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Lazare und die Spuren des Todes (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
320 Seiten
btb Verlag
978-3-641-17900-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lazare und die Spuren des Todes - Robert Hültner
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Politisch aktuell und vielschichtig
Kommissar Lazare wird ins südfranzösische Sète gerufen, denn ein junges muslimisches Mädchen wird vermisst. Während die ersten Ermittlungen in Richtung Radikalisierung gehen und man davon ausgeht, Nadia könne sich nach Syrien abgesetzt haben, findet sich Lazare plötzlich in einem Strudel gesellschaftlicher Abgründe wieder. Verbindungen in den katalanischen Untergrund werden immer deutlicher, ein ganzer Landstrich wird verdächtigt, radioaktiv verseucht zu sein, und plötzlich kreuzen zwei Tote die Ermittlungen. Lazare fällt es in seiner bekannten Art nicht leicht, sich doch noch mit der hiesigen Polizei zusammenzuraufen.

Robert Hültner wurde 1950 in Inzell geboren. Er arbeitete unter anderem als Regieassistent, Dramaturg, Regisseur von Kurzfilmen und Dokumentationen, reiste mit einem Wanderkino durch kinolose Dörfer und restaurierte historische Filme für das Filmmuseum. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehören neben historischen Romanen und Krimis auch Drehbücher (u. a. für den Tatort), Theaterstücke und Hörspiele. Sein Roman 'Der Sommer der Gaukler' wurde von Marcus H. Rosenmüller verfilmt. Für seine Inspektor-Kajetan-Romane wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem dreimal mit dem Deutschen Krimipreis und mit dem renommierten Glauser-Preis.

1.


»Bevor Sie loslegen, hören Sie mir gefälligst zu, Commandant«, sagte Direktor Gridoux. »Ich weiß, womit Sie vermutlich gleich meine Nerven und meine Laune zu strapazieren gedenken. Nach ungefähr einem halben Jahrzehnt in dieser Dienststelle dürften Sie aber mitbekommen haben, dass ich es weder schätze, wenn meine Entscheidungen infrage gestellt werden, noch, wenn mir mit unnötigen Einwänden Zeit gestohlen wird. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

Siso Lazare wechselte das Standbein. »Durchaus«, sagte er. »Aber –«

Gridoux’ Stirn runzelte sich. »Was aber?«

»Warum ausgerechnet ich?« Lazare hielt kurz den Atem an. Es hatte heftiger als beabsichtigt geklungen. Dabei hatte er auf dem Weg zum Büro seines Vorgesetzten kurz innegehalten und durchgeatmet, um seine Aufregung und seinen Ärger unter Kontrolle zu bekommen. Er hatte sich vorgenommen, Gridoux ruhig und beherrscht gegenüberzutreten. Und ihn aufzufordern, seine Entscheidung zu korrigieren.

»Darauf gibt es eine einfache Antwort, Commandant Lazare. Erstens, weil ich es für richtig halte. Zweitens, weil ich Ihr Vorgesetzter bin. Woraus folgt, dass Sie meine Anordnungen auszuführen haben. Damit dürfte sich jede weitere Diskussion erübrigt haben.«

Lazare spürte, wie Blut in seine Wangen schoss. »Noch nicht«, beharrte er.

Gridoux musterte sein Gegenüber einige Sekunden ärgerlich. Er schlug die vor ihm liegende Dokumentenmappe zu und schob sie mit einem Seufzen beiseite. »Verdammt noch mal, Kollege. Ich muss Sie doch nicht über unsere miserable Personalsituation aufklären. Außerdem ist dieser Fall auch deshalb bei Ihnen gut aufgehoben, weil Sie nicht nur Erfahrung in diesem Einsatzgebiet haben, sondern weil die Beteiligten einer arabischen Familie angehören. Sie sollen passabel Arabisch sprechen, habe ich mir sagen lassen.«

Lazare winkte ab. »Ein paar Floskeln, mehr nicht.«

»Ihre Bescheidenheit nimmt Ihnen hier niemand mehr ab, Commandant«, bemerkte Gridoux. »Sollte Ihnen das entgangen sein?«

»Entgangen ist mir höchstens, dass man mich neuerdings nicht mehr für voll nimmt«, erwiderte Lazare hitzig. »So viel Kollegialität darf ich erwarten, dass man es mir ins Gesicht sagt, falls ich jemandem auf die Zehen getreten sein sollte.«

»Überschätzen Sie sich nicht. Über Sie erreicht mich nicht mehr Geschwätz als über andere Untergebene. Also beruhigen Sie sich gefälligst.«

Lazare blieb störrisch. »Aber die Kollegen in Sète werden es als absoluten Affront auffassen, wenn wir uns bei einer derart banalen Angelegenheit einmischen!«

»Woher wollen Sie schon jetzt wissen, dass sie banal ist?«, fuhr Gridoux auf. »Sind Sie Hellseher?«

»Aber in diesem Fall scheint es doch lediglich darum zu gehen, dass eine fast Achtzehnjährige nicht pünktlich nach Hause gekommen ist. Kein Kind, wohlgemerkt. Sondern eine bereits berufstätige junge Frau –«

Der Direktor unterbrach mit einer ungeduldigen Handbewegung: »– die möglicherweise schlicht mit ihrem Geliebten durchgebrannt ist, mag sein. Aber das Besondere an diesem Fall ist unter anderem, dass es sich, wie schon erwähnt, um ein Mädchen aus einer arabischen Familie handelt. Das Gesetz in diesen Kreisen lautet bekanntlich, dass ein unverheiratetes Mädchen gefälligst bei Sonnenuntergang zu Hause zu sein hat, sonst krachts, und das gewaltig. Erst recht, wenn das Gör länger ausbleibt.« Er stöhnte gespielt. »Sitten wie diese sind es, die mich manchmal daran denken lassen, ob ich nicht doch konvertieren sollte.«

Lazare war nicht nach müden Scherzen zumute. »Bisher war mit keinem Wort die Rede davon, dass das Mädchen in Gefahr sein könnte«, maulte er. »Oder dass gar jemand aus ihrer Familie verdächtig ist, ihr etwas angetan zu haben.«

»Nun, dieser und anderen Fragen nachzugehen beschreibt exakt Ihre Aufgabe«, beschied Gridoux kühl. »Wobei bei Letzterem, wenn überhaupt, meines Wissens nur der Vater infrage käme. Bei dem Mann handelt es sich jedoch nach Ansicht der Kollegen in Sète um einen eher schlicht gestrickten Zeitgenossen, der seit Tagen im dortigen Kommissariat auf der Matte steht und Lyrisches absondert. Über das Licht seines Alters, das seine geliebte Tochter für ihn sei, und dergleichen. Vor allem treibt er ihnen mit seinem Vertrauen in die Effizienz der französischen Polizei Tränen der Rührung in die Augen.« Der Direktor sah wie beiläufig auf seine Armbanduhr.

Lazare machte einen letzten Anlauf. »Ein derart läppischer Fall kann von den Kollegen in Sète doch zwischen Vor- und Hauptspeise erledigt werden!«, platzte er heraus.

Gridoux’ Gesicht wurde dunkel. »Ein Urteil darüber, ob ein Fall läppisch ist oder nicht, liegt nicht in Ihrem Ermessen, Commandant, sondern in meinem und dem des Gerichts«, konterte er schneidend. »Ich veranstalte kein Wunschkonzert. Wenn Sie einen Beruf suchen, der Ihnen erlaubt, sich nur die Rosinen herauszupicken, sind Sie bei der Polizei am falschen Platz. Sie befolgen meine Anweisung! Und damit Ende der Diskussion!« Er machte eine kurze Pause, um in einlenkendem Ton fortzufahren: »Sie werden übrigens mit Richter Simoneau zusammenarbeiten.« Er bemerkte Lazares Verblüffung und nickte nachdrücklich. »Hören Sie also auf, den Gekränkten zu geben. Nichts liegt mir ferner, als Sie zu unterfordern. Dass ein Beamter mit Ihrer Erfahrung nicht mit Fällen behelligt werden sollte, die schon bei einem Polizeischüler ein Gähnen hervorrufen würden, darüber herrscht zwischen Richter Simoneau und mir Konsens. Aber vielleicht sollten Sie sich einen Reim darauf machen, dass der Richter keinerlei Einwände gegen meinen Vorschlag vorbrachte, ausgerechnet Sie damit zu betrauen. Im Gegenteil. Und nachdem von Richter Simoneau noch keine schwülen Gerüchte über etwaige masochistische Neigungen im Umlauf sind, die auf die heiße Sehnsucht deuten könnten, wieder mit einem, sagen wir, nicht immer einfachen Charakter wie Ihnen arbeiten zu dürfen, könnte daraus wohl welcher Schluss gezogen werden?« Er ließ Lazare keine Zeit für eine Antwort. »Nichts anderes, als dass Simoneau in voller Absicht einen erfahrenen Ermittler anfordert. Was wiederum die Vermutung nahelegt, dass er diesen Fall als keineswegs läppisch einschätzt.« Einen Zug der Herablassung um die Lippen, ergänzte er: »Ein weiterer Beleg dafür, dass die Chose möglicherweise doch nicht ganz unbedeutend sein könnte, ist, dass man Richter Simoneau nachsagt, noch etwas werden zu wollen. Mit einem Fall, bei dem er sich nicht profilieren kann, würde er sich nicht abgeben.«

Lazare pflichtete ihm widerwillig bei. Was Gridoux andeutete, war nicht von der Hand zu weisen. Seit den letzten Wahlen wurden in Behörden und Politik die Karten neu gemischt. Auch waren kürzlich in der gesamten Republik neue Großregionen geschaffen worden. Neue politische Allianzen hatten sich gebildet, über Generationen wirksame Einflussbereiche und Zuständigkeiten zersetzt. Wie viele andere Beamte musste sich auch Richter Simoneau darum bemühen, den Anschluss nicht zu verlieren und seine Position abzusichern. In den Fluren des Gerichts in Montpellier und in der Polizeizentrale raunte man sich außerdem zu, dass er mit Bernard de Soto, dem nicht minder ehrgeizigen Chef der Kripo-Staatsschutzabteilung, um eine neu geschaffene Stelle als Leiter der Justizverwaltung der Regionalregierung rivalisiere.

Gridoux ergänzte süffisant: »Weshalb Richter Simoneau der Angelegenheit größere Bedeutung beimisst, darüber wird er uns sicher umgehend und in aller notwendigen Ausführlichkeit in Kenntnis setzen. Sie teilen doch diese Hoffnung, Commandant?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Lust auf derlei Spielchen habe, Monsieur le directeur.«

»Ich habe es befürchtet«, seufzte Gridoux. Er senkte die Stimme. »Dann will ich Ihnen jetzt etwas verraten. Etwas, von dem ich erwarte, dass es strikt unter uns bleibt. Wenn nicht, dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass Sie in dieser Abteilung bis ans Ende Ihrer Dienstzeit keine glück­liche Stunde mehr haben werden. Haben Sie das kapiert?«

»Ich höre«, sagte Lazare.

Der Direktor beugte sich vor, seine Ellbogen auf die Schreibtischplatte gestützt. »Wir kennen Richter Simoneau mittlerweile. Er will sich immer wieder auf unsere Kosten in Szene setzen, holt sich aber in schöner Regelmäßigkeit eine blutige Nase. Mit welchem grandiosen Plan er gerade schwanger geht, kann ich noch nicht einschätzen, bin mir aber sicher, dass er sich auch dieses Mal wieder verrennt. Daraus ergibt sich, was ich von Ihnen erwarte, Commandant Lazare. Nämlich, dass Sie ihm seine Flausen austreiben. Wie, das überlasse ich Ihnen. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass sich seine nervigen Interventionen in die Arbeit unserer Abteilung künftig auf ein erträgliches Maß reduzieren.« Er hob die Brauen. »Was glotzen Sie mich an? Ist Ihnen das zu hoch?«

»Nein.«

»Gut«, schnaubte Gridoux. »Dann wissen Sie auch, dass es meine Art ist zu zeigen, dass ich sowohl Ihrer Loyalität als auch Ihrer Intelligenz einigermaßen vertraue, wenn ich Sie in meine Absichten einweihe. Geht das in Ihren verdammten Dickschädel, Sie Nervensäge?« Befriedigt registrierte er Lazares Nicken. »Und nun wüsste ich nicht, was Sie hier noch zu suchen haben.« Die Kopfbewegung in Richtung der Türe war unmissverständlich. »Oder benötigen Sie eine Belehrung darüber, dass die Zeit der größte Feind jeden Ermittlers ist?«

»Ich habe davon gehört«, sagte Lazare.

»Dann bin ich beruhigt«, sagte Gridoux herablassend. »Und jetzt machen Sie sich vom Acker, sonst muss ich ungemütlich werden. Was ich an Ihrer Stelle nicht...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2021
Reihe/Serie Kommissar Lazare
Kommissar Lazare
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Deutscher Krimi Preis • eBooks • Frankreich • Frankreich Krimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Landshuter Hochzeit • Regionalkrimi • Südfrankreich
ISBN-10 3-641-17900-9 / 3641179009
ISBN-13 978-3-641-17900-7 / 9783641179007
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