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Letzte Rettung: Paris (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-32012-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Letzte Rettung: Paris -  Patrick deWitt
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Ein als Katze reinkarnierter Ehemann, seine Witwe und ihr Sohn begeben sich auf eine sonderbare Reise nach Paris. Der Überraschungserfolg aus den USA: ein verrückt-liebenswürdiger Roman über eine seltsame Mutter-Sohn-Beziehung und eine Reise, die es in sich hat. Frances und Malcom Price sind wohl das unter­haltsamste Mutter-Sohn-Duo New Yorks. Ein Großteil von Frances' Bekanntheit beruht auf der Tatsache, dass sie, als sie den toten Körper ihres Mannes entdeckte, zu einem Skiwochenende aufbrach, anstatt die Behörden zu alarmieren. Gewöhnt an ein Leben voller Luxus, muss sie sich ad hoc etwas einfallen lassen, denn Frances hat das Erbe ihres Mannes jahrzehntelang verprasst und ist jetzt pleite. Zusammen mit ihrem Kater Kleiner Frank, den Frances für die Reinkarnation ihres Mannes hält, fliehen die Prices nach Paris. Als Kleiner Frank verschwindet, trommeln sie allerlei skurriles Personal zusammen, um den Kater, der ein Geheimnis mit sich trägt, wiederzufinden.

Patrick deWitt wurde 1975 auf Vancouver Island in Kanada geboren. Sein Roman »Die Sisters Brothers« war für den Man Booker Prize, den Giller Prize sowie den Walter Scott Prize nominiert und von Publishers Weekly, der Washington Post sowie der Canadian Booksellers Association zu den besten Romanen des Jahres gezählt. Patrick deWitt lebt heute mit seiner Frau und seinem Sohn in Portland, Oregon.

Patrick deWitt wurde 1975 auf Vancouver Island in Kanada geboren. Sein Roman »Die Sisters Brothers« war für den Man Booker Prize, den Giller Prize sowie den Walter Scott Prize nominiert und von Publishers Weekly, der Washington Post sowie der Canadian Booksellers Association zu den besten Romanen des Jahres gezählt. Patrick deWitt lebt heute mit seiner Frau und seinem Sohn in Portland, Oregon. Andreas Reimann, geboren 1976, Literatur- und Sprachwissenschaftler, lebt und arbeitet in seiner Wahlheimat Bonn als freier Lektor und Übersetzer aus dem Englischen.

New York


1.


»Alles Gute hat sein Ende«, sagte Frances Price.

Sie war eine wohlhabende, bemerkenswerte Frau von fünfundsechzig Jahren, die sich gerade auf der Treppe eines Stadthauses in der Upper East Side von New York ihre Handschuhe aus Kalbsleder überzog. Ihr Sohn Malcolm, zweiunddreißig, stand neben ihr, wie immer mit düsterer Miene und zerzaustem Haar. Der Abend dämmerte an diesem Tag im späten August. Die Fenster des Hauses waren erleuchtet, es war Klaviermusik zu hören – eine gediegene Feier war im Gange. Frances hatte ihren frühzeitigen Aufbruch einer ähnlich reichen, wenn auch weitaus weniger schönen Person kundgetan, der Gastgeberin. Ihr Name spielt keine Rolle. Sie fühlte sich gekränkt.

»Bist du sicher, dass du schon gehen musst? Ist es wirklich so schlimm?«

»Der Tierarzt sagt, es sei nur noch eine Frage der Zeit«, sagte Frances. »Wie schade. Es war so ein schöner Abend.«

»Findest du wirklich?«, fragte die Gastgeberin hoffnungsvoll.

»Es war ein wunderschöner Abend. Und ich gehe wirklich nur ungern. Aber es klang, als handele es sich tatsächlich um einen Notfall. Was kann man in solch einer Situation machen?«

Die Gastgeberin sann über eine Antwort nach. »Nichts«, sagte sie schließlich. Stille trat ein. Dann machte sie zu Frances’ Erschrecken einen Schritt auf sie zu und klammerte sich an sie. »Ich habe dich immer so sehr bewundert«, flüsterte sie.

»Malcolm«, sagte Frances.

»Momentan mache ich mir etwas Sorgen um dich. Ist das dumm von mir?«

»Malcolm, Malcolm.«

Die Gastgeberin erwies sich als gefügig, als Malcolm sie von seiner Mutter pellte und anschließend ihre Hand nahm, um sie zu schütteln. Sie betrachtete das Auf und Ab ihrer Hand mit einem Ausdruck der Verwirrung. Sie hatte zu viel getrunken und nichts weiter im Magen als eine zähe Pastete. Sie kehrte in ihr Haus zurück, und Malcolm führte Frances die Treppe hinunter auf den Gehweg. Sie gingen an der wartenden Limousine vorbei und setzten sich auf eine zwanzig Meter vom Haus entfernte Bank, denn es gab keinen Notfall, keinen Tierarzt, und die Katze, dieses alte Kuriosum namens Kleiner Frank, war, soweit ihnen bekannt war, wohlauf.

Frances zündete sich mit ihrem goldenen Feuerzeug eine Zigarette an. Es war ihr Lieblingsfeuerzeug, weil es gebührend schwer in der Hand lag und, wenn man es betätigte, ein galantes Klicken von sich gab. Sie deutete mit dem glühenden Ende ihrer Zigarette auf die Gastgeberin, die nun hinter einem der oberen Fenster zu erkennen war und sich mit einem Mann unterhielt. Frances schüttelte den Kopf. »Die Langeweile in Person.«

Malcolm begutachtete ein gerahmtes Foto, das er aus dem Schlafzimmer der Gastgeberin entwendet hatte. »Sie ist bloß betrunken. Hoffentlich kann sie sich morgen an nichts mehr erinnern.«

»Falls doch, wird sie sicher Blumen schicken.« Frances nahm ihm die Fotografie aus der Hand, es war ein Studioporträt der Gastgeberin. Es zeigte sie mit zurückgeworfenem Kopf, aufgerissenem Mund und einem Ausdruck von wilder Freude in den Augen. Frances fuhr mit dem Finger über den Rand des verzierten Rahmens. »Ist das Jade?«

»Ich denke, ja«, sagte Malcolm.

»Er ist außerordentlich schön«, sagte sie und gab ihm das Bild zurück. Malcolm öffnete den Rahmen und holte das Foto heraus. Dann faltete er es viermal und warf es in einen Mülleimer, der neben ihrer Bank stand. Den Rahmen steckte er zurück in seine Jackentasche und fuhr fort, die Feier zu analysieren. Er zeigte auf einen Mann über fünfzig, dessen bemerkenswert runder Bauch von einem Kummerbund umhüllt war. »Der Mann dort ist so ’ne Art Botschafter.«

»Ja, wenn diese Schulterklappen bloß sprechen könnten.«

»Hast du dich mit seiner Frau unterhalten?«

Frances nickte. »Männerzähne in einem Kindermund. Ich musste wegsehen.« Sie schnippte ihre Zigarette auf die Straße.

»Was jetzt«, sagte Malcolm.

Ein Landstreicher kam heran und blieb vor ihnen stehen. Seine Augen glänzten vor Alkohol, und er fragte mit vergnügter Stimme: »Habt ihr vielleicht etwas Kleingeld übrig, Leute?«

Malcolm war bemüht, den Mann zu verscheuchen, doch Frances hielt ihn am Arm. »Möglicherweise haben wir das«, sagte sie. »Aber dürften wir fragen, wofür Sie das Geld brauchen?«

»Ach, wissen Sie.« Der Mann hob die Arme und ließ sie wieder fallen. »Einfach, um über die Runden zu kommen.«

»Könnten Sie bitte etwas genauer werden?«

»Ich schätze, ich hätte gern einen Schluck Wein, wenn Sie es ganz genau wissen wollen.«

Er versuchte, das Gleichgewicht zu halten, als Frances ihn mit vertrauensvoller Stimme fragte: »Wäre es möglich, dass Sie heute Abend bereits etwas getrunken haben?«

»Ich habe mir die Kante gegeben«, gab der Mann zu.

»Und was bedeutet das?«

»Das bedeutet, dass ich bereits etwas getrunken habe, aber jetzt hätte ich gerne noch etwas.«

Frances gefiel die Antwort. »Wie heißen Sie?«

»Dan.«

»Darf ich Sie Daniel nennen?«

»Wenn Sie das gerne möchten.«

»Was ist Ihr Lieblingswein, Daniel?«

»Ich trinke alles, was flüssig ist, gnä’ Frau. Aber am liebsten mag ich den Drei Rosen.«

»Und was kostet so eine Flasche Drei Rosen?«

»Die Flasche kostet fünf Eier. Sieben für ’ne Gallone.« Er zuckte mit den Schultern, wie um zu sagen, dass die Gallone die vorteilhaftere Kaufentscheidung wäre.

»Und was würden Sie kaufen, wenn ich Ihnen zwanzig Dollar gäbe?«

»Zwanzig Dollar«, sagte Dan und stieß einen trockenen Pfiff aus. »Für zwanzig Dollar würde ich mir zwei Gallonen Drei Rosen und ein Wiener Würstchen kaufen.« Er klopfte leicht auf die Brusttasche seines Armeeparkas. »Zigaretten habe ich noch.«

»Mit zwanzig wären Sie also gut ausgestattet?«

»Oh ja, sehr gut.«

»Und wohin würden Sie all das bringen? Zu sich nach Hause?«

Dan blinzelte. Er spielte die Situation im Geiste durch. »Die Wiener würde ich gleich vor Ort essen. Den Wein und die Zigaretten, die würde ich mit in den Park nehmen. Da schlafe ich meistens, im Park.«

»Wo genau im Park?«

»Unter einem Busch.«

»Einem bestimmten Busch?«

»Ein Busch ist ein Busch, meiner Erfassung … Erfahrung nach.«

Frances schenkte Dan ein freundliches Lächeln. »In Ordnung«, sagte sie. »Sie würden also unter einem Busch im Park liegen und dort Ihre Zigaretten rauchen und Ihren Wein trinken.«

»Genau.«

»Die Sterne betrachten.«

»Warum nicht.«

»Würden Sie wirklich beide Gallonen an einem Abend trinken?«, wollte Frances wissen.

»Ja, klar. Ganz sicher würde ich das.«

»Würden Sie sich denn am nächsten Morgen nicht schrecklich fühlen?«

»Dafür sind Morgen gedacht, gnä’ Frau.«

Er sprach ohne komödiantischen Unterton, weshalb Frances davon ausging, dass Dans Morgen unvorstellbar elendig sein mussten. Ausreichend berührt, öffnete sie ihre Clutch und fingerte zwanzig Dollar heraus. Dan nahm den Schein entgegen, wobei ihm ein Schauer vom Kopf bis in die Zehen fuhr, dann zog er auffällig regen Schrittes von dannen. Ein Streifenpolizist kam heran und schaute Dan argwöhnisch hinterher.

»Der Typ hat Sie zwei doch hoffentlich nicht belästigt?«

»Wer, Daniel?«, fragte Frances. »Ganz und gar nicht. Er ist ein Freund von uns.«

»Es sah aus, als hätte er Sie unter Druck gesetzt.«

Frances’ Blick war eiskalt. »Ich habe ihm Geld zurückgezahlt, etwas, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen. Aber Dan ist sehr geduldig mit mir. Ich danke Gott, dass es jemanden wie ihn gibt. Nicht, dass Sie das irgendetwas anginge.« Sie hielt ihr Feuerzeug hoch und drückte es. Klick. Die Flamme, kurz und bläulich, stand zwischen ihnen, als markierte sie eine Grenze. Das Bedürfnis nach Isolation überkam den Mann, und er wanderte weiter, sich selbst klägliche, kleine Fragen stellend. Frances drehte sich zu Malcolm und klatschte in die Hände, wie um das Gefühl zu vermitteln, eine Sache erfolgreich erledigt zu haben. Sie hatten eine Abneigung gegen Polizisten, um genau zu sein, lehnten sie jede Verkörperung von Autorität ab.

»Hattest du genug?«, fragte Malcolm.

»Hatte ich«, antwortete Frances.

Auf dem Weg zur Limousine nahm sie Malcolms Arm in ihrer speziell-liebevollen Art. »Nach Hause«, sagte sie zum Fahrer.

Die großräumige, mehrstöckige Wohnung lag im Dunkeln und erinnerte an ein Museum nach der Schließzeit. Der Koch hatte ihnen einen Braten im Ofen hinterlassen. Malcolm richtete zwei Portionen an, und sie aßen schweigend, was nicht die Regel war, doch sie waren in ihrem jeweils eigenen Unglücklichsein gefangen. Malcolm sorgte sich um Susan, seine Verlobte. Er hatte sie seit einigen Tagen nicht gesehen, und das letzte Mal, als sie miteinander gesprochen hatten, hatte sie ihn mit üblen Schimpfworten beleidigt. Frances’ Sorgen waren von existenzieller Art; in letzter Zeit packte sie hin und wieder ein unheimliches Gefühl, als stünde sie mit dem Rücken zum Meer. Kleiner Frank, bis zur Klapprigkeit gealtert, kraxelte auf den Tisch und setzte sich Frances gegenüber. Sie und der Kater starrten sich an. Frances zündete sich eine Zigarette an und stieß eine Rauchsäule in sein Gesicht aus. Kleiner Frank zuckte zusammen und verließ den Raum.

Malcolm fragte: »Was steht morgen an?«

»Mr. Baker besteht auf ein Treffen«, antwortete Frances. Mr. Baker war ihr Finanzberater und der Verwalter des Anwesens seit dem Tod von...

Erscheint lt. Verlag 22.8.2019
Übersetzer Andreas Reimann
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Comedyroman • French Exit • Humor • Katze • Komödie • Mutter-Sohn-Geschichte • Paris • the sisters brothers • Unterhaltung • Upper East Side Manhattan
ISBN-10 3-462-32012-2 / 3462320122
ISBN-13 978-3-462-32012-1 / 9783462320121
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