Unter dem Zelt der Sterne (eBook)
400 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-92532-6 (ISBN)
Jenn Bennett wurde in Deutschland geboren, zog dann aber in die USA. Sie schreibt historische Liebesgeschichten und Fantasy für Erwachsene, doch vor allem ihre romantischen Jugendbücher wie »Unter dem Zelt der Sterne« haben ihr eine große Fangemeinde beschert. Wenn sie nicht reist - z.B. nach Europa oder Südostasien -, lebt sie mit ihrem Mann und zwei Hunden in Georgia.
Jenn Bennett wurde in Deutschland geboren, zog dann aber in die USA. Sie schreibt historische Liebesgeschichten und Fantasy für Erwachsene, doch vor allem ihre romantischen Jugendbücher wie »Unter dem Zelt der Sterne« haben ihr eine große Fangemeinde beschert. Wenn sie nicht reist – z.B. nach Europa oder Südostasien –, lebt sie mit ihrem Mann und zwei Hunden in Georgia. Claudia Max studierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Literaturübersetzen mit dem Schwerpunkt Anglistik/Amerikanistik. Seit 2008 ist sie freiberufliche Literaturübersetzerin und hat bisher ca. 80 Werke aus dem Englischen übertragen. 2010 war sie Stipendiatin der Berliner Übersetzerwerkstatt, ihre Arbeit wurde mehrfach mit Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds ausgezeichnet. 2023 wurde sie in der Kategorie Jugendbuch für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Sie lebt in Berlin, arbeitet aber überall, denn am liebsten ist sie auf Reisen – in Büchern und in der Welt.
1
Spontanität wird überbewertet. Filme und Fernsehserien möchten uns weismachen, Leute, die bei Partys in voller Montur ins Wasser springen, hätten ein besseres Leben. Dabei ist das hinter den Kulissen doch alles bis ins kleinste Detail inszeniert. Das Wasser hat die richtige Temperatur. Beleuchtung und Kamerawinkel sind genau berechnet. Die Dialoge sind auswendig gelernt. Nur deshalb wirkt es so ansprechend – weil jemand alles sorgfältig durchgeplant hat. Hat man das erst mal kapiert, wird das Leben entschieden einfacher. So war es bei mir jedenfalls.
Ich plane alles bis ins letzte Detail, und es ist mir egal, ob es jemand weiß.
Ich glaube an Zeitpläne, Abläufe, mit Washi Tape markierte Kalender, an Millimeterpapierhefte mit Listen, ausgeklügelte Pläne. Die Art Pläne, bei denen nichts schiefgehen kann, weil sie unter sorgfältiger Abwägung aller Eventualitäten und Folgen erstellt wurden. Keine Improvisation, keine spontanen Entscheidungen. Das endet nämlich im Desaster.
Nicht mit mir. Ich erstelle Pläne für mein Leben und halte mich daran. Nehmt zum Beispiel die Sommerferien. Bis in drei Wochen die Schule wieder anfängt, ich achtzehn werde und mein letztes Schuljahr beginnt, sieht der Plan für den Rest des Sommers wie folgt aus:
Plan eins: Zwei Vormittage die Woche in der Everhart Wellness-Oase meiner Eltern arbeiten, wo ich für die reguläre Rezeptionistin einspringe, die einen Sommerkurs an der Uni in Berkeley belegt. Meine Mutter ist Akupunkteurin und mein Vater Masseur, die Praxis gehört ihnen zusammen. Das bedeutet, statt Burger zu wenden und von irgendwelchen Fremden durch das Drive-through-Fenster angebrüllt zu werden, darf ich an einer tiefenentspannten Rezeption arbeiten, wo ich alles mustergültig organisiert habe und ganz genau weiß, welche Patienten durch die Tür kommen sollen. Keine Überraschungen, keine Szenen. Alles vorhersehbar, genau wie ich es mag.
Plan zwei: Mit meinem Astronomie-Club Fotos vom bevorstehenden Perseiden-Meteorstrom machen. Astronomie ist mein Hobby. Sterne, Planeten, Monde, alles, was mit Weltraum zu tun hat. Gestatten: Zorie Everhart, zukünftige NASA-Astrophysikerin.
Plan drei: Jeglichen Kontakt mit unseren Nachbarn, den Mackenzies, meiden.
Bis vor fünf Minuten sah es aus, als seien alle drei Punkte problemlos zu realisieren. Doch nun stehen meine Sommerpläne auf wackeligen Füßen, weil meine Mutter mich überreden will, zelten zu gehen.
Zelten. Ich.
Die freie Natur ist die große Unbekannte für mich. Ich bin nicht mal sicher, ob ich gern draußen bin. Eigentlich hat sich die Gesellschaft doch so weit fortentwickelt, dass Dinge wie frische Luft und Sonnenlicht vermeidbar sein sollten. Wenn ich wilde Tiere sehen will, schaue ich mir eine Doku im Fernsehen an.
Mom weiß das, aber das hindert sie nicht daran, gerade sämtliche Register zu ziehen, um mir so einen abgehobenen Natur-ist-gut-Idealismus à la Henry David Thoreau zu verkaufen. Das war dieser Typ, der im vorletzten Jahrhundert in einem Anfall von Weltflucht eine Zeit lang im Wald gehaust hat. Sie predigt auch sonst ständig die Vorzüge von Naturheilverfahren und Vegetarismus, aber jetzt kriegt sie sich gar nicht mehr ein über die majestätische Schönheit Kaliforniens und welche »einzigartige Möglichkeit« es für mich wäre, vor Schulbeginn die Wildnis zu erleben.
»Mal ganz ehrlich. Kannst du dir mich ernsthaft beim Camping vorstellen?«, frage ich sie und schiebe dunkle Korkenzieherlocken hinters Ohr.
»Ich rede nicht von Camping, Zorie«, sagt sie. »Mrs Reid lädt dich zum Glamping ein.« Sie beugt sich in ihrem grauen, mit dem Logo der Klinik bestickten Kittel über den Empfangstresen und redet leise und mit aufgeregter Stimme über die reiche Patientin, die sich hinten gerade auf einer der Akupunkturliegen entspannt und den angestaubten, aber heilsamen Klängen von Enya lauscht, der Schutzheiligen alternativer Naturheilpraxen rund um die Welt.
»Glamping«, wiederhole ich skeptisch.
»Mrs Reid sagt, sie haben Reservierungen für diese luxuriösen Zelte in der Sierra Nevada, irgendwo zwischen dem Yosemite- und dem King’s-Forest-Nationalpark«, erklärt meine Mutter. »Glamouröses Camping. Verstehst du? Glamping.«
»Das hast du schon mehrmals erwähnt, aber ich habe trotzdem keine Ahnung, was das sein soll«, erkläre ich ihr. »Wie soll ein Zelt luxuriös sein? Schläft man da nicht auf Stein?«
Mom beugt sich näher zu mir. »Mrs Reid und ihr Mann sind kurzfristig von einem Kollegen in sein Chalet in der Schweiz eingeladen worden und müssen den Campingtrip deshalb absagen. Sie haben eine Reservierung für ein schickes Zelt. Dieser Glampingplatz –«
»Da tanzen aber nicht irgendwelche Ökos ihren Namen oder so?«
Theatralisches Aufstöhnen meiner Mutter. »Hör zu. Ein Koch bereitet Gourmet-Essen zu, es gibt eine Feuerstelle im Freien, heiße Duschen – alles Mögliche.«
»Heiße Duschen«, wiederhole ich mit unverhohlenem Sarkasmus. »Was für ein Luxus.«
Sie überhört meinen Kommentar geflissentlich. »Der Punkt ist, obwohl es nicht wirklich Camping ist, fühlt es sich so an. Der Platz ist derart beliebt, dass die Zelte ein Jahr im Voraus verlost werden. Verpflegung und Übernachtung sind bereits bezahlt. Weil Mrs Reid es schade fand, die Buchung einfach so verfallen zu lassen, erlauben sie Reagan, ein paar Schulfreundinnen einzuladen – um vor Schulbeginn noch mal eine Woche lang die Freiheit auszukosten.«
Mrs Reid ist die Mutter von Reagan Reid, Sportskanone, Alphamädchen meiner Klasse und für mich so was wie eine Freundin. Beziehungsweise waren Reagan und ich einmal gute Freundinnen, als wir noch jünger waren. Als ihre Eltern zu Geld kamen, fing sie an, mit anderen Leuten abzuhängen. Außerdem hat sie ununterbrochen für die Olympischen Spiele trainiert. Bevor es mir richtig bewusst war, hatten wir uns … auseinandergelebt.
Bis zum letzten Sommer, als wir wieder anfingen, in der Mittagspause miteinander zu reden.
»Ein bisschen Natur würde dir guttun«, sagt meine Mutter und zupft an ihren dunklen Haaren herum, während sie mich weiter davon zu überzeugen versucht, bei diesem bescheuerten Campingtrip mitzufahren.
»Nächste Woche findet der Perseiden-Meteorstrom statt«, erinnere ich sie.
Sie weiß, dass ich eine eiserne Planerin bin. Unerwartete Änderungen und Überraschungen bringen mich völlig aus dem Konzept, und alles an diesem Camping… pardon, Glampingausflug macht mich sehr, sehr nervös.
Meine Mutter seufzt nachdenklich. »Du könntest dein Teleskop mitnehmen. Nachts Sterne und tagsüber Wandern.«
Wandern klingt genau nach Reagans Geschmack. Sie hat steinharte Oberschenkel und einen Waschbrettbauch. Ich hingegen bin quasi schon außer Puste, wenn ich die zwei Blocks zum Coffeeshop laufe – daran würde ich meine Mutter gern erinnern, aber sie schaltet in den nächsten Gang und spielt die Karte mit dem schlechten Gewissen aus.
»Mrs Reid hat erzählt, dass Reagan diesen Sommer ganz schön zu knabbern hat«, sagt sie. »Sie macht sich Sorgen ihretwegen. Ich glaube, sie hofft, dass dieser Trip Reagan nach dem Debakel bei den Ausscheidungskämpfen im Juni ein bisschen aufmuntern wird.«
Reagan ist gestürzt (damit meine ich, pflatsch, richtig langgelegt) und wurde nicht für die Olympischen Spiele zugelassen. Es war ihre große Chance, vorwärtszukommen. Nun wird sie vier weitere Jahre warten müssen. Ihre Familie ist deswegen todunglücklich. Trotzdem bin ich überrascht, dass sich Reagans Mutter ihretwegen Sorgen macht.
Mir geht noch etwas anderes durch den Kopf. »Hat Mrs Reid mich von sich aus zu diesem Trip eingeladen, oder hast du ein bisschen nachgeholfen?«
Ein zerknirschtes Grinsen lässt die Mundwinkel meiner Mutter nach oben wandern. »Ein bisschen von beidem.«
Ich lasse schweigend den Kopf auf den Tresen sinken.
»Komm schon«, sagt sie und rüttelt mich leicht an der Schulter, bis ich den Kopf wieder hebe. »Sie war überrascht, dass Reagan dich noch nicht gefragt hatte, also haben sie eindeutig darüber geredet, ob du mitkommst. Und vielleicht tut es Reagan und dir gut. Es fällt ihr schwer, wieder mit dem Alltag klarzukommen. Außerdem erzählst du ständig, dass du dich in ihrer Truppe als Außenseiterin fühlst, das hier ist deine Chance, mal außerhalb der Schule Zeit mit ihnen zu verbringen. Eigentlich solltest du einen Kniefall vor mir machen«, zieht mich meine Mutter auf. »Wie wäre es mit einem kleinen Danke, du übercoolste Mom aller Zeiten, dass du mich in das Highlight des Sommers reingequatscht hast. Du bist meine Heldin, Joy Everhart?« Sie presst sich theatralisch die Hände aufs Herz.
»Du hast sie nicht mehr alle«, murmle ich und tue desinteressiert.
Sie grinst. »Bist du nicht froh darüber?«
Und wie. Für sie ist es wirklich wichtig, dass ich glücklich bin, und sie würde fast alles dafür tun. Eigentlich ist Joy meine Stiefmutter. Als ich acht war, ist meine leibliche Mutter unerwartet an einem Aneurysma gestorben, damals haben wir noch auf der anderen Seite der Bay in San Francisco gewohnt. Doch dann beschloss mein Vater von einem Tag auf den anderen, Massagetherapeut zu werden, und steckte das gesamte Geld von der Lebensversicherung in seine Zulassung. Er ist ziemlich impulsiv. Na ja, und dann lernte er Joy bei einer Tagung über alternative Medizin kennen. Ein paar Monate später haben sie geheiratet, und wir sind alle hierher nach Melita Hills gezogen, wo sie Praxisräume und eine...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2019 |
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Übersetzer | Claudia Max |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Sachbuch/Ratgeber ► Sport | |
Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre | |
Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre | |
Naturwissenschaften ► Physik / Astronomie ► Astronomie / Astrophysik | |
Schlagworte | Astronomie • becky albertalli • Belletristik für Jugendliche • Camping • Coming of Age • Der große Trip • Familienfehde • Friends to Lovers • Glamping • Hassliebe • Into the wild • Jennifer L. Smith • Liebesgeschichten für Jugendliche • Liebesromane für Jugendliche • Liebesromane für Junge Erwachsene • Meteorschauer • Meteorstrom • Nesselfieber • Outdoor • Rainbow Rowell • Romane für Jugendliche • Romantik • Romeo und Julia • San Francisco • Sarkastischer Ton • Schulabschluss • Stephanie Perkins • Sternenparty • Stuck-Together-Romance • Trennung der Eltern • Urtikaria • Von Freundschaft zu Liebe • Wandern • Wild • witzige Dialoge • Wortgefechte |
ISBN-10 | 3-646-92532-9 / 3646925329 |
ISBN-13 | 978-3-646-92532-6 / 9783646925326 |
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