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Kugelblitz (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
544 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-24532-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kugelblitz - Cixin Liu
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An seinem vierzehnten Geburtstag muss der junge Chen miterleben, wie seine Eltern vor seinen Augen getötet werden. Ein mehrere Tausend Grad heißer Feuerball fährt in das alte Haus und verwandelt alles in Asche - ein Kugelblitz. Fortan hat Chen nur noch ein Ziel im Leben: Er will diesem rätselhaften Naturphänomen auf den Grund gehen und es erforschen. Der Weg dorthin führt ihn weit weg von seiner Heimat in der Provinz, über sturmgepeitschte Gebirge bis tief hinab in die Geheimlabore des Verteidigungsministeriums. Dort macht Chen schließlich eine atemberaubende Entdeckung, die ihn an die Grenzen der Physik führt und ihn vor eine Entscheidung stellt: Wem gilt seine Loyalität - seiner Obsession mit Kugelblitzen, seinen Auftraggebern im Ministerium oder allein der Wissenschaft?

Cixin Liu ist der erfolgreichste chinesische Science-Fiction-Autor. Er hat lange Zeit als Ingenieur in einem Kraftwerk gearbeitet, bevor er sich ganz seiner Schriftstellerkarriere widmen konnte. Seine Romane und Erzählungen wurden bereits viele Male mit dem Galaxy Award prämiert. Cixin Lius Roman »Die drei Sonnen« wurde 2015 als erster chinesischer Roman überhaupt mit dem Hugo Award ausgezeichnet und wird international als ein Meilenstein der Science-Fiction gefeiert. Zusammen mit den beiden Folgebänden »Der dunkle Wald« und »Jenseits der Zeit« wurde die Trisolaris-Trilogie als TV-Serie 3 Body Problem für Netflix verfilmt.

Seltsame Phänomene I

In den Sommerferien nach meinem zweiten Studienjahr fuhr ich in meine Heimatstadt. Ich wollte die alte Wohnung meiner Eltern vermieten, um mein weiteres Studium zu finanzieren.

Als ich zu Hause ankam, war es bereits dunkel. Ich tastete nach dem Schloss, und als ich die Tür aufgestoßen und das Licht eingeschaltet hatte, erwartete mich der vertraute Anblick. Der Tisch, auf dem in jener Gewitternacht mein Geburtstagskuchen gestanden hatte, nahm noch immer die Mitte des Wohnzimmers ein, und rings um ihn standen noch immer die drei Stühle, auf denen wir damals gesessen hatten. Es war, als wäre ich erst gestern fortgegangen.

Erschöpft ließ ich mich auf das Sofa fallen und musterte mein altes Zuhause. Irgendetwas stimmte nicht. Anfangs war es nur ein vages Gefühl, das jedoch immer schärfer hervortrat, wie ein verborgenes Riff, das man auf einer Fahrt durch den Nebel zuerst nur erahnt. Endlich, als das Gefühl überdeutlich wurde, erkannte ich seine Quelle:

Es war, als wäre ich erst gestern fortgegangen.

Ich nahm die Tischfläche genauer in Augenschein: Sie war nur von einer dünnen Staubschicht bedeckt – allzu dünn, gemessen daran, dass ich vor zwei Jahren ausgezogen war.

Ich ging ins Badezimmer, um mir den Schweiß und den Staub vom Gesicht zu waschen. Als ich das Licht einschaltete, erblickte ich mich selbst klar und deutlich im Spiegel – allzu klar. Der Spiegel hätte nicht so sauber sein sollen. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie ich als Grundschüler einmal mit meinen Eltern in den Sommerurlaub gefahren war: Wir waren nur eine Woche fort gewesen, doch als wir zurückkamen, konnte ich mit dem Finger ein Strichmännchen in den Staub auf dem Spiegel zeichnen. Nun jedoch hinterließ mein Finger auf dem Glas keine Spuren.

Ich drehte den Wasserhahn auf. Nach zwei Jahren hätte das Wasser rostbraun sein sollen, doch es war kristallklar.

Nachdem ich mir das Gesicht gewaschen und ins Wohnzimmer zurückgekehrt war, fiel mir ein weiteres Detail auf: Als ich mich vor zwei Jahren angeschickt hatte, das Haus zu verlassen, hatte ich mich an der Türschwelle noch einmal rasch umgeblickt, um auch ja nichts zu vergessen, und dabei war mein Blick auf ein Glas gefallen, das auf dem Tisch stand. Im ersten Moment wollte ich noch mal zurückgehen, um das Glas umzudrehen, damit es nicht einstaubte, doch weil mir das Gepäck so schwer auf der Schulter lastete, verwarf ich den Gedanken wieder. Ich erinnerte mich noch ganz deutlich an dieses Detail.

Nun jedoch stand ebendieses Glas umgedreht auf dem Tisch!

In diesem Moment kamen die Nachbarn, die Licht bei mir gesehen hatten, an die Tür. Sie hatten manche warmen Worte für mich übrig, wie sie ein verwaister Student erwarten kann, und versprachen mir, sich für mich um die Vermietung der Wohnung zu kümmern. Für den Fall, dass ich nach meinem Abschluss nicht mehr nach Hause kommen sollte, boten sie mir auch ihre Hilfe dabei an, die Wohnung zu einem guten Preis zu verkaufen.

»Anscheinend ist es hier in der Umgebung viel sauberer geworden, seit ich weggegangen bin«, bemerkte ich beiläufig.

»Sauberer? Du musst wohl mal zum Augenarzt! Seit das neue Stromkraftwerk drüben bei der Brauerei letztes Jahr in Betrieb gegangen ist, ist doppelt so viel Staub in der Luft! Wo findet man heutzutage schon noch einen Ort, an dem es sauberer wird?«

Ich blickte auf die hauchfeine Staubschicht auf dem Tisch, sagte aber nichts. Doch als sie sich von mir verabschiedeten, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen, ob einer von ihnen vielleicht einen Schlüssel zu meiner Wohnung hätte. Daraufhin wechselten sie erstaunte Blicke miteinander und versicherten mir, das sei nicht der Fall. Ich glaubte ihnen. Ursprünglich hatte es fünf Wohnungsschlüssel gegeben, von denen drei noch intakt waren. Vor zwei Jahren hatte ich alle drei mitgenommen; einen trug ich jetzt bei mir, während die anderen beiden weit weg in meinem Wohnheimzimmer lagen.

Nachdem die Nachbarn gegangen waren, überprüfte ich alle Fenster: Sie waren fest geschlossen und wiesen keinerlei Spuren von Beschädigung auf.

Die beiden übrigen Schlüssel hatten meine Eltern bei sich getragen. In jener Nacht waren sie geschmolzen. Ich werde nie vergessen, wie ich aus den Aschehaufen meiner Eltern die beiden unförmigen Metallklumpen herausklaubte. Auch diese zwei Schlüsselbünde, die erst geschmolzen und dann wieder erstarrt waren, bewahrte ich nun in meinem fernen Wohnheimzimmer auf – zum Gedenken an jene unvorstellbare Energie.

Nachdem ich eine Weile dagesessen hatte, begann ich zusammenzuräumen, was ich mitnehmen oder anderswo lagern wollte, wenn die Wohnung vermietet wäre. Zuerst suchte ich die Aquarelle meines Vaters zusammen. Sie gehörten zu den wenigen Dingen in dieser Wohnung, an denen ich wirklich hing. Erst nahm ich die paar Bilder ab, die an den Wänden hingen, dann holte ich die anderen aus dem Schrank und verstaute alle, die ich finden konnte, in einem Karton. Im untersten Bücherregal bemerkte ich schließlich noch ein weiteres Aquarell, das ich vorher übersehen hatte, weil es mit der Leinwand nach unten lag. Bevor ich es zu den anderen in den Karton legte, warf ich noch einen Blick darauf – und meine Aufmerksamkeit war sofort gefesselt.

Es war ein Landschaftsbild, das die Szenerie vor unserer Wohnung zeigte: eine triste Kulisse aus einigen düsteren vierstöckigen alten Häusern und ein paar Pappelreihen. Unter seiner Staubschicht wirkte das Bild vollkommen leblos. Als drittklassiger Hobbymaler war mein Vater ziemlich faul gewesen. Er ging kaum einmal aus dem Haus, um nach der Natur zu malen; stattdessen wurde er es nie müde, die immer gleiche trostlose Szenerie vor unserer Wohnung nachzubilden. Es gebe keine trivialen Sujets, pflegte er zu sagen, nur mittelmäßige Maler. Leider war er selbst auch ein solcher gewesen, und wenn er die triste Szene mit seinem uninspirierten Pinsel kopierte, wirkte sie nur noch seelenloser. Andererseits hatte er eben dadurch den trostlosen Alltag einer nordchinesischen Stadt so glaubhaft eingefangen. Jedenfalls unterschied sich das Bild in meinen Händen auf den ersten Blick in nichts von all den anderen Bildern im Karton.

Doch ein Detail stach mir ins Auge: ein Wasserturm, der sich durch seine Farbenpracht – er erinnerte mich an eine Purpurwinde – von den umliegenden alten Gebäuden abhob. Auch an diesem Turm war eigentlich nichts Bemerkenswertes, schließlich stand er tatsächlich dort draußen. Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich, wie sich seine hohe Silhouette schwarz gegen die Lichter der Stadt abzeichnete.

Nur war dieser Wasserturm erst vollendet worden, nachdem ich schon angefangen hatte zu studieren. Als ich vor zwei Jahren meine Heimatstadt verlassen hatte, war er nur ein halb fertiger Rohbau gewesen, umgeben von Baugerüsten.

Ein Schauder durchlief mich, und mir fiel das Bild aus der Hand. Es war ein Abend im Hochsommer, doch ein kalter Windstoß schien durch die Wohnung zu wehen.

Ich legte das Bild zu den anderen, und nachdem ich den Karton fest verschlossen hatte, machte ich mich daran, weiter aufzuräumen. Doch so angestrengt ich auch versuchte, mich auf das zu konzentrieren, was ich tat, mein Geist glich einer Nadel, die an einem Faden aufgehängt ist, während der Karton ein starker Magnet war. Wenn ich mich bemühte, konnte ich die Nadel in eine andere Richtung lenken, doch sobald ich in meiner Anstrengung nachließ, schwang die Nadel sogleich zurück in ihre alte Stellung. Von draußen pochte der Regen leise an die Fenster, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieses Klopfen aus dem Karton hervordrang.

Schließlich hielt ich es nicht länger aus. Ich rannte zu dem Karton zurück und öffnete ihn, nahm das Bild heraus und trug es ins Badezimmer, wobei ich darauf achtete, es mit dem Motiv nach unten zu halten. Dann zog ich ein Feuerzeug heraus und zündete das Bild an einer Ecke an. Als es zu einem Drittel verbrannt war, konnte ich dem Drang, es umzudrehen, nicht länger widerstehen. Der Wasserturm wirkte nun noch lebendiger, so als könnte er jeden Moment aus dem Papier hervortreten. Ich sah den Flammen dabei zu, wie sie das Aquarell verschlangen: Während sie sich durch die Wasserfarben fraßen, nahmen sie eine eigentümliche, verführerische Färbung an. Als kaum noch etwas von dem Bild übrig war, warf ich die Überreste in das Waschbecken und beobachtete, wie das Feuer erlosch. Dann drehte ich den Wasserhahn auf und spülte die Asche weg. Nachdem ich den Hahn wieder zugedreht hatte, fiel mein Blick auf den Beckenrand, und ich bemerkte etwas, das ich vorher, als ich mir das Gesicht gewaschen hatte, übersehen hatte.

Mehrere Haare. Lange Haare.

Die Haare waren weiß – manche zur Gänze, sodass sie mit der Beckenoberfläche fast verschmolzen, andere nur zur Hälfte, sodass die schwarzen Anteile hervorstachen. Ich konnte sie unmöglich vor zwei Jahren hier verloren haben, denn so lange Haare hatte ich nie gehabt – von so weißen ganz zu schweigen. Behutsam las ich eines der halb weißen Haare auf.

Für dieses eine wachsen mir nun sieben weiße Haare nach …

Ich schüttelte das Haar so heftig ab, als hätte ich mir die Finger verbrannt. Langsam schwebte es herab und hinterließ in der Luft einen Schweif, der aus den flüchtigen Abbildern vieler Haare bestand, so als wäre mein Sehsinn auf einmal viel träger geworden. Doch statt auf dem Beckenrand zu landen, löste sich das Haar auf halber Höhe in Nichts auf. Ich suchte die Haare auf dem Becken: Auch sie waren spurlos verschwunden.

Nachdem ich den Kopf lange unter den aufgedrehten Wasserhahn gehalten hatte, tappte ich wie benommen ins Wohnzimmer zurück....

Erscheint lt. Verlag 11.5.2020
Übersetzer Marc Hermann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel 球状闪电 (Ball Lightning)
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte ball lightning • China • chinesische Science-Fiction • eBooks • Hard-SF • Liu Cixin • Physik • Trisolaris • Wissenschaftler
ISBN-10 3-641-24532-X / 364124532X
ISBN-13 978-3-641-24532-0 / 9783641245320
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