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Sorgerechtskrieg - An einen Narzissten gekettet - Roman nach wahren Erlebnissen -  Anne-Sophie Richard

Sorgerechtskrieg - An einen Narzissten gekettet - Roman nach wahren Erlebnissen (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
676 Seiten
Verlag DeBehr
978-3-95753-720-1 (ISBN)
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Hartmut bewertete mittlerweile alles, was ich tat. Mit liebevoller Neckerei hatte das nichts zu tun, es war ein etappenweises Zerlegen meiner Wesenszüge. Aus dem Nichts heraus konnte er explodieren, schon Kleinigkeiten kränkten ihn. Schuld waren immer die anderen - oder eben ich. Sein Verhalten machte mich unsicher, ich fühlte mich unwohl in seiner Gegenwart. Doch unter meinem Herzen trug ich unser Kind. Ich brauchte seine Unterstützung, wenn ich wieder arbeiten gehen wollte, wollte die Sache pragmatisch angehen. Dabei ahnte ich nicht, was auf mich zurollen und fast unter sich begraben sollte. Die Lokalredakteurin Malin lernt den charismatischen Hartmut kennen. Anfangs bewundert sie sein selbstsicheres Auftreten und seine Eloquenz. Als sie sich mit ihm einlässt, stellt sie bald fest, dass ihr seine Ich-Bezogenheit keinen Raum mehr für sich selbst gibt. Ständig kämpft er darum, besser als andere zu sein. Da sind Ex-Freundinnen, denen er plötzlich zur Hilfe eilt, er brüstet sich mit seinen zahlreichen Affären mit deutlich jüngeren Frauen. Immer muss er im Mittelpunkt stehen, als kreise die Welt nur um ihn. Als Malin all das erkennt, ist sie längst schwanger von ihm. Unterstützung bei rein praktischen Fragen? Fehlanzeige. Stattdessen reagiert Hartmut auch weiterhin dauer-gekränkt. Kaum ist die gesetzliche Neuregelung zum Sorgerecht in Kraft, entfacht er einen erbitterten Streit um den gemeinsamen Sohn. Dabei zieht er alle Register. Ausgerechnet der Mensch, dem Malin vertrauen wollte, stalkt sie, alarmiert grundlos Ämter und Behörden und erstattet Anzeigen gegen sie. Ihr wird allmählich klar, dass Hartmut ein Psychopath ist, den man nicht ändern kann. Am liebsten würde sie nie wieder etwas mit ihm zu tun haben müssen, doch wie soll das gehen, wenn das gemeinsame Kind aneinander bindet? Über allem schwebt die Angst, dass er ihr dieses Kind nehmen könnte.

 

II Bruchstellen

15. April 2009 bis Juli 2009

 

 

„Die ganzen Hanseln sollen wir bis September im Blatt haben? Den Scheiß liest kein Mensch“, Passmann telefonierte mit dem Chefredakteur, als ich zum Spätdienst erschien. Es ging um die Kandidaten für die Kommunalwahl. Ich beneidete meinen Chef nicht, in den kommenden fünf Monaten würde es für ihn so weitergehen. Als ich Hartmut am späten Nachmittag hundert Meter weiter im Stadtkonsum besuchte, begrüßte er mich mit einem Kuss auf den Mund und der sonderbaren Frage: „Lebst du noch?“ Er strich mir über den Bauch, streichelte mich hier und da.

„Er wird immer energischer. Letzte Nacht habe ich ihn so doll gespürt wie noch nie.“

Während ich redete, sah ich, dass er blass aussah.

„Alles gut bei dir?“

„Ich habe im Moment viel um die Ohren. Gestern Abend habe ich noch bis zehn Uhr bei der Wahlkampfvorbereitung gesessen. Es ist noch gar nichts vorbereitet, und wenn etwas schief geht, werde ich dafür verantwortlich gemacht.“ Und dann kam es: „Kerstin hat mich heute gefragt, ob ich der Vater deines Kindes bin.“

„Blondie?“

Er nickte.

„Was hast du gesagt?“

„Dass ich ihr keine Antwort gebe. Damit war die Antwort natürlich klar.“

„Woher weiß sie, dass ich schwanger bin?“

„Sie hat dich wohl gesehen.“

Ich bohrte nicht weiter nach, stellte auch nicht die naheliegende Frage, was daran so heikel sein sollte. Ich war sprachlos, fragte mich stattdessen insgeheim, wie viel Kontakt er zu dieser Kerstin hatte, die er mir gegenüber ewig nicht mehr erwähnt hatte.

„Heute habe ich in Rudkoffs Namen eine Mail an Rico Passmann geschrieben und mich darüber beschwert, dass die Kandidatenvorstellung für die Kommunalwahl ungerecht abläuft“, Hartmut sprang einfach zum nächsten Thema über, ich erkannte das typische Muster erst im Rückblick, „die Parteien kommen nicht gleichermaßen zum Zuge.“

„Du kannst ihm ja eine Zeilenquote je Partei vorschlagen.“ Ich lächelte ihn an.

„Ihr solltet für jeden der vier Wahlbereiche jeweils einen Vertreter der Parteien vorstellen und es den Parteien überlassen, wen sie dafür auswählen.“ Bei ihm ging es bierernst weiter, sodass ich darüber nachdachte, wie weit entfernt seine Vorstellung von Gerechtigkeit vom Zeitungspragmatismus war. Und auch von dem, was die Abonnenten tolerieren würden.

„Eure Beschwerde wird sowieso nichts nutzen.“

„Dann beschweren wir uns eben beim Chefredakteur.“

Keine Spur davon, dass er sich meine Kritik an seiner Beschwerdewut irgendwie zu Herzen genommen hätte. Es war wie ein Zwang, der ihn trieb.

Hartmut hatte es eilig, er musste seinen Wagen aus der Werkstatt holen und danach noch einkaufen.

„Du kannst dir mal überlegen, wie ich dir helfen kann. Ich habe bald Urlaub“, rief ich ihm noch hinterher.

Er sah mich mit einem ungläubig-überraschten Blick an. „Können wir noch drüber reden. Ach, Frau Wirtz hat angerufen, die habe ich vertröstet. Darf ich dich heute Abend anrufen?“

„Ich muss heute Abend zum Stadtteilgespräch, das geht um halb acht los.“

„Das schaffe ich nicht.“

„Du sollst auch nicht mitkommen.“

„Nee, das könnte ich sowieso nicht ertragen.“

Im Nachhinein dachte ich, dass er schon bei diesem Wortwechsel neben der Spur war.

Während des Abendtermins in einer Vorort-Grundschule war ich auf meine Notizen konzentriert und auf die üblichen Beschwerden der Bewohner über Hundekot und verwahrloste Müllcontainerstellplätze. Erst als ich anschließend zu meinem Auto ging, hörte ich hinter mir eine unbekannte, weibliche Stimme. „Frau Becker, kann ich Sie kurz sprechen?“

Ich blieb stehen und drehte mich um. Kerstin Steinbach musste sich gezielt an meine Fersen geheftet haben. „Ja.“

„Kann ich ‚du‘ sagen?“

„Ja.“ So schnell wurde eine verzweifelte Frau vertraulich.

„Bist du schwanger von Hartmut?“

Das kam regelrecht herausgeschossen.

Ich zögerte und strich unwillkürlich sanft über meinen Bauch, der sich inzwischen deutlich wölbte. „Ähm, ich wüsste nicht, was –“

„Ich frage dich das, weil ich eigentlich mit Hartmut zusammen bin. Das mit uns hat ungefähr vor einem Jahr angefangen, also im April. Im Juni habe ich mich dann von meinem Mann getrennt, Hartmut war in dieser Zeit für mich da“, sprudelte es aus Kerstin heraus. Statt feindlicher Ablehnung strahlte sie an diesem kühlen Aprilabend reine Bedürftigkeit aus.

Ich trug nur eine dünne Strickjacke, die ich fester zusammenzog. Ich fror.

„Wir waren die ganze Zeit zusammen, Hartmut und ich. Die Wochenenden, an denen meine Kinder nicht da waren, haben wir in seiner Wohnung in der Stadt verbracht. Ich wohne im Landkreis, in Neu Schicksendorf, in einer Dreizimmerwohnung, da war es nicht so günstig. In Wasnitz sind wir aber nicht händchenhaltend durch die Stadt gelaufen oder so…“

Ich hatte das Gefühl, als drehte sich alles um mich herum. Händchen halten, nein, das war nicht Hartmuts Stil, schoss mir durch den Kopf.

„…letzten Sommer einen einwöchigen Kurzurlaub an der Schlei gemacht. Wir sind aber wegen einer Bürgervereinsveranstaltung früher wieder zurückgefahren…“ Kerstins Augen waren weit aufgerissen und klebten unentwegt an mir. Sie wirkte wild entschlossen zu dem, was sie tat.

Ich zog meine Jacke fester um mich. „Warst du der Grund dafür, dass er sich von dieser Nina getrennt hat?“ Ich hatte inzwischen nachgerechnet, dass Hartmut bis Mai doch noch mit dieser anderen Frau zusammengelebt hatte. Die Übergänge bei ihm waren ja nicht nur fließend, sondern dreifach überlappend.

„Sein Entschluss zu der Trennung stand wohl schon länger fest, hat er mir gesagt. Aber Nina war eine Zeitlang in Magdeburg, er ist wegen ihres Kindes noch so lange geblieben, bis sie zurückkam. Er hat den Jungen in der Zeit ja in Altenburg betreut.“

Immerhin deckte sich diese Geschichte mit dem, was Hartmut mir erzählt hatte. Kerstin wirkte völlig verzweifelt. „Ich habe heute erfahren, dass du schwanger von ihm bist. Da ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich liebe ihn abgöttisch.“ Sie holte ihr Handy hervor und zeigte mir einen SMS-Wechsel zwischen ihr und Hartmut vom Nachmittag. Ihre Hände zitterten, als sie wild auf dem Display herumtippte.

- Wusstest Du, dass Frau Becker schwanger ist?

- Ja

- Weißt Du, von wem?

- Ich kann Dir darauf keine Antworten geben

- Bist Du der Vater?

Weil Hartmut nicht geantwortet hatte, hatte Kerstin nachgesetzt:

- Also ja!

Hartmuts Antwort von 16.25 Uhr: - Ja, verdammt

Kerstin hielt mir das Display mit dieser SMS unter die Nase, ich brauchte mich also keinen Illusionen mehr hinzugeben. Das hatte er wirklich geschrieben – wenige Minuten, bevor ich ihn im Laden besucht und er so mitgenommen gewirkt hatte.

Kerstin redete schon weiter. „An meinem Geburtstag, am ersten Dezemberwochenende, sind wir für ein Wochenende im Ostseebad Kürhagen gewesen. Von Samstag bis Montagmorgen, weil mein Geburtstag ja erst montags war. Hartmut ist von dort direkt ins Büro gefahren…“

Das erste Dezemberwochenende? Da hatte ich meinen Schwangerschaftstest gemacht. Und am nächsten Tag, dem Dienstag, hatte ich ihm die Nachricht in seinem Büro überbracht. An diesem ersten Wochenende war er angeblich zum Geburtstag eines LWP-Abteilungsleiters in Berlin eingeladen gewesen. Und dann hatte er das Ganze auch noch ausgeschmückt, dass er sich da blicken lassen wollte, um den Anschluss an die Bundespartei nicht zu verlieren. Das alles fiel mir sofort wieder ein.

„… haben eine Ferienwohnung gemietet. Das war schon länger geplant…“

Plötzlich kam ich mir unglaublich naiv vor. Da hatte ich an jenem Dezemberdienstag vor Hartmut gestanden und ihm die Nachricht meines Lebens verkündet: dass wir ein Kind bekommen würden – und er musste innerlich bloß sortiert haben, wie er denn auch das noch unter seinen Hut bringen wollte. Womöglich hatte er versucht, sich an die Lügengeschichte zu erinnern, die er mir damals aufgetischt hatte.

Kerstin redete die ganze Zeit, als ginge es um ihr Leben. „… hat mir schon vergangenen Sommer, kurz nachdem wir zusammengekommen sind, in den Ohren gelegen, dass wir in eine Wohnung ziehen sollten und dass er mit mir Kinder haben wollte. Aber das wollte ich nicht, so kurz nach der Trennung von meinem Mann. Hartmut hat beim Sex immer aufgepasst. Als ich noch nicht die Pille genommen habe, hat er vorher immer rausgezogen. Dann habe ich irgendwann die Pille genommen…“

Innerlich war ich wie erstarrt, während Kerstin Steinbach mir alle diese Intimitäten auftischte. Diese dachte kurz nach, dann redete sie weiter. „Erst im Februar, also vor zwei Monaten, waren wir noch in der Kiste, in meiner Wohnung“, wie sie ergänzte, als ob das noch irgendeinen Unterschied gemacht hätte. „Naja, ich gebe zu, dass ich ihn vorher scharf gemacht habe.“

Im Februar hatte er mich zur Fruchtwasseruntersuchung begleitet, dachte ich. Ansonsten war er ja immer sehr beschäftigt gewesen. Ich konnte weder lachen noch weinen, stand unter Schock, während Kerstin redete und redete.

„Letzten Monat waren wir an einem Wochentag mal zusammen essen. Ich wollte wissen, was jetzt zwischen dir und ihm ist. Er hat immer abgestritten, dass er etwas mit dir hat. Er hat mich schlecht gemacht und mir an allem die Schuld gegeben. Er meinte, meine Kinder...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-95753-720-7 / 3957537207
ISBN-13 978-3-95753-720-1 / 9783957537201
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