Donner nach dem Blitz. Ich zögerte. »Der Sieger bekommt das da.« Er zeigte auf Frances. Ich war einen Augenblick entsetzt und hätte womöglich ­reagiert, hätte ich nicht dann bemerkt, dass er nicht Frances gemeint hatte, sondern die kleine Hirtenbronze neben ihr.

Ich nickte als Zeichen der Zustimmung. Ein Brustpanzer wurde herbeigebracht und mir umgeschnallt. Ich wählte ein Florett. Sie waren alle stumpf, nur Übungswaffen. Das ­Einzige, was Schaden nehmen konnte, war die Eitelkeit. Die Türen zum Innenhof wurden geöffnet, und wir gingen hinaus; die ganze Gesellschaft folgte uns und war gespannt, ob Robert Carr die Unverfrorenheit besäße, den Thronfolger ins Abseits zu drängen.

Wir tänzelten vor und zurück, wobei hin und wieder der Stahl klirrte, wenn unsere Klingen sich kreuzten. Prinz Henry war gut, elegant und sehr geschickt, doch ich hatte die volle Kontrolle, obwohl ich es anders aussehen ließ, denn ich spürte, wie wichtig es war, ein Spektakel abzuliefern. Ich wusste allzu gut, dass ich...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2021
Übersetzer Sabine Herting
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Poison Bed
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Adelsgeschlecht • Castle • eBooks • England • England 17. Jahrhundert • Englisches Königshaus • Frances Carr • Historische Kriminalromane • Historische Liebesromane • Historische Romane • Historischer Roman • höfische Intrigen • King • London • Mordkomplott • Queen • Rebecca Gablé • Royals • Schloss • Tudors
ISBN-10 3-641-26845-1 / 3641268451
ISBN-13 978-3-641-26845-9 / 9783641268459
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