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Die Clans des Alpha-Mondes (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490800-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Clans des Alpha-Mondes -  Philip K. Dick
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Nachschub für alle Fans des Science-Fiction-Meisters Philip K. Dick: Die Neuauflage des lange vergriffenen »Die Clans des Alpha-Mondes« ist da! Fünfundzwanzig Jahre ist der interstellare Krieg vorbei. Auf dem Mond eines Alpha-Planeten versucht Gabriel Baines das scheinbar Unmögliche: Die Siedler - nach irdischen Maßstäben alles Psychopathen - sollen sich vereinen, um einer erneuten Zwangstherapie auf der Erde zu entgehen und unabhängig zu bleiben. Wird Beines es schaffen, die rivalisierenden Clans zu einer Einheit formieren und so alle vor der terranischen Expedition zu schützen? »Eine hervorragende Studie der Paranoia einer geschlossenen Gesellschaft« Lexikon der utopisch-phantastischen Literatur

Philip K. Dick hat die Science-Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialischer Phantasie sah er Szenarien voraus, in denen unsere Gegenwart zum Albtraum wird: »Blade Runner«, »Minority Report«, »Total Recall«, »Impostor«, »Paycheck«, »Der dunkle Schirm« - all diese Filme basieren auf seinen Büchern. 1928 in Chicago geboren, rettete er sich aus seiner psychotischen Jugend nach Berkeley. Er nahm so ziemlich alle Aufputschmittel und Drogen, die es gab, hatte Visionen und göttliche Erscheinungen, schrieb bis zu 60 Seiten am Tag und fühlte sich von FBI und KGB verfolgt. 1982 starb er wenige Wochen vor der Filmpremiere von »Blade Runner«.

Philip K. Dick hat die Science-Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialischer Phantasie sah er Szenarien voraus, in denen unsere Gegenwart zum Albtraum wird: »Blade Runner«, »Minority Report«, »Total Recall«, »Impostor«, »Paycheck«, »Der dunkle Schirm« – all diese Filme basieren auf seinen Büchern. 1928 in Chicago geboren, rettete er sich aus seiner psychotischen Jugend nach Berkeley. Er nahm so ziemlich alle Aufputschmittel und Drogen, die es gab, hatte Visionen und göttliche Erscheinungen, schrieb bis zu 60 Seiten am Tag und fühlte sich von FBI und KGB verfolgt. 1982 starb er wenige Wochen vor der Filmpremiere von »Blade Runner«. Ronald M. Hahn, 1948 in Wuppertal geboren, ist seit 1971 als Autor von Sachbüchern, Romanen und Kurzgeschichten im phantastischen Genre und im Kriminalroman tätig. Unter Pseudonym und eigenem Namen hat er zahlreiche humoristische Jugendbücher sowie Biografien (Hitchcock, Chaplin) publiziert, über 180 Romane aus dem Englischen und Niederländischen übersetzt und war für namhafte Verlage als Lektor tätig. Übersetzungen seiner Werke erschienen in Frankreich, Italien, UdSSR, Norwegen, Brasilien, USA, Ungarn, Ukraine, CSSR, Belgien und Polen.

2


Ohne dem alten Wohnsilo mit seinen porösen Rigipswänden, dem schwachen, wahrscheinlich beschädigten Beleuchtungssystem, dem archaischen Bildfenster und den schäbigen, altmodisch gefliesten Böden mehr als einen kurzen Blick zu widmen, sagte Chuck Rittersdorf: »Für mich wird’s reichen.« Er zückte sein Scheckheft und krümmte sich beim Anblick der schmiedeeisernen Zentralheizung. Er hatte dergleichen seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen.

Doch die Besitzerin des heruntergekommenen Gebäudes runzelte misstrauisch die Stirn, als sie seine Ausweispapiere entgegennahm. »Laut dieser Unterlagen sind Sie verheiratet, Mr. Rittersdorf – und haben Kinder. Es ist nicht gestattet, eine Frau und Kinder mit in diese Wohnung zu bringen. Wir haben sie in der Anzeige ›für einen nicht trinkenden Junggesellen mit Arbeitsplatz‹ ausgeschrieben, und …«

Chuck sagte müde: »Es trifft genau auf mich zu.« Die dicke Hausbesitzerin – sie war in den mittleren Jahren und trug ein Kleid aus venusischer Pfeifgrillenhaut und Wobfellschuhe – ging ihm auf die Nerven. Schon jetzt war es eine miese Erfahrung. »Ich lebe von meiner Gattin getrennt. Die Kinder sind bei ihr. Deswegen brauche ich diese Wohnung.«

»Aber sie wird Sie besuchen kommen.« Die Frau hob die purpur getönten Brauen.

»Da kennen Sie meine Frau aber schlecht«, sagte Chuck.

»Erzählen Sie mir doch nichts. Ich kenne die Bundesscheidungsgesetze. Sie sind nicht mehr wie früher, als die Bundesstaaten noch allein zu bestimmen hatten. Sie waren schon vor Gericht, wie? Haben Sie zum ersten Mal die Papiere gekriegt?«

»Nein«, gab Chuck zu. Für ihn fing es erst an. Gestern Abend war er zu später Stunde ins Hotel gegangen. Die Nacht davor war seine letzte Kampfnacht gewesen, um das Unmögliche zu erreichen – nämlich weiterhin mit Mary zusammenzuleben.

Er gab der Hausbesitzerin den Scheck. Sie gab ihm seine Papiere zurück und ging. Sobald sie die Tür geschlossen hatte, ging Chuck zum Fenster und warf einen Blick auf die Straße, die sich unter ihm ausbreitete. Er sah Autos, Jet-Gleiter, Außenaufzüge und Laufwege für die Fußgänger. Bald würde er Nat Wilder, seinen Anwalt, anrufen müssen. Sehr bald.

Die Ironie des Zusammenbruchs ihrer Ehe hatte ihm den Rest gegeben. Für den Beruf seiner Frau – sie war eine Meisterin ihres Fachs – war die Ehe sozusagen vorgeschrieben. Tatsächlich hatte sie im kalifornischen Marin County, wo sie ihr Büro unterhielt, den Ruf, die Beste ihres Fachs zu sein. Gott allein wusste, wie viele kaputte menschliche Beziehungen sie geheilt hatte. Und doch hatte ausgerechnet ihr diesbezügliches Talent durch einen meisterhaften Schlag der Ungerechtigkeit dazu beigetragen, ihn in dieses abscheuliche Silo zu treiben. Weil Mary sich trotz ihrer Erfolge nicht dem Gefühl widersetzen konnte, Verachtung für ihn zu empfinden. Und ihre Verachtung war in den letzten Jahren immer größer geworden.

Es war eine Tatsache – und er musste sich ihr stellen –, dass er in seinem Beruf nicht annähernd so erfolgreich gewesen war wie sie.

Sein Job, der ihm persönlich eine Menge Spaß machte, war der eines Simulacrum-Programmierers im Geheimdienst der Regierung in Cheyenne. Er war für die endlose Propaganda und Agitation gegen den Ring der kommunistischen Staaten zuständig, die die USA umgaben. Zwar glaubte Chuck persönlich fest an seine Tätigkeit, doch man konnte sie kaum eine hochbezahlte oder edle Berufung nennen. Die Programme, die er austüftelte – um ein anderes Wort zu vermeiden –, waren infantil, verlogen und von Vorurteilen geprägt. Ihr Hauptziel bestand in der Schulung der Kinder der USA, in den kommunistischen Anliegerstaaten und der gewaltigen Masse der Erwachsenen mit niedrigem Bildungsstand. Nahm man es genau, war er ein Zeilenschinder. Das hatte Mary ihm mehr als einmal zu verstehen gegeben.

Ob er nun ein Zeilenschinder war oder nicht, er hatte seinen Job ausgeführt, auch wenn ihm im Verlauf seiner sechsjährigen Ehe andere Unternehmen Angebote gemacht hatten. Vielleicht lag es daran, dass es ihm Spaß machte, menschenähnliche Simulacren reden zu hören. Vielleicht lag es auch daran, dass er seine Tätigkeit für allgemein nützlich hielt: Die Vereinigten Staaten waren politisch und wirtschaftlich in der Defensive und mussten sich schützen. Die Regierung brauchte Menschen, die für – zugegeben – niedrige Gehälter arbeiteten, und zwar in Jobs, denen es an heroischen oder großartigen Qualitäten mangelte. Irgendjemand musste die Propaganda-Simulacren schließlich programmieren, die auf der ganzen Welt verteilt wurden. Die Simulacren mussten schließlich ihren Jobs nachgehen – sie mussten als Vertreter der geheimen Abwehr agitieren, überzeugen und beeinflussen. Aber …

Vor drei Jahren hatte die Krise angefangen. Einer von Marys Klienten – er war in unglaublich komplizierte Eheprobleme verwickelt gewesen und hatte drei Geliebte gleichzeitig gehabt – war Fernsehproduzent. Gerald Feld produzierte die berühmte und einmalige Bunny-Hentman-TV-Show und kontrollierte einen großen Anteil am Unternehmen des populären Komikers. Als kleines Nebengeschäft hatte Mary ihm mehrere Programmskripte gegeben, die Chuck für die örtliche CIA-Zweigstelle in San Francisco geschrieben hatte. Feld hatte sie mit Interesse gelesen, weil sie – und dies erklärte Marys Auswahl – einen ordentlichen humoristischen Teil aufgewiesen hatten. Darin bestand Chucks Talent; er programmierte etwas anderes als das übliche, pompöse, feierliche Zeugs … Man sagte seinen Programmen nach, dass sie voller Witz seien und vor Humor sprühten. Feld war zur gleichen Ansicht gelangt. Er hatte Mary gebeten, ein Treffen zwischen ihm und Chuck zu arrangieren.

Und jetzt, als er am Fenster des kleinen, düsteren, alten Silos stand, in das er noch keinen Fetzen Kleidung gebracht hatte, starrte Chuck auf die Straße hinunter und erinnerte sich an das Gespräch mit Mary, das daraus erwachsen war. Es war ein besonders heißes Gespräch gewesen, ganz bestimmt ein klassisches. Es hatte den Bruch zwischen ihnen auf den Punkt gebracht.

Für Mary war die Sache klar gewesen: Hier war eine Job-Möglichkeit; man musste um jeden Preis am Ball bleiben. Feld würde ihn gut bezahlen, und die Tätigkeit würde gewaltiges Prestige einbringen. Jede Woche würde sein Name zusammen mit denen der anderen Skript-Autoren am Ende der Bunny-Hetman-Show auf dem Bildschirm auftauchen, so dass die ganze Welt ihn lesen konnte. Damit Mary – und das war die Crux – stolz auf seine Arbeit sein konnte, denn sie war nämlich bemerkenswert kreativ. Kreativität war für Mary das Sesam-öffne-Dich zum Leben. Wer für den CIA Propaganda-Simulacren programmierte, die ungebildeten Afrikanern, Lateinamerikanern und Asiaten eine Botschaft vorbrabbelten, war nicht kreativ. Denn solche Botschaften neigten dazu, sich zu wiederholen, und außerdem hatte der CIA in den liberalen, begüterten, hochnäsigen Kreisen, in denen Mary verkehrte, einen schlechten Ruf.

»Du bist wie jemand, der in einem Vorortpark die Blätter zusammenharkt«, hatte Mary erzürnt gesagt. »Als wärst du nur auf eine Verbeamtung aus. Du gehst völlig auf Nummer sicher und drückst dich vor jedem Kampf. Du bist jetzt dreiunddreißig Jahre alt, und schon hast du es aufgegeben, Karriere zu machen. Du hast gar kein Interesse daran, dass etwas aus dir wird.«

»Hör mal«, hatte Chuck barsch gesagt, »bist du eigentlich meine Mutter oder meine Frau? Wieso nimmst du dir das Recht heraus, mich zu gängeln? Muss ich denn überhaupt Karriere machen? Soll ich vielleicht noch TERPLAN-Präsident werden? Ist es das, was du willst?« Abgesehen vom Prestige und vom Geld ging es doch wohl noch um ein bisschen mehr. Mary wollte offensichtlich einen völlig anderen Menschen aus ihm machen. Sie, die ihn von allen Menschen der Welt am besten kannte, schämte sich seiner. Doch wenn er den Job annahm und für Bunny Hentman schrieb, würde er ein anderer werden – so ungefähr ging ihre Logik.

Chuck konnte sich dieser Logik zwar nicht entziehen, aber er hatte sich ihr dennoch widersetzt. Er würde seinen Job nicht kündigen; er würde keinen anderen annehmen. Irgendetwas in seinem Inneren war einfach zu träge dazu, ob es nun dem Guten oder dem Bösen diente. Der Kern eines Menschen wies eine Hysterese auf; diesen Kern legte man nicht einfach ab.

Draußen, auf der Straße, näherte sich ein weißer Chevrolet Deluxe, ein funkelndes neues Sechstürenmodell, dem Bordstein und hielt an. Chuck schaute müßig zu, dann registrierte er mit einem ungläubigen Zusammenzucken, dass es sich – unmöglich – um sein ehemals eigenes handelte. Da war Mary schon. Sie hatte ihn schon gefunden.

Dr. Mary Rittendorf, seine Angetraute, war im Begriff, ihm einen Besuch abzustatten.

 

Chuck empfand Angst und das zunehmende Gefühl des Versagthabens. Es war ihm nicht einmal gelungen, diese Sache richtig zu handhaben – ein Silo zu finden, in dem er wohnen konnte, ohne dass Mary ihn aufspürte. In ein paar Tagen konnte Nat Wilder für seinen gesetzlichen Schutz sorgen, aber jetzt, in diesem Stadium, war er hilflos; er musste sie hereinlassen.

Es war nicht schwierig zu erkennen, wie sie ihn ausfindig gemacht hatte; einfache Aufspürgeräte waren billig und überall zu haben. Wahrscheinlich war Mary zu einer privaten Robot-Ermittlungsagentur gegangen, hatte die Dienste...

Erscheint lt. Verlag 29.7.2020
Reihe/Serie Fischer Klassik
Fischer Klassik
Übersetzer Ronald M. Hahn
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Blade runner • Electric Dreams • fremde Galaxien • geschlossene Gesellschaft • Interstellar • Philip K. Dick • Science-Fiction-Roman
ISBN-10 3-10-490800-1 / 3104908001
ISBN-13 978-3-10-490800-7 / 9783104908007
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