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Klammerblues um zwölf (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
272 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-25818-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Klammerblues um zwölf -  Carla Berling
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Fee, 57, befindet sich im Ausnahmezustand: Ihr Gatte Teddy ist ungeplant gestorben! Nun hängt sie auf dem Sofa rum und übersteht die Tage nur mit Chips, Prosecco, Musik und Seriengucken. Am Ende eines einsamen Silvesterabends steht plötzlich Nachbarin Claudine vor der Tür. Die energische Sechzigjährige bringt Fees Dasein mit ihrer Lebenslust durcheinander. Sie macht sogar den absurden Vorschlag, mit ihr und der 72-jährigen Mary, die für den Seniorentriathlon trainiert und sehr frei über die Liebe denkt, eine WG zu gründen. Fee stürzt sich ins Leben, stolpert über die Leine eines hustenden Mopses, verknallt sich in Winnetou - und schneidet endlich alte Zöpfe ab!

Carla Berling, unverbesserliche Ostwestfälin mit rheinländischem Temperament, lebt in Köln, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Mit der Krimi-Reihe um Ira Wittekind landete sie auf Anhieb einen Erfolg als Selfpublisherin. Mit »Der Alte muss weg« wechselte sie sehr erfolgreich in die humorvolle Unterhaltung. Unter dem Pseudonym Felicitas Fuchs schreibt sie darüber hinaus historische Familiengeschichten. Bevor sie Bücher schrieb, arbeitete Carla Berling jahrelang als Lokalreporterin und Pressefotografin. Sie tourt außerdem regelmäßig mit ihren Romanen durch große und kleine Städte.

Prolog

Manchmal, so wird das Unvorhersehbare gern erklärt, kann der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auf der anderen Seite der Erdkugel auslösen.

Bei mir war es ein hustender Mops.

Am Eifelplatz radelte ich durch die Allee in der Mitte der Volksgartenstraße, querte die Kreuzung Vorgebirgsstraße und nahm den Fuß- und Radweg in der Rolandstraße.

Plötzlich hustete ein paar Meter vor mir, rechts, im Gras, ein fetter schwarzer Mops. Er hustete so erbärmlich, dass ich dachte, er würde kollabieren und dabei verrecken. Daher übersah ich die Jojo-Leine, an der dieser Mops hing, und stürzte mit Karacho hin. Dennoch kam der Schotter auf dem Weg wie in Zeitlupe auf mein Gesicht zu. Ich spürte plötzlich einen stechenden Schmerz am Kinn und am Schienbein, der mir direkt ins Gehirn schoss. Dann wurde mir schwarz vor Augen.

Als ich zu mir kam, krakeelte der Köter noch lauter, offenbar direkt neben meinem Schädel. Langsam erkannte ich das Husten als hysterisches Gekläff, und als ich die Augen aufschlug, blickte ich in Winnetous Gesicht.

Okay, es war eher ein nordischer Winnetou. Er hatte langes weißes Haar, in der Mitte gescheitelt, im Nacken offenbar zum Zopf gebunden. Seine Augen waren tiefseeblau, mit breiten dunklen Brauen. Ich lächelte selig. Pierre Brice lebte. Und er trug ein gelbes Hawaiihemd mit pinkfarbenen Palmen, aus dessen Ausschnitt üppige graue Brustwolle quoll.

Rasch schloss ich die Augen wieder.

Das Kreischen des Hundes gellte in meinen Ohren lauter und lauter und entfachte weiße Blitze hinter meiner Stirn.

Ruhig bleiben. Atmen. Du lebst. Du liegst. Kann bitte einer den Hund erschießen, wollte ich sagen, aber es kam nur ein Gurgeln aus meiner trockenen Kehle. Sortiere. Denk immer nur einen Gedanken nach dem anderen.

»Taxi! Ruhe!«, rief jemand.

Was denn nun? Wollte einer ein Taxi oder seine Ruhe?

Mein Verstand sagte mir: Ich liege also auf dem Boden. Ich bin gestürzt. Mit dem Rad. Über die Leine des Hundes. Mir ist ein Mann erschienen, der wie Winnetou aussieht.

Noch mal rief die Stimme: »Taxi, aus!«

Okay, dachte ich, irgendwas ist im Gehirn kaputt. Offenbar war ich auf den Kopf geknallt und halluzinierte.

»Können Sie mich hören, hallo, bitte öffnen Sie die Augen, schauen Sie mich an, soll ich einen Krankenwagen rufen?«

Die Stimme … Es war die, die eben ein Taxi gerufen hatte, und sie klang wie Jesus aus dem Off. Ich blinzelte vorsichtig.

Jesses, Winnetou war immer noch da und klopfte nun sogar mit den Fingerspitzen sanft auf meine Wangen.

Ich konzentrierte mich aufs Atmen. Einatmen, anhalten, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, ausatmen.

Meine Lebensgeister kehrten zurück, ich schlug die Augen auf, wollte mich aufsetzen.

Oh mein Gott.

Winnetou war jetzt nackt.

Jedenfalls obenrum.

Das Krächzen, das ich hörte, war mein eigener missglückter Schrei. Winnetou mit Jesus-Timbre hatte sein Hawaiihemd ausgezogen und schob es mir in den Nacken. »Liegen bleiben, bitte bleiben Sie liegen, ich schaue nach, ob etwas gebrochen ist.«

Er tastete meine Arme und Beine ab, fasste an meine Rippen. Moment! Das ging entschieden zu weit. Ich wollte ihn zurechtweisen, aber aus meinem Mund kam irgendwie immer noch nichts Vernünftiges.

Er sagte, dass er, wenn es mir irgendwo wehtäte, sofort einen Krankenwagen rufen würde, er müsse nur sein Handy holen, alles würde gut, es täte ihm so leid, er hätte einfach nicht aufgepasst, als Taxi auf die andere Seite gelaufen sei.

Ein Taxi war auf die andere Seite gelaufen? Ja, war denn der Typ bekloppt oder ich?

»Ta-xi?«, wisperte ich. Der Schwindel ließ langsam nach, der Nebel im Hirn lichtete sich, meine Stimme kehrte zurück, jedenfalls silbenweise.

Dieser Hund. Warum brachte ihn niemand zum Schweigen? Ich drehte meinen Kopf ganz leicht und sah, dass er an einem Baumstamm angebunden war, versuchte, Männchen zu machen, aber seine dünnen Beine hielten den dicken Körper nicht – er knickte immer wieder weg, drehte sich aus Wut um sich selbst und kläffte und kläffte. Seine schrille Mopsstimme klang mittlerweile schon ganz heiser.

Eine Frau tauchte in meinem Blickfeld auf. »Der arme Hund, wie können Sie ihn so quälen, einfach an den Baum binden und sich nicht kümmern … Ich zeige Sie an, das ist Tierquälerei, was Sie hier tun, Leute wie Sie dürften überhaupt keine unschuldigen Tiere haben …«

Winnetou erhob sich, stand nun in Bermuda-Shorts, Flipflops und mit nacktem Oberkörper vor dieser Person und herrschte sie an: »Anstatt sich über den Hund zu echauffieren, sollten Sie lieber einen Krankenwagen für die Dame rufen, die hier verletzt am Boden liegt! Mein Handy ist eben in den Gully gefallen, sonst hätte ich es schon längst selbst getan.«

Er sagte tatsächlich »Dame«.

Die Frau funkelte ihn empört an, presste ihre Korbtasche vor den Bauch und verschwand.

Durch das Gekeife und Gekläffe waren weitere Passanten stehen geblieben, wie ich nun feststellte, als ich den Kopf vorsichtig hin und her drehte. Winnetou schaute zu ihnen hinüber auf die andere Straßenseite, setzte an, wollte etwas sagen, schüttelte dann aber den Kopf und winkte ab. Er wandte sich wieder mir zu. Als er in die Hocke ging, knackten seine Knie.

Endlich richtete ich mich ächzend auf und betastete mich vorsichtig. Mein Schienbein blutete, ich hatte mir direkt über dem Knochen die Haut aufgeratscht, außerdem hatte ich eine Schürfwunde am Kinn, die höllisch brannte. Aber es schien nichts gebrochen zu sein, ich konnte alle Gelenke bewegen.

Vorsichtig half Winnetou mir beim Aufstehen. Erst dabei merkte ich, dass mein Kaftan bei dem Sturz hochgerutscht war und die ganze Zeit den Blick auf meinen Schlüpfer freigegeben hatte. Hektisch versuchte ich mich daran zu erinnern, welche Unterhose ich heute Morgen angezogen hatte, und hoffte inständig, dass es keines der vergilbten Frotteeteile war.

Winnetou führte mich ein paar Meter weit bis zur nächsten Bank. Ich setzte mich mit zitternden Knien.

Er lief zu meinem Fahrrad, dessen Korb vorn verbeult war, außerdem hatte das Vorderrad eine Acht.

Ich weiß nicht, wie oft er mich noch fragte, ob ich wirklich keinen Krankenwagen brauchte, weil es sein könne, dass ich eine Gehirnerschütterung hatte.

Der Mops hatte sich inzwischen ins Gras gelegt und hechelte mit heraushängender Zunge und aufgerissenen Glubschaugen.

Winnetou stellte sich als Hannes Weiß vor. Soso. Der weißhaarige Apache hieß auch noch Weiß. Er versuchte, mir mit einem Papiertaschentuch das Blut am Kinn abzutupfen, aber ich schob seine Hand weg. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehr wohl erkennen, wie toll der Typ aussah – aber ich sah hier und jetzt auf jeden Fall nicht toll aus. Und in diesem Zustand wollte ich bitte nicht betatscht, abgewischt und betüddelt werden.

Irgendwo erklang die Melodie von Smoke On The Water, blechern, leise.

Winnetou schnitt eine Grimasse. »Das ist mein Handy, es liegt da drüben im Gully.«

Er hatte gesimst, erklärte er mir nun, während er über die Straße gegangen und Taxi vorgelaufen war. »Taxi hat oft hysterische Anfälle, deswegen habe ich nicht sofort reagiert, sondern weiter auf mein Handy geschaut – und dann fielen Sie mir ja schon vor die Füße.«

Okay, jetzt verstand ich. Der dicke Hund hieß Taxi. Was für ein bekloppter Name für ein laufendes Sitzkissen auf vier Beinen.

Vor Schreck sei ihm das Handy runtergefallen, erklärte Winnetou, direkt durch den Rost in den Gully.

Die Musik verstummte. Hannes-Winnetou Weiß schüttelte den Staub aus seinem Hawaiihemd, strich es glatt und zog es wieder an. Ich riskierte einen intensiveren Blick. Er mochte ungefähr in meinem Alter sein, Ende fünfzig, vielleicht Anfang sechzig. Sein Haar war beneidenswert voll, aber den langen Zopf fand ich wirklich albern (Ja, ich fand seinen Zopf albern.). Mein Blick wanderte zu den nackten Füßen in den Schläppchen. Tip top gepflegt, na, dann war ja alles klar. Ich seufzte unwillkürlich auf. Ein gut aussehender Mann mit Zopf, Hawaiihemd, einem Taxi heißenden Mops und pedikürten Füßen konnte nur schwul sein.

Die merkwürdige Anspannung, die wahrscheinlich vom Sturz und dem damit einhergehenden Schock ausgelöst worden war, ließ nach.

»Wir warten, bis Sie mir grünes Licht geben und gehen können«, sagte Hannes, »dann bringe ich Sie nach Hause. Wohnen Sie in der Nähe?«

»Roland, Ecke Merowinger.«

»Vielleicht schließen wir Ihr Rad hier ab, Taxi und ich begleiten Sie, und dann hole ich Ihr Rad und bringe es Ihnen?« Er zögerte einen Moment. »Ist Ihr Mann zu Hause und kann sich um Sie kümmern?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin Single.« Im selben Moment wurde ich puterrot. Warum sagte ich denn so was?! Ich war doch kein Single, war nie Single gewesen. Singles sind Menschen, die verzweifelt auf der Suche sind, das Wort impliziert doch schon eine gewisse Not.

»Also, ich meine, mein Mann … Er ist nicht … Er kommt auch nicht … wie … Ich bin nämlich Witwe«, verbesserte ich mich.

In dem Moment plärrte es wieder aus dem Gully. Dammdammdamm, damm damm dadamm …

Hannes Weiß fuhr sich mit den Händen durch die...

Erscheint lt. Verlag 13.7.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50plus • Der Alte muss weg • eBooks • Humor • kleine geschenke für frauen • Köln • Komödie • lustig • lustige • Musik • Roman • Romane
ISBN-10 3-641-25818-9 / 3641258189
ISBN-13 978-3-641-25818-4 / 9783641258184
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