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Halbseidenes kaiserliches Wien: 12 Krimis aus dem Fin de Siecle -  Günther Zäuner

Halbseidenes kaiserliches Wien: 12 Krimis aus dem Fin de Siecle (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
250 Seiten
Federfrei Verlag
978-3-99074-016-3 (ISBN)
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Österreich-Ungarn steht nur mehr auf tönernen Beinen. Doch die Gesellschaft der Belle Époque will es noch nicht wahrhaben. Es wird gefeiert, getrunken, geliebt, das Tanzbein zum Walzer geschwungen als gäbe es kein Morgen. Wien, eine der führenden europäischen Metropolen in dieser Epoche, ist zum Schmelztiegel sämtlicher Auswüchse an Kriminalität geworden.
Günther Zäuner kratzt mit dem dritten Band der Erfolgsserie den Schönbrunner-gelben Verputz von den Wänden, zeigt eine Stadt, die bald in tiefes Elend und in eine ungewisse Zukunft stürzen wird.



Günther Zäuner, geboren 1957 in Wien; Studium der Klassischen Philologie, Geschichte und Zeitgeschichte, musikalische Ausbildung. Freier Schriftsteller, Sach-, Drehbuch- und Theaterautor, Dokumentarfilmer, Journalist, Gestalter von TV-Beiträgen und Dokumentationen; spezialisiert auf Organisierte Kriminalität, Drogen, Sektenunwesen, Rechtsextremismus, Terrorismus, Geheimdienste und Politik. Mitglied im österreichischen PEN-Club und im Österreichischen Schriftstellerverband. www.guenther-zaeuner.at www.kokoschansky.at

Prolog - Hofrat Prohaska muss durchhalten


 

Unsichtbar strömt es aus sämtlichen Ritzen und Spalten in den Gemächern, schleicht lautlos durch die Säle und Flure der Hofburg – das Gespenst des nahenden Untergangs. Zusehends verblassen Glanz, Glorie und Glamour der österreichisch-ungarischen Monarchie. Längst liegt die Habsburger-Dynastie in Agonie. Wahrscheinlich spürt sie es, will es dennoch nicht wahrhaben, bäumt sich mit allen noch verbleibenden Kräften vergebens dagegen auf.

Daher ist keine Schwäche erlaubt, auch wenn es im Imperium an allen Ecken und Enden bröckelt, es bedrohlich im Untergrund gärt. Die prunkvolle Camouflage, die abgeblätterte Fassade muss unter allen Umständen aufrechterhalten werden. Der Doppeladler ist flügellahm geworden, seine Schwingen lädiert.

Noch hält der Koloss sich auf tönernen Beinen, allerdings sind die Risse unübersehbar und nicht mehr zu kitten. Ein Vielvölkerreich und Konglomerat der Nationalitäten, eine Monarchie der nationalen und sozialen Gegensätze mit der Residenz- und Reichshauptstadt Wien als Zentrum.

Wer es sich leisten konnte, wird später wehmütig von der »guten alten Zeit« sprechen. Wer nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen ist, nennt Österreich-Ungarn einen »Völkerkerker«. Doch die Hauptstadt Wien tanzt unbekümmert weiter auf dem Vulkan, eingehüllt in Walzerklänge und eingelullt von Operettenmelodien.

Noch werden einige Jahre ins Land ziehen, bis Karl Kraus seine Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog als »Die letzten Tage der Menschheit« schreiben und veröffentlichen wird. Doch die ersten Takte des Untergangsrequiems werden bereits angespielt und dirigiert, setzen sich in den Ohren des Volkes fest. Viele wollen oder können es nicht wahrhaben, wahrscheinlich nicht einmal der Kaiser selbst. Noch bimmelt die Totenglocke für den Untergang einer glanzvollen Epoche leise, doch das Ende des Jahrhunderts wird immer heftiger eingeläutet.

Dieses Buch aus der Reihe »Halbseidenes Wien« begleitet Sie durch die Zeit von 1890 bis 1914, dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Ära des Fin de Siècle. Vierundzwanzig Jahre bewegter Geschichte, voller Umbrüche und revolutionärer Ideen im Geistesleben, in den Künsten, im Berufs- und Alltagsleben. Dementsprechend passt sich die Kriminalität, das Verbrechen, dem neuen Zeitgeist an.

1890 leben in der vermeintlichen k.u.k. Zuckerguss-Hauptstadt Wien an die eineinhalb Millionen Menschen. Durch die Straßen und Gassen flanieren Arthur Schnitzler, der mit seinen Theaterstücken für Skandale sorgt, und Gustav Mahler, lange verkannt als musikalisches Genie. In seinem Atelier malt Gustav Klimt seine Langzeitmuse Emilie Flöge und andere Damen der Gesellschaft.

Adolf Loos verärgert mit seiner radikalen Architektur Se. Majestät. Ludwig Wittgenstein und Sigmund Freud denken über den Menschen nach. Theodor Herzl entwickelt den Zionismus, während Bürgermeister Karl Lueger selbst bestimmt, wer Jude ist. Otto Wagner zeichnet Pläne, Josef Hofmann und Koloman Moser entwerfen. Die Secession, abfällig von den Wienern als »Krauthappel« bezeichnet, Zentrum des Jugendstils.

In dieser Stadt halten sich die Herren Uljanow, Dschugaschwili und Bronstein auf. Mit knurrendem Magen streift ein erfolgloser Postkartenmaler durch die Gassen. In Wiener Neustadt, unweit der Hauptstadt des Vielvölkerreiches, arbeitet ein gewisser Josip Broz in den Daimler-Werken.

Es wird noch einige Jahrzehnte dauern, bis diese Männer die Welt, allerdings nicht zu ihrem Vorteil als Lenin, Stalin, Trotzki, Hitler und Tito grundlegend verändern und als düstere Kapitel in die Geschichte eingehen werden.

Die Musikstadt Wien tanzt weiterhin selig Walzer. Die Operette feiert internationale Erfolge. In der Hofoper und im Burgtheater will der Applaus des Publikums nicht enden. Angeheizt von der Claque, je nachdem, wer der neue Publikumsliebling ist. Die Belle Époque präsentiert sich auf der Ringstraße, fährt mit Fiaker in den Prater, verwettet Vermögen auf die Gigerer, die Pferde in der Krieau und Freudenau.

Abends zieht man sich in ein Separee im Hotel »Sacher« zurück. Natürlich in Begleitung einer zierlichen Balletteuse aus der Hofoper, die von der großen Weltkarriere träumt. Oder führt sein Techtelmechtel, sein Pantscherl, sein Gspusi zum Heurigen nach Grinzing aus, wo Schrammelmusik und der Wein die besten Komplizen sind, um die Nacht nicht alleine verbringen zu müssen.

»Die Frauen sind schön und elegant. Und überhaupt ist alles verteufelt elegant«, schreibt Anton Tschechow während seines Wien-Besuchs über das Fin de Siècle.1

In den Beletagen der Ringstraßenpalais führen die Epsteins, die Ephrussis, die Liebens, Todescos, Zeppezauers, Gutmanns, Leitenbergers und natürlich die Rothschilds ein luxuriöses Leben. Die angehäuften Reichtümer gestatten diesen Lebensstil.

In den Salons der Salonièren Josephine von Wertheimstein, Rosa von Gerold, Berta Zuckerkandl, Alma Mahler-Werfel, Anna Mahler, Marie Lang, Lina Loos, Gina Kraus, Grete Wiesenthal und Eugenie Schwarzwald geben die Intellektuellen und Künstler sich die Klinken in die Hände.

In den unzähligen Cafés und Kaffeehäusern sitzen unter dicken Rauchschwaden die Literaten, diskutieren sich die Köpfe heiß und brüten über ihren Texten.

So sieht die eine Seite, noch glänzende Seite der Medaille aus, die andere präsentiert Not, Elend, Verzweiflung, Hunger und Krankheit. Die Menschen außerhalb der Innenstadt kennen dieses Leben, das die Reichen und der Hof führen, nur vom Hörensagen, aus Erzählungen und durch Gerüchte. Ohne die geringste Chance, jemals ihrem zugeteilten Schicksal entfliehen zu können.

Um die Menschenmassen aufnehmen zu können, muss die Stadt 1890 ein zweites Mal erweitert werden. Zehn Jahre zuvor, 1880, sind es 726.000 Bewohner gewesen. Nun leben in Wien 1.365.000 Menschen. 1910 wird der Höchststand an Einwohnern in der Wiener Geschichte erreicht werden, 2.031.000. Somit zählt Wien neben Berlin, London und Paris zu den großen europäischen Metropolen.

Das Stadtgebiet umfasste seit 1850 die Innere Stadt sowie die Vorstädte am Linienwall2, die Fläche zwischen dem Donaukanal und dem Donauhauptstrom und Teile von Matzleinsdorf, Hundsturm, Wieden und Landstraße, die allerdings außerhalb dieses Linienwalls liegen. Ab 1861 entstanden acht, und nach der Trennung von Wieden und Margareten, später neun Bezirke. 1874 ist Favoriten als 10. Bezirk hinzugekommen.3

Für den Fiskus bedeutet die Stadtgrenze eine besondere Einnahmequelle. Nach dem Debakel mit der Weltausstellung von 1873, die weit hinter den erhofften Erwartungen lag, und dem Gründerkrach, dem Zusammenbruch der Börse am Schwarzen Freitag im gleichen Jahr, benötigt die Monarchie dringend Geld. Eine der Einnahmequellen für die Finanz bildet die bereits 1829 geschaffene Verzehrungssteuer als Ersatz für die eingestellte Stadtmaut auf alle Waren für den täglichen Bedarf.

Allerdings ist diese Belastung in Wien um ein Vielfaches höher als in den umliegenden Vorstädten und Gemeinden. Auch die Besteuerung der Artikelanzahl unterscheidet sich erheblich. In Wien wird für mehr als zweihundert Güter diese Steuer eingehoben, während es in den Vorstädten nur sechs sind.

Zusätzlich zu den ohnehin außerordentlich hohen Steuertarifen in Wien hebt die Gemeindeverwaltung nochmals fünfundzwanzig Prozent ein. Die Leute nennen die verhasste Steuer auch Torsteuer, da sie in den Linienämtern am Linienwall eingehoben wird, was lange Warteschlangen hervorruft und viel Zeit in Anspruch nimmt. Mitunter dauert das Anstehen länger als der Warentransport nach Wien.

Zwar spült diese Steuer Geld in die Kassen, gleichzeitig birgt sie jedoch wegen der unterschiedlichen Tarifregelung eine Unzahl an Nachteilen in sich. Dementsprechend wirkt sich dieser Umstand auf die weitere Entwicklung Wiens und seiner Umgebung entscheidend aus.

Außerhalb der Stadtgrenze sind die Bodenpreise weitaus niedriger, ebenso die Lebenshaltungskosten. Mit der Folge, dass sich Industrie und Gewerbe außerhalb der Stadt ansiedeln und sich viele Zuwanderer mit ihren Familien in den Vororten niederlassen. Zinskasernen für die neuen Bewohner und Fabriken verändern den ursprünglichen dörflichen Charakter. Fünfhaus, Ottakring und Hernals steigen zu Industriezentren auf und bringen diesen Gemeinden wirtschaftlichen Aufschwung. Speising, Altmannsdorf und die Weinbaugebiete im Nordwesten Wiens bewahren noch weiterhin ihr ländliches Erscheinungsbild. Stadt und Vororte wachsen unaufhaltsam zusammen.

Zwar ist die Gründerzeit, die nach der Revolution von 1848 begann und mit dem Börsenkrach von 1873 endete, vorüber, doch die Baukonjunktur setzt sich unvermindert fort. Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene setzt sich der Liberalismus mit seinen Repräsentanten durch. Freihandel, die liberale Verwaltung und Gesetzgebung, wie die Gewerbeordnung von 1859 sowie die Wucherfreiheit von 1868, ermöglichen ein Vielfaches an...

Erscheint lt. Verlag 14.4.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-99074-016-4 / 3990740164
ISBN-13 978-3-99074-016-3 / 9783990740163
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