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Malwida von Meysenbug - Wegbereiterin der Emanzipation im 19. Jahrhundert

Leben, Schaffen und Wirken

(Autor)

Buch | Hardcover
288 Seiten
2019
VTA (Verlag)
978-3-946130-23-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Malwida von Meysenbug - Wegbereiterin der Emanzipation im 19. Jahrhundert - Regina Timm
CHF 39,95 inkl. MwSt
Die Autobiografie Memoiren einer Idealistin (1876) von Malwida von Meysenbug (1816-1903), fand zur damaligen Zeit großen Anklang, besonders bei jungen Frauen. Viele fühlten sich ermutigt, festgefahrene Strukturen in Frage zu stellen und sich einen eigenen Weg zu suchen, jenseits einer patriarchischen Gesellschaft. Daneben galt ihr weitgespanntes Interesse der Kultur, Politik, Philosophie sowie Erziehungsfragen. Durch die Revolution von 1848 politisiert, musste sie 1852 nach England fliehen. Hier und später in ihrer Wahlheimat Italien pflegte sie Kontakte zu vielen berühmten Menschen der Zeitgeschichte, darunter Alexander Herzen, Friedrich Nietzsche, Lou Andreas Salomé und Romain Rolland. Diese Beziehungen waren nicht frei von Spannungen.
Das vorliegende Buch zeichnet ihre Biographie nach, geht auf ihr literarisches Werk ein und erläutert Meysenbugs Wirkung. Ihre Persönlichkeit und speziell ihren Idealismus betrachtet die Autorin unter anderem im Lichte der psychologischen Theorien von Alfred Adler und Karen Horney. So entsteht ein differenziertes Bild dieser eigenwilligen Wegbereiterin weiblicher Emanzipation im 19. Jahrhundert.
Malwida von Meysenbug (1816−1903) war zu Lebzeiten eine bedeutende Schriftstellerin, ihr literarisches Werk war für eine Frau der damaligen Zeit sehr umfangreich. Insbesondere durch ihre Autobiografie "Memoiren einer Idealistin" (1869/1876) wurde sie über Nacht in ganz Europa und darüber hinaus bekannt.
Das Besondere dieser Lebensbeschreibung liegt in der Schilderung, wie sie sich aus den engen Fesseln der Familie befreit und ihren eigenen Weg geht. Obwohl privilegiert zwischen Adel und Bürgertum aufgewachsen, war sie für die Nöte der unteren Klassen empfänglich. Malwida von Meysenbug hat bewusst das Leben um sich herum wahrgenommen, sie hat die sozialen Missstände gese-hen und sich schließlich mit den demokratischen Bewegungen des Vormärz und der Revolution von 1848 solidarisiert. In den Konflik-ten, denen sie dadurch mit ihrer Familie ausgesetzt war, stand sie entschieden zu ihrer Haltung und nahm darüber hinaus in Kauf, als politisch Verfolgte emigrieren zu müssen. Mittellos und allein im Exil in England begann sie als junge Frau, völlig auf sich selbst gestellt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da sie gebildet, an vielem interessiert und weltoffen war, hatte sie als Lehrerin und Erzieherin bald Erfolg. Neben Deutsch sprach Meysenbug fließend Englisch und Französisch, durch den Kontakt mit Alexander Herzen fand sie Zugang zur russischen Sprache, und später, als sie in Italien lebte, eignete sie sich Italienisch an. In diesen Sprachen schrieb sie ihre Briefe und Zeitungsartikel, je nachdem, wer ihre Ansprech-partner waren.
Malwida von Meysenbugs autobiografische Beschreibung ihres Lebenswegs und die Hürden, die sie zu überwinden hatte, lösten insbesondere bei vielen Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert Hoffnungen aus, auch der Enge und Bevormundung entfliehen und sich selbst verwirklichen zu können. Für Meysenbug war es eine große Freude, zu sehen, welche Zuversicht sie mit ihren Memoiren bei der Jugend erweckte. Viele Frauen schrieben ihr voller Begeisterung und zu vielen von ihnen entwickelte sich ein persönlicher Kontakt. Es war für sie beglückend, nicht nur ihre Erfahrungen weitergeben zu können, sondern sie bot sich auch selbst als Mentorin an.
Als Person und Mitmensch imponierte Malwida von Meysenbug insbesondere dadurch, dass sie vorurteilsfrei auf Menschen zugehen, Freundschaften aufbauen und diese über Jahre pflegen konnte. Viele berühmte Zeitgenossen (z. B. Gottfried Kinkel, Alexander Herzen, Giuseppe Mazzini, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche, Romain Rolland) wussten sie zu schätzen und suchten ihre Nähe. Je älter sie wurde, umso mehr legte man Wert auf ihr Urteil und schätzte ihre Lebenserfahrung.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Lebensgeschichte von Malwida von Meysenbug. Neben dem umfangreichen Briefwechsel Meysenbugs und der Sekundärliteratur wird insbesondere auf die Autobiografien "Memoiren einer Idealistin" und "Der Lebensabend einer Idealistin" verwiesen. Anhand dieses vorhandenen Materials soll aufgezeigt werden, wie es Meysenbug gelungen ist, sich aus den engen Familienstrukturen zu lösen, sich ein eigenständiges Leben aufzubauen, um schließlich zu dieser besonderen Persönlichkeit zu reifen.
Die Aktualität der Thematik und die damit einhergehende Bedeutung für unsere heutige Zeit sind darin begründet, dass der Blick auf Meysenbug ein psychologisch-anthropologischer ist. Deshalb wird es neben der „Geschichte“ an bestimmten Stellen Einfügungen geben; mithilfe psychologischer Theorieansätze soll eine Annäherung an die individuelle Persönlichkeit Meysenbugs versucht werden. Da sie uns in ihrer Autobiografie neben ihrer Lebensbewegung und ihrem Wertehorizont auch viele sehr eindrückliche Kindheitserinnerungen präsentiert, bietet es sich an, Alfred Adlers Ganzheitstheorie diesbezüglich zu befragen (Exkurs I und II).
Kritisch angemerkt werden muss, dass Meysenbug durch ihre idealistische Sichtweise vieles verklärt gesehen hat und ihr manches Mal der Blick fürs Reale abhanden gekommen ist. Hierbei bietet sich die Theorie Karen Horneys an, die mit ihrem Konzept vom idealisierten, realen und wahren Selbst einen weiteren Deutungsansatz ermöglicht (Exkurs III).
Im Schlusskapitel soll das Problem der Idealisierung nochmals aufgegriffen werden. Seinen Sinn bezieht dieser pathologisierende Begriff, wenn man ihn vor seinen anthropologischen Hintergrund stellt: Erst im Kontext der Hingabethematik, wozu das Bewundern und das Verehren zählen, wird das Idealisieren in seiner Defizitform transparent. Mit dieser Einordnung soll schließlich der Bogen zur Verstehenden Tiefenpsychologie Josef Rattners als personalistische Betrachtung geschlagen werden.

Regina Timm, Dr. phil., geb. 1955, Psychologische Psychotherapeutin, Diplom-Berufspädagogin. Langjährige Lehrtätigkeit an Berliner Berufsschulen, seit 2000 niedergelassen in eigener Psychotherapeutischer Praxis. Ausbildung und Mitarbeit am ITGG-Berlin. Dozentin, Lehrtherapeutin und Supervisorin in der Psychotherapeutenausbildung.

Einleitung11
Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts19
Einige Aspekte der Kulturgeschichte19
Anmerkungen zur historischen Entwicklung23
Die Anfänge eines deutschen Nationalismus24
Der Wiener Kongress und der Deutsche Bund26
Das Kurfürstentum Hessen27
Malwida von Meysenbugs Lebensgeschichte29
Kindheit und Jugend29
Es gibt soviel zu entdecken! – Die frühen Jahre in Kassel
1816-183029
Ein Ende mit Schrecken und der Beginn einer neuer Ära − Jugendzeit (1830−1837)33
Finde ich als Frau meinen Platz in der Welt? (1837−1845)41
Exkurs I: Kindheitserinnerungen (Alfred Adler)50
Kindheitserinnerungen als Schlüssel zum Lebensentwurf Malwida von Meysenbugs51
Auf dem Weg zur Emanzipation58
Aufbruch58
Die Revolution 184864
An der Hamburger Hochschule für das weibliche Geschlecht 1850−185278
Flucht82
Exil in London (1852−1862)86
Allein in einem fremden Land87
Alexander Herzen (1812−1870)100
Die Familie der freien Wahl105
Erste Konflikte109
Neue Freundschaften112
Exkurs II: Charakter und Lebensstil (A. Adler)118
Das Minderwertigkeitsgefühl119
Kompensation und Geltungsstreben120
Das Gemeinschaftsgefühl121
Charakter und Lebensstil123
Charakter- und Lebensstilinterpretation einiger
Situationen im Leben Malwida von Meysenbugs125
Eigene Wege128
Die Jahre 1859−1861128
Richard Wagner (1813−1883)133
Abschied von London136
Wanderjahre (ca. 1862–1873)138
Familienleben und Zwistigkeiten140
Tauwetter in der Beziehung zwischen Meysenbug und Herzen149
Gabriel Monod (1844−1912)153
Die „Memoiren einer Idealistin“158
Ein Winter in Sorrent160
Zuhause in der Via Polveriera163
Meta von Salis-Marschlins (1855−1929)165
Lou Andreas Salomé (1861−1937)170
Nietzsche und Lou Salomé175
Exkurs III: Malwida von Meysenbug im Spiegel von Karen Horneys Theorie179
Die Kindheitsbedingungen Malwida von Meysenbugs180
Selbstidealisierung – ein Prozess der Selbstentfremdung182
Der Charaktertyp − drei Neurosenstrukturen184
Bezug von Horneys Theorie auf die Gedankenwelt Meysenbugs185
Der Lebensabend einer Idealistin191
Abschiede und neue Hoffnung191
Romain Rolland (1866−1944)193
Die letzten Jahre201
Die Beziehung zwischen Malwida von Meysenbug und Friedrich Nietzsche (1844−1900), dargestellt anhand des Briefwechsels204
Kennenlernen und frühe Freundschaft205
Gemeinsamkeiten und gegenseitige Achtung209
Der vierte Brief Nietzsches an Meysenbug und eine vorwurfsvolle Antwort210
Das gleiche Ziel: Wagner und Bayreuth218
Vertiefung der Freundschaft220
Nietzsche und die Idealistin220
Die neue Mütterlichkeit224
Eine ideale Gemeinschaft228
Erste Risse – oder: Wie bleibt man einem Freund treu?231
Die große Stille234
Wiederannäherung236
Die Entstehung von Zarathustra239
Ende der Freundschaft244
Zusammenfassung248
Abschließende Betrachtung253
Bewundern und Verehren254
Malwida von Meysenbug – Leben zwischen Hingabe und Selbstbewahrung257
Literaturverzeichnis263
Archivalien269
Internetquellen269
Über die Autorin271
Danksagung272
Bilder273

Malwida von Meysenbug (1816−1903) war zu Lebzeiten eine bedeutende Schriftstellerin, ihr literarisches Werk war für eine Frau der damaligen Zeit sehr umfangreich. Insbesondere durch ihre Autobiografie "Memoiren einer Idealistin" (1869/1876) wurde sie über Nacht in ganz Europa und darüber hinaus bekannt. Das Besondere dieser Lebensbeschreibung liegt in der Schilderung, wie sie sich aus den engen Fesseln der Familie befreit und ihren eigenen Weg geht. Obwohl privilegiert zwischen Adel und Bürgertum aufgewachsen, war sie für die Nöte der unteren Klassen empfänglich. Malwida von Meysenbug hat bewusst das Leben um sich herum wahrgenommen, sie hat die sozialen Missstände gese-hen und sich schließlich mit den demokratischen Bewegungen des Vormärz und der Revolution von 1848 solidarisiert. In den Konflik-ten, denen sie dadurch mit ihrer Familie ausgesetzt war, stand sie entschieden zu ihrer Haltung und nahm darüber hinaus in Kauf, als politisch Verfolgte emigrieren zu müssen. Mittellos und allein im Exil in England begann sie als junge Frau, völlig auf sich selbst ge-stellt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da sie gebildet, an vie-lem interessiert und weltoffen war, hatte sie als Lehrerin und Erzie-herin bald Erfolg. Neben Deutsch sprach Meysenbug fließend Englisch und Französisch, durch den Kontakt mit Alexander Herzen fand sie Zugang zur russischen Sprache, und später, als sie in Italien lebte, eignete sie sich Italienisch an. In diesen Sprachen schrieb sie ihre Briefe und Zeitungsartikel, je nachdem, wer ihre Ansprech-partner waren. Malwida von Meysenbugs autobiografische Beschreibung ihres Lebenswegs und die Hürden, die sie zu überwinden hatte, lösten insbesondere bei vielen Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert Hoffnungen aus, auch der Enge und Bevormundung entfliehen und sich selbst verwirklichen zu können. Für Meysenbug war es eine große Freude, zu sehen, welche Zuversicht sie mit ihren Memoiren bei der Jugend erweckte. Viele Frauen schrieben ihr voller Begeisterung und zu vielen von ihnen entwickelte sich ein persönlicher Kontakt. Es war für sie beglückend, nicht nur ihre Erfahrungen weitergeben zu können, sondern sie bot sich auch selbst als Mentorin an. Als Person und Mitmensch imponierte Malwida von Meysenbug insbesondere dadurch, dass sie vorurteilsfrei auf Menschen zugehen, Freundschaften aufbauen und diese über Jahre pflegen konnte. Viele berühmte Zeitgenossen (z. B. Gottfried Kinkel, Alexander Herzen, Giuseppe Mazzini, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche, Romain Rolland) wussten sie zu schätzen und suchten ihre Nähe. Je älter sie wurde, umso mehr legte man Wert auf ihr Urteil und schätzte ihre Lebenserfahrung. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Lebensgeschichte von Malwida von Meysenbug. Neben dem umfangreichen Briefwechsel Meysenbugs und der Sekundärliteratur wird insbesondere auf die Autobiografien "Memoiren einer Idealistin" und "Der Lebensabend einer Idealistin" verwiesen. Anhand dieses vorhandenen Materials soll aufgezeigt werden, wie es Meysenbug gelungen ist, sich aus den engen Familienstrukturen zu lösen, sich ein eigenständiges Leben aufzubauen, um schließlich zu dieser besonderen Persönlichkeit zu reifen. Die Aktualität der Thematik und die damit einhergehende Bedeutung für unsere heutige Zeit sind darin begründet, dass der Blick auf Meysenbug ein psychologisch-anthropologischer ist. Deshalb wird es neben der „Geschichte“ an bestimmten Stellen Einfügungen geben; mithilfe psychologischer Theorieansätze soll eine Annäherung an die individuelle Persönlichkeit Meysenbugs versucht werden. Da sie uns in ihrer Autobiografie neben ihrer Lebensbewegung und ihrem Wertehorizont auch viele sehr eindrückliche Kindheitserinnerungen präsentiert, bietet es sich an, Alfred Adlers Ganzheitstheorie diesbezüglich zu befragen (Exkurs I und II). Kritisch angemerkt werden muss, dass Meysenbug durch ihre idealistische Sichtweise vieles verklärt gesehen hat und ihr manches Mal der Blick fürs Reale abhanden gekommen ist. Hierbei bietet sich die Theorie Karen Horneys an, die mit ihrem Konzept vom idealisierten, realen und wahren Selbst einen weiteren Deutungsansatz ermöglicht (Exkurs III). Im Schlusskapitel soll das Problem der Idealisierung nochmals aufgegriffen werden. Seinen Sinn bezieht dieser pathologisierende Begriff, wenn man ihn vor seinen anthropologischen Hintergrund stellt: Erst im Kontext der Hingabethematik, wozu das Bewundern und das Verehren zählen, wird das Idealisieren in seiner Defizitform transparent. Mit dieser Einordnung soll schließlich der Bogen zur Verstehenden Tiefenpsychologie Josef Rattners als personalistische Betrachtung geschlagen werden.

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo Fotografien aus dem Leben Malwida von Meysenbugs
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 160 x 240 mm
Gewicht 450 g
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Alexander Herzen • Friedrich Nietzsche • Lou Andreas Salomé • Malwida von Meysenbug • Romain Rolland
ISBN-10 3-946130-23-2 / 3946130232
ISBN-13 978-3-946130-23-9 / 9783946130239
Zustand Neuware
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