Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Das Haus der tausend Welten (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
592 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-23388-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus der tausend Welten - T.S. Orgel
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
(CHF 11,70)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Das Leben in den verwinkelten Gassen Atails ist hart, vor allem, wenn man nicht zu einer der großen Magierfamilien gehört. Die Straßenzauberin Stern schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben, als ihr eines Tages der Schlüssel zum Haus der tausend Welten in die Hände fällt, das einst der Sitz der Magiergilde war. Der Legende nach soll es unendlich viele Räume beherbergen, gefüllt mit Schätzen und Artefakten, die selbst aus einfachen Zauberern die mächtigsten Magier der Welt formen können. Gemeinsam mit ihren Gefährten Fuchs, Ako, Baelis und Salter macht Stern sich auf den Weg dorthin. Aber sie sind nicht die Einzigen, die die Geheimnisse des Hauses ergründen wollen. Noch ahnen die Schatzsucher nicht, was im Inneren des Hauses wirklich auf sie wartet ...

Hinter dem Pseudonym T. S. Orgel stehen die beiden Brüder Tom und Stephan Orgel. In einem anderen Leben sind sie als Grafikdesigner und Werbetexter beziehungsweise Verlagskaufmann beschäftigt, doch wenn beide zur Feder greifen, geht es in fantastische Welten. Ihr erster gemeinsamer Roman »Orks vs. Zwerge« wurde mit dem Deutschen Phantastik Preis für das beste deutschsprachige Debüt ausgezeichnet. Seitdem haben sie mit »Die Blausteinkriege«, »Terra« und »Die Schattensammlerin« noch viele weitere Welten erkundet.

SALTER

Das erste Mal fiel Salter die Frau ins Auge, als er gerade einen Hügel überquert hatte und ein Wegkreuz passierte. Sie saß auf einem Stein, ihren Wanderstock quer über die Knie gelegt und ein schmales Lächeln auf den Lippen. Der Anblick machte ihn nervös.

Es war nicht so, dass Frauen ihn normalerweise nervös machten. Nicht sehr jedenfalls. Es sei denn, sie sprachen ihn an. Oder lächelten. Salter war im Umgang mit Frauen nicht besonders geübt. Seine Studien hatten ihm nur wenig Zeit gelassen, sich um weltliche Dinge zu kümmern. Dinge wie das Ansprechen von Frauen, das Artikulieren verständlicher Laute in ihrer Gegenwart oder die Vermeidung peinlicher Missgeschicke. Solche Dinge eben. Dennoch hätte unter anderen Umständen kein Grund zur Sorge für ihn bestehen müssen. Er hätte den Kopf senken und die Frau einfach ignorieren können. Sie war schließlich um einiges älter als er und sah nicht gerade bedrohlich aus. Ein spindeldürrer Strich in der Landschaft, mit angegrautem Haar und dem schlichten Gewand einer Pilgerin. Außerdem schien sie allein unterwegs zu sein.

Das war vermutlich auch der Grund, warum ihn bei ihrem Anblick dennoch ein ungutes Gefühl beschlich. Eine einsame Frau ohne Begleitung auf der Fernstraße zwischen Bashun und den Säulen des Himmels – wenn das mal nicht äußerst verdächtig war. Nervös rückte er den Schwertgurt zurecht, sodass die Frau die Länge seines Ralgri gut abschätzen konnte. Es war eine kampferprobte Waffe, die Klinge vielfach nachgeschliffen und der sorgfältig mit Leder umwickelte Griff schon speckig. Ein aufmerksamer Beobachter musste ganz unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass sie schon häufig gezogen worden war. Dafür konnte Salter sich verbürgen, denn er hatte das Ralgri einem Palastwächter gestohlen, der für seine Fähigkeiten außerordentlich gut bezahlt wurde. Seine eigenen Schwertübungen lagen dagegen schon eine ganze Weile zurück. Trotzdem hoffte er, dass allein der Anblick der Waffe potenzielle Wegelagerer von ihrem Vorhaben abbringen würde. Die Pilgerin nickte ihm zu, als er vorüberritt. Er senkte den Kopf und tat so, als hätte er den Gruß übersehen. Unauffällig trieb er sein Lopec zu einer schnelleren Gangart an. Als die Pilgerin außer Sicht war, ließ er sich im Sattel zurücksinken und stieß einen erleichterten Seufzer aus.

Er war jetzt schon beinahe eine Woche auf der Flucht. Die Landschaft hatte sich merklich verändert, war schroffer geworden und viel karger, als er es gewohnt war. Das satte Grün und Rot des kaiserlichen Ahorns und die blühenden Wiesen rund um Bashun waren von Tag zu Tag mehr dem deprimierenden Anblick verkrüppelter Kiefern und dorniger Büsche gewichen, die sich dem stetig zunehmenden Wind aus Norden entgegenstemmten. Schon seit über drei Tagen hatte Salter keine Felder oder Bauernhöfe mehr zu Gesicht bekommen. Die wenigen Gasthäuser, an denen er vorübergeritten war, ähnelten eher Ruinen als den Behausungen menschlicher Wesen. Schäbige Baracken hinter Holzpalisaden, die alles andere als einladend wirkten. Im Grunde war ihm das aber auch ganz recht gewesen, denn je weniger Interesse die Wirte an ihren Gästen zeigten, desto weniger verfängliche Fragen stellten sie.

Das Gasthaus, in dem er zur Nacht abstieg, wurde von einem zahnlosen Alten und seinen drei grimmig dreinblickenden Söhnen betrieben. Das Essen wurde im Haupthaus ausgeteilt: ein stinkender Brei aus fermentierten Bohnen, den der Wirt aus einem dreckverkrusteten Kessel kratzte. Dem Aussehen nach war er schon seit unzähligen Generationen in Gebrauch und seitdem kein einziges Mal gereinigt worden. Der Geschmack des Breis ließ erahnen, dass seine Grundlage noch immer aus dem Jahr des Nock stammte, als Kaiser Tohu die Ukaren besiegt hatte. Nachdem er den widerlichen Fraß heruntergewürgt hatte, schlurfte Salter mit hängenden Schultern zurück auf den Hof, um sein Lager in der Nähe einer wärmenden Feuerstelle aufzuschlagen. Auf dem Weg nach draußen fiel ihm erneut die Pilgerin auf, die ihm im Vorbeigehen zuzwinkerte. Irritiert runzelte er die Stirn. Im Kopf überschlug er die Geschwindigkeit, mit der sie gegangen sein musste, um noch am selben Tag dieses Gasthaus zu erreichen. Er kam nicht so recht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Andererseits waren die heiligen Männer und Frauen das Wandern ja gewöhnt, und vielleicht hatte sich ein gutwilliger Händler erbarmt und die Frau ein Stück auf seinem Wagen mitgenommen. Ja, das musste die Erklärung sein. Alles andere ergab einfach keinen Sinn. Um einem Gespräch aus dem Weg zu gehen, senkte Salter den Kopf und marschierte grußlos an ihr vorüber.

Er schlug sein Lager neben einer Gruppe bruggischer Pilger auf, die vertrauenswürdig genug erschienen, ihn nicht im Laufe der Nacht um seine Habseligkeiten zu bringen. Die Brugger waren ein ernsthaftes, schwer arbeitendes Volk. Nicht sehr gesprächig, aber von seltener Aufrichtigkeit, die schon beinahe etwas Rührendes an sich hatte. Sie beteten einen Gott an, der aus zwei sich widerstrebenden Persönlichkeiten bestand. Beide besaßen keinerlei Sinn für Humor, was vermutlich daran lag, dass sie sich den alles andere als stattlichen Körper eines Pidi teilen mussten. Ihr stundenlanger, gleichförmiger Singsang wiegte Salter in einen tiefen, traumreichen Schlaf. Er träumte von Pilgern und Fischen und von jähzornigen Göttern, die sich um einen Kessel voller Bohnenpampe balgten und schließlich jämmerlich darin ersoffen. Später kletterte auch noch ein Philosoph in den Kessel hinein, um diesen Traum zu deuten. Doch auch er ertrank, und am Ende war Salter so klug wie zuvor.

Als er am nächsten Morgen schweißgebadet erwachte, hatten die Brugger bereits ihr Lager abgebrochen. Er wusch sich am Brunnen und nahm ein Frühstück ein, das aus den Resten des gestrigen Abends bestand. Zwei zu handtellergroßen Bällen geformte Bohnenbällchen, die in Sav getränkt und über dem Feuer ausgebacken waren. Als er aufgegessen hatte, fütterte er sein Lopec und schwang sich in den Sattel.

Das langhalsige Tier schnaubte unwillig und versuchte mehrmals, nach ihm zu schnappen. Nur mit Mühe gelang es ihm, den scharfen Zähnen auszuweichen. Vor etwa vier Tagen war es ihm ausgebüxt und mitten in ein Dornengebüsch hineingaloppiert. Die meisten Dornen hatte er finden und aus seinem Fell ziehen können, aber der Rest machte dem Tier noch immer schwer zu schaffen. Seitdem war es furchtbar übel gelaunt und zeigte sich von seiner schlechtesten Seite. Zunächst hatte Salter daran gedacht, ihm einen Namen zu geben, um es besser beschimpfen zu können. Doch dann hatte er sich dagegen entschieden. Wenn er es irgendwann verkaufen musste, würde ihm das mit einem Lopec, dessen Namen er kannte, deutlich schwerer fallen. Ein namenloses Tier verkaufte sich dagegen schnell. Da konnte es ihn noch so sehr mit traurigen Augen anschauen.

Andererseits war es vielleicht auch nur glücklich, seiner Gesellschaft endlich entkommen zu dürfen. Immerhin waren seine ersten Erfahrungen mit ihm nicht gerade positiv verlaufen. Zuallererst war es mitten in der Nacht aus seinen Träumen geschreckt und aus dem gemütlichen Stall hinaus in die eisige Nacht gejagt worden. Dann war es beinahe zwei Tage lang ohne Unterbrechung in halsbrecherischem Galopp über die Steppe gehetzt worden, um am Ende an einem Dornengebüsch den Hintern – oder wie man das bei einem Lopec nannte – aufgerissen zu bekommen. Je länger er darüber nachdachte, desto überzeugter war Salter, dass sein Reittier einen regelrechten Freudensprung machen würde, wenn er es an einen langweiligen Händler verkaufte, der ihm reichlich frisches Blattwerk zu fressen gab und es hin und wieder auf einen erfrischenden Ausritt mitnahm.

Salter ritt das Tier, bis es sich weigerte, auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Auf einer Hügelkuppe stieg er schließlich ab und legte eine Rast ein. Er band das Lopec an einem Strauch fest und kramte seine Essensvorräte aus der Satteltasche. Ein in Reispapier eingeschlagener Rest Bohnenpampe, zwei verschrumpelte Äpfel und ein trauriges Stück Trockenfisch. Nicht unbedingt das, was sein stattlicher Magen vom Kaiserhof gewohnt war, aber immer noch besser als nichts. Seufzend zog er das Ralgri aus dem Gürtel und legte es griffbereit neben sich ins Gras. Er faltete das Reispapier auf den Oberschenkeln auseinander und starrte missmutig auf die karge Mahlzeit hinunter.

Der Weg, den er eingeschlagen hatte, wurde nicht häufig genommen. In den vergangenen Stunden war ihm bis auf einen altersmüden Eselskarren und zwei stumme Pilger nur ein reitender Bote begegnet. Der Großteil der Reisenden hatte den einfacheren Weg unten entlang des Flusses genommen. Der war für Salters Geschmack allerdings ein ganzes Stück zu stark befahren. Außerdem patrouillierten auf den Straßen die Garden des Kaisers, denen er besser nicht begegnen sollte.

Obwohl die Sonne schien, war es hier oben, so dicht unter den Säulen, selbst um diese Jahreszeit schon empfindlich kühl. Salter besaß neben seiner dünnen Jacke nur noch eine Satteldecke aus dem Stall. Sie war furchtbar kratzig, aber der eisige Wind zwang ihn, sie sich eng um den Körper zu schlingen. Zum Glück war er recht solide gebaut, was ihm zusätzlichen Schutz gegen die Kälte verlieh. Wehmütig stopfte er sich die Bohnenpampe in den Mund. Wenn die Reiter des Kaisers schnell waren – und daran bestand kein Zweifel –, dann hatte sich die Nachricht bereits bis Olderog herumgesprochen. Die Wächter am Mondtor hielten vermutlich schon nach ihm Ausschau. Sicher würden sie auch Boten weiter nach Kaylt und Varun aussenden, nur um ganz sicherzugehen. Jede verdammte Siedlung südlich der Berge musste sein Gesicht inzwischen kennen. Was für eine Ironie. Sein...

Erscheint lt. Verlag 10.2.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Abenteuerroman • deutscher phantastik preis • Die Blaustein-Kriege • eBooks • Einzelroman • Fantasy • Fantasy-Abenteuer • Geheimnis • High Fantasy • Magier • Orks vs. Zwerge • Schätze • T. S. Orgel
ISBN-10 3-641-23388-7 / 3641233887
ISBN-13 978-3-641-23388-4 / 9783641233884
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich