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Seductio - Von Schatten verführt (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
364 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98421-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Seductio - Von Schatten verführt -  Regina Meißner
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Im Licht geboren. Von Schatten umgeben. Die 19-jährige Ivory ist seit ihrer Kindheit auf der Flucht, weil sie als Schlüsselträgerin die Einzige ist, die die Schatten in Embonis aus ihrer Gefangenschaft befreien kann. Doch deren Übersiedeln in die menschliche Welt muss unbedingt verhindert werden. Als der Privatermittler Kil in Ivorys Leben tritt, erfährt sie Sicherheit und Zuneigung. Aber das Glück ist trügerisch und Gefahren lauern im Verborgenen. 'Seductio - Von Schatten verführt' ist der erste Teil der Seductio-Trilogie und eine überarbeitete Neuausgabe des unter dem selben Titel bereits im Selfpublishing erschienen Werkes.

Regina Meißner wurde im März 1993 in einer Kleinstadt in Hessen geboren, in der sie noch heute lebt. Nach dem Abitur hat sie im Jahr 2012 ein Studium in den Fächern Germanistik und Anglistik begonnen. Neben dem Schreiben liest und fotografiert sie sehr gern. Außerdem ist sie als Bloggerin unterwegs und mag es, Zeit mit ihrem Dackel im Wald zu verbringen.

Kapitel 1


Gedankenverloren verstaute ich die weiße Engelsfigur im Karton zu meinen Füßen. Mehrmals in Papier geschlungen, hoffte ich, dass sie den Umzug überstehen würde. Vorsichtig drapierte ich die restlichen, zerbrechlichen Gegenstände neben ihr und wandte mich dem Regal zu, das rechts neben meinem Bett stand. Mittlerweile konnte man meine Habseligkeiten mühelos abzählen, weshalb das Zusammenpacken immer schneller ging. Hatte ich am Anfang noch mehrere Stunden benötigt, war die Sache nun in zwanzig Minuten über die Bühne gebracht. Ich kaufte nichts mehr, ich staute nichts mehr an, weil es sich nicht lohnte, sein Herz an etwas zu hängen, das von einem Ort stammte, den man nie wiedersehen würde. Wenn ich eine Lektion in meinem Leben gelernt hatte, dann die, dass Menschen Erinnerungen viel zu hoch schätzten und sich an das Wort Abschied klammerten wie an ein untergehendes Schiff. Erinnerungen waren nicht nur schmerzhaft oder zerstörend, sie waren vor allem sinnlos. Vergangenes war geschehen und niemand in der Lage, etwas daran zu ändern. Und Abschied? Jahrelang hatte ich gebraucht, um ein Meister in dem zu werden, das sich Auf-Wiedersehen-Sagen nannte. Ungern dachte ich an die vielen, verschwendeten Tränen zurück, die geflossen waren und mich verweichlicht hatten. Zum Glück war damit Schluss.

Langsam schloss ich den Deckel des Pappkartons und ging in die Hocke, um ihn besser in beide Hände nehmen zu können. Ich war überrascht, als ich ihn scheinbar mühelos auf dem Tisch abstellte. Noch etwas hatte sich geändert: Die Kartons waren leichter geworden. Ich seufzte. Der Anblick des leeren Zimmers kam mir bekannt vor. Kein Wunder, denn vor gerade einmal einundsechzig Tagen hatte es hier genauso ausgesehen. Kahle Wände ohne Bilder, ein Boden ohne Teppich, ein Raum ohne Seele. Desinteressiert zuckte ich mit den Schultern, setzte mich auf den letzten Stuhl und faltete meine Hände im Schoß. Die Beine übereinanderlegend, fiel mein Blick noch einmal auf die kargen drei Kartons, die nebeneinander auf dem Tisch standen. Es war erniedrigend, sein ganzes Leben derart komprimieren zu können. Einem anderen wären bei diesem Anblick die Tränen gekommen, aber ich tat jegliche Sentimentalität mit einem Schulterzucken ab.

»Ivory, bist du fertig?«

Es war Tante Grace, die überstürzt in das Zimmer gerannt kam und am Türrahmen stehen bleiben musste, um auszuatmen. Die einstige Ordnung ihrer Hochsteckfrisur konnte man kaum noch erkennen, da sich Hunderte Strähnen unordentlich ihren Weg aus dem Knoten gebahnt hatten. Schmerzhaft erkannte ich schon zum zweiten Mal in dieser Woche, dass Grace’ Gesicht nicht mehr ganz so jung aussah wie in meiner Kindheit. Ihr früher dunkelbraunes Haar musste nun Platz machen für graue Strähnen. Wenn sie lächelte, erschienen um ihren Mund die ersten Falten, und auch Grace’ Augen wirkten in letzter Zeit matt und ausgelaugt. Dies färbte aber nicht auf ihr Wesen ab.

»Ja«, beantwortete ich meiner Tante die eben gestellte Frage. Ich sah, wie Grace’ Blick sehnsüchtig durch den Raum wanderte und schließlich an mir hängen blieb.

»Ich habe gehofft, dass es dieses Mal für länger ist«, flüsterte sie in einem Tonfall, der mir die Kehle zuschnürte.

»Wie gesagt, ich bin fertig«, entgegnete ich schnell und strich mir durch die Haare. Geschäftig sprang ich auf, nach einem der Kartons greifend.

»Ich lade ihn schon mal in den Transporter, okay?«

Ohne Tante Grace’ Antwort abzuwarten, schlängelte ich mich an ihr vorbei durch die Tür. Wir bewohnten das Erdgeschoss eines Neubaus mitten in Greenville.

Unter Menschen kann man leicht untertauchen. Hier werden sie dich bestimmt nicht finden, Ivory.

Ich biss die Zähne zusammen, als ich mich an Grace’ Worte erinnerte, die sie vor zwei Monaten noch voller Optimismus vorgetragen hatte.

Man sah ja, was daraus geworden war. Mit einundsechzig Tagen Aufenthalt verteidigte Greenville die Spitzenposition all meiner bisherigen Versuche, neu anzufangen.

»Du brauchst keinen Schlüssel, ich habe das Auto aufgelassen«, verkündete Grace, die hinter mir erschienen war und Karton Nummer zwei in ihren Händen hielt.

Ich nickte, stellte die Schachtel vor mir auf den Boden und öffnete den geräumigen Kofferraum des braunen Transporters.

»Ich denke, in Des Moines wird es besser werden.«

»Was soll denn da anders sein?«, schoss ich zurück und schaute meine Tante herausfordernd an.

Sie kam ins Straucheln, spielte nervös an ihren Fingern herum.

»Wir können neu anfangen … Niemand kennt uns …«, stammelte sie vor sich hin.

Energisch schlug ich die Tür zum Kofferraum zu. Grace zuckte zusammen.

»Wir werden es dieses Mal einfach geschickter angehen. Sie wissen nicht, dass wir uns Des Moines ausgesucht haben. Es wird Monate, vielleicht Jahre dauern, bis sie uns gefunden haben. Immerhin sind es über achthundert Meilen, die wir fahren müssen.«

»Das vorletzte Mal waren es zweitausend, und sie haben uns trotzdem nach einem halben Jahr gefunden«, konterte ich.

»Ach Ivory, ich weiß ja auch nicht.«

»Dann sag auch nichts. Ich hole jetzt die dritte Schachtel und deine Sachen. Dann kann es losgehen.«

Es war Grace’ Seufzen, das mich bis in die Küche begleitete.

 

Im Gegensatz zu mir war meine Tante eine leidenschaftliche Sammlerin. Sie hatte eine Schwäche für kleine Porzellanfiguren und hätte sich wohl eher selbst geopfert, als eine der Kreaturen wegzugeben. Ich wusste nicht, woher eine vierundfünfzigjährige Frau die Ausdauer nahm, jedes Mal neu anzufangen. Woher sie das Durchhaltevermögen hatte, ihr Leben immer wieder aufzubauen. Woher sie die Kraft nahm, an jedem unbekannten Ort die herzensgute und freundliche Frau zu bleiben, die sie war.

Stöhnend zählte ich die braunen Kartons durch, die sich über den gesamten Boden der Küche verteilten. Schließlich stapelte ich die ersten zwei übereinander und steuerte noch einmal den Weg zu unserem Transporter an.

»Pass auf, dass du nicht zu viel auf einmal trägst, Schätzchen …«, eröffnete meine Tante mir, doch ich quittierte ihre Bemerkung mit einem nichtssagenden Blick. Wir mussten diesen Ort ohnehin verlassen – dann konnte das Ganze auch schnell gehen.

Der Kofferraum, den ich eben in einem Anflug von Wut zugeschlagen hatte, war schon wieder geöffnet.

»Ich weiß nicht, wie du es immer schaffst, deine ganzen Sachen in bloß drei Umzugskartons zu quetschen.«

Ich hielt inne, während ich Grace für einen Moment bedeutungsschwer anschaute. Doch als ein entschuldigendes Lächeln ihre Mundwinkel besiedelte, verzichtete ich auf eine Antwort. Vielleicht war es sogar besser, sie in dem Glauben zu lassen, ich besäße immer noch so viel wie damals als kleines Kind. Manchmal war es einfacher, die Augen vor der Realität zu verschließen. Denn eine wunderschöne Lüge konnte wohltuender sein als die grausame Wahrheit. Grace sah nur das, was sie sehen wollte. Sie nahm die leeren Regale in meinem Zimmer nicht wahr, sondern nur das eine volle, in das ich meine Habseligkeiten gestellt hatte. Sie erkannte meinen dunklen Kleidungsstil nicht an, weil sie mich noch immer in den bunten Frühlingskleidern meiner Kindheit sah.

Nachdem ich alle siebzehn Umzugskartons mehr oder weniger sicher im Laderaum des Transporters verstaut hatte, ging ich noch einmal in mein Zimmer, um meine Jacke zu holen. Ich schloss die Tür hinter mir, ohne noch einen Blick auf das Steingebäude zu werfen, das in den letzten einundsechzig Tagen mein Unterschlupf gewesen war.

»Hast du den Schlüssel dem Vermieter gebracht?«, fragte ich meine Tante und setzte mich neben sie auf den Beifahrersitz.

Sie nickte.

»Walter hat ihn heute Morgen bekommen.«

Geschickt manövrierte Grace das wuchtige Auto aus der engen Einfahrt, drehte und fuhr die bevölkerte Straße hinunter. Selten flohen wir tagsüber. Meistens warteten wir auf die Dämmerung, da es einfacher war, zu verschwinden. Doch besondere Umstände erforderten besondere Maßnahmen.

»Wo genau hast du ihn gesehen?«, fragte meine Tante, als wir schon ein Stück des Weges hinter uns gebracht hatten.

Genervt sah ich sie von der Seite an.

»Ich habe dir doch schon alles gesagt, was ich weiß«, sagte ich gedehnt.

»Ivory, bitte.«

Ich stöhnte.

»Gestern Abend an der Grenze zu Urbandale.«

»Und du bist ganz sicher, dass es einer von ihnen war?«

»Ja, doch!«, beteuerte ich. »Ich weiß, wie sie aussehen.«

»Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie uns dieses Mal finden. Ich meine, wir haben doch alles richtig gemacht! Ein neues Haus, eine Großstadt, neue Namen.«

Freudlos lachte ich auf.

Mehr aus Langeweile als aus Interesse öffnete ich die schwarze Geldbörse, die im Handschuhfach lag. Vorsichtig zog ich den gefälschten Ausweis aus einem der Fächer. Ein fremdes Mädchen lächelte mich scheu an. Veronica Sevens. Geboren 1994, gestorben vor einem Jahr. Aber das wusste natürlich niemand. Warum auch? Immerhin gab es nun jemanden, der ihre Identität übernahm. Mich.

»Können wir die Ausweise behalten?«, fragte ich Grace.

»Ich hatte bisher keine Zeit, neue zu besorgen«, gestand sie.

»Aber ich glaube nicht, dass das ein Problem ist. Immerhin hat dieser Mann dich ja nur gesehen. Er weiß nicht, wie du heißt, und kann demnach mit einem Namen nichts anfangen.«

Ich steckte den Ausweis zurück in sein Fach und schloss das Portemonnaie.

»Wir werden nach dreihundert Meilen eine kleine Pause einlegen. Ein Zimmer habe ich dieses Mal nicht gebucht, dafür fehlt uns die Zeit.«

Ihre Gedankengänge plätscherten an mir vorbei wie ein Regenschauer. Desillusioniert starrte ich aus...

Erscheint lt. Verlag 4.12.2018
Reihe/Serie Seductio
Seductio
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction
Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Amy Ewing • Dystopie • Erin Watt • Historische Romane • Hunger Games • ivory • Liebesromane • Mara Woolf • Märchen • Romantic Fantasy • Romantik • Seductio - Reihe • Trilogie • Young Adult
ISBN-10 3-492-98421-5 / 3492984215
ISBN-13 978-3-492-98421-8 / 9783492984218
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