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Minus-Materie -  Freder van Holk

Minus-Materie (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
130 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-3055-9 (ISBN)
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Dass ein Toter mitten auf einer Straße in Washington auftaucht und vor sich hin grinst, hatte man noch nicht erlebt; die Polizei steht vor einem Rätsel. Noch in derselben Nacht wird ein blauer Mond am Himmel beobachtet, in den darauffolgenden Nächten erscheinen weitere. Bald darauf verschwinden zwei Raumschiffe der Sternstaffel spurlos - niemand hat eine Erklärung dafür. Als sich dann das Crawford-Institut und mit ihm halb Providence nach einer Explosion, die scheinbar durch Experimente des Kernphysikers Professor Howard Anderson verursacht wurde, buchstäblich in Luft auflösen, ohne Spuren zu hinterlassen, sind die obersten Behörden alarmiert. Sie setzen Jasper Anderson, den Sohn des Wissenschaftlers, unter Druck, denn er war Assistent seines Vaters gewesen und hatte sich zwei Jahre zuvor plötzlich aus der Forschung über Minus-Materie zurückgezogen ...

Ein Toter steht auf


Er stand ziemlich genau in der Mitte der Pierce Street, und zwar dort, wo sie in die New Jersey Avenue einmündet. Die Fußgänger auf dieser Seite der Avenue mussten bereits hinter ihm vorbeigehen. Die Wagen aus der Pierce Street oder in sie hinein kamen rechts oder links an ihm vorbei, aber immerhin so knapp, dass dieser oder jener gereizt bremste oder hupte.

Viel waren es nicht. Die Pierce Street ist eine Nebenstraße, und in der zehnten Abendstunde saßen die Leute am Fernseher oder im Kino. Der sanfte, aber ausdauernde Regen verlockte auch kaum dazu, in den Straßen herumzukurven.

Trotzdem — der Mann war ein Ärgernis. Niemand hatte das Recht, sich mitten auf einer Straßeneinmündung niederzulassen. Und in diesem Viertel stand man überhaupt nicht betrunken auf der Straße herum. Und der Mann war betrunken. Er stand zwar fest, schwankte aber mit dem Oberkörper deutlich hin und her, als ob ihn der leichte Wind an der Ecke drückte.

Sergeant Jimmy Hopkins entschloss sich jedenfalls, dem Mann ein oder zwei Worte zu sagen, nachdem er ihn eine Weile von der anderen Seite der Avenue aus beobachtet hatte. Das war nicht seine Art, denn nach seinen Erfahrungen regelten sich die Kleinigkeiten auf der Straße immer am besten, wenn sich die Polizei nicht erst einmischte, aber andererseits befand er sich nun einmal auf seiner Runde und hatte seine Pflichten. Wenn der Mann hartnäckig war, musste er ihm nachhelfen.

Er ging über die Straße, winkte einen Wagen durch die Kurve und trat an den Mann heran. Er wunderte sich nicht, dass er einen Fremden vor sich sah. Das dunstige Licht fiel auf eine dunkle Haut, auf eine eigenartig geschnittene Jacke, deren Stoff gewellt wirkte, ein helles Hemd, das am Kragen eingeschlagen oder zerrissen war, enge und ebenfalls wellige Hosen, die nicht bis zu den Knöcheln hinunterreichten, und plumpe Schuhe.

„Hallo, Freund“, mahnte Sergeant Hopkins väterlich, „Sie dürfen hier nicht so lange herumstehen! Das stört den Verkehr. Gehen Sie auf den Bürgersteig hinüber. Und an Ihrer Stelle würde ich lieber versuchen, nach Haus zu kommen.“

Der Mann antwortete nicht. Er schwankte etwas und grinste. Er grinste so ausdauernd, als wären ihm die Lippen zu kurz geworden und könnten sich nicht mehr über den Zähnen zusammenfinden.

Der Sergeant schüttelte den Kopf und blieb gutmütig.

„Sie wollen hoffentlich nicht lästig fallen, Fremder? Gehen Sie weiter! Oder verstehen Sie etwa überhaupt nicht, was ich sage?“

Der Mann nahm keine Stellung dazu. Er grinste weiter.

Der Sergeant ließ sich nicht ärgern. Er war Kummer gewöhnt. Er nahm den Fremden beim Arm, um ihn auf den Bürgersteig hinüberzuführen.

Er ließ ihn schnell wieder los. Zwei Dinge fielen ihm auf. Erstens griff er durch, den Jackenstoff wie durch Zunder hindurch, während unter seinen Fingern ganze Stofffetzen abfielen, und zweitens war der Arm darunter kalt.

Nicht eisig kalt, sondern tödlich kalt.

Sergeant Hopkins berührte nicht zum ersten Male einen Toten. Er wusste sofort, was er unter seinen Fingern hatte, und fuhr erschreckt zurück.

Tote standen schließlich nicht einfach auf der Straße herum.

„He, Sie!“, entfuhr es ihm. „Was ist denn mit Ihrem Arm?“

Der Mann grinste und schwankte leicht hin und her.

Der Sergeant stierte ihn an, schluckte etwas später und ging dann zögernd mit dem Zeigefinger an das grinsende Gesicht heran. Es fühlte sich so kalt wie der Arm an.

Ein Toter!

Ein Toter, der nicht wie andere Tote ordnungsgemäß auf der Straße oder sonst wo lag, sondern auf der Straße stand und sich vom Wind schaukeln ließ.

Stand!

Es dauerte eine Weile, bevor das in den Sergeanten hineinging, und je tiefer es eindrang, umso mehr sträubten sich seine Haare.

Und der Tote grinste!

Der Sergeant spürte, wie ihm der kalte Schweiß in Tropfen am Rücken herunterlief.

Ein Autofahrer, der aus der Straße herauswollte, hupte mahnend. Der Sergeant hob mechanisch die Hand und stoppte ihn.

Sein Gehirn setzte plötzlich wieder ein. Spuk oder nicht — das hier war etwas Ungewöhnliches. Wenn er jetzt auf seiner Pfeife das Alarmsignal gab, um einen Kollegen heranzubringen, liefen die Neugierigen zu Hunderten zusammen, behinderten die Nachforschungen, zerstörten etwaige Spuren, alarmierten die Zeitungen und was noch alles, was in diesem Falle bestimmt besser unterblieb.

Eine Kleinigkeit später setzten auch seine Beine wieder ein. Er bewältigte schwerfällig die paar Schritte bis zu dem Autofahrer, der die Scheibe heruntergekurbelt hatte und neugierig herausblickte.

„Hören Sie“, sagte er heiser, „Sie müssen mir einen Gefallen tun. Ich kann hier nicht weg und brauche jemand, der das Revier verständigt. Dort drüben im Drugstore haben sie gleich ein paar Telefone.“

„Schwierigkeiten, Sergeant?“, fragte der Fahrer interessiert. „Der Mann will wohl den Platz nicht räumen? Soll ich ihn mal ein bisschen anfahren?“

„Telefonieren ist besser“, brachte der Sergeant leidlich neutral heraus, denn die Neugier im Gesicht des jungen Mannes gefiel ihm auch nicht gerade. „Rufen Sie NC 321, und sagen Sie, dass Sergeant Hopkins an der Einmündung Pierce Street — New Jersey Avenue Stufe 4 braucht. Das ist alles.“

„Hm ...“

„Fahren Sie los, Mann!“, drängte der Sergeant. „Sie wissen, dass Sie dazu verpflichtet sind.“

Der Fahrer grinste.

„Mancher hat Pech, Sergeant.“

Dann kam er heraus. Natürlich nahm er die Kurve genau auf den stehenden Toten zu. Der Sergeant schob sich rechtzeitig dazwischen.

„Das Telefon ist dort drüben, Freund.“

„Ja, ja“, sagte der andere verdutzt. „Aber der Mann ist ja tot!“

„Na und?“, knurrte der Sergeant. „Es gibt eben immer noch Leute, die in ihren Schuhen sterben. Lassen Sie drüben kein Wort verlauten!“

„Halten Sie mich für wahnsinnig?“, murmelte der Fahrer geistesabwesend. „Hier ist jedes Wort einen Dollar wert.“

Er ging über die Straße hinüber, sehr zur Erleichterung des Sergeanten. Jimmy Hopkins ahnte in diesen Minuten noch nicht, dass er ausgerechnet einen Lokalreporter der „Washington News“ gestoppt hatte, dass dieser nicht nur mit dem Revier, sondern auch mit seiner Redaktion telefonierte, und dass der einzige Wagen, der vor Eintreffen der Polizei noch in die Pierce Street hineinkam, einen Kurzwellensender heranbrachte, mit dem der tüchtige junge Mann dann von seinem Wagen aus alle Einzelheiten direkt in die Redaktion hineinschwatzte.

Nun, zunächst kam er harmlos zurück, wenn auch reichlich spät.

„Sie haben nur zwei Telefone drüben, und beide waren besetzt“, entschuldigte er sich.

„Schon gut“; brummte der Sergeant. „Geben Sie mir Ihre Adresse, und hauen Sie ab. — Die Wagennummer habe ich schon. Falls Sie gebraucht werden sollten, hole ich Sie mir. Fahren Sie los.“

„Nett von Ihnen, aber ich bleibe lieber. Meinetwegen sollen Sie keine Schwierigkeiten haben, Sergeant. Ich weiß, wie das ist.“

Dem Sergeanten war es so auch lieber. Er verwies den jungen Mann auf seinen Wagen und nahm einem Passanten, der neugierig neben dem Toten stehen bleiben wollte, die Sicht.

Minuten später riss der Verkehr auf der Jersey Avenue ab. Streifenwagen blockierten die benachbarten Kreuzungen, Polizisten tauchten auf, eine schwarze Polizeilimousine heulte heran, ein Krankenwagen folgte. Alarmstufe 4 funktionierte wie im Sandkasten.

„Sie haben es hoffentlich nicht mit den Nerven, Jimmy“, sagte Inspector Howison misstrauisch, nachdem er aus der Limousine herausgerutscht war, wobei sein linkes Auge seinen Untergebenen streng musterte, während das rechte bereits von der Umgebung Kenntnis nahm. „Stufe 4! Sieht ziemlich ruhig aus, nicht?“

„Der Mann dort, Inspector.“

Howison verkniff sich eine weitere Frage und ging an den stehenden Toten heran. Er betrachtete ihn, tippte vorsichtig gegen das Gesicht und trat einen Schritt zurück.

„Teufel noch mal!“

„Ja“, bestätigte der Sergeant.

„Aber — aber wieso ...?“

Der Inspector vollendete seine Frage nicht. Er stierte noch einige Sekunden auf den Toten, dann warf er sich herum, ging zu seinem Wagen zurück und ließ sich von seinem Fahrer das Mikrofon herausgeben. Wenig später gab er es zurück und hielt mit der freien Hand den Arzt auf.

„Moment, Doktor! Sehen Sie sich das an, aber lassen Sie vorläufig die Finger davon. Ich habe eben das Hauptquartier verständigt.“

Der Arzt bedachte ihn mit einem interessierten Blick und trat dann an den Toten heran. Der Inspector und sein Sergeant folgten ihm.

„Das glauben Sie selbst nicht“, sagte er in einem Tonfall, den andere Leute mit Flüchen verbinden. „Das gibt es nicht. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, oder ...?“

„Wir sind nur einfache Polizisten“, murmelte der Inspector gequetscht. „Vorläufig ist mir das noch zu hoch. Wenn Sie keine Erklärung wissen ...“

„Ich bin kein Spiritist, sondern Arzt“, schnappte der Arzt scharf ein. „Der Mann ist tot, aber seine Gelenke sind noch beweglich. Er hat kein Recht, so herumzustehen. Was geht hier vor?“

„Er stand so da, als ich ihn entdeckte“, murmelte der Sergeant. „Ein Fremder, nicht?“

„Warum sagen Sie das?“, fragte der Arzt bissig. „Soweit ich unterrichtet bin, ist es nirgends Sitte, dass Tote stehen können.“

„Hm, man weiß ja nie“, vermittelte der Inspector. „Ziemlich dunkle Haut, nicht?“

„Bestimmt keine Farbe“, knurrte der Arzt. „Verbrannt oder erfroren, falls ich noch etwas von meinem Handwerk verstehe. Sehen Sie...

Erscheint lt. Verlag 22.7.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-7389-3055-8 / 3738930558
ISBN-13 978-3-7389-3055-9 / 9783738930559
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