Es wär schon eine Lüge wert (eBook)
304 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99444-6 (ISBN)
Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch »Mir langt's - eine Lehrerin steigt aus«. Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien. Ihre Sylt-Krimis um die resolute Mamma Carlotta erobern jedes Jahr aufs Neue die Bestsellerlisten. Gisa Pauly wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Satirepreis der Stadt Boppard und der Goldenen Kamera des SWR für das Drehbuch »Déjàvu«. Die Leser der Fernsehzeitschrift rtv wählten sie zur beliebtesten Autorin des Jahres 2018.
Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch "Mir langt's – eine Lehrerin steigt aus". Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien. Ihre turbulenten Sylt-Krimis um die temperamentvolle Mamma Carlotta erobern regelmäßig die SPIEGEL-Bestsellerliste, genauso wie ihre erfolgreichen Italien-Romane. Gisa Pauly wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Satirepreis der Stadt Boppard und der Goldenen Kamera des SWR für das Drehbuch "Déjàvu".
Bruder Lisandro nickte. »So ist es.«
Er war ein großer, hagerer Mann, dem die Mönchskutte etwas Asketisches gab. Wenn Franz von Assisi wirklich gewollt hatte, dass diejenigen, die ihm folgten, sich in ihrem Leben auf das Notwendigste beschränkten, dann sah der Guardian so aus, als hielte er sich daran.
Der Prälat verließ sie, als wollte er mit der Armseligkeit nichts zu tun haben, und winkte nur mit einer Geste zurück, die aussah, als wollte er die Aussage des Guardians segnen, egal, was er auszusagen gedachte.
Emilio blickte ihm erstaunt nach. Eigentlich hätte er gern auch mit dem Prälaten gesprochen. Aber entweder wusste der nichts, oder er wollte nichts wissen und fand vermutlich auch, dass er sich mit solch irdischen Beiwerken nicht zu befassen habe.
Also wandte sich Emilio an den Guardian, der ihn abwartend anblickte. »Bitte erzählen Sie mir, was sich zugetragen hat.«
Padre Lisandro drückte die gefalteten Hände an die Brust, während er berichtete, was Emilio schon wusste: dass Bruder Giorgio am Morgen, als er die Kirche aufschloss, das Fehlen der Statue bemerkt habe.
»Am späten Nachmittag war sie noch da«, bestätigte der junge Laienbruder. Er war Ende zwanzig, mittelgroß, gut aussehend. Ein junger Mann, den keine Frau gern in einer Mönchskutte sah. Emilios Mutter würde es, wenn sie ihn je kennenlernen sollte, zu ihrer Pflicht machen, diesen Franziskanermönch davon zu überzeugen, dass das Leben mehr zu bieten hatte als ewige Keuschheit.
»Wann genau?«, fragte Emilio.
Das konnte Bruder Giorgio nicht sagen, aber nach längerer Überlegung schaffte er es, den Zeitpunkt des Diebstahls auf eine Spanne zwischen sechzehn und zwanzig Uhr einzugrenzen. Um zwanzig Uhr hatte er die Kirche abgeschlossen. »Aber dass die Statue fehlte, ist mir nicht aufgefallen.«
Dass sie noch an ihrem Platz gestanden hatte und die Diebe während der Nacht in die Kirche eingebrochen waren, hielt Padre Lisandro für ausgeschlossen. »Wir haben überall nachgesehen. Keine Tür weist Einbruchspuren auf. Auch durch die Sakristei können sie nicht gekommen sein. Das Fenster ist unversehrt.« Er rang die Hände, und Emilio nahm an, dass der liebe Herrgott dem Bischof später einige Fragen würde beantworten müssen. Zum Beispiel, wie es sein konnte, dass es unter seinen Schäfchen ein so schwarzes, sündiges gab.
»Was hat es mit der Statue auf sich?«, fragte Emilio. »Ist sie kostbar? Wie alt ist sie? Wer hat sie angefertigt?«
»Soviel ich weiß, ist der Künstler unbekannt«, antwortete Bruder Giorgio anstelle des Guardians.
Emilio betrachtete den hübschen dunkelhaarigen Mann, dessen braune Augen so arglos unter den Locken, die ihm in die Stirn fielen, hervorsahen, dass man meinen konnte, er sei ein stilles Wasser mit diversen Untiefen. »Warum hat die Statue dann einen Dieb gereizt?«
»Weil sie nicht besonders gut gesichert war«, antwortete Padre Lisandro.
Giuseppe war mit der Besichtigung des Tatorts schnell fertig geworden und erschien nun wieder neben Emilio. Er holte tief Luft, ehe er sagte: »Könnte es sein, dass die Statue wertvoller ist, als allgemein bekannt war?«
Der Guardian wurde verlegen. »Mein Vorgänger war ein Kunstkenner. Er hat einmal die Vermutung geäußert, sie könnte eine Arbeit von Giacomo Cozzarelli sein.«
Giuseppe sah so aus, als müsste er daran gehindert werden, sich zu erkundigen, ob es sich um einen anderen Franziskanermönch handle oder um den Vater des Laienbruders. Emilio war der Name jedoch wohlbekannt. Er kannte auch Cozzarellis Skulptur »Cristo in pietà«, die man in der Pinacoteca Nazionale bestaunen konnte. Ein Künstler, der in Siena geboren und gestorben war. Seine letzte Ruhestätte hatte er in der Basilica dell’Osservanza in Siena gefunden. »Santo dio! Dann ist die Statue ein Vermögen wert. Wer wusste davon?«
Padre Lisandro sah den Laienbruder an, als wollte er diesem gern das Antworten zuschieben. Aber dann erklärte er doch tapfer: »Die Kirche hat darüber nicht geredet, weil niemand Genaueres wusste. Es schien uns vernünftiger zu sein, die Statue nicht besonders zu sichern, denn dann wäre ja jedem klar geworden, dass sie kostbar ist.«
»Es wäre aber klüger gewesen«, murmelte Emilio.
»Natürlich hätten wir es getan, wenn wir mit Sicherheit gewusst hätten, dass sie Cozzarellis Werk ist. Aber sollten wir viel Geld für eine Alarmanlage ausgeben, wenn die Heilige Katharina am Ende doch von irgendeinem unbekannten Hobbyschnitzer stammt?« Der Guardian zog ein überhebliches Gesicht. »Besonders brillant kam mir persönlich die Arbeit nicht vor. Aber …« Er schien daran erinnert zu werden, dass Giacomo Cozzarelli über jeden Zweifel erhaben war. »Vielleicht eine frühe Arbeit von ihm.«
»Außerdem …«, mischte sich der Laienbruder ein. »Wie hätten die Frauen ihre Kinderwünsche in die Statue stecken können, wenn sie mit einer Alarmanlage gesichert gewesen wäre?«
Emilio gab höflich zu verstehen, wie sehr es ihm gefiel, dass der Klerus den Hilfe suchenden Frauen nicht die Möglichkeit nehmen wollte, einen Zettel für einen Euro zu kaufen und eine Kerze für denselben Preis zu erwerben und damit den Reichtum der Kirche zu mehren. »Jemand muss den Wert der Statue erkannt haben.«
Giuseppe nickte bestätigend. »So wird es gewesen sein.«
Sie gingen mit dem Laienbruder zu dem Sockel, auf dem die Statue gestanden hatte. Padre Lisandro entschuldigte sich mit den Worten, er habe Wichtigeres zu tun, und verzog sich mit raschelnder Kutte.
Emilio zeigte auf ein Drahtseil, das an einem schweren Haken befestigt war, der im Kirchengemäuer verankert war. Damit war die Statue befestigt gewesen, und es war durchtrennt worden.
»Mit einer Drahtschere«, meinte Giuseppe. »Kein Problem. Das Ding stecke ich mir in die Innenseite des Mantels und ziehe es hervor, wenn gerade keiner hinsieht. Das ist eine Sache von wenigen Sekunden.«
Emilio nickte. »Wahrscheinlich kurz bevor die Kirche abgeschlossen wurde. Dann leeren sich die Seitenschiffe, und alle bewegen sich Richtung Ausgang.«
»Das Problem ist dann nur noch, die Heilige Katharina aus dem Haus zu bringen, ohne dass es jemand bemerkt.«
Emilio wandte sich an Bruder Giorgio. »Wie groß ist die Statue?«
Der Laienbruder suchte nach einem Vergleich. Dann meinte er: »Vielleicht … siebzig oder achtzig Zentimeter.«
Giuseppe triumphierte. »In eine Decke wickeln und dann zum Ausgang tragen, als hätte man ein Kind auf dem Arm.«
Emilio grinste zustimmend. »Ein Mützchen obendrauf und ein Schlaflied summen. Dann schöpft niemand Verdacht.« Er wurde schnell wieder ernst. »Wir müssen herausfinden, wie kostbar die Statue ist, und verhindern, dass sie auf irgendwelchen dubiosen Wegen komplett von der Bildfläche verschwindet. Der illegale Handel mit Kunst ist groß und wird immer skrupelloser.« Nun wandte er sich an Bruder Giorgio. »Ist Ihnen irgendwas aufgefallen? Haben Sie Personen in Erinnerung, die sich merkwürdig verhalten haben? Waren noch andere Geistliche zu der fraglichen Zeit in der Kirche?«
Bruder Giorgio schüttelte den Kopf. »Nein, ich war allein. Das bin ich meistens um diese Zeit.« Er sah mit einem Mal nachdenklich aus. »Allerdings … es sind mir tatsächlich ein paar Personen aufgefallen. Zum Beispiel eine Frau, die durch den Seitenausgang die Kirche verlassen hat.«
Emilio sah sich um. »Wo ist hier ein Seitenausgang?«
Bruder Giorgio ging ihm voraus und öffnete eine unscheinbare Tür, die Emilio nicht aufgefallen war. Er folgte dem Laienbruder und reichte das Türblatt an Giuseppe weiter, der nach ihm hinausdrängte. Sie betraten erst einen Kreuzgang, dann einen Garten, der menschenleer dalag. Die Stille darin war eine ganz andere als die in der Kirche. Dort war sie satt und übervoll von einer Ruhe, die künstlich herbeigeführt wurde, über diesem Stück Rasen, den dichten Büschen und den wenigen Blüten, die der Garten hervorbrachte, war die Stille natürlicher, expressiver. Und das, obwohl hier der Autolärm zu hören war und aus den umliegenden Häusern Stimmen herüberdrangen. Aber die Stille hallte nicht, sie war klar und ursprünglich.
Bruder Giorgio sorgte dafür, dass Emilio und Giuseppe auf dem schmalen Weg blieben, der sich durch den Garten zu einem kleinen Tor schlängelte, das auf den Vorplatz hinausführte. Er zeigte zu einem dichten Gebüsch, das sich in einer Senke ausbreitete, undurchdringlich und stachelig. »Da hat es gestern einen kleinen Unfall gegeben. Eine Frau hatte sich dort versteckt.«
Emilio sah zweifelnd die Stelle an, auf die der Laienbruder zeigte. »Versteckt? Warum?«
Bruder Giorgio zuckte mit den Schultern. »Sie wollte nicht gesehen werden, das war offensichtlich. Zwei Männer waren vor ihr in den Garten gegangen, und sie war ihnen gefolgt. Mich hat keiner der drei gesehen, aber ich habe sie beobachtet.«
»Können Sie mir die drei beschreiben?«
Der Laienbruder dachte nach, dann lächelte er. »Den einen sehr gut. Er sah nämlich aus wie Gérard Depardieu. Zum Verwechseln ähnlich. Also … nicht der Depardieu, der er mal war, sondern der alte, fette Depardieu, der er heute ist.«
Emilio atmete tief durch, um nicht zu zeigen, was diese Auskunft für ihn bedeutete. »Und der andere Mann? Die Frau?«
»Der andere war groß und hager. Schon über siebzig, vermute ich. Der hatte auch eine Visage, die ihn nicht gerade sympathisch machte. Typ Galgenvogel!« Er lachte, wurde aber schnell wieder ernst, als Emilio nicht einmal lächelte. »Er humpelte. Sah so aus, als hätte er Kniebeschwerden. Er trug einen braunen Mantel, der ihm viel zu groß war. Zu lang und zu weit.« Bruder Giorgio dachte eine Weile nach, ehe er fortfuhr: »Die Frau war...
Erscheint lt. Verlag | 5.8.2019 |
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Reihe/Serie | Siena-Reihe | Siena-Reihe |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Dora Heldt • Ellen Berg • Familie • Gaunerkomödie • Geschenk für Mama • Geschenk für Oma • Gisela • Hotel • Humor • Jeder lügt • Jeder lügt, so gut er kann • Mamma Carlotta • Neuanfang • Neue Liebe • Pauli • so gut er kann • Strandlektüre • Toskana • Urlaubslektüre • Verwechslung |
ISBN-10 | 3-492-99444-X / 349299444X |
ISBN-13 | 978-3-492-99444-6 / 9783492994446 |
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