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Bleiweiß - Athena Farrokhzad

Bleiweiß

Gedicht
Buch | Hardcover
67 Seiten
2019
kookbooks (Verlag)
978-3-937445-99-1 (ISBN)
CHF 31,90 inkl. MwSt
Bleiweiß nimmt rasch dramatische Form an, die Familienmitglieder ordnen sich (moralischen) Positionen zu und sprechen im Wechsel – bis auf die Erzählerin selbst. Mutter, Vater, Bruder, Onkel und Großmutter spielen mit verdrehten Redewendungen, extravaganten Metaphern und Sprichwörtern unter anderem auf die Themen Erbe, Verantwortung für die Familie, Identität und (Mutter-)Sprache an.

Dabei wird die Tochter zwar adressiert, angeklagt und zur Rede gestellt, verweigert aber Antwort und die Einnahme einer Position.

Athena Farrokhzad (*1983) lebt in Stockholm. Sie debütierte 2013 mit dem stilgebenden Lyrikband Vitsvit, der bislang in mehr als fünfzehn Sprachen übersetzt und für die Bühne adaptiert wurde. Für ihr zweites Buch, Trado, das sie zusammen mit der rumänischen Dichterin Svetlana Carstean schrieb, erhielt sie den Preis des Rumänischen Kulturradios. Ihr dritter Gedichtband In Bewegung. Brief an eine Kriegerin (AT) erscheint im September 2019. Farrokhzad ist als Dramatikerin, Übersetzerin (unter anderem Adrienne Rich) und Lehrerin für Kreatives Schreiben an der Biskops-Arnös författerskola tätig.

Clara Sondermann (*1990) studierte skandinavische und neuere deutsche Literatur in Berlin und Reykjavík. Sie arbeitet als Lektorin, Redakteurin und Übersetzerin aus dem Schwedischen und Norwegischen in Hamburg.

„Meine Mutter sagte: Es gibt eine Stummheit, die sich der Übersetzung widersetzt“ – Bleiweiß, Langgedicht und Geschichtserzählung, wie Athena Farrokhzad ihr Debüt nennt, findet klare Bilder und knüpft doch ein Geflecht von Mehrdeutigkeiten.So ist das Gedicht durchdrungen von der Vielzahl an Stimmen, die ihre Familie ist oder sein könnte, von der sie ein Teil ist oder sein könnte, und entzieht sich zu einfachen Wahrheiten. Sie zeigen sowohl auf sich selbst und eigene Vergehen als auch auf ein Außen, den Krieg und die damit einhergehende Verrohung der Sprache. Doch in und durch Sprache erkennt die Familie auch die Möglichkeit, Widerstand zu leisten. Für die Erzählerin selbst besteht der Widerstand in ihrer Redeverweigerung. — Clara Sondermann

In meinen Arbeiten verschmelze ich lyrische, politische und konzeptuelle Verfahren. Mich interessiert die Intimität, die gesellschaftliche Ordnungen offenbart. Und, mit den Worten von Adrienne Rich: Art means nothing if it simply decorates the dinner table of the power which holds it hostage. — Athena Farrokhzad

Meine Großmutter sagte: Deine Mutter kommt von der aufgehenden Sonne Sie wurde nach einer Knospe benannt, als sie im Frühling zur Welt kam Deine Mutter gab dir den Namen einer Kriegerin, um dich für den Winter zu rüsten Meine Mutter sagte: Wenn wir uns wiedersehen, werde ich so tun als hätten wir uns nicht gekannt als du hungrig warst und ich es war, die dich stillte Meine Mutter sagte: Deine Familie wird sich nie von den Lügen erholen, sie verpflichten Mein Vater sagte: Deine Familie wird nie auf die Dächer zurückkehren, wenn es kühler wird Mein Bruder sagte: Deine Familie wird nie auferstehen wie Rosen nach einem Brand Meine Großmutter sagte: Es gibt eine Zeit für alles unter dem Himmel Zeit, um auf die Dächer zurückzukehren, wenn es kühler wird Meine Mutter sagte: Ich werde mir nehmen, was mir gehört Der Sprache beraubt, wirst du in den Tod gehen Sprachlos bist du gekommen, sprachlos sollst du gehen Meine Mutter sagte: Warum rufen sie zu Gott von den Dächern Haben sie vergessen, dass Gott die Peitsche hielt als ihre Mütter gefoltert wurden Mein Onkel sagte: Was wird aus uns, nachdem wir unsere Befreiung mit den Mitteln erkämpft haben, die uns gefangen hielten Mein Vater sagte: Es gibt einen Krieg, der in den Eingeweiden vor sich geht Es gibt einen Feind, der aus meinen Händen und aus meinen Lippen stürzt Mein Onkel sagte: Vergiss nicht, wie du als Kind auf diesen Straßen gelaufen bist Vergiss nicht, in einer Revolution zählen die Urteile der Töchter zwischen den Zeilen Meine Mutter sagte: Wenn du sprichst und keiner da ist an den du die Sprache aufgeben kannst, dann hat es keinen Sinn zu sprechen Mein Onkel sagte: Wenn du eine Grenze überquerst und dabei nicht schaudern musst dann hast du keine Grenze überquert Mein Vater sagte: Niemand, der zu dir gehört, liegt in dieser Erde begraben, also gehört diese Erde nicht zu dir Meine Mutter sagte: Erst wenn du mich in dieser Erde begräbst gehört diese Erde zu dir Mein Bruder sagte: Wir sind nichts anderes als die Summe der Schäden, die Sprache uns zufügt die Summe der Schäden, die wir zufügen Mein Bruder sagte: Die einzige Sprache, mit der du das Verbrechen verurteilen kannst ist die Sprache der Verbrecher und die Sprache der Verbrecher wurde erfunden, um das Verbrechen zu rechtfertigen

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Reihe Lyrik ; 67
Übersetzer Clara Sondermann
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Vitsvit
Einbandart gebunden
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte Erbe • Familie • Identität • Identität • Krieg • Migration • Muttersprache • Verantwortung
ISBN-10 3-937445-99-4 / 3937445994
ISBN-13 978-3-937445-99-1 / 9783937445991
Zustand Neuware
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